Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin 2015; 1(01): 14-19
DOI: 10.1055/s-0034-1395858
Wissen
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart · New York

Gesunde Ernährung, Teil 2

Moderne Ernährung
Hans-Peter Friedrichsen
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Dr. med. Hans-Peter Friedrichsen
Schönbergstr. 11 a
79291 Merdingen

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Publication Date:
31 March 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Die moderne Ernährung ist gekennzeichnet durch einen hohen Anteil an Fertigprodukten und industriell verarbeiteten Ölen und Fetten mit einem ungünstigen Fettsäuremuster und unzureichender Versorgung mit EPA und DHA. Früchte und Gemüse haben heute einen geringen Stellenwert, während viel Getreide, Zucker und potenziell diabetogene und obesogene Milch konsumiert werden.


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Nachdem in Teil 1 des Beitrags Lebensweise und traditionelle Ernährung der Jäger und Sammler beschrieben wurden, soll nachfolgend ein Überblick über heutige Ernährungsempfehlungen und die tatsächlichen Verzehrsgewohnheiten gegeben werden.

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Fertigprodukte und verarbeitete Nahrungsmittel gehören zu den Hauptbestandteilen der modernen Ernährung. © MEV

In den zurückliegenden 100 Jahren hat sich die menschliche Ernährung stärker verändert als in Jahrtausenden davor. Dies kann nicht ohne Folgen bleiben. Aus globaler Sicht produzieren wir genügend Nahrungsmittel, aus individueller Sicht haben wir allerdings einen großen Mangel an natürlichen und hochwertigen Lebensmitteln, die frei sind von Schadstoffen aller Art und ihren ursprünglichen hohen Wertstoffgehalt haben. Die Nahrungsmittelproduktion orientiert sich heute in erster Linie am möglichen Profit, nicht am Bedarf des Menschen.

Verarbeitete Nahrungsmittel sind die Hauptbestandteile der modernen Ernährung. Dabei zeigt sich ein klares Nord-Süd-Gefälle, im Norden werden mehr hochverarbeitete Industrie-Nahrungsmittel gegessen als im Süden ([Tab. 1]).

Tab. 1 Prozentualer Anteil von industriellen Fertigprodukten an der Ernährung (nach [1]).

 

stark verarbeitet

moderat verarbeitet

unverarbeitet

Spanien

39

35

24

Italien

47

24

28

Deutschland

57

22

18

Großbritannien

62

24

12

Schweden

64

20

11

Der Anteil der industriell verarbeiteten Nahrungsmittel in der Ernährung nimmt ständig zu und liegt zwischen 76 % (Spanien) und 89 % (Schweden). Zucker liefert inzwischen bis zu 20 % der täglich zugeführten Nahrungsenergie.

Moderne Ernährungsempfehlungen

Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) empfiehlt die folgende Zusammensetzung der Ernährung als Grundlage für die Gesundheit (prozentualer Anteil an der Energiezufuhr, EN %) [2]:

  • Eiweiß: 9-11 EN % (bei starker körperlicher Aktivität bis 15 %)

  • Fett: 30 EN % (bei starker körperlicher Aktivität bis 35 %)

  • Kohlenhydrate: 60 EN % mit hohem Anteil an Getreide (35 %)

Dies unterscheidet sich ganz erheblich von der Ernährung der Jäger und Sammler sowie auch von der als gesund erachteten traditionellen Mittelmeerkost ([Tab. 2]).

Tab. 2 Vergleich der Ernährungsformen mit der DGE-Empfehlung.

 

Jäger 1 Sammler Ostafrika

mediterrane Kost

DGE-Empfehlung [2]

Eiweiß (EN %)

30 (Fleisch, Fisch, Ei)

20

10 (körperlich Aktive: 15)

Kohlenhydrate (EN %)

35 (Früchte, Gemüse)

45 (inkl. Getreide)

60 (35 EN % Getreide)

Fett (EN %)

35

35

30 (körperlich Aktive: 35)

Getreide

kein

moderat

hoch

Milchprodukte

keine

moderat

hoch

Zucker (EN %)

1 (aus Honig)

< 10

10 (WHO: 5)


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Fleisch

Der Verzehr von Fleisch und insbesondere rotem Fleisch wird heute häufig als gesundheitlich bedenklich dargestellt und soll daher reduziert werden. Aus gesundheitlicher Sicht ist weniger die Menge des verzehrten Fleisches, sondern die Qualität und die Art der Zubereitung von entscheidender Bedeutung. Der Stoffwechsel ist gut an den Konsum von hochwertigem und unbelastetem Fleisch angepasst. Dazu zählen (möglichst aus echter biologischer Haltung) mageres Rindfleisch, Geflügel oder auch Wild. Stoffe wie Antibiotika, Hormone oder sonstige Chemikalien sollte das Fleisch natürlich nicht enthalten. Der Verzehr von Industriefleisch, gesalzenem/gepökeltem Fleisch, Fleischwaren oder Wurst kann nicht empfohlen werden. In Deutschland werden allerdings mehr Fleisch- und Wurstwaren als reines Fleisch verzehrt. Dies ist bedenklich und muss bei der gesundheitlichen Bewertung des Fleischkonsums unbedingt beachtet werden.

Ernährungsfachgesellschaften wie die DGE empfehlen, den Fleischkonsum zu reduzieren und zur Proteinversorgung Milchprodukte wie Milch, Joghurt, Quark und Käse zu verzehren. Diese Empfehlungen der DGE unterscheiden sich stark von der Ernährung der Jäger und Sammler, die im Durchschnitt (in Ostafrika) 140 g Eiweiß aus Fleisch/Fisch/Ei lieferte ([Tab. 3]).

Tab. 3 DGE-Empfehlung zur Proteinversorgung [2] im Vergleich zur Ernährung der Jäger und Sammler.

2300 kcal = 100 EN %

Gramm Eiweiß

EN %

Jäger/Sammler g / EN %

250 ml Milch

8,25

1,5

0

50 g Käse

12

2,2

0

70 g Fleisch
30 g Fisch
1 Ei

15
6
6,7

2,7
1,1
1,2

}  140 g / 21 EN %


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Fette und Öle

Das Fleisch der modernen Schlachttiere ist ganz im Gegensatz zum Fleisch wilder Tiere reich an ungünstigen gesättigten Fettsäuren (20 %) und arm an ω-3-Fettsäuren. Das Wildtier zeigt nur in wenigen Wochen des Überflusses einen vermehrten Anteil an gesättigten Fettsäuren, die allerdings günstiger zusammengesetzt sind als beim modernen Zuchttier. Der Anteil gesättigter Fettsäuren liegt beim Wildtier bei 6-7 % und der Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren bei 5 %. Im Fleisch von Zuchttieren, in Milchprodukten und Pflanzenölen/Fetten finden sich verstärkt Myristinsäure (C-14) und Palmitinsäure (C-16), die sich ungünstig auf den Fettstoffwechsel auswirken und v. a. den Cholesterinspiegel erhöhen. Zuchtfleisch zeigt einen Anteil von ca. 6-10 % an diesen ungünstigen Fettsäuren, Wildfleisch < 1 %.

Die Industriekost liefert > 10 % der Energie über ungünstige gesättigte Fette, v. a. Fettsäuren wie Myristin- und Palmitinsäure oder Transfettsäuren − letztere gab es nicht bei Jägern und Sammlern. Das Verhältnis ω-6- zu ω-3 Fettsäuren lag bei 1 : 1 bis 2 : 1, heute liegt es bei 10 : 1 bis 30 : 1.

In der modernen Ernährung tragen industriell verarbeitete Pflanzenöle ganz wesentlich zur Fettzufuhr bei. Dabei können hochwertige, kaltgepresste und naturbelassene Öle durchaus einen gesundheitsfördernden Effekt haben, wie das native Olivenöl in der mediterranen Küche. Der Großteil der heute konsumierten Pflanzenöle ist allerdings erhitzt und erleidet dadurch eine Veränderung seiner Fettsäuren. So entstehen z. B. auch gesundheitsschädliche Transfettsäuren in diesen industriell verarbeiteten Ölen.

Durch die hohe Zufuhr von Pflanzenölen hat sich das Verhältnis der ungünstigen Linolsäure (LA) zur günstigen α-Linolensäure (ALA) stark verändert. Zu Zeiten der Jäger und Sammler lag es bei 1 : 1,3, heute bei 10 : 1 ([Tab. 4]). Dies wird zusammen mit der Veränderung anderer Fettsäureverhältnisse als einer der ursächlichen Ernährungsfaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen betrachtet.

Tab. 4 Fettsäurezufuhr (nach [3]).

Jäger und Sammler

EN %

g/d

Ratio

heute

gesättigte FS

12

38

 

Empfehlung: < 10 EN % = 25 g

ω-6-LCFA (langkettige FS)

1,6

5,1

 

 

Linolsäure (LA)

3,6

11,3

 

Empfehlung: 5–10 EN %

ω-3-LCFA

2,4

7,6

 

Empfehlung:
0,5 EN %

α-Linolensäure (ALA)

4,3

13,5

 

USA/England: 0,6 EN %

EPA+DHA

2

6

 

0,5 g/d (Inuit: 11 g/d)

EPA

0,5

1,7

 

 

DHA

1,4

4,3

 

 

LA/ALA-Ratio

 

 

1 : 1,3

10 : 1

ω-6-LCFA/­ω-3-LCFA-Ratio

 

 

1 : 1,5

6 : 1 bis 20 : 1

Die heutige Empfehlung einer hohen Linolsäurezufuhr muss sehr kritisch betrachtet werden, da sich so das ohnehin schon ungünstige Verhältnis von LA zu ALA weiter verschlechtert und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sich erhöht.

Kostengünstige Pflanzenöle werden zusammen mit verschiedenen Chemikalien auch für die Margarineherstellung eingesetzt. Margarine wurde als kostengünstiger Ersatz für Butter entwickelt. Der gepriesene gesundheitliche Vorteil gegenüber der Butter ist bis heute wissenschaftlich nicht belegt, eher das Gegenteil ist der Fall.

Die heutige Fettzufuhr über industriell verarbeitete Pflanzenöle und Margarine ist ungünstig und führt zu einem gesundheitlich bedenklichen Missverhältnis mit zu hohem Anteil an Linolsäure, Myristinsäure und Palmitinsäure und einem Mangel an α-Linolensäure, EPA und DHA.

Transfettsäuren finden sich natürlicherweise nur in sehr geringen Mengen in Lebensmitteln, auch im Fleisch. Durch die industrielle Nahrungsmittelerzeugung sind sie inzwischen allerdings weit verbreitet und lassen sich bei jedem Menschen, der Industrie-­Nahrungsmittel verzehrt, im Blut nachweisen. Sie entstehen bei der Herstellung von gehärteten Fetten in der Nahrungsmittelindustrie (Streichfett, Brat- und Frittierfett) und von Fertigprodukten. Transfette finden sich daher in Backwaren aller Art, in vielen Snacks, in frittierten Produkten, in industriell hergestellten Ölen und in Margarine, in Fertiggerichten wie Suppen. Dabei kann der Gehalt an Transfetten bis zu 30 % betragen. ­Transfettsäuren ma­chen in den USA und anderen Industrienationen mit hohem Verzehr von Fertignahrung inzwischen > 2 % der Energiezufuhr aus. Sie stehen in dringendem Verdacht, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und für Krebs zu erhöhen.

Meidung von Transfettsäuren, Reduktion ungünstiger gesättigter Fette sowie von Linolsäure und Erhöhung der Zufuhr von ω-3-Fettsäuren, insbesondere EPA (Eicosapentaensäure) und DHA, kann z. B. das kardiovaskuläre Risiko um bis zu 50 % reduzieren.

Die Zufuhr von ω-3-Fettsäuren (inklusive α-Linolensäure) lag in der Jäger-und-Sammler-Ernährung bei > 20 g pro Tag mit einem hohen Anteil an EPA und DHA (> 6 g). Die DGE empfiehlt die Zufuhr von 0,5 EN % (das entspricht bei 2300 kcal: 11,5 kcal oder 1,3 g) an ω-3-Fettsäuren [2]. Die von der DGE empfohlene Verzehrsmenge von fettreichem Fisch von 10 g/d liefert ca. 0,25 g ω-3-Fettsäuren (EPA/DHA). Dies unterscheidet sich sehr stark von der Zufuhr der Jäger und Sammler mit > 6 g.

Die in der DGE-Empfehlung nicht durch Fisch abgedeckten 1,05 g ω-3-Fettsäuren müssen über Pflanzenöle mit hohem α-Linolensäuregehalt abgedeckt werden. Die Konversionsrate von α-Linolensäure zu Eicosapentaensäure liegt bei < 5 %. Die DGE empfiehlt 15 g Öl (z. B. Rapsöl, Walnussöl, Sojaöl) pro Tag. Zur Versorgung mit nur 1 g EPA wäre bei optimaler Konversion die Zufuhr von 330 ml Sojaöl (2700 kcal als Fett) bzw. 240 ml Rapsöl (2160 kcal als Fett) nötig. Diese Menge würde eine unerwünscht hohe Zufuhr der ungünstigen Linolsäure mit sich bringen. Die eher noch zu niedrige Menge von 1 g EPA kann daher viel sinnvoller und physiologischer durch 30 g Hering (63 kcal) oder 60 g Lachs (120 kcal) geliefert werden und zwar ohne das Risiko der unsicheren Konversion von α-Linolensäure zu EPA und ohne die unerwünschte Zufuhr großer Mengen an Linolsäure ([Tab. 5]).

Tab. 5 DGE-Empfehlung zur ω-3-Fettsäurenzufuhr v. a. aus Pflanzenöl [2] im Vergleich zu Fisch.

EN = 2500 kcal

α-Linolensäure in g

EPA in g

kcal

EN % Fett

Linolsäure in g

330 ml Sojaöl

20 g

1 g

2700

108

181

240 ml Rapsöl

20 g

1 g

2160

86,4

46

30 g Hering

keine Konversion

1 g

63

2,5

< 0,1

60 g Lachs

keine Konversion

1 g

120

4,8

< 0,1

In einer Metaanalyse von 2006 konnte gezeigt werden, dass nur die Zufuhr von EPA/DHA über Fisch oder Fischölpräparate, nicht aber die Zufuhr von α-Linolensäure das Herz-Kreislauf-Risiko und die Gesamtsterblichkeit in den untersuchten Populationen senkt [4].

Die bedarfsgerechte Versorgung mit EPA und DHA über Pflanzenöle ist also nicht möglich. Das präventive Ziel (Senkung des Krankheitsrisikos) wird nicht erreicht und die Zufuhrmenge an Linolsäure und Fett ist zu hoch. Das wird in der DGE-Empfehlung leider nicht berücksichtigt.

Die mangelhafte Versorgung mit den wichtigen ω-3-Fettsäuren EPA und DHA stellt ein ganz wesentliches Problem der modernen Ernährung dar. Dieser Mangel wird heute als wichtiger ursächlicher Faktor für viele chronisch degenerative Erkrankungen der Industrieländer betrachtet, wie

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen,

  • Neurodegeneration,

  • chronisch entzündliche Prozesse und auch

  • Tumorerkrankungen.

Die entsprechenden Zufuhrempfehlungen der DGE und auch anderer Fachgesellschaften sind in diesem Punkt absolut nicht bedarfsgerecht.


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Obst und Gemüse

Früchte, Wurzeln, Knollen, Blätter, Samen und Nüsse waren die wichtigsten pflanzlichen Nahrungsmittel der Jäger und Sammler. Davon haben sie im Durchschnitt 1,5 kg/d verzehrt (2800 × 0,3 × 100/55). So wurden große Mengen an Vitaminen, Mineralstoffen und v. a. sekundären Pflanzenstoffen aufgenommen. Dies war die Voraussetzung für eine optimale antiinflammatorische und antioxidative Ausstattung des Stoffwechsels. Die DGE und andere Fachgesellschaften empfehlen heute 10 EN % durch Obst und Gemüse abzudecken. Daraus resultiert, die nach Abzug der empfohlenen 10 EN % für Zucker verbleibenden 35-40 EN % über Getreideprodukte zuzuführen ([Tab. 6]).

Tab. 6 Vergleich Ernährung Jäger und Sammler mit der DGE-Empfehlung.

 

Jäger und Sammler

DGE-Empfehlung [2]

Energie in kcal

2 800

2 300

Obst, Knollen, Wurzeln, Gemüse in EN %

30 % (entspricht 840 kcal)

10 % (entspricht 230 kcal)

Obst, Gemüse in g

1 500

650

Getreideprodukte in EN %

0

34 % (entspricht 775 kcal)

Getreideprodukte in g

0

475 (Brot 250 g, Nudeln 225 g)

Die Reduktion der Zufuhr von Obst und Gemüse zu Gunsten der Getreideprodukte muss aus gesundheitlicher Sicht als bedenklich angesehen werden. Diese DGE-Empfehlung kann daher nicht als bedarfsgerecht für Gesundheit und Prävention betrachtet werden.

Die heutigen Ernährungsempfehlungen und auch der tatsächliche Verzehr beinhalten zu wenig Früchte, Gemüse, Rohkost, Nüsse etc. und zu viele Getreideprodukte.


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Getreide

Getreide wurde erst vor < 10 000 Jahren (Agricultural Transition) in die menschliche Ernährung eingeführt. Durch die vorangegangene Eiszeit war der Tierbestand reduziert und mit der Zunahme der Bevölkerungsdichte im Verlaufe der neolithischen Erwärmung kam es zu Nahrungskonkurrenz und Versorgungsengpässen. Die Kultivierung des Getreides sicherte die Versorgung mit preiswerter Energie für die zu der Zeit größer werdenden Gruppen.

Der gesundheitliche Wert insbesondere von Vollkorngetreide wird immer wieder beschworen, obwohl relativ viele Menschen Vollkornprodukte nicht so gut vertragen. Meteorismus und funktionelle Darmbeschwerden sind weit verbreitet.

Auf den ersten Blick liefert Brot eine Reihe wichtiger Mikronährstoffe in guter Menge, v. a. Magnesium und Folsäure. Allerdings geschieht dies verbunden mit einer hohen Zufuhr von Kochsalz und einem ungünstigen Natrium/Kalium-Verhältnis. Für die Magnesiumversorgung stehen bessere Alternativen zur Verfügung (Magnesium/100 g):

  • Spinat: 58 mg

  • Papaya: 40 mg

  • Banane: 31 mg

  • Brombeere: 30 mg

Auch die Versorgung mit Folsäure und den anderen B-Vitaminen gelingt genauso gut oder sogar besser durch Obst und Gemüse ([Tab. 7]).

Tab. 7 Nährstoffvergleich von Brot mit Fleisch, Fisch, Gemüse, Obst (nach [5]).

mg / 100g

Na

K

Ca

Mg

Fe

Vit. B1

Vit. B2

Vit. B6

Fols.

Vit. C

Vollkornbrot

448

220

31

60

2

0,23

0,15

0,08

29

0

Rindfleisch

66

355

4

21

2,2

0,15

0,37

0,13

9,4

< 1

Lachs

51

371

13

29

1

0,18

0,16

1

3,4

1

Brokkoli

9

279

87

19

1

0,1

0,18

0,28

114

90

Erdbeere

1,4

160

21

15

1

0,1

0,1

0,1

43

63

Brombeere

2

180

44

30

1

< 0,1

< 0,1

< 0,1

< 0,1

17

Der Konsum von großen Getreidemengen über lange Zeiträume, wie in den Industrieländern üblich und von den Fachgesellschaften empfohlen, kann eine ganze Reihe von gesundheitlichen Problemen auslösen. Brot und v. a. das Frühstücksmüsli führen zu einer wesentlich höheren glykämischen Belastung als Obst und Gemüse.


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Milchprodukte

Milch und Milchprodukte liefern nach der Nationalen Verzehrsstudie II in Deutschland ca. 16 % der Nahrungsenergie [6]. Bisher wurde Kuhmilch lediglich als Nahrungsmittel betrachtet und dabei außer Acht gelassen, dass es sich um ein endokrines Signalsystem handelt, welches auch im menschlichen Organismus anabole Wirkung erzeugt. Dies erfolgt über eine Aktivierung der mTORC1-Kinase, die auf molekularer Ebene Zellwachstum, Zellteilung und Anabolismus reguliert. Auch die in Kuh­milch in hoher Konzentration enthaltene Palmitinsäure wirkt aktivierend auf das mTORC1-System und erhöht v. a. die Fettakkumulation. Eine Überaktivierung dieses Systems durch ständigen Milchkonsum führt zu erhöhter Fett­ansammlung, Gewichtszunahme und Insulinresistenz. Während der Schwangerschaft hat die „physiologische“ maternale Insulinresistenz die Aufgabe, den diaplazentaren Glukosestrom Richtung Fötus zu sichern. Kuhmilchkonsum der Mutter während der Schwangerschaft überaktiviert die plazentare Glukosezufuhr zum Föten und induziert dadurch sowie durch erhöhte BCAA-Zufuhr (BCAA: Branched-Chain Anmino Acids) vermehrtes Wachstum und Insulinresistenz, aus denen sich im späteren Leben ein Diabetes entwickeln kann. Kuhmilch hat einen hohen insulinämischen Index und erhöht durch die Verstoffwechselung der insulinotropen Aminosäuren aus der Kuhmilch den Blutzuckerspiegel sehr viel stärker als andere Proteine.

Aktuelle Studien zeigen, dass ständiger Verzehr von Kuhmilch diabetogen wirkt [7]. Auch in der EPIC-Studie konnte dieser Zusammenhang zwischen Milchkonsum (gilt nicht für Joghurt oder Käse) und erhöhter Diabetesinzidenz für Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Schweden gezeigt werden [8].

Milch ist nicht gleich Milch, denn die Fettsäurezusammensetzung der Milch wird durch die Fütterung bestimmt. Die Milch von mit Silage gefütterten Kühen (industrielle Milchwirtschaft) enthält im Vergleich zu Kühen mit Gras-/Heufütterung mehr gesättigte Fettsäuren und weniger PUFA und ω-3-Fettsäuren. Die in großen industriellen Betrieben erzeugte Milch (Silagefütterung) enthält also mehr atherogene Fettsäuren als die in der traditionellen Weidehaltung erzeugte. Antibiotika und Hormone werden zur Erhöhung der Milchleistung eingesetzt und finden sich in Spuren natürlich auch in der Milch wieder. Dasselbe gilt für die Schadstoffe aus den eingesetzten, möglichst billigen Futtermitteln.

Kuhmilch ist keinesfalls ein unverzichtbares Nahrungsmittel mit hohem gesundheitsfördernden Wert, welches in großen Mengen verzehrt werden sollte. Kuhmilch ist diabetogen und obesogen. Der Konsum sollte daher deutlich eingeschränkt werden.


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Zucker

15-20 % der täglichen Energiezufuhr wird über Zucker bzw. Süßwaren bestritten. Die DGE hält 10 EN % für unbedenklich. WHO (neue Richtlinie) und American Heart Association empfehlen nur 5 EN %. Es ist heute unbestritten, dass in vielen Ländern − gut sichtbar in China − die Diabetesinzidenz mit dem Zuckerkonsum ansteigt.

Zucker führt zu vielfältigen negativen Stoffwechseleffekten und wird in ursächlichem Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten gesehen. Dazu zählen z. B.

  • Diabetes,

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen,

  • Übergewicht und

  • nicht alkoholische Fettleber.

Wegen der zahlreichen diskutierten gesundheitsschädlichen Wirkungen sollte Zucker nicht konsumiert werden. Vor allem der in Fertigprodukten wie Fruchtsäften, Ketchup, Fertiggerichten etc. versteckte Zucker muss beachtet werden.


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Schadstoffe in Nahrungsmitteln

Einen großen Unterschied zwischen der modernen Zivilisationskost und der ­Ernährung unserer Vorfahren stellt die Belastung der modernen Nahrungsmittel durch eine Vielzahl von Chemikalien dar.

Lebensmittelzusatzstoffe

Die > 300 zugelassenen Zusatzstoffe werden den Nahrungsmitteln bei ihrer industriellen Verarbeitung bewusst zugesetzt und dienen zur Konservierung, zur Geschmacksverstärkung, zur optischen Aufwertung, zur Unterstützung von Verarbeitungsprozessen o. ä. Für die Ernährung haben diese Chemikalien keinerlei Wert. Sie sind potenziell gesundheitsschädlich (Allergien u. a.) und dienen häufig dazu, minderwertige Produkte aufzuwerten. So wirkt z. B. der in großen Mengen von der Industrie eingesetzte Geschmacksverstärker Mononatrium­glutamat (E 62) ausgeprägt appetitanregend und führt dazu, das entsprechende Produkt verstärkt zu konsumieren. Konservierungsstoffe ermöglichen der Industrie lange Transportwege und die Lagerung von Lebensmitteln lange über das biologische Maß hinaus. Auch die Konservierungsmittel haben für den Verbraucher keinen ernährungsphysiologischen Wert, stellen aber ein gewisses Gesundheitsrisiko dar.


#

Biozide (Pestizide, Insektizide, ­Herbizide)

Pflanzenschutzmittel, Unkrautvernichter und Insektengifte dienen einzig der Ertragssicherung und insbesondere der Ertragssteigerung in der Landwirtschaft. Sie stellen eine hohe gesundheitliche Bedrohung dar, die allerdings stetig verharmlost wird. Die oft bemühten und in aller Regel zu hohen Grenzwerte stellen nicht die Grenzen für eine Gesundheitsgefährdung, sondern die Grenzen des Machbaren dar.


#

Tierarzneimittel und Hormone

Die unphysiologische Massentierhaltung mit hoher Produktionsleistung macht den Einsatz vielfältiger Arzneimittel und auch Hormone unabdingbar. Diese ­finden sich dann z. T. auch in bedenklichen Mengen in den derart produzierten Nahrungsmitteln wieder und sind z. B. für zunehmende Antibiotikaresistenzen, das vermehrte Auftreten von multiresistenten Keimen oder hormonelle Schädigung (Infertilität, hormonaktive Tumoren etc.) beim Menschen verantwortlich.


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Industrieschadstoffe

Schwermetalle, Lösemittel, Dioxin und viele andere Industrieschadstoffe gelangen über die Luft oder über das Wasser in Ackerböden und Weiden oder in die aquatische Nahrungskette, sammeln sich dort an und gelangen in Nahrungsmitteln auf unseren Tisch.


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Fazit

Qualität und Inhaltsstoffe der heute verzehrten Nahrungsmittel, die Zusammensetzung unserer Ernährung in Bezug auf die Zufuhr von Makronährstoffen als auch Mikronährstoffen und die unüberschaubare Vielfalt von Fremdstoffen (Chemikalien, Hormone etc.) unterscheiden sich sehr stark von den Nahrungsmitteln und der Ernährung, an die unser Stoffwechsel seit vielen Jahrtausenden angepasst ist. Dies muss zu den heute als chronisch degenerative Zivilisationskrankheiten bekannten Leiden führen.

Teil 3 dieses Beitrags in der Rubrik Praxis untersucht die Bedeutung einer vegetarischen Kost und gibt konkrete Empfehlungen für eine gesunde Ernährung.


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  • Literatur

  • 1 Silmani N et al. Contribution of highly industrially processed foods to the nutrient intakes and patterns of midle-aged populations in the EPIC study. Eur J Clin Nutr 2009; 63: 206-220
  • 2 D.A.CH. Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 5. überarb. Nachdruck. Neustadt a. d. Weinstraße: Neuer Umschau Buchverlag; 2013
  • 3 Eaton SB. Diet-dependent acid load, paleolithic nutrition, and evolutionary health promotion. Am J Clin Nutr 2010; 91: 295-297
  • 4 Wang et al. n-3 fatty acids from fish or fish oil supplements, but not α-linolenic acid, benefit cardiovascular disese outcomes. Am J Clin Nutr 2006; 84: 5-17
  • 5 Elmadfa I, Aign W, Muskat E, Fritzsche D. Die große GU Nährwert- und Kalorien-­Tabelle 2012/13. München: Gräfe und Unzer GmbH; 2011
  • 6 Max Rubner-Institut, Hrsg. Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2. 2008
  • 7 Melnik BC. The Pathogenic Role of Persistent Milk Signaling in mTORC1- and Milk-MicroRNA driven Type 2 Diabetes Mellitus. Curr Diabetes Rev 2015; Jan 13. [Epub ahead of print]
  • 8 Sluijs I et al. The amount and type of dairy product intake and incident type 2 diabetes: result from the EPIC-Internet Study. Am J Clin Nutr 2012; 96: 382-390

Korrespondenzadresse

Dr. med. Hans-Peter Friedrichsen
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79291 Merdingen

  • Literatur

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  • 6 Max Rubner-Institut, Hrsg. Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2. 2008
  • 7 Melnik BC. The Pathogenic Role of Persistent Milk Signaling in mTORC1- and Milk-MicroRNA driven Type 2 Diabetes Mellitus. Curr Diabetes Rev 2015; Jan 13. [Epub ahead of print]
  • 8 Sluijs I et al. The amount and type of dairy product intake and incident type 2 diabetes: result from the EPIC-Internet Study. Am J Clin Nutr 2012; 96: 382-390

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