Die Therapie von Dialysepatienten ist mit einer täglichen Tablettenlast verbunden,
die zu einer der höchsten unter allen chronisch Kranken zählt. Phosphatbinder tragen
mit circa 50 % wesentlich dazu bei [
1
]. Die hohe Tablettenzahl kann zur mangelnden Adhärenz mit dem Risiko einer unzureichenden
Phosphatkontrolle führen [
2
]. „Das teuerste Medikament ist dasjenige, das nicht eingenommen wird“, betonte Prof.
Anjay Rastogi, Los Angeles (USA). Wie eine Übersichtsarbeit zeigte, halten sich lediglich
49 % der Patienten diesbezüglich an die Therapieempfehlung ihres Arztes [
3
]. Der Grund für die mangelnde Therapietreue liegt unter anderem in einer hohen Tablettenlast.
Der erste zugelassene Vertreter der neuen Substanzklasse eisenbasierter, kalziumfreier
Phosphatbinder Sucroferric Oxyhydroxid (Velphoro®) eröffnet jetzt die Möglichkeit, mit einer geringen Tabletteneinnahme – durchschnittlich
3 Kautabletten pro Tag – pro Tag eine effektive Phosphatsenkung zu erreichen [
4
].
Der zur Kontrolle des Serum-Phosphat-Spiegels bei erwachsenen Patienten mit chronischer
Niereninsuffizienz und Hämo- oder Peritonealdialyse zugelassene eisenbasierte, kalziumfreie
Phosphatbinder enthält als wesentliche Komponente Eisen(III)-Oxyhydroxid, das Phosphationen
durch den Austausch von Hydroxidgruppen bindet. Die weiteren Bestandteile Stärke und
Sucrose dienen der Stabilisierung des Eisens (Abb. [
1
]).
Abb. 1 Der kalziumfreie Phosphatbinder Velphoro® enthält Eisen(III)-Oxyhydroxid, das Phosphationen durch den Austausch von Hydroxidgruppen
bindet. Die weiteren Bestandteile Stärke und Sucrose dienen der Stabilisierung des
Eisens.
In-vitro-Daten belegten eine starke Phosphatbindung von Sucroferric Oxyhydroxid bei
minimaler Eisenfreisetzung [
5
], so Prof. Rudolf P. Wüthrich, Zürich (Schweiz). Wie Messungen von radioaktiv markiertem
Eisen im Blut von Nierengesunden und Dialysepatienten zeigten, kam es zu keiner klinisch
relevanten Eisenaufnahme [
6
]. Bei Patienten mit Eisenmangel ohne Nierenerkrankung lag die Eisenaufnahme unter
0,5 % der zugeführten Dosis, bei hämo- und peritonealdialysepflichtigen Patienten
unter 0,1 %.
Phase-III-Studie belegt effektive Phosphatsenkung
In der zulassungsrelevanten offenen, prospektiven, randomisierten und aktiv kontrollierten
Phase-III-Studie [
4
] mit über 1000 erwachsenen Dialysepatienten wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit
von Sucroferric-Oxyhydroxid-Kautabletten (500-mg-Tabletten, 1,0–3,0 g/d; Anfangsdosis
1,0 g = 2 Tabletten) mit dem Goldstandard der Phosphatbinder Sevelamerkarbonat (4,8–14,4
g/d; Anfangsdosis 4,8 g = 6 Tabletten) verglichen. Die Studienteilnehmer erhielten
die oben genannten Dosierungen während einer 8-wöchigen Titrationsphase und einer
anschließenden 4-wöchigen Studienphase ohne Änderung der Dosierung. Nach diesem Zeitraum
folgte eine 12-wöchige Erhaltungstherapie.
Als primärer Endpunkt wurde die Überlegenheit von Sucroferric Oxyhydroxid bei der
Erhaltungstherapie gegenüber einer niedrig dosierten Tablettengabe (250 mg/d) in Woche
27 definiert. Die niedrige Dosierung wurde als Kontrollmedikation gewählt, weil diese
sich in einer Phase-II-Studie [
7
] als ineffektiv erwiesen hatte und so quasi als Placebo diente. Der sekundäre Endpunkt
bestand laut Rastogi in der Nichtunterlegenheit von Sucroferric Oxyhydroxid gegenüber
Sevelamerkarbonat in Woche 12.
Den Ergebnissen zufolge wurde der primäre Endpunkt erreicht. Gegenüber der nicht wirksamen
Dosierung von Sucroferric Oxyhydroxid erwies sich die Erhaltungsdosis bei der Phosphatkontrolle
als überlegen. Des Weiteren konnte die Nichtunterlegenheit gegenüber der Vergleichssubstanz
Sevelamerkarbonat nachgewiesen werden. In Woche 12 wurde eine schnelle Reduzierung
der Serum-Phosphat-Werte verglichen mit den Ausgangswerten beobachtet. Sie betrugen
unter Sucroferric Oxyhydroxid 0,71 mmol/l und unter Sevelamerkarbonat 0,79 mmol/l.
Wie Rastogi betonte, wurden diese Resultate mit durchschnittlich 3 Sucroferric-Oxyhydroxid-Kautabletten
und 8 Sevelamerkarbonattabletten pro Tag erreicht (Abb. [
2
]). So konnte in der Studie mit dem eisenbasierten, kalziumfreien Phosphatbinder Sucroferric
Oxyhydroxid oder PA21 eine signifikante Verringerung der Tablettenlast bei vergleichbarer
Effektivität erreicht werden.
Abb. 2 Die Senkung des Phosphatspiegels in den gleichen Zielbereich wurde mit PA21 (Velphoro®) gegenüber Sevelamer mit einer verringerten Tablettenlast pro Tag erreicht.
nach [
4
]
Auch war die Adhärenz bei der Einnahme von Sucroferric Oxyhydroxid allgemein höher:
Sie betrug bis zur 24. Woche 83 %, unter Sevelamerkarbonat 77 % und bis zur 52. Woche
86 % (Sevelamerkarbonat 77 %).
Des Weiteren zeigte Sucroferric Oxyhydroxid ein ähnliches Verträglichkeitsprofil mit
mindestens einem auf die Behandlung bezogenen unerwünschten Ereignis bei 83 % in der
Gruppe mit der Sucroferric-Oxyhydroxid-Therapie und bei 77 % der Studienteilnehmer
in der Vergleichsgruppe. Nebenwirkungen, die zum Therapieabbruch führten, traten in
der Gruppe mit dem neuen Phosphatbinder mit 15,7 % häufiger auf als in der Sevelamerkarbonatgruppe
mit 6,6 %. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Sucroferric Oxyhydroxid bestanden in
einer leichten, vorübergehenden Diarrhö und Stuhlverfärbungen.
Wie Rastogi weiter sagte, kam es unter der Therapie mit Sucroferric Oxyhydroxid gegenüber
Sevelamer zu therapeutisch nicht relevanten Erhöhungen der Serum-Eisen-Spiegel. Außerdem
gab es keine Hinweise auf eine Eisenakkumulation während der Behandlungsperiode über
ein Jahr. Die Spiegel der Vitamine A, D, E und K blieben unter der Therapie mit dem
neuen, eisenbasierten Phosphatbinder unverändert.
Die Studie hatte ein offenes Design, da aufgrund der unterschiedlichen Formulierungen
und der verschiedenen Einnahmeweise der beiden Phosphatbinder eine doppelblinde Studie
nicht möglich war. Die zugelassene Anfangsdosierung von Sucroferric-Oxyhydroxid-Kautabletten
betrug je eine Tablette zur Mahlzeit und 3 Tabletten pro Tag. Die Tabletten können
ohne Wasser eingenommen werden und haben einen Waldbeergeschmack.
Senkung des Mortalitätsrisikos
Die Bedeutung der Phosphatkontrolle unterstreichen die 3-Jahres-Daten der offenen,
prospektiven Beobachtungsstudie COSMOS[
1
] [
8
] in der der Einfluss der Phosphatbindertherapie auf das Überleben von 6797 in 227
europäischen Dialysezentren behandelten Patienten bewertet wurde. Der multivariaten
Analyse zufolge hatten Patienten, denen Phosphatbinder verschrieben wurden, ein um
29 % verringertes Risiko für die Gesamtmortalität und ein um 22 % reduziertes Risiko
für kardiovaskuläre Sterblichkeit. Weiter sank das relative Mortalitätsrisiko für
jede 10-prozentige Zunahme an Verschreibungen von Phosphatbindern um 8 %. Alle einzelnen
und kombinierten Therapien mit Phosphatbindern, außer mit Aluminiumsalzen, zeigten
eine positive Assoziation mit dem Überleben.
Auch die Diskussion um die potenziellen Risiken von kalziumhaltigen Phosphatbindern
wird durch neue Daten belebt. Wie eine systematische Übersichtsarbeit [
9
] ergab, sind bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz kalziumfreie gegenüber
kalziumbasierten Phosphatbindern mit einem geringeren Risiko für die Gesamtmortalität
verbunden. Die Analyse von 11 randomisierten Studien mit insgesamt 4622 Patienten
zeigte, dass die Therapie mit kalziumfreien Substanzen eine 22-prozentige Verringerung
der Gesamtmortalität im Vergleich zu kalziumbasierten Phosphatbindern zur Folge hatte.
Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care
GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium „Update modernes Phosphatmanagement – neue
Daten zu eisenhaltigen Phosphatbindern“, 08.09.2014, veranstaltet von der Fresenius
Medical Care GmbH, Bad Homburg, auf der 6. Jahrestagung der DGfN, Berlin.
Der Autor ist freier Journalist.