Der Klinikarzt 2014; 43(10): 444
DOI: 10.1055/s-0034-1396019
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Bücher – Krankenhaus-Report 2014: Das Krankenhaus als Risikofaktor?

Anne Marie Feldkamp
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Anne Marie Feldkamp
Bochum

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Publication Date:
11 November 2014 (online)

 

Klauber, Geraedts, Friedrich, Wasem (Hrsg.). Krankenhaus-Report 2014. Schwerpunktthema „Patientensicherheit“. Stuttgart: Schattauer-Verlag 2014, 528 S., 83 Abb., 64 Tab., kart. Mit Online-Zugang zum Internetportal: http://www.krankenhaus-report-online.de. D: 54,98 Euro / A: 56,60 Euro. ISBN: 978-3-7945-2972-8 (Print).


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Das Krankenhaus als Risikofaktor? Diese provokative These ist Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des Krankenhaus-Report 2014, der jährlich in der Publikationsreihe des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erscheint. Unterschiedliche Autoren befassen sich in Teil I mit dem Schwerpunktthema Patientensicherheit in der stationären Versorgung; zeigen Risiken auf, die eine Krankenhausbehandlung mit sich bringen kann und beschreiben, welches Ausmaß vermeidbare und nicht vermeidbare Schädigungen durch den Aufenthalt für den Patienten haben können. Rahmenbedingungen werden analysiert, Ursachen für unerwünschte Ereignisse diskutiert und Lösungsoptionen sowie Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Patientensicherheit gesucht.

Krankenhausleistungen und Risiken einer Krankenhausbehandlung

Im ersten Block geht es zunächst um Grundlegendes, wie die Definitionen der Patientensicherheit oder die Erläuterungen von Begrifflichkeiten. Krankenhausleistungen werden den verfügbaren Zahlen über das tatsächlich vorhandene Risiko einer Krankenhausbehandlung gegenübergestellt. So kommt Prof. Dr. Max Geraedts von der Universität Witten/Herdecke, einer der Herausgeber, aufgrund internationaler Literaturanalysen in seinem Beitrag „Das Krankenhaus als Risikofaktor“ zu dem Ergebnis, dass unter den 18,8 Millionen Behandlungsfällen des Jahres 2011 in Deutschland mit 5–10 % unerwünschten Ereignissen gerechnet werden muss, von denen knapp die Hälfte vermeidbar wären. Etwa 1 Promille der Patienten, so wird geschätzt, verstirbt an einem Fehler. Zwar erscheint ihm das Risiko, dem Patienten bei einem Krankenhausaufenthalt ausgesetzt sind, im Vergleich zu den Chancen der Krankenhausbehandlung relativ gering. Aber die Zahl von geschätzten 18 800 vermeidbaren Todesfällen pro Jahr sei absoluter Anlass, um patientensicherheitsrelevante Ereignisse zu erfassen, zu analysieren und mithilfe eines umfassenden Fehlermanagements zu vermeiden.

In dem Kapitel „Patientengefährdung durch Fehlanreize – die Folge des Vergütungssystems?“ stellen die Autoren fest, dass sich das DRG-System zwar deutlich auf die Verkürzung der Verweildauer oder Erhöhung der Fallzahlen ausgewirkt hat; aber eine tatsächliche Patientengefährdung aus diesem Grunde lässt sich empirisch nicht feststellen. Die juristischen Aspekte beleuchten die Kapitel über Patientenrechte und die Haftpflichtrisiken der Krankenhäuser.

Um Sicherheitskultur und Lernen geht es im zweiten Block des Reports, dessen Kapitel sich mit dem Stellenwert von Berichts- und Lernsystemen oder von Trainingsprogrammen für Notfallsituationen, z. B. in der Geburtshilfe, beschäftigen. Analysiert werden zudem die Risiken durch Hygienemängel, bei der Medikamentengabe und mangelhafte Medizinprodukte.


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Aktuelle gesundheitspolitische Diskussion

Im Teil II des Reports, der wie immer der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion gewidmet ist, geht es um die „Krankenhausprivatisierungen in Deutschland und ihre Effekte“, die seit Beginn dieser Entwicklung kontrovers diskutiert werden.

Die Spezialisierung der Krankenhauslandschaft hat das Kapitel 16 „Zum Zusammenhang von Behandlungshäufigkeit und -ergebnis in der Hüftendoprothetik“ im Blick. Mehr als 150 000 Patienten werden jährlich in Deutschland in über 1100 Krankenhäusern wegen einer Koxarthrose am Hüftgelenk operiert. In dem Beitrag wird der Zusammenhang von Behandlungshäufigkeit und Ergebnisqualität für diesen Eingriff anhand einer AOK-Analyse mit anonymisierten Abrechnungsdaten der Jahre 2008–2010 untersucht. Neben der Sterblichkeit und Revisions-Operationen wurden auch chirurgische Komplikationen, Thrombosen/Lungenembolien sowie Femurfrakturen mit berücksichtigt. Das Ergebnis ist wenig überraschend: höhere Fallzahlen bringen bessere Behandlungsqualität für alle untersuchten Komplikationen. Die gefundenen Unterschiede sind allerdings beträchtlich. Nach dieser Analyse hat das Fünftel der Krankenhäuser, die weniger als 45 Eingriffe im Jahr durchführen, nach Risikoadjustierung ein um 37 % erhöhtes Komplikationsrisiko.


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Statistik: trockener Stoff, aber solide Handlungsgrundlage

Wie bei jeder Ausgabe endet auch diese Ausgabe des Krankenhaus-Report 2014 mit einem Statistikteil; ein umfassendes Kompendium von Analysen und Daten zur Entwicklung des Krankenhausmarktes. Insbesondere macht das Krankenhaus-Directory einen differenzierten Vergleich der einzelnen deutschen Kliniken anhand von Kennzahlen möglich.

Ergänzt wird dieses Angebot durch das Internetportal http://www.krankenhaus-report-online.de. Trockener Stoff, aber eine solide Diskussions- und Handlungsgrundlage für Krankenhausmanager, Gesundheitspolitiker und -ökonomen.


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Anne Marie Feldkamp
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