Die Pharmakotherapie Schwangerer ist ein heikles Thema, dem Beipackzettel und Rote
Liste nicht gerecht werden können. Nicht selten führen Fehlinformationen zum Vorenthalten
einer Therapie, schlechter Compliance, zu Überreaktionen nach Einnahme vermeintlich
riskanter Mittel bis hin zum Abbruch einer Schwangerschaft oder auch zur Verordnung
unzureichend erprobter Mittel. Dabei gibt es für die meisten akuten und chronischen
Erkrankungen ausreichend sichere Arzneimittel ([Tab. 1]). Aktuelle Daten zur Verträglichkeit von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit
finden sich in Fachbüchern (z. B. [1]) und Internetdatenbanken sowie spezialisierten Beratungseinrichtungen (z. B. www.embryotox.de).
Tab. 1 Arzneimittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit.
Indikation
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Arzneimittel der Wahl
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Allergien
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Loratadin Clemastin
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Asthma
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inhalierbare Kortikosteroide (ICS), z. B. Budesonid, inhalierbare β-2-Sympathikomimetika,
kurz wirksame: z. B. Salbutamol, lang wirksame: Formoterol (nur zusammen mit einem
ICS)
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bakterielle Infektionen
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Penicilline Cephalosporine Makrolide
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chronisch entzündliche Darmerkrankungen
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Mesalazin Olsalazin Sulfasalazin Budesonid oral/rektal Prednisolon Azathioprin
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Depression
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Sertralin, Citalopram Amitriptylin, Imipramin und Nortriptylin
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Gastritis
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Antazida, z. B. Magaldrat bewährte H2-Blocker wie Ranitidin Omeprazol
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Glaukom
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Timolol Dorzolamid Brinzolamid
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Hustendämpfung
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Dextromethorphan Codein, jeweils nur Einzeldosen
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Hypertonie
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α-Methyldopa Metoprolol Reserve: Nifedipin, Dihydralazin, nach dem 1. Trimenon auch Urapidil
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Krätze (Skabies)
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Permethrin Reserve: Benzylbenzoat, Crotamiton
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Läuse
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Dimeticon Kokosöl, Spülungen mit Essigwasser und Auskämmen
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Migräne
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siehe Schmerzen und ggf. auch Sumatriptan
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Mukolytika
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Acetylcystein, Ambroxol
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Refluxösophagitis
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Omeprazol
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Schlafstörungen
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Diphenhydramin Einzeldosen von Diazepam, Lorazepam, Zolpidem
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Schmerzen
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Paracetamol, ggf. in Einzeldosen auch mit Codein Ibuprofen, Diclofenac (nur bis Woche 28) ggf. Tramadol (siehe Text)
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Übelkeit/Hyperemesis
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Meclozin Doxylamin Dimenhydrinat Metoclopramid
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Wurmerkrankung
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Pyrviniumembonat Mebendazol Niclosamid (kritische Prüfung im 1. Trimenon)
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Off-Label-Use
Auch Schwangere müssen behandelt und ggf. krankheitsbedingte Auswirkungen auf den
Embryo verhindert werden. Nicht selten geht das nur mit Medikamenten, die für Schwangere
„kontraindiziert“ sind. Dies entspricht dann einem Off-Label-Use. Nach deutscher Rechtsprechung
ist ein zulassungsüberschreitender Einsatz von Arzneimitteln dann nicht rechtswidrig,
wenn das Medikament mit Gegenanzeige Schwangerschaft nach dem aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand hinreichend wirksam und unbedenklich ist und eine gleichwertige therapeutische
Alternative nicht zur Verfügung steht. Die Unbedenklichkeit ist relativ zu verstehen,
d. h., es steht kein anderes wirksames Medikament zur Verfügung, das sicherer erscheint
und eine Nichtbehandlung wäre im Sinne einer Nutzen-Risiko-Abwägung riskanter [1].
Medikamente in der Schwangerschaft
Analgetika
Paracetamol kann in der gesamten Schwangerschaft in üblichen Dosen verwendet werden,
Ibuprofen als am besten untersuchtes NSAR bis Woche 28. Letztlich hat sich keines
der verbreiteten Analgetika als teratogen erwiesen. Doch müssen Anpassungsstörungen
beim Neugeborenen erwartet werden, wenn Opioide bis zur Geburt genommen wurden. In
den letzten Jahren wurden einige Studien veröffentlicht, die einen Zusammenhang zwischen
mehrwöchiger Paracetamoleinnahme in der Schwangerschaft und Entwicklungsauffälligkeiten
beim Kind diskutierten, wie z. B. hyperkinetische Störungen, Hodenhochstand und Asthma
[2]. Dergleichen war bei diesem alten Schmerzmittel bisher nicht beobachtet worden.
Abgesehen davon, dass die Methodik einiger dieser Studien problematisch ist und andere
Einflussgrößen unzureichend kontrolliert wurden, gibt es keine wirklich plausiblen
Vorstellungen über den Wirkmechanismus dieser z. T. multifaktoriell bedingten Auffälligkeiten.
Bei den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie z. B. Ibuprofen und Diclofenac
ist der prostaglandinantagonistische Effekt hingegen erwiesen mit Auswirkungen auf
den fetalen Kreislauf (vorzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus) und die Nieren
bei Gabe im 3. Trimenon. Daher gibt es insbesondere im 3. Trimenon bei leichten und
mittelstarken Schmerzen keine medikamentöse Alternative zu Paracetamol. Im 1. und
2. Trimenon kann Schwangeren primär Ibuprofen als am besten untersuchtes NSAR empfohlen
werden.
Antibiotika
Antibiotika der Wahl in der Schwangerschaft sind Penicilline, Cephalosporine und Makrolide.
Unter Berücksichtigung des nicht völlig auszuschließenden Risikos für Neuralrohrdefekte
bei Exposition um Woche 6 können auch Co-trimoxacol/Trimethoprim verwendet werden.
Tetrazykline können nach der 15. Schwangerschaftswoche zu Zahnverfärbungen führen.
Aminoglykoside, systemisch verabreicht, können ototoxisch beim Kind wirken. Bei anderen
Antibiotika wurden bisher keine gravierenden embryo- oder fetotoxischen Effekte bestätigt.
Dies gilt auch für Fluorchinolone, denen gelegentlich mit Verweis auf tierexperimentelle
Ergebnisse eine teratogene Wirkung unterstellt wird, wie eine kürzlich publizierte
große Beobachtungsstudie mit nahezu 1000 exponierten Schwangeren für die länger eingeführten
Mittel dieser Gruppe nachwies [3].
Antihypertensive Behandlung
Die Therapie der arteriellen Hypertonie von Schwangeren unterscheidet sich erheblich
von der Nichtschwangerer. In der Schwangerschaft geht es darum, das Risiko für mütterliche
Komplikationen zu senken und für eine ungestörte fetale Entwicklung zu sorgen.
Nach wie vor gibt es keine einheitlichen Empfehlungen zur Behandlung der chronischen
Hypertonie in der Schwangerschaft. Infrage kommen in erster Linie Methyldopa, aber
auch Metoprolol und Nifedipin. Bei den Mutter und Fetus mehr gefährdenden, durch Präeklampsie
bedingten Hochdruckformen haben sich Nifedipin oral, Urapidil i. v. und mit Einschränkung
Dihydralazin/Hydralazin i. v. bewährt. Bei allen β-Rezeptoren-Blockern muss mit perinatalen
Auswirkungen wie Herzfrequenzabnahme und Hypoglykämie gerechnet werden, wenn bis zur
Geburt behandelt wurde. Diskutiert werden auch ein geringeres Geburtsgewicht und selten
Atemstörungen beim Neugeborenen.
Diuretika gehören nicht zur Standardtherapie bei Schwangerschaftshochdruck und -ödemen.
Ihre Anwendung ist speziellen Indikationen vorbehalten. Mittel der Wahl ist in einem
solchen Fall Hydrochlorothiazid. Auch Furosemid kann zur Behandlung von Herz- oder
Niereninsuffizienz gegeben werden. Diuretika können das Plasmavolumen herabsetzen.
Die daraus resultierende Minderperfusion der Plazenta beeinträchtigt die intrauterine
Versorgung zusätzlich.
ACE-Hemmstoffe und Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten (sog. Sartane) sind fetotoxisch
und können bei Anwendung im 2. und 3. Trimenon über eine Hypotonie und Einschränkung
der Nierenperfusion beim Feten zu einer tubulären Nierendysgenesie führen. Infolgedessen
wurden Oligohydramnion, dialysepflichtige Anurie des Neugeborenen, Verknöcherungsstörungen
der Schädelkalotte, Gelenkkontrakturen und selten auch eine Lungenhypoplasie beobachtet.
Etwa ein Drittel der nach der 20. Schwangerschaftswoche mit einem Sartan therapierten
Frauen entwickelt ein Oligohydramnion [4], das erste sichtbare Zeichen einer Sartan-Fetopathie. Nach Anwendung im 1. Trimenon
wurden bisher keine substanziellen Hinweise auf Teratogenität von ACE-Hemmstoffen
oder Sartanen beobachtet.
Cumarin-Antikoagulanzien
Eine hypoplastische Nase, vorzeitige Epiphysenverkalkung, Skeletthypoplasien, Störungen
der Augen- und Ohrenentwicklung, intrauterine Wachstumshemmung und mentale Entwicklungsretardierung
können Folge einer pränatalen Cumarin-Exposition sein. Besonders gefürchtet sind zerebrale
Blutungen unter der Geburt. Eine zusammenfassende Auswertung von 979 vorwiegend Acenocoumarol-
und Warfarin-exponierten Schwangerschaften ergibt eine Cumarin-Embryopathie-Rate von
rund 6 % [5]. In der bisher größten prospektiven Kohortenstudie mit 666 Frauen, bei denen in
eine Schwangerschaft hinein mit einem oralen Antikoagulans (vorwiegend Phenprocoumon
und Acenocoumarol) behandelt wurde, fanden sich nur 2 Cumarin-Embryopathien auf 354
Lebendgeborene. Spontanaborte kamen 2-mal häufiger vor als erwartet. Eine Cumarin-Embryopathie
wurde bisher nur beobachtet, wenn länger als bis zur 8. Schwangerschaftswoche (nach
letzter Regel) behandelt wurde [6].
Immunmodulatorische Medikamente/Rheumatherapeutika
Aufgrund verbesserter Therapiemöglichkeiten werden mehr Frauen als früher unter immunsuppressiver
Medikation schwanger.
Kortikosteroide sind die in der Schwangerschaft am besten erprobten antiinflammatorischen
Mittel. Prednison und Prednisolon zeichnen sich durch einen geringen plazentaren Übergang
aus und haben kein nennenswertes Fehlbildungspotenzial [7] – auch wenn ein minimal erhöhtes Gaumenspaltenrisiko bei Glukokortikoiden im Zeitraum
zwischen 8 und 11 Schwangerschaftswochen bei Tagesdosen über 15 mg Prednison nicht
ausgeschlossen werden kann. Eine langandauernde Therapie in der Fetalperiode kann
zu einem niedrigeren Geburtsgewicht beitragen und zu vorübergehender Hypoglykämie,
Hypotonie und Elektrolytstörungen beim Neugeborenen führen.
Zu Azathioprin (AZA) liegen Erfahrungen an mehr als 1000 Schwangeren, zum großen Teil
an organtransplantierten Frauen, vor, die kein teratogenes Risiko gezeigt haben. Nach
Langzeitanwendung wurden gelegentlich ein niedrigeres Geburtsgewicht, höhere Frühgeburtenrate
und andere Schwangerschaftskomplikationen beobachtet, wobei Dosis, Komedikation und
(schwere) mütterliche Erkrankung mit berücksichtigt werden müssen.
Methotrexat (MTX) als Folsäureanalogon und Antimetabolit hat ein teratogenes Potenzial
mit einem charakteristischen Muster an (variablen) Fehlbildungen. Die meisten MTX-Embryopathien
sind nach fehlgeschlagenem Abortversuch (mit oder ohne Misoprostol) beobachtet worden.
Unter der üblichen antirheumatischen Dosis von wöchentlich 10–30 mg können laut einer
neueren großen multizentrischen Studie neben einer erhöhten Spontanabortrate teratogene
Effekte nicht ausgeschlossen werden, das Risiko bei Anwendung in eine (ungeplante)
Schwangerschaft hinein stellt aber offenbar ein nur geringes Fehlbildungsrisiko dar
[8]. Die Therapie sollte jedoch umgehend umgestellt und eine weiterführende Ultraschalluntersuchung
angeboten werden. Die teilweise geäußerte Empfehlung, MTX 3 Monate vor der Konzeption
abzusetzen, entspringt eher theoretischen Erwägungen und kann mit den bisherigen Daten
nicht untermauert werden.
Mycophenolat (MMF) ist teratogen und kann zu einem Fehlbildungssyndrom führen, für
das die Kombination aus Anomalien des äußeren Ohres und Mundspaltbildungen charakteristisch
ist. Auch Spontanaborte treten häufiger auf [9].
Im Gegensatz zum Tierversuch, wo unter Leflunomid Skelettfehlbildungen, Anophthalmie
bzw. Mikrophthalmie und Hydrozephalus beobachtet wurden, haben die über 100 Schwangerschaftsverläufe
beim Menschen bisher keine Hinweise auf eine teratogene Wirkung ergeben [10].
Bei den Tumornekrosefaktor-(TNF-)α-Inhibitoren Infliximab, Adalimumab und Etanercept
wurden bisher keine spezifischen Fehlbildungen beim Menschen beobachtet. Eine neuere
multizentrische Studie findet jedoch eine erhöhte Fehlbildungsrate [11]. Mehr als im 1. Trimenon ist in der 2. Schwangerschaftshälfte ein plazentarer Übergang
nachgewiesen, der potenziell Auswirkungen auf die (immunologische) Entwicklung des
Kindes haben könnte, wie eine tödlich verlaufende BCG-Infektion nach BCG-Impfung nahelegte.
Retinoide
Die Retinoide Isotretinoin und Acitretin gegen Akne bzw. Psoriasis müssen heute als
die stärksten Teratogene nach Thalidomid angesehen werden. Obwohl auch in Deutschland
ein Schwangerschaftsverhütungsprogramm mit detaillierten Informationen für Ärzte und
Patientinnen, reglementierter Verschreibung und Empfehlungen, 2 kontrazeptive Maßnahmen
gleichzeitig und bis zu 4 Wochen nach Absetzen einer Isotretinoineinnahme anzuwenden,
etabliert ist, kommt es immer wieder zu Schwangerschaften unter der Therapie [12].
Die Anwendung von Retinoiden in der Schwangerschaft erhöht das Spontanabortrisiko
und führt zum charakteristischen Retinoidsyndrom: Fehlanlage der Ohren einschließlich
Agenesie oder Stenose des Gehörgangs, Störungen der Gesichts- und Gaumenbildung, Mikrognathie,
kardiovaskuläre Defekte und Entwicklungsstörungen im Bereich des Thymus und des Zentralnervensystems,
die von neurologischen Schäden mit Beteiligung von Augen und Innenohr bis zum Hydrozephalus
reichen. Intelligenzdefizite wurden ebenfalls beschrieben, z. T. auch bei Kindern
ohne erkennbare Fehlbildungen. Wird bei Isotretinoin die 4-Wochen-Frist zwischen Therapieende
und Konzeption deutlich unterschritten oder gar in eine Frühschwangerschaft hinein
behandelt, muss insbesondere im letztgenannten Fall mit einer Schädigungswahrscheinlichkeit
von bis zu 30 % gerechnet werden. Beim Acitretin gegen Psoriasis mit seinem Metaboliten
Etretinat muss wegen der wesentlich längeren biologischen Halbwertszeit bis zu mehreren
Monaten eine Frist von 2 Jahren zwischen Therapieende und Schwangerschaft eingehalten
werden.
Antiepileptika
Die klassischen Antiepileptika Valproinsäure, Carbamazepin, Phenobarbital/Primidon
und Phenytoin haben sich als teratogen erwiesen (Übersicht in [1]). Die bisher vorliegenden Studien zusammenfassend, muss man bei einer Monotherapie
durchschnittlich mit einer Verdopplung der Fehlbildungshäufigkeit rechnen. Bei Valproinsäure
ist das Risiko am höchsten. Dies gilt erst recht für eine Kombinationstherapie. Im
Vordergrund stehen Fehlbildungen des Herzens, der Harnwege, des Skeletts, Mundspaltbildungen
und bei Valproinsäure ein 10–20-fach erhöhtes Risiko für Neuralrohrdefekte, d. h.
jedes 75. bis 100. exponierte Kind ist (von einer Spina bifida) betroffen. Die ebenfalls
beobachtete Mittelgesichts- und Endphalangenhypoplasie fasst man unter dem Begriff
des Antiepileptika-Syndroms zusammen. In mehreren Studien wurden kognitive Entwicklungsstörungen
nach intrauteriner Exposition mit Valproinsäure erörtert. Die Epilepsie selbst sowie
unkomplizierte Krampfanfälle während der Schwangerschaft scheinen entgegen früherer
Ansichten keine nennenswerte teratogene Wirkung zu entfalten. Die mit Ausnahme von
Lamotrigin (mit mehreren tausend ausgewerteten Schwangerschaften) noch weniger umfangreichen
Erfahrungen zu den neueren Antiepileptika lassen bei Monotherapie bisher keine erhebliche
Teratogenität erkennen. Das gilt insbesondere auch für Levetiracetam. Bei Topiramat
gibt es allerdings Hinweise auf Gaumenspalten.
Psychopharmaka
Nach heutigem Wissen birgt, mit Ausnahme des Lithiums, keines der klassischen Psychopharmaka
ein nennenswertes teratogenes Potenzial. Allerdings ist der Erfahrungsumfang recht
unterschiedlich. Bei allen Psychopharmaka muss mit mehr oder weniger ausgeprägten
zentralnervösen, respiratorischen und gastrointestinalen Anpassungsstörungen beim
Neugeborenen gerechnet werden, wenn die Mutter bis zur Geburt behandelt wird. Dies
gilt in besonderem Maße für Lithium und Benzodiazepine. Die zunehmend verbreitete
Anwendung von Antiepileptika zur Phasenprophylaxe bei bipolaren Erkrankungen sollte,
mit Ausnahme vom gut untersuchten Lamotrigin, sehr kritisch geprüft werden, wenn eine
Schwangerschaft nicht ausgeschlossen werden kann. Dies gilt insbesondere für Valproinsäure
(siehe unter Antiepileptika).
Bei insgesamt über hunderttausend ausgewerteten Schwangerschaften unter selektiven
Serotonin-Wiederaufnahmehemmstoffen (SSRI) ließen sich teratogene Effekte nicht eindeutig
nachweisen, obwohl einige Publikationen eine leichte Zunahme z. B. von Herzseptumdefekten
oder anderen, eher seltenen Anomalien beobachteten [13]. Die bei etwa jedem 3. Kind, dessen Mutter bis zur Geburt behandelt wurde, auftretenden
Anpassungsstörungen wurden zunächst als Entzugssymptomatik interpretiert, könnten
aber auch Zeichen direkter Serotonintoxizität sein. Ob als extreme Ausdrucksform dieser
Toxizität der sehr seltene persistierende pulmonale Hypertonus des Neugeborenen zu
zählen ist, wird noch kontrovers diskutiert, ebenso neuere Vermutungen, ob SSRI in
der Schwangerschaft autistische Symptome begünstigen.
Bei einer Neueinstellung sollten die am besten untersuchten Mittel Sertralin und Citalopram
bevorzugt werden. Eine unter Therapie mit einem anderen SSRI stabile Patientin sollte
diese Medikation unverändert fortsetzen, um keine für Mutter und Kind bedrohlichen
Krisen zu provozieren.
Unter den heute bei der antipsychotischen Therapie bevorzugten atypischen Neuroleptika
liegen zu Olanzapin, Quetiapin, Risperidon und Clozapin jeweils die Ergebnisse von
einigen hundert ausgewerteten Schwangerschaftsverläufen vor, die bisher nicht auf
Teratogenität hinweisen, allerdings kann es zu postnatalen Anpassungsstörungen kommen
[14].
Bei Lithium ist das teratogene Potenzial geringer als früher angenommen. Die in diesem
Zusammenhang beobachtete Ebstein-Anomalie mit Fehlanlage der Herzklappen kommt offenbar
nur bei etwa 1 von 1000 im 1. Trimenon exponierten Feten vor. Postpartal muss auf
toxische Symptome beim Kind geachtet und insbesondere eine Hypothyreose ausgeschlossen
werden.
Ob Benzodiazepine, zwischen Woche 8 und 11 eingenommen, tatsächlich Mundspaltbildungen
verursachen, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Wenn überhaupt, ist nur jedes
1000. in diesem Zeitraum exponierte Kind betroffen, was einer Verdopplung des Basisrisikos
entspricht. Benzodiazepine sollten dennoch nur kritisch eingesetzt werden, eine langfristige
Therapie ist zu vermeiden. Bis zur Geburt exponierte Kinder können erhebliche Anpassungsstörungen
durchmachen mit Atemdepression, Temperaturregulationsstörungen und Muskelschlaffheit.
Medikamente in der Stillzeit
Die meisten Medikamente finden sich in der Muttermilch in einem Konzentrationsbereich,
der weit unter der therapeutischen Säuglingsdosis liegt [1]. Sehr selten werden toxische Mengen gemessen. Unter Dauermedikation können jedoch
scheinbar zu vernachlässigende Konzentrationen aufgrund der verlängerten Halbwertszeit
beim jungen Säugling durch Anreicherung zu Symptomen führen. Daher muss die wiederholte
Gabe eines Arzneimittels grundsätzlich kritischer betrachtet werden als eine Einzeldosis.
Neugeborene und insbesondere Frühgeborene sind gefährdeter, weil sowohl die Ausscheidung
als auch die Funktionstüchtigkeit von Barrieren wie der Blut-Hirn-Schranke noch nicht
voll entwickelt sind. Grundsätzlich problematisch in der Stillzeit sind Zytostatika,
Radionuklide, Opioide (außer Einzeldosen), eine Kombinationstherapie mit mehreren
Psychopharmaka oder Antiepileptika, insbesondere bei Kombinationen mit Lamotrigin,
Benzodiazepinen oder Lithium. Bei Unabweisbarkeit einer solchen Anwendung mit mehreren
zentral wirksamen Medikamenten muss im Einzelfall entschieden werden, ob vorübergehend
oder endgültig auf das Stillen verzichten werden muss [1]. Bei jeder Langzeittherapie der Mutter muss auf Symptome beim Säugling geachtet
werden.
Codein ist ein Beispiel für weit verbreitete ZNS-aktive Medikamente, die im Einzelfall
zu dramatischen Folgen führen können: Ein voll gestilltes, reifes und gesundes Neugeborenes,
dessen Mutter zur Analgesie eine Kombination von Codein und Paracetamol einnahm, zeigte
erste lethargische Symptome am 7. Lebenstag und verstarb am 13. Tag [15]. In der Familie wurde dann ein nicht seltener Polymorphismus des P450-2D6-Enzyms
diagnostiziert, der eine ultraschnelle Verstoffwechselung von Codein zu Morphin bewirkte.
Infolgedessen nahm das Neugeborene toxische Morphindosen via Muttermilch auf. Eine
kanadische Studie mit 238 Mutter-Kind-Paaren, die „ultrarapid Metabolizer“ mit einschloss,
zeigte, dass die Sedierung gestillter Säuglinge in erster Linie von der mütterlichen
Therapiedauer abhängt. Wenn diese auf 4 Tage begrenzt wird und die Kinder gut beobachtet
werden, erscheint eine Codeintherapie nach wie vor akzeptabel, wenn Paracetamol und
Ibuprofen nicht ausreichend wirksam sind.