Deutschlandweite Befragung – So denken Therapeuten über ihre Zukunft
Deutschlandweite Befragung – So denken Therapeuten über ihre Zukunft
Direktzugang, Akademisierung, Weiterbildung – die Liste der aktuellen Diskussionsthemen
in den Gesundheitsberufen ist lang. Doch was denken Physio- und Ergotherapeuten selbst
über die Zukunft ihrer Berufe? Eine berufspolitisch unabhängige Arbeitsgruppe von
Ärzten, Physio- und Ergotherapeuten befragte über acht Monate hinweg Therapeuten in
Deutschland und veröffentlichte jetzt erste Ergebnisse.
Insgesamt 3.506 Fragebögen, darunter 2.233 von Physio- und 1.273 von Ergotherapeuten,
konnte die Forschergruppe auswerten. Die Befragten waren im Schnitt 36 Jahre alt und
überwiegend weiblich (81,6 Prozent). Der größte Teil der Therapeuten war angestellt,
knapp ein Drittel selbstständig. Über einen akademischen Abschluss verfügten 14,2
Prozent der Befragten.
Neben geschlossenen Fragen konnten die Teilnehmer Kommentare dazu abgeben, was sich
ihrer Meinung nach in der Physio- bzw. Ergotherapie ändern müsste. Bei der Auswertung
gruppierten die Wissenschaftler die Antworten in die acht Hauptthemen: Bezahlung,
Mitsprache, Anerkennung, Aus- und Fortbildung, Kooperation, Erstzugang, Akademisierung
und Sonstige (Grafik rechts).
In vielen Punkten waren sich die Physiotherapeuten einig. Die meisten befürworten
beispielsweise den Direktzugang und fühlen sich auch schon jetzt dazu befähigt. Ebenso
sieht die Mehrheit Änderungsbedarf in der Ausbildung. Hier müssten die Lehrkräfte
besser qualifiziert sein und die Kosten gesenkt werden. Auseinander gingen dagegen
die Meinungen, ob es in bestimmten Bereichen wie der Neurologie einen Einheitsberuf
aus Physio- und Ergotherapie geben sollte. Jeder Fünfte sähe darin eine deutliche
Qualitätssteigerung, die anderen fordern weiterhin eine Abgrenzung der Berufe.
Die Ergebnisse dienen jetzt als Grundlage für die zukünftige Entwicklung der Berufe,
so die Autoren.
rrn
Gesundheitswesen 2014; doi: 10.1055/s-0034-1387711
„Was müsste sich Ihrer Meinung nach an der Berufssituation ändern?“ – Stimmen aus
der Studie
„Was müsste sich Ihrer Meinung nach an der Berufssituation ändern?“ – Stimmen aus
der Studie
„Nach zehn Jahren Berufserfahrung sollte jeder Therapeut einen Direktzugang bekommen.“
„Nur Hochschulabsolventen sollten eine Direktzugangserlaubnis bekommen.“
„Gut wäre ein gemeinsames Grundstudium mit den Medizinstudenten oder ein Studium auf
Medizinniveau.“
„Für den Direktzugang brauchen wir dringend eine Lobby und die versicherungstechnische
Rückendeckung.“
„Wir brauchen bezahlbare Studienplätze und müssen wegkommen von Privat- Fachhochschulen.“
Anteil der Kommentare zum Änderungsbedarf bezogen auf die acht übergeordneten Themen
„Die Ausbildung müsste flächendeckend akademisiert werden.“
„Wir brauchen neue Arbeitsfelder, sonst lässt sich die Zukunft unserer Berufe nicht
sichern.“
„Wir dürfen keine Angst mehr davor haben, hohe Preise für unsere Arbeit zu verlangen.“
„Für eine bessere Patientenversorgung muss eine genauere Befundung durch die Ärzte
her.“
Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands – Atemgase verraten funktionellen Status des
Quadriceps
Nach einer Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands kann eine kardiopulmonale Diagnostik
Hinweise auf ein funktionelles Defizit des M. quadriceps geben. Zu diesem Ergebnis
kamen brasilianische Forscher in ihrer Beobachtungsstudie.
Um die Leistungsfähigkeit des Muskels in der Frührehabilitation zu testen, benötigt
man eine Untersuchungsmethode, die das Transplantat nicht zu sehr belastet. Forscher
aus São Paulo suchten nach einer solchen Funktionsdiagnostik. Sie rekrutierten dafür
zwei Frauen und sieben Männer nach einer Rekonstruktionsoperation des vorderen Kreuzbands.
Alle waren in einem sehr guten Trainingszustand und durchschnittlich 32 Jahre alt.
Die Untersuchung fand zwei Monate postoperativ statt und bestand aus zwei Einheiten
auf dem Fahrradergometer.
Am ersten Tag fuhren die Probanden nur mit dem nicht operierten Bein einige Drei-Minuten-Intervalle.
Dabei bestimmten die Wissenschaftler die Wattzahl, bei der die Herzfrequenz der Probanden
konstant auf 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz (220 – Lebensalter) blieb. Am zweiten
Tag maßen sie zuerst den Ruhepuls aller Probanden. Im Anschluss daran radelten die
Teilnehmer nur mit dem operierten Bein für fünf Minuten mit der am Vortag festgelegten
Wattzahl. Danach erholten sie sich so lange, bis der Ruhepuls wieder erreicht war.
Derselbe Ablauf fand mit dem nicht operierten Bein statt.
Vor, während und unmittelbar nach dem Test maßen die Forscher die Herzfrequenz und
unter anderem folgende Atemgaswerte jedes Atemzugs:
-
> Sauerstoffaufnahme (VO2)
-
> Kohlendioxidabgabe (VCO2)
-
> Atemminutenvolumen (VE)
-
> Atemfrequenz (f)
Nach der fünfminütigen Trainingseinheit mit dem operierten Bein waren die VO2, VCO2, Herz- und Atemfrequenz sowie das VE signifikant höher als beim Training mit dem
nicht operierten Bein. Die Wissenschaftler vermuten, dass das an der schlechten Bewegungsökonomie
aufgrund des schlechten Sauerstoffstatus und der niedrigeren Muskelmasse im operierten
Bein liegt. Therapeuten können somit Herzund Atemfrequenz nutzen, um in einer frühen
postoperativen Phase Rückschlüsse auf den funktionellen Status des Patienten zu ziehen.
smo
BMC Musculoskelet Disord 2014; 15: 163
Geistige Fitness – Sport erhöht Gedächtnisleistung – bis 70 Jahre
Geistige Fitness – Sport erhöht Gedächtnisleistung – bis 70 Jahre
Senioren können durch regelmäßigen Sport ihre Hirndurchblutung und Gedächtnisleistung
verbessern. Dies gilt allerdings nur bis zu einem Alter von 70 Jahren, fanden Neurowissenschaftler
aus Magdeburg heraus.
Für ihre Untersuchung rekrutierten die Forscher 40 gesunde, aber sportlich untrainierte
Probanden und verteilten sie in zwei Gruppen. In jeder Gruppe war die eine Hälfte
über 70 und die andere unter 70 Jahre alt. Die eine Gruppe trainierte über drei Monate
hinweg regelmäßig auf dem Laufband, die Kontrollgruppe führte über diesen Zeitraum
lediglich Dehnund Entspannungsübungen durch. Vor und nach den drei Monaten testeten
die Wissenschaftler die körperliche Verfassung und die Gedächtnisleistung der Probanden,
indem sie ihnen aufgaben, sich abstrakte Abbildungen zu merken und diese wiederzugeben.
Zudem machten sie MRT-Aufnahmen der Gehirne der Teilnehmer.
Abb.: F. Berti/shutterstock.com
Die Ergebnisse nach drei Monaten zeigten: Bei etwa 80 Prozent der unter 70-Jährigen
in der Laufgruppe hatte sich durch das Training nicht nur die körperliche Fitness,
sondern auch die Durchblutung des Hippocampus und das visuelle Erinnerungsvermögen
verbessert. Bei den über 70-Jährigen der Laufgruppe und allen Probanden der Kontrollgruppe
blieben diese Effekte aus.
rrn
Mol Psychiatry 2014. doi: 10.1038/mp.2014.114
Zitat
»AUCH MIT 60 KANN MAN NOCH 40 SEIN – ABER NUR NOCH EINE HALBE STUNDE AM TAG.«
Anthony Quinn, 1915–2001, mexikanisch-US-amerikanischer Schauspieler
Chronischer Schmerz – Für Ärztinnen zählt der subjektive Befund mehr
Chronischer Schmerz – Für Ärztinnen zählt der subjektive Befund mehr
Viele Patienten teilen die Meinung, weibliche Ärzte würden sich bei der Untersuchung
mehr Zeit nehmen, eher präventive Maßnahmen befürworten und mehr psychosoziale Informationen
aufnehmen.
Eine Forschergruppe aus Portugal wollte diese Annahme nun mit Zahlen belegen und rekrutierte
für ihre Umfrage 310 weibliche und männliche Allgemeinmediziner. Die Wissenschaftler
entwickelten drei verschiedene Fragebögen, die alle dieselbe alltägliche Situation
beschrieben: Ein Patient kommt in die Praxis und berichtet von langanhaltenden, starken
Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich. Die drei Fragebögen unterschieden sich darin,
-
> ob der Patient weiblich oder männlich war,
-
> wie der Patient sich verhielt und seine Beschwerden beschrieb (eindringlich oder
neutral) und
-
> ob der Patient objektive Daten wie MRTAufnahmen oder Röntgenbilder mitgebracht hatte,
die zum Beispiel auf einen Bandscheibenvorfall hindeuteten.
Abb.: shefkate/fotolia.com, bevangoldswain/fotolia.com
Die Probanden sollten die Schmerzangaben des Patienten beurteilen und angeben, ob
sie ihm eine Therapieverordnung oder eine Überweisung an einen Spezialisten ausstellen
würden. Nach der Auswertung stellten die Autoren tatsächlich Unterschiede fest: Für
die männlichen Ärzte zählten die objektiven Befunde mehr als die subjektiven Beschreibungen
des Patienten, vor allem dann, wenn es um die Verordnung von psychologischer und psychiatrischer
Hilfe ging. Sie empfahlen zum Beispiel seltener eine Gesprächstherapie, wenn beim
Patienten schlüssige organische Befunde vorlagen. Bei ihren weiblichen Kolleginnen
war dieser Unterschied weniger ausgeprägt.
rrn
J Pain 2013; 14: 931–940
Sturzprävention – Aktiv gegen das Sturzrisiko
Sturzprävention – Aktiv gegen das Sturzrisiko
Physio- und Ergotherapeuten können im Zuge des „Chronic Disease Managements“ des Hausarztes
innerhalb von fünf Behandlungen dazu beitragen, das Fallrisiko von älteren Menschen
zu verringern (unten). Dies fanden zwei Wissenschaftlerinnen von der University of Sydney in ihrer Studie
heraus.
In fünf Hausbesuchen leitet der Therapeut den Patienten zu verschiedenen Übungen an.
Abb.: teaserstock/fotolia.de
Die Forscherinnen rekrutierten acht Probanden aus zwei Hausarztpraxen in Sydney und
New South Wales. Die Teilnehmer waren im Schnitt 81,3 Jahre alt, alleinstehend und
im letzten Jahr gestürzt oder hatten Angst davor, zu fallen. In der Studie wurden
sie von Physiound Ergotherapeuten aus den umliegenden Praxen betreut. Zu Beginn der
Studie durchliefen alle Probanden das Westmead Home Safety Assessment, welches das
Sturzrisiko bestimmte. Alle Therapeuten wurden zudem vorab geschult, wie sie das Otago-Übungsprogramm
mit den Probanden durchführen (physiopraxis 4/13, S. 34). Das Programm umfasste fünf
Hausbesuche in sechs Wochen, bei denen die Therapeuten die Probanden unter anderem
zu Kräftigungsübungen für die Beinmuskulatur, Gleichgewichtsübungen und einem Trainingsplan
für regelmäßige Spaziergänge anleiteten. Dies alles sollten sie zwischen den Hausbesuchen
auch selbstständig fortführen. Zusätzlich berieten sie die Teilnehmer zu Wohnraumanpassungen
und begleiteten deren Umsetzung.
Das Ergebnis: Bei allen Patienten nahm das Fallrisiko signifikant ab und sie verbesserten
sich in ihren Aktivitäten des täglichen Lebens und ihren physischen Kapazitäten.
Die australischen Richtlinien zur Fallprävention beinhalten seit 2009 die Empfehlung
an Hausärzte, ihre älteren Patienten jährlich zu befragen, wie oft sie stürzen, und
entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Dieser Schritt unterstreicht die Relevanz dieser
Untersuchungsergebnisse und soll weitere Forschungen zum Thema anregen.
Saja
Aust Fam Physician 2014; 4: 211–215
Chronic Disease Management – Ein starkes Trio
Chronic Disease Management – Ein starkes Trio
Im Zuge des „Chronic Disease Managements“ arbeiten Hausärzte, Physio- und Ergotherapeuten
folgendermaßen zusammen:
-
1. Der Arzt untersucht mögliche medizinische Faktoren, die das Fallrisiko des Patienten
beeinflussen können, und erstellt einen Managementplan.
-
2. Der Arzt überweist den Patienten zur Ergound Physiotherapie.
-
3. Woche 1: Hausbesuch durch einen Physiotherapeuten. Er leitet den Patienten zum
Otago-Übungsprogramm an.
-
4. Woche 1: Hausbesuch durch einen Ergotherapeuten. Er beurteilt die Situation des
Patienten mithilfe des Westmead Home Safety Assessments und der Falls Behavioural
Scale (FaB), er gibt Ratschläge zur Wohnraumanpassung, zum Beispiel Stolperfallen
wie Teppiche zu beseitigen, überprüft, wie der Patient das OtagoÜbungsprogramm alleine
durchführt, und korrigiert ihn bei Bedarf.
-
5. Woche 2: Hausbesuch durch einen Physiotherapeuten. Er überprüft auch, wie der Patient
das Übungsprogramm durchführt, und verbessert ihn bei Bedarf.
-
6. Woche 5: Hausbesuch durch einen Ergotherapeuten. Er überprüft erneut, wie der Patient
seine Übungen durchführt und bewertet die Fortschritte. Zudem gibt er Sicherheitsratschläge
für den Alltag.
-
7. Woche 6: Hausbesuch durch einen Ergooder Physiotherapeuten. Neben andere Dingen
überprüft er ein letztes Mal das Übungsprogramm und gibt Ratschläge, wie der Patient
die Übungen auch weiterhin durchführt. Therapeut und Patient erstellen gemeinsam einen
individuellen Plan mit präventiven Maßnahmen, um Stürze in Zukunft zu vermeiden. Zudem
überprüfen sie abschließend, ob die Wohnraumanpassungen angemessen und ausreichend
sind.
-
8. Beide Therapeuten berichten abschließend an den Hausarzt des Patienten.
Abb.: rueffelpix/fotolia.de
Saja
Aust Fam Physician 2014; 4: 211–215