Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2014; 21(06): 271
DOI: 10.1055/s-0034-1397293
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ungewöhnliche Expositionsmuster

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Publication Date:
08 January 2015 (online)

 

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    unsere Wohlstandsgesellschaft ist vielfältig geworden. Das „hinterste Dorf“ gibt es nicht mehr. Auch in der ehemals tiefsten Provinz haben Menschen die Möglichkeit, unter Nutzung des Internet und leistungsfähiger Logistikunternehmen von klein auf ihren individuellen Neigungen zu folgen und Fähigkeiten zu entwickeln, die in vielen Fällen dann – insbesondere als Variante einer Sportart – zur Kombination von Leidenschaft und gesundheitlichem Risiko führt. Ebenfalls ist der reine Besuch ferner Länder fast schon langweilig geworden. Die Touristikbranche hat der Individualisierung Rechnung getragen und bietet vielfältige Möglichkeiten, den ganz persönlichen Neigungen an verschiedenen Orten dieser Welt nachzugehen. So entstehen, nüchtern betrachtet, sehr individuelle Expositionsmuster, die dann zu einer Vielzahl scheinbar ungewöhnlicher Krankheitsfälle führen.

    Betroffen von dieser Entwicklung ist insbesondere der Hausarzt in seiner Primärarztfunktion. Konnte er früher noch aufgrund des recht gleichartigen Lebensstils seiner Patienten anamnestische Angaben üblicherweise sicher beurteilen, wird er zunehmend mit ungewöhnlichen Expositionsmustern von Patienten konfrontiert, die im Hinblick auf die Bewertung des Kausalzusammenhangs außerhalb seiner Urteilsfähigkeit liegen können. Im Gegensatz zum beruflichen Umfeld kann bei derlei privaten Aktivitäten weder von der Einhaltung gewisser Sicherheitsstandards ausgegangen werden, noch gibt es einen zuständigen Arbeitsmediziner, der sachkundig beraten kann.

    In vorliegendem Heft verdeutlichen die Kasuistiken diese Nebeneffekte eines modernen Lebensstils. Es ist heutzutage technisch mühelos möglich, mal eben kurz in die Karibik zu fliegen oder auf große Höhen ins Gebirge zu fahren. Die Folgen sind ungewöhnliche Erkrankungen, deren Ursache allerdings schlicht in nicht ganz alltäglichen Expositionen liegen. Wie der Beitrag von Thomas Wolffgram zeigt, gilt ähnliches in präventiver Hinsicht auch für nicht ganz alltägliche Sportarten. Die Lebensbedingungen auf einer Hightechrennjacht sind weder angenehm noch gesundheitsfördernd. Dies sogar in einem Ausmaß, das umfassende medizinische Betreuung zwingend erforderlich macht, um die durchaus erheblichen Risiken zu begrenzen.

    Unter diesen Aspekten können Themen der FTR gerade für primär versorgende Ärzte möglicherweise hilfreich sein, weil sie Hintergrundinformationen zu gesundheitlichen Risiken und Folgen besonderer Expositionen liefern, die es bei einzelnen Patienten erleichtern können, Symptome und anamnestische Angaben im Sinne einer zielführenden Therapie richtig einzuordnen.

    Ihr
    Dr. Stefan Neidhardt, Kiel

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    Dr. Stefan Neidhardt

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    Dr. Stefan Neidhardt