Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2014; 21(06): 273-274
DOI: 10.1055/s-0034-1397294
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Weiterhin viele Neuinfektionen, aber auch positive Entwicklungen – Ein Jahr Ebolaepidemie

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Publication Date:
08 January 2015 (online)

 

    Die Ebolaepidemie, die vor nunmehr einem Jahr in Guinea begann, konnte immer noch nicht unter Kontrolle gebracht werden. In den vergangenen 2 Monaten, seit der letzten Ausgabe der FTR, haben sich die Fallzahlen erneut mehr als verdoppelt – von 6574 Verdachtsfällen (Stand 23. September) auf 15 900 (Stand 28. November). Die Dunkelziffer dürfte dabei weiterhin sehr hoch sein.

    Infektionen in weiteren Ländern

    Darüber hinaus hat die Epidemie auch weitere Länder erreicht. Zum einen ist mit Mali mittlerweile ein weiterer westafrikanischer Staat betroffen: Zunächst war ein 2-jähriges Mädchen aus Guinea nach dem Ebolatod ihres Vaters zu Verwandten in den Nordwesten des Landes gereist, wo es wenige Tage später an den Folgen einer Ebolainfektion verstarb. Zweieinhalb Wochen später verstarb in Malis Hauptstadt ein ebenfalls aus Guinea stammender Imam am Ebolafieber. Im Umfeld des Krankenhauses, in dem er behandelt wurde, erkrankten seither mindestens 6 Personen.

    Zum anderen ist es erstmals auch außerhalb Afrikas zu Infektionen durch infizierte Reisende gekommen. Zunächst erkrankte Ende September ein aus Liberia stammender Mann wenige Tage nach seiner Reise in die USA, während seiner Behandlung in Dallas infizierten sich 2 Krankenschwestern. In New York erkrankte außerdem ein US-amerikanischer Arzt wenige Tage nach seiner Rückkehr von einem Einsatz für die Ärzte ohne Grenzen aus Guinea. Und auch in Europa gab es einen ersten Fall; eine spanische Krankenschwester hatte sich in Madrid bei einem aus Westafrika eingeflogenen Ebolapatienten infiziert. Der liberianische Mann überlebte die Infektion nicht, alle übrigen Patienten wurden mittlerweile als geheilt entlassen und auch in ihrem Umfeld gab es bisher keine weiteren Infektionen.

    Dass in einer Zeit des weltweiten Reiseverkehrs bei einem derart großen Ausbruch einzelne Infizierte auch andere Kontinente erreichen und es dort auch zu lokalen Übertragungen kommen könnte, war zu erwarten – die Gefahr eines größeren Ausbruchs in Europa oder Nordamerika ist aber wohl weiterhin als sehr gering einzuschätzen, zu effizient ist das Gesundheitssystem hier. Viel größer ist die Gefahr dagegen für das westafrikanische Mali. Das Gesundheitssystem ist rudimentär, die Infrastruktur mangelhaft und etwa 3 Viertel der Erwachsenen können weder lesen noch schreiben. Das aus Guinea stammende, infizierte Kleinkind war etwa 1200 km mit Bus und Taxi durch das Land gereist, während es bereits hämorrhagische Symptome zeigte, also vermutlich infektiös war. Es hatte bei einem Aufenthalt in der Hauptstadt Bamako Verwandte besucht, die in einem Haushalt von 25 Menschen lebten, war dann weiter in die Stadt Kayes gereist, wo es schließlich in ein öffentliches Krankenhaus eingeliefert wurde.


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    Unverhältnismäßige Reaktionen

    Dies hätte ein Desaster für das arme Land bedeuten können. Allerdings war die Meldung über diesen ersten Fall in Mali westlichen Medien meist höchstens eine Randnotiz wert, während das Schicksal der spanischen Krankenschwester (und ihres Hundes!) und vor allem auch die Fälle aus den USA wesentlich mehr Beachtung fanden. Das spiegelt sich auch in der Nutzung sozialer Netzwerke wider: Allein im Oktober gab es 21 Mio. Tweets über die 4 Ebolafälle in den USA, aber nur 13 480 Twittermeldungen über die bis dahin knapp 5000 Todesfälle aus ganz Westafrika. Das ist unverhältnismäßig, wenn nicht gar zynisch, und die hierdurch geschürte Panik in Europa und den USA kann bei auf Wiederwahl bedachten Verantwortlichen zu blindem Aktionismus führen, der unter Umständen kontraproduktiv ist.

    So wurden teilweise gegen Empfehlungen der WHO Flugverbindungen eingestellt oder Quarantänemaßnahmen verhängt, was zwar beim aufgebrachten Bürger für Zustimmung sorgt, für die Bekämpfung der Epidemie aber hinderlich ist. Ein weiteres Problem ist, dass schlecht informierte Panikmache auch Regionen schädigt, die von dem Ausbruch gar nicht betroffen sind. So verzeichneten Süd- und vor allem Ostafrika in den vergangenen Monaten deutliche Einbrüche bei den Urlaubsbuchungen. Nairobi liegt zwar nur unwesentlich näher an der am stärksten von dem Ausbruch betroffenen Stadt Monrovia als Paris, aber für den durchschnittlichen westlichen Touristen ist Afrika nun einmal Afrika.

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    (Bild: CDC; Sally Ezra)

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    Weltweite Hilfsbereitschaft hat zugenommen

    Nichtsdestotrotz könnten durch die mediale Überberichterstattung die Fälle aus den USA und Spanien auch ihr Gutes für die Menschen in Afrika gehabt haben. Es mag ein Zufall sein, aber nach den Meldungen über die ersten Infektionen in Übersee zog die weltweite Hilfsbereitschaft deutlich an. Zahlreiche Nationen haben ihre finanziellen Hilfen aufgestockt, endlich auch Personal und Ausrüstung in die Region geschickt und begonnen, Krankenhäuser zu errichten.

    Dies ist ein Grund dafür, dass es mittlerweile vorsichtige Zeichen der Hoffnung gibt. Die Ausbrüche in Nigeria und im Senegal konnten nach nur 20 beziehungsweise einem Fall beendet werden. Und auch in Mali beschränken sich die autochthonen Infektionen bisher auf das Klinikpersonal und auf dessen nahe Verwandte in der Hauptstadt, 99 % der Kontaktpersonen stehen unter Beobachtung. In dem Umfeld des verstorbenen Mädchens gab es in über einem Monat keine weiteren Fälle. Darüber hinaus meldete Ärzte ohne Grenzen Anfang November, dass in einigen Regionen der am stärksten vom Ausbruch betroffenen Staaten erstmals wieder Betten in den Ebolazentren frei wären. Und auch die wöchentlichen Statistiken der WHO deuten darauf hin, dass seit Ende Oktober die Zahl der Neuinfektionen teilweise sinken könnte. Dies ist zwar mit Vorsicht zu genießen, da die Dunkelziffer hoch ist, die Daten auf nur bedingt zuverlässigen Angaben der betroffenen Länder basieren und schließlich Fluktuationen innerhalb einer Epidemie normal sind. Allerdings lässt sich doch mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die schlimmsten Prognosen nicht eingetreten sind.

    Dies könnte neben der zunehmenden internationalen Hilfe und Aufklärungsmaßnahmen vor Ort noch einen weiteren Grund haben: In die Modelle wurde nicht mit eingerechnet, dass es auch beim Ebolafieber höchstwahrscheinlich zahlreiche asymptomatische Krankheitsverläufe gibt. So zeigte zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 1997, dass von 14 seropositiven Menschen aus Gabun nur 4 zuvor tatsächlich am Ebolafieber erkrankt waren, und laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 waren 11 von 24 asymptomatischen Kontaktpersonen von Ebolapatienten seropositiv. Nimmt man nun beispielsweise an, dass etwa 50 % der Infektionen asymptomatisch verlaufen, hat dies einen enormen Effekt auf die errechneten Prognosen (Bellan et al.).


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    Weiterhin Unterstützung notwendig

    Es gibt aber noch lange keinen Grund, sich zurückzulehnen und zu hoffen, die Epidemie würde nun langsam abflauen. Selbst wenn die offiziellen Daten stimmen und die Zahl der Neuinfektionen nicht weiter steigen sollte, so erkranken doch immer noch jede Woche mehrere Hundert Menschen neu. Es gibt noch immer nicht in allen Regionen Ebolakliniken oder auch nur sachkundige Helfer, die komplette Überwachung von Kontaktpersonen ist derzeit noch reine Utopie, Verstorbene verbleiben nach wie vor vielerorts noch viel zu lange in ihrem Haus oder auf der Straße, bevor sie abgeholt werden (wenn dies denn überhaupt passiert), und noch immer gibt es zahlreiche Menschen, die nicht an die Existenz von Ebola glauben, und Naturheiler, die Erkrankten Salzbäder verabreichen. Ende April hatte man bereits einmal geglaubt, den Ausbruch unter Kontrolle zu haben, nur um dann wenige Tage später zu erleben, wie er wie ein Buschfeuer losbrach und sich die Fallzahlen im nächsten halben Jahr verfünfzigfachten.

    Dr. Raymund Lösch und Dipl. Biol. Unn Klare, Bad Doberan

    Quellen: promed, WHO, Bellan SE, Pulliam JR, Dushoff J, Meyers LA. Ebola control: effect of asymptomatic infection and acquired immunity. Lancet 2014; 384: 1499–1500


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    (Bild: CDC; Sally Ezra)