Die Ebolaepidemie, die vor nunmehr einem Jahr in Guinea begann, konnte immer noch
nicht unter Kontrolle gebracht werden. In den vergangenen 2 Monaten, seit der letzten
Ausgabe der FTR, haben sich die Fallzahlen erneut mehr als verdoppelt – von 6574 Verdachtsfällen
(Stand 23. September) auf 15 900 (Stand 28. November). Die Dunkelziffer dürfte dabei
weiterhin sehr hoch sein.
Infektionen in weiteren Ländern
Darüber hinaus hat die Epidemie auch weitere Länder erreicht. Zum einen ist mit Mali
mittlerweile ein weiterer westafrikanischer Staat betroffen: Zunächst war ein 2-jähriges
Mädchen aus Guinea nach dem Ebolatod ihres Vaters zu Verwandten in den Nordwesten
des Landes gereist, wo es wenige Tage später an den Folgen einer Ebolainfektion verstarb.
Zweieinhalb Wochen später verstarb in Malis Hauptstadt ein ebenfalls aus Guinea stammender
Imam am Ebolafieber. Im Umfeld des Krankenhauses, in dem er behandelt wurde, erkrankten
seither mindestens 6 Personen.
Zum anderen ist es erstmals auch außerhalb Afrikas zu Infektionen durch infizierte
Reisende gekommen. Zunächst erkrankte Ende September ein aus Liberia stammender Mann
wenige Tage nach seiner Reise in die USA, während seiner Behandlung in Dallas infizierten
sich 2 Krankenschwestern. In New York erkrankte außerdem ein US-amerikanischer Arzt
wenige Tage nach seiner Rückkehr von einem Einsatz für die Ärzte ohne Grenzen aus
Guinea. Und auch in Europa gab es einen ersten Fall; eine spanische Krankenschwester
hatte sich in Madrid bei einem aus Westafrika eingeflogenen Ebolapatienten infiziert.
Der liberianische Mann überlebte die Infektion nicht, alle übrigen Patienten wurden
mittlerweile als geheilt entlassen und auch in ihrem Umfeld gab es bisher keine weiteren
Infektionen.
Dass in einer Zeit des weltweiten Reiseverkehrs bei einem derart großen Ausbruch einzelne
Infizierte auch andere Kontinente erreichen und es dort auch zu lokalen Übertragungen
kommen könnte, war zu erwarten – die Gefahr eines größeren Ausbruchs in Europa oder
Nordamerika ist aber wohl weiterhin als sehr gering einzuschätzen, zu effizient ist
das Gesundheitssystem hier. Viel größer ist die Gefahr dagegen für das westafrikanische
Mali. Das Gesundheitssystem ist rudimentär, die Infrastruktur mangelhaft und etwa
3 Viertel der Erwachsenen können weder lesen noch schreiben. Das aus Guinea stammende,
infizierte Kleinkind war etwa 1200 km mit Bus und Taxi durch das Land gereist, während
es bereits hämorrhagische Symptome zeigte, also vermutlich infektiös war. Es hatte
bei einem Aufenthalt in der Hauptstadt Bamako Verwandte besucht, die in einem Haushalt
von 25 Menschen lebten, war dann weiter in die Stadt Kayes gereist, wo es schließlich
in ein öffentliches Krankenhaus eingeliefert wurde.
Unverhältnismäßige Reaktionen
Dies hätte ein Desaster für das arme Land bedeuten können. Allerdings war die Meldung
über diesen ersten Fall in Mali westlichen Medien meist höchstens eine Randnotiz wert,
während das Schicksal der spanischen Krankenschwester (und ihres Hundes!) und vor
allem auch die Fälle aus den USA wesentlich mehr Beachtung fanden. Das spiegelt sich
auch in der Nutzung sozialer Netzwerke wider: Allein im Oktober gab es 21 Mio. Tweets
über die 4 Ebolafälle in den USA, aber nur 13 480 Twittermeldungen über die bis dahin
knapp 5000 Todesfälle aus ganz Westafrika. Das ist unverhältnismäßig, wenn nicht gar
zynisch, und die hierdurch geschürte Panik in Europa und den USA kann bei auf Wiederwahl
bedachten Verantwortlichen zu blindem Aktionismus führen, der unter Umständen kontraproduktiv
ist.
So wurden teilweise gegen Empfehlungen der WHO Flugverbindungen eingestellt oder Quarantänemaßnahmen
verhängt, was zwar beim aufgebrachten Bürger für Zustimmung sorgt, für die Bekämpfung
der Epidemie aber hinderlich ist. Ein weiteres Problem ist, dass schlecht informierte
Panikmache auch Regionen schädigt, die von dem Ausbruch gar nicht betroffen sind.
So verzeichneten Süd- und vor allem Ostafrika in den vergangenen Monaten deutliche
Einbrüche bei den Urlaubsbuchungen. Nairobi liegt zwar nur unwesentlich näher an der
am stärksten von dem Ausbruch betroffenen Stadt Monrovia als Paris, aber für den durchschnittlichen
westlichen Touristen ist Afrika nun einmal Afrika.
(Bild: CDC; Sally Ezra)
Weltweite Hilfsbereitschaft hat zugenommen
Nichtsdestotrotz könnten durch die mediale Überberichterstattung die Fälle aus den
USA und Spanien auch ihr Gutes für die Menschen in Afrika gehabt haben. Es mag ein
Zufall sein, aber nach den Meldungen über die ersten Infektionen in Übersee zog die
weltweite Hilfsbereitschaft deutlich an. Zahlreiche Nationen haben ihre finanziellen
Hilfen aufgestockt, endlich auch Personal und Ausrüstung in die Region geschickt und
begonnen, Krankenhäuser zu errichten.
Dies ist ein Grund dafür, dass es mittlerweile vorsichtige Zeichen der Hoffnung gibt.
Die Ausbrüche in Nigeria und im Senegal konnten nach nur 20 beziehungsweise einem
Fall beendet werden. Und auch in Mali beschränken sich die autochthonen Infektionen
bisher auf das Klinikpersonal und auf dessen nahe Verwandte in der Hauptstadt, 99
% der Kontaktpersonen stehen unter Beobachtung. In dem Umfeld des verstorbenen Mädchens
gab es in über einem Monat keine weiteren Fälle. Darüber hinaus meldete Ärzte ohne
Grenzen Anfang November, dass in einigen Regionen der am stärksten vom Ausbruch betroffenen
Staaten erstmals wieder Betten in den Ebolazentren frei wären. Und auch die wöchentlichen
Statistiken der WHO deuten darauf hin, dass seit Ende Oktober die Zahl der Neuinfektionen
teilweise sinken könnte. Dies ist zwar mit Vorsicht zu genießen, da die Dunkelziffer
hoch ist, die Daten auf nur bedingt zuverlässigen Angaben der betroffenen Länder basieren
und schließlich Fluktuationen innerhalb einer Epidemie normal sind. Allerdings lässt
sich doch mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die schlimmsten Prognosen nicht eingetreten
sind.
Dies könnte neben der zunehmenden internationalen Hilfe und Aufklärungsmaßnahmen vor
Ort noch einen weiteren Grund haben: In die Modelle wurde nicht mit eingerechnet,
dass es auch beim Ebolafieber höchstwahrscheinlich zahlreiche asymptomatische Krankheitsverläufe
gibt. So zeigte zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 1997, dass von 14 seropositiven
Menschen aus Gabun nur 4 zuvor tatsächlich am Ebolafieber erkrankt waren, und laut
einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 waren 11 von 24 asymptomatischen Kontaktpersonen
von Ebolapatienten seropositiv. Nimmt man nun beispielsweise an, dass etwa 50 % der
Infektionen asymptomatisch verlaufen, hat dies einen enormen Effekt auf die errechneten
Prognosen (Bellan et al.).
Weiterhin Unterstützung notwendig
Es gibt aber noch lange keinen Grund, sich zurückzulehnen und zu hoffen, die Epidemie
würde nun langsam abflauen. Selbst wenn die offiziellen Daten stimmen und die Zahl
der Neuinfektionen nicht weiter steigen sollte, so erkranken doch immer noch jede
Woche mehrere Hundert Menschen neu. Es gibt noch immer nicht in allen Regionen Ebolakliniken
oder auch nur sachkundige Helfer, die komplette Überwachung von Kontaktpersonen ist
derzeit noch reine Utopie, Verstorbene verbleiben nach wie vor vielerorts noch viel
zu lange in ihrem Haus oder auf der Straße, bevor sie abgeholt werden (wenn dies denn
überhaupt passiert), und noch immer gibt es zahlreiche Menschen, die nicht an die
Existenz von Ebola glauben, und Naturheiler, die Erkrankten Salzbäder verabreichen.
Ende April hatte man bereits einmal geglaubt, den Ausbruch unter Kontrolle zu haben,
nur um dann wenige Tage später zu erleben, wie er wie ein Buschfeuer losbrach und
sich die Fallzahlen im nächsten halben Jahr verfünfzigfachten.
Dr. Raymund Lösch und Dipl. Biol. Unn Klare, Bad Doberan
Quellen: promed, WHO, Bellan SE, Pulliam JR, Dushoff J, Meyers LA. Ebola control:
effect of asymptomatic infection and acquired immunity. Lancet 2014; 384: 1499–1500