Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2014; 21(06): 274-275
DOI: 10.1055/s-0034-1397295
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ebola – Evidenz statt Angst

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Publication Date:
08 January 2015 (online)

 

    Nachdem das Ebolavirus erstmals im Jahr 1976 am Fluss Ebola in Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo) auftrat, wurden seither etwas mehr als 2 Dutzend kleinere und größere Ausbrüche registriert – im Schnitt ist dies weniger als ein Ausbruch pro Jahr. Beim bisher größten Ausbruch in den Jahren 2000/2001 in Uganda erkrankten 425 Menschen, 224 (53 %) davon starben. Alle bisherigen Ausbrüche teilten bisher den Umstand, dass sie ohne besondere Maßnahmen oder Hilfe von außen mehr oder weniger von alleine wieder in sich zusammenbrachen, bevor sie ein größeres Ausmaß annehmen konnten. Kein einziger Ebolafall wurde bislang aus Afrika exportiert.

    Warum ist das diesmal anders?

    Die wahrscheinlich zutreffendste Antwort lautet, dass mehrere Faktoren zusammentreffen. Die 3 hauptsächlich vom Ausbruch betroffenen Länder Liberia, Guinea und Sierra Leone gehören zu den 25 ärmsten Ländern der Welt (gemäß Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner, nach Internationalem Währungsfonds 2013). Die medizinische Infrastruktur wie auch die staatlichen Möglichkeiten einer behördlich organisierten und durchgesetzten Eindämmung sind gering bis fehlend. Gleichfalls war in der aktuell betroffenen Region bis dato kein entsprechender Ausbruch aufgetreten, es fehlt(e) der Bevölkerung das Verständnis und damit auch die Bereitschaft zur Kooperation in Bezug auf oftmals drastische Maßnahmen wie Quarantäne und Abtransport von verstorbenen Verwandten in verschlossenen Leichensäcken. Auch kulturelle Hintergründe spielen eine wichtige Rolle. Inwieweit möglicherweise eine Veränderung des Virus selbst, zum Beispiel in Bezug auf sein Transmissionspotenzial vorliegt, werden fortlaufende Untersuchungen vielleicht zeigen.


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    Wenig Wissen über das Virus vorhanden

    Auf der kürzlich in New Orleans in den USA stattgefundenen Jahrestagung der American Society of Tropical Medicine and Hygiene (ASTMH) war der Ebolaausbruch in eigenen Sessions aber auch auf den Fluren ein führendes Gesprächsthema. Dabei wurde deutlich, wie wenig seit 1976 eigentlich über das Virus bekannt ist. Nicht zuletzt dieser Unwissenheit sowie der damit einhergehenden Angst vor diesem Erreger ist es geschuldet, dass Ebola bereits im Vorfeld der jährlich circa 3000 Teilnehmer aus aller Welt umfassenden ASTMH-Jahrestagung für Aufregung sorgte. So riet das Louisiana Department of Health and Hospitals (DHH) Personen, die bis zu 3 Wochen zuvor in einem der 3 Ausbruchländer gewesen waren, dringend von einer Einreise in den US-Bundestaat ab beziehungsweise verfügte, dass entsprechende Personen bei Einreise im Hotelzimmer unter Quarantäne gestellt würden. Dass in diesem Zusammenhang selbst die US-amerikanischen Centers of Disease Control and Prevention (CDC) in ihren Maßnahmen eher auf ein Bauchgefühl vertrauen, als auf Evidenz basierende Maßnahmen implementieren, unterstreicht den großen Aufklärungsbedarf: Über Aufsteller wurde während des Kongresses versucht, mögliche Verdachtsfälle unter den Kongressteilnehmern schnellstmöglich ausfindig zu machen (Abb. [ 1 ]). Doch die unpräzise geografische Eingrenzung möglicher Expositionsgebiete (kleine Karte oben links auf Abb. [ 1 ]) zeigt trotz aller berechtigter Sorge vor einer möglichen Übertragung auf diesem Kongress, dass auch beim CDC der Faktor Angst eine Rolle spielt: Das geografische Expositionsrisiko hätte aus meiner Sicht auf die 3 Ausbruchsländer beschränkt werden sollen.

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    Abb. 1 Aufsteller auf der Jahrestagung der American Society of Tropical Medicine and Hygiene (ASTMH) 2014 in New Orleans.
    Quelle: PD Dr. Jakob Cramer, Zürich/Hamburg

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    Erschreckende Bilanz: Ansteckungen außerhalb Afrikas

    Mutig hingegen war es seitens der CDC, von der strikten Isolierung von Verdachtsfällen in den 4 in den USA vorhandenen Hochsicherheitszentren abzurücken und eine Isolierung auch in eher peripheren Krankenhäusern vorzusehen. Es ist selbst für Einrichtungen, die spezialisierte Behandlungszentren unterhalten, eine erhebliche Belastung und ein (Kosten-)Aufwand, einen ausreichenden Personalstock dauerhaft auch außerhalb von Ausbrüchen zu trainieren und entsprechend geschult/routiniert zu halten. Die in Texas mit der Behandlung des ersten in den USA positiv getesteten Ebolapatienten assoziierte Ansteckungen zweier Krankenschwestern sowie die Infektion der spanischen Krankenschwester sind angesichts der weniger als 2 Dutzend aus Afrika nach Europa beziehungsweise in die USA importierten Erkrankungsfälle eine doch erschreckende Bilanz.


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    Welche Maßnahmen sind wirksam?

    Doch was kann denn nun getan werden, um den Ausbruch rasch und wirksam einzudämmen? Nicht hoch genug eingeschätzt werden kann in diesem Zusammenhang der Einsatz der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Nachdem am 18. März 2014 eine Bitte um Unterstützung seitens des Gesundheitsministeriums aus Guinea bei der Organisation einging, war MSF als erste (und lange Zeit einzige) auswärtige Organisation vor Ort präsent. Seither (Stand 05.11.2014) sind 23 MSF-Mitarbeiter im Rahmen der widrigen Umstände vor Ort mit dem Ebolavirus infiziert worden, davon sind 13 verstorben. Erst eine vermutlich bewusst drastisch formulierte Mitteilung von Seiten der Organisation MSF, dass der Ausbruch außer Kontrolle geraten sei, hat international wachgerüttelt und eine dennoch träge und in Teilen auch fraglich effektive Hilfeleistung westlicher Regierungen in Gang gesetzt. Als Maßnahme zur Eindämmung einer weiteren Verbreitung wurde zum Beispiel das Befragen von Ausreisewilligen nach Risikokontakten beziehungsweise das berührungsfreie Screenen der Körpertemperatur an Flughäfen der betroffenen Länder implementiert.

    Die Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, zeigen allerdings, dass praktisch kein mit einem Flugticket ausgestatteter Reisender, der sich entschlossen hat (auch in der Hoffnung auf eine ggf. bessere medizinische Versorgung) ein Ausbruchsland zu verlassen, am Flughafen glaubhafte Angaben zu möglichen Expositionskontakten macht. Auch das massenhafte Temperaturscreenen mit Infrarotmessung, einem Verfahren, welches für die im Ausbruchsgebiet vorherrschenden Klimabedingungen technisch gar nicht evaluiert ist, erweist sich bisher als keineswegs zielführend.

    Weitere, notgedrungen teils eher pragmatische als evidenzbasierte Maßnahmen beinhalten das Verteilen von Schutzkits an bestimmte Risikopersonen beziehungsweise in Familien im Ausbruchsgebiet – bestehend aus Handschuhen, Masken, Desinfektionsmitteln et cetera oder die Massenausgabe von Malariamitteln in Ausbruchszentren, um den Ansturm von Menschen mit fieberhaften Infektionen auf Ebolabehandlungszentren (und mögliche weitere Übertragungen) zu reduzieren. Ferner sind insbesondere Aufklärungs- und Informationskampagnen von großer Bedeutung.

    Auf der anderen Seite fehlt es zum Beispiel noch immer an speziellen Ebolabehandlungszentren beziehungsweise dafür notwendigem Personal.


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    Experimentelle Behandlungen und Impfstoffe

    Inwieweit experimentelle Behandlungen oder Impfstoffe diesen Ausbruch relevant werden beeinflussen können, ist gegenwärtig fraglich. Dennoch erscheint es geradezu geboten, diese Interventionen schnellstmöglich und pragmatisch zu evaluieren – auch um beim nächsten Ausbruch, der sicherlich kommen wird, früh effektive Maßnahmen zur Hand zu haben. Die WHO hat nach langen und schwierigen Diskussionen am 11. August 2014 klar Stellung bezogen, dass im gegenwärtigen Kontext des Ausbruchs der Einsatz von in Bezug auf Effektivität und Sicherheit nicht ausreichend getesteten Interventionen gerechtfertigt erscheint. Diese Haltung sollte dann auch konsequent von entsprechenden wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen außerhalb des Ausbruchsgeschehens vertreten und unterstützt werden. Zwei Impfstoffkandidaten sind nunmehr erstmals in einem multizentrischen Ansatz in den USA, in Europa und in Afrika in der klinischen Prüfung: Ein auf dem vesikulären Stomatitisvirus beruhender (rVSV-ZEBOV) und ein auf einem Schimpansenadenovirus basierender Impfstoff (ChAD3-ZEBOV). Wenn alles gut läuft, kann möglicherweise bereits im Dezember 2014 mit Phase 3-Studien in Liberia begonnen werden.

    So oder so bleibt zu hoffen, dass auch dieser Ausbruch so schnell wie möglich wieder abebbt, erste positive Zeichen mehren sich bereits, doch möchte man sich insbesondere im Rahmen dieses Ausbruchs nicht zu früh gefreut haben. Es lohnt aber an dieser Stelle, einmal innezuhalten und sich die persönlichen Risiken für Leib und Leben vor Augen zu führen, die lokale oder in die Ausbruchsregion ausgereiste Hilfskräfte auf sich genommen haben.

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    (Bild: Fotolia; Dreadlock)

    PD Dr. Jakob Cramer, Zürich/Hamburg

    Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit


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    Abb. 1 Aufsteller auf der Jahrestagung der American Society of Tropical Medicine and Hygiene (ASTMH) 2014 in New Orleans.
    Quelle: PD Dr. Jakob Cramer, Zürich/Hamburg
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    (Bild: Fotolia; Dreadlock)