Dialyse aktuell 2015; 19(01): 46-47
DOI: 10.1055/s-0035-1546357
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

7. Stuttgarter Nephrologisches Seminar – Praxisrelevantes Update zur PD, HD, NTx und klinischen Nephrologie

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Publication Date:
09 February 2015 (online)

 
 

Bereits zum 7. Mal fand am 11. Oktober 2014 das tradierte Stuttgarter Nephrologische Seminar statt, zu dem erneut Prof. Mark Dominik Alscher (Robert-Bosch-Krankenhaus), Dr. Georg Hasche (Nephrologisches Zentrum Wolframstraße) und Prof. Christoph Olbricht (Klinikum Stuttgart), mit Unterstützung der Firma Fresenius Medical Care, eingeladen hatten. Das Programm beleuchtete aktuelle Fragestellungen aus den Bereichen Transplantation, klinische Nephrologie, Peritonealdialyse und Hämodialyse und bot den über 100 Teilnehmern ein praxisrelevantes Update.

Themenkomplex „Nierentransplantation“

Wie Dr. Jochen Wollmeyer, Stuttgart, ausführte, konnte in den vergangenen Jahren durch Therapieoptimierungen bei der T-Zell-vermittelten Abstoßung das frühe Transplantatüberleben verbessert werden. Antikörpervermittelte Rejektionen stellen aber nach wie vor ein Problem dar [ 1 ], häufig sind es auch De-novo-Donor-spezifische-Antikörper (DSA), die das Transplantatüberleben beeinträchtigen [ 2 ]. Risikofaktoren für ihre Entstehung sind HLA-Mismatch (insbesondere Klasse II), frühere T-Zell-vermittelte Abstoßungen, auch die Umstellung der Immunsuppression oder die Non-Adhärenz des Patienten [ 1 ]. „Der beste Ansatz ist die Prävention, da derzeit keine gesicherte Therapie zur Verfügung steht“, betonte Wollmeyer. Wichtige Präventionsmaßnahmen seien ein frühes Erkennen von Non-Adhärenz sowie ein DSA-Monitoring, v. a. nach Umstellung der Immunsuppression oder bei einem Anstieg der Proteinurie.

Eine große Herausforderung für Transplantationszentren ist die Pflege der Warteliste, wie Prof. Anke Schwarz, Hannover hervorhob. Die absoluten Kontraindikationen sind weitläufig bekannt (u. a. eine nicht therapierbare KHK, aktive, nicht therapierbare Tumorerkrankung, Drogenabusus, ausgeprägte Non-Adhärenz etc.). Die medizinische Eignung zur Transplantation muss bei Wartelistenpatienten aber auch im Verlauf regelmäßig überprüft werden. Eine kardiologische Diagnostik erfolgt daher jährlich bei Patienten mit bekannter KHK, hypertensiver Herzkrankheit oder Klappenvitium sowie bei allen Patienten über 60 Jahre oder mit Diabetes mellitus. Auch die Gefäßsituation muss alle 12 Monate reevaluiert werden. Des Weiteren müssen spezielle Probleme im Verlauf überprüft und individuell beurteilt werden, wie der sekundäre Hyperparathyreoidismus (sHPT), Tumorerkrankungen oder die Adipositas.

In der anschließenden Pro-Kontra-Debatte diskutierten Dr. Elke Neumann-Haefelin, Freiburg, und PD Christian Morath, Heidelberg, den Stellenwert der Transplantatnephrektomie. Zwar gebe es Studien [ 3 ], die auf einen Nutzen der Tx-Nephrektomie weisen, dabei handele es sich aber nur um retrospektive Daten. Eine Indikation zu einer generellen Tx-Nephrektomie gebe es nicht, es müsse individuell abgewogen werden. Vorteile seien u. a., dass die Immunsuppression ganz abgesetzt werden kann, chronische Inflammation reduziert und u. U. auch Platz geschaffen wird. Außerdem könne bei der Planung einer neuen Transplantation die erfolgte Sensibilisierung genau diagnostiziert werden und somit eine Risikostratifizierung erfolgen. Demgegenüber steht jedoch der Erhalt der Restdiurese – sofern noch vorhanden –, der wiederum positiv mit dem Überleben assoziiert ist, und mögliche Risiken durch den invasiven Eingriff.


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Themenkomplex „Klinische Nephrologie“

In den vergangenen Jahren wurde bei Patienten mit schwer einstellbarem Bluthochdruck zunehmend die Durchführung der renalen Denervation propagiert. Die Simplicity-HTN-3-Studie [ 4 ] hatte jedoch vor wenigen Monaten ein enttäuschendes Ergebnis gezeigt. Die renale Denervation erbrachte im Vergleich zu einer Scheinbehandlung keinen signifikanten Nutzen. Laut Prof. Joachim Hoyer, Marburg, werden nun verschiedene Argumente angeführt, um das negative Studienergebnis zu erklären, vom Anteil afroamerikanischer Patienten, bei denen die Denervation keinerlei Effekt zeigte, über mangelnde Erfahrung der Untersucher mit dem Verfahren bis hin zu einer unterschiedlichen Komedikation in den Gruppen. Allerdings seien diese Argumente nur bedingt zutreffend und lieferten keinen triftigen Grund, das Studienergebnis umzudeuten. Wie Hoyer betonte, sollte das Verfahren nur noch als Ultima Ratio bei Patienten mit „truly resistant“ Bluthochdruck nach gründlicher Evaluation durch einen Hypertensiologen zum Einsatz kommen.

Dr. Martin Kimmel, Stuttgart, sprach anschließend über das Krankheitsbild der membranoproliferativen Glomerulonephritis (MPGN), das etwa 7–10 % aller Glomerulonephritiden ausmacht. Histologisch lässt sich die Krankheit an der diffusen mesangialen Expansion und Proliferation sowie an Verdickungen der glomerulären Basalmembran diagnostizieren. Die Klinik hingegen ist eher weitläufig und variabel. Zu schweren Verläufen komme es allerdings nur selten. Wie Kimmel ausführte, hat sich im Hinblick auf die Klassifikation ein deutlicher Paradigmenwechsel vollzogen: Während bisher die MPGN aufgrund des elektronenmikroskopischen Befundes in Typ I–III unterteilt wurde, stellt die neuere Klassifikation die Pathophysiologie in den Vordergrund und unterscheidet zwischen immunkomplex- und komplementvermittelten Ursachen [ 5 ]. Grundsätzlich richtet sich die Therapie der MPGN nach Subtyp und klinischem Verlauf, Kimmel hob jedoch hervor, dass die zwischenzeitlich empfohlene Plättchenhemmung mit Aspirin und Dipyrimadol heutzutage obsolet ist.

Prof. Tobias Huber, Freiburg, führte aus, wie wichtig es ist, bei nephrologischen Patienten auch an mögliche genetische Ursachen zu denken und die Familienanamnese zu erheben. Ist diese positiv oder verläuft die Erkrankung untypisch, sollte eine genetische Diagnostik erwogen werden. Immer mehr genetische Tests sind in der Entwicklung und identifizieren Gendefekte oder Signalwege, die Nierenerkrankungen auslösen. Dass im Zuge dessen sich auch die Therapie weiterentwickelt, erklärte Huber am Beispiel der autosomal-dominanten Zystennierenerkrankung, wo sich derzeit mTOR- und cAMP-Hemmer in der klinischen Prüfung befinden. „Auch die Nephrologie ist auf dem Weg in Richtung personalisierter Medizin!“


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Themenkomplex „Peritonealdialyse“

Wie eine große Observationsstudie [ 6 ] gezeigt hat, ist die Mortalität von PD-Patienten in den ersten 2 Behandlungsjahren um 48 % geringer als die von HD-Patienten, sodass die PD als sehr gute Behandlungsalternative stärker erwogen werden sollte, erklärte Prof. Michael Koch, Velbert. Ob sich der Patient für die CAPD oder die Cyclertherapie entscheidet, sei hinsichtlich des Behandlungserfolgs und der Komplikationsrate unerheblich [ 7 ].

Bei der intermittierenden PD (IPD) handelt es sich um eine Zentrumsdialyse, die 3–4-mal pro Woche (ca. 8–12 h, daher meistens nächtlich) durchgeführt wird. Das Verfahren ist schonend und hat eine sehr gute Entwässerungs-, jedoch mäßige Entgiftungsfunktion. Bei einer noch ausreichenden Nierenrestfunktion ist die IPD daher ein geeignetes Verfahren, um hypervolämische Patienten zu entwässern und so ihr Mortalitätsrisiko zu senken [ 8 ].

Die „klassischen“ Indikationen für die IPD sind vor allem hohes Alter/fehlende Gefäßzugangsmöglichkeiten sowie Herzinsuffizienz/Aszites. Angesichts des zu erwartenden Anstiegs des mittleren Dialysealters gewinne das Verfahren an Bedeutung, so Koch. Eine neue Studie zeigte zwar, dass ältere, im Pflegeheim lebende Patienten nicht mehr von der Dialyse profitieren [ 9 ], allerdings wurden in dieser Studie alle Patienten mit der HD behandelt. Der beobachtete Mortalitätsanstieg in der Interventionsgruppe könne somit auch mit der Anlage von zentralvenösen Kathetern erklärt werden, da es in dieser Patientengruppe erfahrungsgemäß schwer sei, eine Fistel anzulegen. Interessanterweise ist ein früher Dialysestart bei der PD – im Gegensatz zur HD – auch nicht mit einer höheren Mortalität assoziiert [ 10 ]. Dass Patienten mit kardiorenalem Syndrom von der PD profitieren, ist bekannt [ 11 ]. Koch betonte aber auch, dass die PD bei ungeplantem Dialysestart eine Alternative darstellt und mit keiner höheren Komplikationsrate einhergeht als die HD [ 12 ].

Die PD ist auch eine effektive Therapie für Patienten mit Leberzirrhose und Niereninsuffizienz, wie Dr. Holger Wolke, Stuttgart, ausführte. Die Vorteile sind eine bessere hämodynamische Stabilität, ein besseres Aszitesmanagement, eine bessere Elimination von Endotoxinen sowie die Möglichkeit, Kalorien über das Dialysat zuzuführen. Auch ist bekannt, dass die Patienten kein erhöhtes Peritonitisrisiko aufweisen. Auch bei lebertransplantierten Patienten mit chronischem Nierenversagen stelle die PD eine geeignete Therapiealternative dar, weitere, größere Studien seien allerdings noch wünschenswert, so Wolke.


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Themenkomplex „Hämodialyse“

Prof. Martin Kuhlmann, Berlin, diskutierte den Stellenwert der Online-Hämodiafiltration (OL-HDF). Das Verfahren steigert die Mittelmolekül- und Phosphat-Clearance, ein weiterer Vorteil ist die bessere hämodynamische Stabilität der Patienten. Das Verfahren ist sicher und nicht aufwendiger in der Durchführung als die herkömmliche Dialyse, auch die Kosten liegen nur etwa 3 % höher. Wie Kuhlmann ausführte, fehle aber noch die sichere Evidenz für einen Überlebensvorteil durch die OL-HDF.

Die CONTRAST-Studie [ 13 ] und die TURKISH-HDF-Studie [ 14 ] erreichten kein signifikantes Ergebnis, während in der ESHOL-Studie [ 15 ] die Patienten deutlich von der OL-HDF profitierten. Wie Kuhlmann ausführte, wird die ESHOL-Studie wegen Unausgewogenheiten bei der Randomisierung kritisiert und ihr Ergebnis daher häufig hinterfragt. Bedeutsam erscheint allerdings, dass sich wie auch in den beiden anderen randomisierten Studien ein deutlicher Vorteil für die Patienten zeigte, die mit hohen Substitutionsvolumina ab 23 l pro Behandlung therapiert worden waren. Kuhlmann schlussfolgerte, dass somit die OL-HDF mit einem Ziel-Ultrafiltrations-Volumen von über 23 l vorteilhaft sein könnte.

Ein zunehmendes Problem in den Dialysezentren stellen multiresistente Erreger (MRSA, MRGN) und „Problemkeime“ wie Clostridium difficile dar, das Patientengut beinhaltet viele immunsupprimierte Personen mit häufiger Antibiotikaexposition. In Deutschland konnte die Rate der MRSA-Infektionen in den letzten 3–4 Jahren stabil gehalten werden, wie Dr. Christoph Machleidt, Stuttgart, hervorhob: Sie liegt bei 11 % im ambulanten und 16 % im stationären Bereich. Mittlerweile gibt es für den ambulanten Bereich Handlungsdirektiven in Hinsicht auf ein Screening von Patienten mit Risikokonstellation (u. a. Krankenhausbehandlung) und die Keimeradikation bei Betroffenen (Mupirocin-Nasensalbe, Rachenspülungen, antiseptische Hautwaschungen), wobei die Kosten durch die Krankenkassen übernommen werden. Sehr problematisch sind die MRGN, deren Inzidenz steigt und die teilweise gegen 3 oder 4 ansonsten hochwirksame Antibiotika resistent sind. Entscheidend ist die Prävention der Keimausbreitung durch Einhaltung der Standard- und erweiterten Hygienemaßnahmen in allen Dialysezentren!

Dr. Tilmann Kirschner, Stuttgart, beleuchtete abschließend den Stellenwert der Kontrastmittelsonografie in der nephrologischen Praxis. Wie er ausführte, ist sie ein valides Screening-Instrument mit einer hohen Sensitivität und guten Spezifität. Wie er an Fallbeispielen illustrierte, erlaubt die Untersuchung u. a. eine zuverlässige Differenzierung renaler Zysten, Pseudotumoren, Zysteneinblutungen und Malignomen sowie im Dialyse-Shunt-Monitoring z. B. ein frühes Erkennen zentralvenöser Stenosen, sodass sich häufig eine weitere radiologische Diagnostik erübrigt. Ein Vorteil ist, dass das Kontrastmittel nierenunabhängig eliminiert wird, sodass man das Verfahren auch bei Dialysepatienten bedenkenlos wiederholt einsetzen kann.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Beitragsinhalte stammen von der Verantaltung „7. Stuttgarter Nephrologisches Seminar“, 11.10.2014, Stuttgart, unterstützt von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Autorin ist Mitarbeiterin bei albersconcept.


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  • Literatur

  • 1 Sellarés J et al. Am J Transplant 2012; 12: 388-399
  • 2 Loupy A et al. N Engl J Med 2013; 369: 1215-1226
  • 3 Ayus JC et al. J Am Soc Nephrol 2010; 21: 374-380
  • 4 Bhatt DL et al.; SYMPLICITY HTN-3 Investigators. N Engl J Med 2014; 370: 1393-1401
  • 5 Sethi S, Fervenza FC. N Engl J Med 2012; 366: 1119-1131
  • 6 Lukowsky LR et al. Clin J Am Soc Nephrol 2013; 8: 619-628
  • 7 Bieber SD et al. Am J Kidney Dis 2014; 63: 1027-1037
  • 8 Agarwal R. Hypertension 2010; 56: 512-517
  • 9 Kurella Tamura M et al. N Engl J Med 2009; 361: 1539-1547
  • 10 Jain AK et al. Am J Kidney Dis 2014; 63: 798-805
  • 11 Koch M et al. Eur J Heart Fail 2012; 14: 530-539
  • 12 Koch M et al. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 375-380
  • 13 Grooteman MP et al.; CONTRAST Investigators. J Am Soc Nephrol 2012; 23: 1087-1096
  • 14 Ok E et al. Turkish Online Haemodiafiltration Study. Nephrol Dial Transplant 2013; 28: 192-202
  • 15 Maduell F et al.; ESHOL Study Group. Nephrol Dial Transplant 2013; 24: 487-497

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