ergopraxis 2015; 8(03): 12-13
DOI: 10.1055/s-0035-1548566
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Assessments – Therapieerfolge messen

Florence Kranz

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Publication Date:
05 March 2015 (online)

 

Ergotherapeuten nutzen in der Regel Befundinstrumente, die sowieso in ihrer Einrichtung zur Verfügung stehen. Es kann aber vorkommen, dass diese veralten oder einen wichtigen Problembereich vernachlässigen. Spätestens dann lohnt es sich, nach besseren Alternativen zu suchen.


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Florence Kranz

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Florence Kranz, Ergotherapeutin Bc OT und M.A. Gesundheitsmanagement, arbeitet als freie Journalistin, Redakteurin und Dozentin. Mit Assessments hat sie sich in Praxis, Lehre und Forschung beschäftigt.

Ergotherapie wirkt. Das gilt es zu belegen. Nicht nur gegenüber Klienten, sondern auch gegenüber Ärzten und Kostenträgern. Assessments helfen Ergotherapeuten dabei, systematisch Informationen über Klienten zu ermitteln. Sie liefern ihnen eine Basis, um die Therapie gemeinsam zu planen und zu evaluieren. Ergotherapeuten können Assessments aber auch nutzen, um professionell zu kommunizieren, die Therapieergebnisse zu dokumentieren und die Wirksamkeit ihrer Behandlung wissenschaftlich zu untermauern. Das heißt: Indem sie anerkannte Assessmentverfahren einsetzen, tragen sie zur Existenzsicherung der Ergotherapie bei [1–3].

Im Idealfall strukturiert

Um Informationen über Klienten zu erheben, haben Ergotherapeuten zwei Möglichkeiten: Entweder sie nutzen strukturierte, standardisierte Assessments oder unstrukturierte Ansätze wie ein lockeres Gespräch und einen selbst entwickelten Befundbogen [4]. Assessments liegen klar im Vorteil: Forscher haben sie in der Regel nach wissenschaft lichen Kriterien entwickelt und überprüft. Standardisierte Instrumente basieren zudem auf einer festgelegten Verfahrensweise. Ein Handbuch oder Protokoll informiert darüber, wie man das Assessment richtig anwendet und die Ergebnisse ermittelt bzw. interpretiert [1, 4].


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Die Qual der Wahl

Suchen Therapeuten nach geeigneten Assessments, stehen sie zunächst vor einem großen Angebot [2]. Als Erstes können sie überlegen, was sie eigentlich erfassen wollen. Benötigen sie Informationen über funktionelle Parameter wie Bewegungsausmaß, Sensibilität oder Kraft? Dann helfen ihnen Testverfahren weiter, die auf Ebene der Körperfunktionen ansetzen. Hierzu zählen beispielsweise die Neutral-Null-Methode, der Manuelle Muskeltest (MMT) oder die Semmes-Weinstein-Monofilamente. Solche Tests reichen aber nicht aus, um die Behandlung professionell zu planen und zu evaluieren [3–5]. Ergotherapeuten wollen auch etwas darüber erfahren, wie sich die Einschränkungen des Klienten auf seinen Alltag und seine Teilhabe auswirken. Außerdem interessiert sie, welchen Einfluss die Umwelt hat. Typisch ergotherapeutische Assessment wie das COPM, das Ergotherapeutische Assessment (EA) oder das AMPS setzen daher auf Aktivitäts- und Partizipationsebene an.

Wer anerkannte Assessments einsetzt, sichert die Existenz der Ergotherapie.

Schnell das passende Assessment finden

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Mit Sicherheit betätigungsorientiert

Ergotherapeutische Assessments sind häufig fachbereichsübergreifend nutzbar, um Informationen über die Handlungsbedürfnisse, Handlungsfertigkeiten, Handlungsgeschichten oder Handlungsperformanz des Klienten zu ermitteln. Einige von ihnen leiten sich direkt aus ergotherapeutischen Modellen ab. Das COPM basiert beispielsweise auf dem Canadian Model of Occupational Performance (CMOP). Auch das Model of Human Occupation (MOHO) stellt Ergotherapeuten eine große Vielfalt an Assessments bereit, mit denen sie handlungs- und/oder kontextbezogene Informationen gewinnen können. Einige dieser Assessments wie das MOHOST dienen als Screening-Tool, um erste Ansatzpunkte für die Therapie zu identifizieren. Andere Instrumente wie das AMPS, OSA oder ACIS ermitteln tiefergehende Informationen über Handlungsaspekte, etwa die Qualität der Handlungsperformanz oder die wahrgenommene Handlungskompetenz.

Dabei können Assessments prinzipiell zwei verschiedene Perspektiven aufgreifen. Beim COPM, beim OSA oder bei der Rollen- und Interessencheckliste schätzt der Klient seine Situation selbst ein. Beim AMPS, beim Ergotherapeutischen Assessment (EA) oder beim ACIS handelt es sich hin gegen um beobachtungsbasierte Testverfahren [4].


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Auf die Güte kommt es an!

Egal, auf welche Perspektive sich ein Assessment konzentriert, es sollte angemessene psychometrische Eigenschaften besitzen. Die Ergebnisse dürfen demnach nicht von der Testperson abhängen. Ob ein Assessment diese Objektivität sicherstellen kann, hängt vor allem von seiner Standardisierung ab. Ganz entscheidend ist außerdem, dass die Messergebnisse zuverlässig sind, also reliabel. Das heißt, die gemessenen Werte sollten die tatsächlichen Werte eines Klienten möglichst exakt wiedergeben. Das dritte große Gütekriterium klingt eigentlich selbstverständlich und ist doch ganz entscheidend. Demnach soll ein Assessment das messen, was es zu messen vorgibt. Möchte ein Instrument also Informationen über die Teilhabebedürfnisse eines Klienten ermitteln, darf es sich nicht auf funktionelle Parameter wie Kraft oder Bewegungsausmaß konzentrieren.

Häufig überprüfen Forscher auch die Sensitivität eines Tests. Damit bezeichnen sie dessen Fähigkeit, beim Klienten aufgetretene Veränderungen abzubilden [6, 7].


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Ergotherapeutische Assessments auf dem Vormarsch

Einige ergotherapeutische Assessments erfüllen die psychometrischen Anforderungen nachweislich. Beispielsweise belegen zahlreiche internationale Studien mit unterschiedlichen Klientengruppen, dass das COPM ausreichend reliabel, valide und sensitiv ist [8–11]. Auch das AMPS gilt international als eines der bestuntersuchten ergotherapeutischen Assessments [12]. Doch Vorsicht: Solche Studienergebnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf den deutschen Sprachraum übertragen. Vielmehr sollte ein Assessment nach seiner übersetzung erneut einen Validierungsprozess durchlaufen [2].

Ein gut untersuchtes deutschsprachiges Instrument stellt zum Beispiel das EA dar. Ein Forschungsteam um den Ergotherapeuten Dr. Sebastian Voigt-Radloff hat es nach wissenschaft lichen Kriterien entwickelt und überprüft. Ergotherapeuten können es überall in der Erwachsenenrehabilitation einsetzen. Es erfasst die ergotherapeutischen Behandlungsinhalte hinreichend und erfüllt die Gütekriterien der Validität, Reliabilität und Veränderungssensibilität [13, 14].


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Gewusst wo

Um sich besser im Dschungel der Assessments zurechtzufinden, haben Ergotherapeuten verschiedene Möglichkeiten. Der Indikationskatalog bietet ihnen zum Beispiel einen schnellen überblick über relevante Assessmentverfahren. Er ordnet sie sowohl den Fach bereichen als auch den ICF-Komponenten Körperstrukturen und -funktionen, Aktivitäten und Teilhabe sowie Kontextfaktoren zu. DVE-Mitglieder finden auf der Internetseite des Verbands zudem über 100 Assessment-Zusammenfassungen. Auch ergopraxis hat sich diesem wichtigen Thema verschrieben. Das Redaktionsteam veröffentlicht regelmäßig Artikel über relevante Assessments und sammelt diese sortiert nach Arbeitsfeldern auf ihrer Homepage. Reichen diese Quellen nicht aus, kann man zusätzlich in verschiedenen Datenbanken recherchieren [2, 15].


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Wer sucht, gewinnt!

Dank dieser Möglichkeiten können sich Ergotherapeuten also schnell einen Eindruck darüber verschaffen, welche Assessments sich inhaltlich eignen und die erforderlichen Gütekriterien erfüllen. Bei der Auswahl stellen sie oftmals auch ganz pragmatische überlegungen an. Sie wägen beispielsweise ab, ob sie den zeitlichen und finanziellen Aufwand rechtfertigen können. Das gilt insbesondere für Assessments wie das AMPS, die eine spezielle Weiterbildung erfordern. Eine zentrale Frage hilft ihnen außerdem dabei, ihren klientenzentrierten Anspruch umzusetzen: Liefert das Assessment relevante Informationen, um den Auftrag des Klienten zu klären und/oder zu erfüllen? Idealerweise zeigen ihnen die ermittelten Outcomes sogar direkt, ob ein Klient seinen individuellen Zielen im Therapieprozess näherkommen konnte. Die Suche nach geeigneten Assessments hat es also in sich. Doch der Aufwand lohnt sich. Denn gezielt ausgewählte Instrumente helfen Ergotherapeuten dabei, die Intervention im Sinne ihrer Klienten effektiv zu gestalten und zu bewerten.


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Florence Kranz, Ergotherapeutin Bc OT und M.A. Gesundheitsmanagement, arbeitet als freie Journalistin, Redakteurin und Dozentin. Mit Assessments hat sie sich in Praxis, Lehre und Forschung beschäftigt.