physiopraxis 2015; 13(03): 22-26
DOI: 10.1055/s-0035-1549240
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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20 March 2015 (online)

 

Schenkelhalsfraktur – Innerhalb von 12 Stunden operieren

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Abb.: Dmitry Kalinovsky/shutterstock.com

Die Mortalitätsrate nach 30 Tagen bei einer Schenkelhalsfraktur liegt bei 8,2 Prozent. Doch gibt es Faktoren, die vorhersagen können, mit welcher Wahrscheinlichkeit jemand eine Schenkelhalsfraktur überlebt? Dieser Frage gingen zwei Orthopäden aus Peterborough in England nach. Sie sammelten zwischen 1989 und 2013 die Daten von 6.226 Patienten über 60 Jahre, die sich eine Schenkelhalsfraktur zugezogen hatten, und beobachteten, wer von ihnen 30 Tage nach der Fraktur noch lebte.

Die Daten umfassten:

  • > Alter

  • > Geschlecht

  • > ASA-Grad (Glossar)

  • > die Mobilität auf einer Skala von null bis neun (0 = immobil, 9 = unabhängig mobil)

  • > Wohnort (zu Hause oder im Heim)

  • > mentale Funktion (MMTS – Mini Mental Test Score)

  • > intra- oder extrakapsuläre Fraktur

  • > Art der Operation (Fixation oder Gelenkersatz)

  • > Zeitpunkt der Operation nach der Klinikeinweisung

Die Patienten waren durchschnittlich 82 Jahre alt, 78 Prozent von ihnen waren weiblich. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass von allen Daten der ASA-Grad die zuverlässigste Aussage darüber machen kann, wie wahrscheinlich es ist, dass der Patient die ersten 30 Tage nach Klinikeinweisung überlebt. Jede Steigerung um eine Stufe auf dem ASA-Grad erhöhte bei den Patienten die Wahrscheinlichkeit zu sterben um das 1,5-Fache. Auch ein höheres Alter und eine extrakapsuläre Fraktur steigerten das Risiko deutlich. Einen großen Einfluss auf die Mortalität hatte zudem der Zeitraum, innerhalb dessen die Operation stattfand. Ein Eingriff, der später als 12 Stunden nach dem Ereignis erfolgte, erhöhte die Wahrscheinlichkeit um 60 Prozent, nach 30 Tagen nicht mehr zu leben. Die beste Prognose hatten dagegen die Patienten, die innerhalb der ersten 12 Stunden nach Aufnahme operiert wurden. Bessere Überlebenschancen hatten auch die weiblichen Teilnehmerinnen sowie diejenigen mit einer guten mentalen Funktion und einer höheren Mobilität.

Glossar

ASA-Klassifikation

1963 führte die American Society of Anesthesiologists eine fünfstufige Klassifikation ein, um den Zustand von Patienten vor einer Operation einzuschätzen. Die sechste Kategorie wurde später hinzugefügt.

  • > ASA 1: Gesunder Patient

  • > ASA 2: Patient mit leichter Allgemeinerkrankung

  • > ASA 3: Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung

  • > ASA 4: Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung ist

  • > ASA 5: Moribunder/sterbender Patient, der ohne Operation voraussichtlich nicht überleben wird

  • > ASA 6: Hirntoter Patient, dessen Organe zur Organspende entnommen werden

Anesthesiology 1963; 24: 111

Die Forscher betonen daher, dass es aufgrund ihrer Ergebnisse legitim sei, in der Klinik alle möglichen Ressourcen zu mobilisieren, um Patienten mit Hüftfrakturen möglichst innerhalb von 12 Stunden nach Einweisung operieren zu können.

smo

Bone Joint J 2015; 97-B: 104–108


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Schlaganfall – Physio- und ergotherapeutische Behandlungen senken Sterberisiko

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Abb.: belahoche/fotolia.com

Physio- und ergotherapeutische Behandlungen wirken sich positiv auf die Überlebenschancen von Menschen aus, die einen Schlaganfall erlitten haben. Zu diesem Schluss kamen Physiotherapeuten der Charité-Universitätsmedizin in Berlin.

Die Forscher werteten die Daten von 1.791 Mitgliedern der Deutschen BKK aus. Diese hatten im Jahr 2007 einen Schlaganfall erlitten und nach ihrer Akutversorgung motorische Einschränkungen wie Hemiparesen oder Gang- und Bewegungsstörungen behalten. Die Forscher analysierten, welche Therapien die Patienten erhalten hatten und wie viele von ihnen das erste Jahr nach dem Ereignis noch lebten. Dabei unterschieden sie zwischen drei Versorgungsverläufen: Unter „Nur-Akut“ notierten sie diejenigen, die lediglich eine Akutversorgung, aber keine Therapieangebote erhalten hatten. Bei „Standard-Plus“ waren sie nach der Akutversorgung in therapeutischer Behandlung. Und bei „Frühreha-Plus“ durchliefen sie zusätzlich eine Frührehabilitation.

Die Ergebnisse zeigten, dass das höchste Sterberisiko demnach für Patienten besteht, die nur akut versorgt werden und keine therapeutischen Angebote erhalten. Nehmen die Betroffenen nach ihrer Akutversorgung hingegen an einer physio- und/oder einer ergotherapeutischen Behandlung teil, überleben sie das erste Jahr nach dem Schlaganfall deutlich häufiger. Die höchste Überlebenschance besteht jedoch für diejenigen, die nach dem Schlaganfall zusätzlich eine Frührehabilitation durchlaufen.

Daher fordern die Autoren, die therapeutische Schlaganfall-Versorgung leitliniengerecht zu gestalten. Alle Patienten sollten demnach frühzeitig physio- und ergotherapeutische Behandlungen erhalten und diese nach ihrer Akutversorgung weiterführen. Dabei können sie ihre Therapie ergänzend oder alternativ zur Anschlussrehabilitation auch in einer ambulanten Praxis fortsetzen.

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Rehabilitation 2014; 53: 224–229


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Sturzprävention – Tanzen verbessert das Gleichgewicht

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Abb.: apops/fotolia.com

Im Alter kommt es häufig zu Funktionsverlust. Dieser kann sich äußern in Verwirrtheit, verringerter Muskelkraft, einem geschwächten Abwehrsystem und Gleichgewichtsproblemen. Das erhöht das Fallrisiko und die Gefahr für Frakturen. Zwei Ergotherapiestudierende aus Gent in den Niederlanden untersuchten in einer Literaturstudie, welche präventiven Therapieformen es gibt und ob speziell das Tanzen einen positiven Effekt auf physische Funktionen und das Gleichgewicht von älteren Menschen hat.

Hierzu analysierten sie drei Studien aus den Jahren 2005, 2010 und 2013. Die darin beschriebenen Interventionen erstreckten sich über einen Zeitraum von 6–12 Wochen, in denen die insgesamt 130 Probanden ein- bis dreimal wöchentlich an 40–75-minütigen Tanzstunden teilnahmen. Das Spektrum der Tänze reichte von Salsa, Merengue über Thai Dance bis hin zu Polka, Walzer, Foxtrott, Chacha- cha und Cancan. In allen drei Studien steigerten sich die Tänzer hinsichtlich Gleichgewicht signifkant. Darüber hinaus verbesserten sie ihren allgemeinen Gesundheitszustand durch einen verringerten Alkohol- und Tabakkonsum, eine verbesserte Schlafqualität und erhöhte sexuelle Aktivität. Positiv wirkte sich zudem der psychosoziale Gruppeneffekt aus.

Die Autoren schlussfolgern, dass sich das Tanzen auch therapeutisch eignet, physische Funktionen und das Gleichgewicht zu trainieren und damit das Sturzrisiko zu senken.

Saja

WTvE 2014; 2: 44–47

Tanzen

unterstützt Senioren dabei, …

… gesund älter zu werden. Denn die sensomotorisch rhythmische Aktivität fördert Menschen sowohl körperlich, kognitiv als auch sozial. Angebote in der Gemeinde ermöglichen es ihnen nicht nur, das Gleichgewicht zu trainieren, sondern in geselliger Runde zusammenzukommen.

GS

BMC Public Health 2013; 13: 477

Thieme Website Für Physiotherapeuten

Aktuelle Studienergebnisse

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Auf unserer Thieme Website für Physiotherapeuten finden Sie Kurzzusammenfassungen aktueller Studienergebnisse – jeden Monat upgedatet! Einfach reinklicken unter www.thieme.de/physiotherapie > „Studienergebnisse“.


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Folgeerkrankungen – Fußfehlstellungen schädigen Hüftgelenk

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Abb.: asafeliason/fotolia.com

Fußfehlstellungen, etwa eine Varusstellung des Vorfußes, können Beschwerden im Hüftgelenk auslösen. Was Physiotherapeuten schon lange im Hinterkopf haben, konnte ein Forscherteam aus Brasilien nun offiziell mit Zahlen belegen.

Sie rekrutierten 46 Probanden zwischen 14 und 18 Jahren. Bei allen maßen sie die Fußstellung des Vor- und Rückfußes auf beiden Seiten. Für die Messung der Vorfußstellung mussten sich die Probanden auf den Bauch legen. Am untersuchten Bein setzten die Forscher eine Markierung in der Mitte der Wade (M1) und mittig am Calcaneus (M2). Mithilfe eines Goniometers maßen sie am Verhältnis dieser beiden Punkte die Vorfußstellung. Um die Rückfußstellung zu beurteilen, sollten sich die Probanden einbeinig und barfuß auf eine 45 Zentimeter hohe Stufe vor einer Wand stellen. In dieser Position maßen die Forscher den Winkel zwischen den beiden Markierungen M1 und M2.

23 der Teilnehmer ordneten die Wissenschaftler mit einer Varusstellung in Vor- und Rückfuß der Interventionsgruppe zu. Sie zeigten im Vorfuß einen Winkel von ≥ 8 Grad und im Rückfuß eine Eversion von ≥ 10 Grad. Die restlichen Teilnehmer hatten eine funktionelle Fußstellung, also im Vorfuß einen Winkel von < 8 Grad und im Rückfuß eine Eversion von < 10 Grad, und wurden der Kontrollgruppe zugeteilt.

Um bei der Intervention Bewegungen in Knie- und Hüftgelenken zu messen, befestigten die Wissenschaftler Elektromagneten am Sacrum, distal lateral am Oberschenkel und anteromedial am oberen Teil der Tibia. Alle Teilnehmer bekamen dann die Aufgabe, mit verschränkten Armen vor dem Körper eine einbeinige Kniebeuge zu machen. Dafür hatten sie zwei Sekunden Zeit und sollten das Knie so weit wie möglich beugen. Diese Bewegung sollten sie drei Mal wiederholen. Ein Versuch wurde als gültig gewertet, wenn sie das Knie zu mindestens 60 Grad gebeugt hatten und sich nicht festhalten oder das zweite Bein absetzen mussten.

Bei den Probanden der Interventionsgruppe zeigte sich während der Ein-Bein-Kniebeuge eine stärkere Innenrotation im Hüftgelenk als bei den Probanden der Kontrollgruppe. Dabei war es irrelevant, wie weit die Probanden ihr Knie gebeugt hatten. Adduktion im Hüftgelenk und Abduktion im Kniegelenk unterschieden sich zwischen den beiden Gruppen nicht. Die Autoren betonen aufgrund ihrer Ergebnisse den Zusammenhang zwischen Fuß und Hüftgelenk und empfehlen deshalb bei Beschwerden im Hüftbereich auch die Füße im Hinterkopf zu haben.

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Man Ther 2015; 20: 79–83


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Pleuraerguss – Schneller entlassen mit Physiotherapie

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Zurück in heimische Gewässer: Wer bei einem Pleuraerguss Physiotherapie bekommt, wird schneller nach Hause entlassen.
Abb.: stockphoto-graf/fotolia.com

Patienten mit einem Pleuraerguss, die während ihres Krankenhausaufenthaltes Physiotherapie bekommen, werden schneller entlassen. Das fanden spanische Forscher heraus.

Für ihre Studie rekrutierten sie insgesamt 104 Patienten zwischen 18 und 80 Jahren, die wegen eines Pleuraergusses im Krankenhaus lagen. Zu Beginn maßen die Wissenschaftler bei allen Probanden die forcierte Vitalkapazität (FVC) mithilfe der Spirometrie sowie die Einsekundenkapazität (FEV1). Zusätzlich bestimmten sie die Sekretmenge in der Lunge anhand von Röntgenaufnahmen. Danach teilten die Autoren die Teilnehmer per Zufall der Interventions- oder der Kontrollgruppe zu. Alle Patienten erhielten eine Standardtherapie aus medikamentöser Behandlung und Thoraxdrainage. Die Probanden der Interventionsgruppe bekamen zusätzlich fünf Mal pro Woche für 40 bis 60 Minuten Physiotherapie. Diese bestand unter anderem aus Mobilisationstechniken für den Brustkorb, etwa Massagen und Dehnungen, sowie aktiven Atemübungen wie der Lippenbremse und der forcierten Ausatmung. Vor der Entlassung bestimmten die Forscher erneut die FVC, FEV1 und die Sekretmenge. Als Outcome legten sie die Dauer des Krankenhausaufenthaltes fest.

Die Probanden der Interventionsgruppe wurden nicht nur früher aus dem Krankenhaus entlassen, sondern zeigten zudem in der Abschlussuntersuchung deutlich bessere Ergebnisse bei der Spirometrie und in der Röntgenaufnahme.

rrn

Clin Rehabil 2014; 28: 1087–1095


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Abb.: Dmitry Kalinovsky/shutterstock.com
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Abb.: belahoche/fotolia.com
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Abb.: apops/fotolia.com
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Abb.: asafeliason/fotolia.com
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Zurück in heimische Gewässer: Wer bei einem Pleuraerguss Physiotherapie bekommt, wird schneller nach Hause entlassen.
Abb.: stockphoto-graf/fotolia.com