Einführung
Als medizinische Fachgesellschaft begrüßt die DRG grundsätzlich das Vorhaben der Bundesregierung,
korruptiven Praktiken im Bereich des Gesundheitswesens auch mit den Mitteln des Strafrechts
entgegenzutreten. Aufgrund der Entscheidung des Großen Senates für Strafsachen des
Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. März 2012 (GSSt 2/11) ist deutlich geworden, dass
Regelungslücken bestehen, weil im Vertragsarztsystem Zuwendungen, die zur unlauteren
Beeinflussung des Verordnungsverhaltens im Sinne einer wettbewerbsbezogenen Bevorzugung
gefordert, angeboten und gewährt werden, weder den §§ 331 ff. StGB noch dem Tatbestand
des § 299 StGB unterfallen, da niedergelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte
weder als Amtsträger im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c des Strafgesetzbuches
(StGB), noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne von § 299 StGB
anzusehen sind.
Der Gesetzgeber folgt mit seiner Initiative dem Bundesgerichtshof, der in seiner Entscheidung
festgestellt hat, dass er vor dem Hintergrund der seit längerem im strafrechtlichen
Schrifttum geführten Diskussion sowie im Hinblick auf gesetzgeberische Initiativen
zur Bekämpfung korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen nicht die grundsätzliche
Berechtigung des Anliegens verkennt, „Missständen, die – allem Anschein nach – gravierende
finanzielle Belastungen des Gesundheitssystems zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts
effektiv entgegenzutreten“.
Die DRG unterstützt nachdrücklich dieses Vorhaben des Gesetzgebers, da auch sie der
Meinung ist, dass es nicht hingenommen werden kann, dass dem öffentlichen Gesundheitswesen
jährlich erhebliche finanzielle Ressourcen durch Betrug und Korruption verloren gehen.
Unzulässige Patientenzuweisungen, die das Recht des Patienten auf eine freie Arztwahl
und eine aus medizinischen und qualitativen Gesichtspunkten vorgenommene Auswahl des
Behandlers konterkarieren, haben in einem modernen und qualitätsorientierten Gesundheitswesen
keinen Platz und bedürfen klarer Verbotsnormen, deren Einhaltung nachprüfbar und effektiv
umgesetzt werden können.
Die derzeitigen Vorschriften im Berufsrecht der Heilberufe (MBO-Ä, ApoG) sind offenbar
für eine effektive Bekämpfung der bestehenden Missstände allein nicht geeignet, da
in der Vergangenheit immer wieder Fälle von unzulässigem Zuweisungsverhalten im Medizinbetrieb
mit erheblichen finanziellen Dimensionen aufgedeckt worden sind, die sich mit den
Maßnahmen des Heilberufsrechts der Kammern oder dem Disziplinarrecht der KVen allein
nicht verhindern lassen.
Es erscheint auch angemessen, dass der Referentenentwurf in dem neu geschaffenen Straftatbestand
der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen in § 299a Abs. 1 S. 1 RefE-StGB
alle Heilberufsgruppen einbezieht, für die die Berufsausübung oder die Führung der
Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern, und für Sachverhalte
sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung
gilt. Wie bei dem Begriff des „Behandlers“ in dem durch das Patientenrechtegesetz
neu geschaffenen Behandlungsvertrag in § 630a Abs. 1 BGB, sollten jedenfalls alle
Angehörige der Heilberufe und damit nicht nur (Zahn-)Ärzte und psychologische Psychotherapeuten,
sondern auch Angehörige anderer Heilberufe, deren Ausbildung nach Artikel 74 Absatz
1 Nummer 19 des Grundgesetzes durch Bundesgesetz (Hebammen, Masseure und medizinische
Bademeister, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten u. a.) geregelt ist, von
dieser Strafrechtsnorm erfasst werden.
Da sich das Phänomen der Korruption auch nicht auf den öffentlichen Bereich des Gesundheitswesens
beschränkt, sondern auch der private Sektor betroffen ist, für den etwaige sozialrechtliche
Verbote keine Wirkung entfalten, erscheint es auch notwendig, dass die Neuregelung
nicht nur für zugelassene Leistungserbringer nach dem SGB V oder SGB XI, sondern unabhängig
davon für alle erfassten Heilberufsgruppen gilt.
Die DRG sieht aber aufgrund der Einführung des § 299a Abs. 1 S. 1 RefE-StGB in der
aktuellen Entwurfsfassung das Problem einer mangelnden Abgrenzung zwischen zulässigen
und unzulässigen Formen der Zusammenarbeit. Dies beruht auch auf der Vielfalt, der
durch den Begriff der „Berufsausübungspflichten“ (Abs. 1 2. Alt.) in Bezug genommenen
Vorschriften im Gesundheitswesen, die weder einheitlich sind, noch eine eindeutige
Bewertung der Zusammenarbeit im Einzelfall zulassen.
Gerade aktuelle Urteile aus diesem Bereich belegen, dass es für die Beteiligten häufig
unmöglich ist, bei Abschluss einer Kooperation eindeutig zu klären, ob ihr Verhalten
rechtlich zulässig ist oder nicht (vgl. hierzu OVG Münster, LandesberufsG für Heilberufe
hat mit Urteil vom 06.07.2011 (Az.: 6 t A 1816/09.T – Beteiligung an einem Gesundheitsunternehmen;
BGH vom 15.05.2014, Az.: I ZR 137/12 – Teil-BAG; BGH, Urteil vom 13. März 2014, Az.:
I ZR 120/13 – Entlassapotheke). Insbesondere für neue Formen der Zusammenarbeit im
Gesundheitswesen, die sowohl durch eine Novellierung der ärztlichen Berufsordnungen,
als auch durch den Gesetzgeber im VÄndG, im GKV-VStG und im GKV-VSG zugelassen worden
sind bzw. werden sollen, führt die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aufgrund
der häufig fehlenden klaren rechtlichen Vorgaben zu einer erheblichen Verunsicherung,
sodass davon auszugehen ist, dass Kooperationen zukünftig eher zurückhaltend abgeschlossen
werden, was dem jahrelangen (und mühsamen) Reformprozess einer Liberalisierung, insbesondere
der interpersonellen und intersektoralen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zuwiderläuft.
Mangelnde Konkretisierung des Vorteilsbegriffs
Mangelnde Konkretisierung des Vorteilsbegriffs
Nach der Begründung zu § 299a RefE-StGB in dem Referentenentwurf vom 04.02.2015 (S.
16) erfasst der Tatbestand der Bestechlichkeit nach Absatz 1 „das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen
oder Annehmen eines Vorteils.“ Zur Erläuterung wird hierzu folgendes ausgeführt:
„Das Tatbestandsmerkmal des Vorteils erfasst sämtliche Vorteile, unabhängig davon,
ob es sich um materielle oder immaterielle Zuwendungen handelt und ob sie an den Täter
oder an einen Dritten gewährt werden. Zur Auslegung des Vorteilsbegriffs kann auf
die zu § 299 StGB und §§ 331 ff. StGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden.
Danach fällt unter den Vorteilsbegriff jede Zuwendung, auf die der Täter keinen Rechtsanspruch
hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert
(BGH, Urteil vom 11. April 2001, 3 StR 503/00).“
In dem Gesetzestext des § 299a Abs. 1 RefE-StGB selbst existiert keine nähere Definition,
Beschreibung oder Aufzählung der Vorteile, die gemeint sein könnten. Der bloße Verweis
auf die Regelung in § 299 StGB führt nicht weiter, da in verschiedenen gesetzlichen
und untergesetzlichen Vorschriften des Gesundheitswesens bereits Regelungen enthalten
sind, die den Begriff des „Vorteils“ oder der „Zuwendung“ erläutern, wobei festzustellen
ist, dass diese Regelungen keineswegs einheitlich sind (vgl. §§ 31, 32 MBO-Ä, §§ 73
Abs. 7, 128 Abs. 2 SGB V, § 7 HWG, § 44 Abs. 6 S. 7 BMV-Ä, § 31a KHGG NRW, § 67 Abs.
6 AMG, § 95 Abs. 1 SGB V). Zudem ergeben sich Zuwendungsverbote nicht nur ausdrücklich
aus gesetzlichen Vorschriften, sondern auch aufgrund von gerichtlichen Entscheidungen
(z. B. Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung gemäß § 78 Abs. 2 Satz
2 und 3 AMG durch Vorteilsgewährung, vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2010, Az: I ZR 37/08,
Rn. 14, juris). Daneben existieren Regelungen über unzulässige Vorteilsgewährungen
in den Verhaltensempfehlungen der Verbände der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie
(vgl. z. B. §§ 17 ff. FSA-Kodex Fachkreise des FS Arzneimittelindustrie e. V.), denen
jedoch nach Auffassung des BGH nur eine begrenzte Bindungswirkung zur Beurteilung
unlauterer geschäftlicher Handlungen im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zukommt (vgl. BGH,
Urteil vom 09.09.2010 – I ZR 157/08).
Diese für den Bereich der Zuwendungen in unterschiedlichen Rechtskreisen geregelten
Vorschriften belegen, dass die Formulierung „in sonstiger Weise seine Berufspflichten
verletzte“ in § 299a Abs. 1, 2. Alt. RefE-StGB völlig unbestimmt ist. Die Begründung
des Referentenentwurfs nimmt an, dass die Bevorzugung beim Bezug dann unlauter ist,
„wenn die Annahme der als Gegenleistung gewährten Vorteile gegen gesetzliche oder
berufsrechtliche Vorschriften verstoßen“ und dass die von Nummer 2 erfassten Berufsausübungspflichten
„insbesondere auf den für den jeweiligen Beruf geltenden spezialgesetzlichen Regelungen“
beruhen (vgl. S. 20 und 21 des Referentenentwurfs). Diese Beurteilung ist jedoch keineswegs
immer eindeutig. Zudem stellt sich die Frage, ob die in Bezug genommenen Vorschriften
überhaupt einen Unwertgehalt beinhalten, der auch eine strafrechtliche Ahndung rechtfertigt.
Dies zeigt bereits der im Gesetzestext zitierte Vorteilsbegriff der §§ 31, 32 der
(Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (Stand
2011- MBO-Ä 1997 -) in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages 2011
in Kiel (http://www.bundesaerztekammer.de/age.asp?his = 1.100.1143). Da es sich bei der Bundesärztekammer nicht um eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts, sondern um einen eingetragenen Verein handelt und der Bund zudem
keine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der ärztlichen Berufsausübung nach Art.
74 Abs. 1 Nr. 19 GG besitzt, bedarf es zur Rechtsverbindlichkeit der Regelungen der
MBO-Ä einer Umsetzung in den Berufsordnungen der jeweils zuständigen Landesärztekammern.
Dies geschieht jedoch nicht in allen Fällen, sodass eine bundeseinheitliche Definition
von berufsrechtlichen Rechten und Pflichten kaum noch gegeben ist (zu diesen Anforderungen
im Bereich der Qualitätssicherungsvereinbarungen, vgl. § 135 Abs. 2 S. 2 SGB V). So
wurde die Regelung über unerlaubte Zuwendungen in § 32 Abs. 2 MBO-Ä durch die Ärztekammer
Niedersachsen, in die dortige Berufsordnung nicht übernommen. Insoweit wird deutlich,
dass eine Orientierung an den berufsrechtlichen Verboten der MBO-Ä problematisch erscheint.
Im Grunde wird hier auf eine Regelung verwiesen, die weder rechtsverbindlich ist,
noch eine einheitliche Handhabung garantieren kann.
Für den Bereich der GKV normiert § 128 Abs. 2 SGB V ein Verbot von Zuwendungen und
gibt darüber hinaus eine Aufzählung von unzulässigen Zuwendungsarten:
„(2) Leistungserbringer dürfen Vertragsärzte sowie Ärzte in Krankenhäusern und anderen
medizinischen Einrichtungen nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher
Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen oder solche
Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewähren. Unzulässig
ist ferner die Zahlung einer Vergütung für zusätzliche privatärztliche Leistungen,
die im Rahmen der Versorgung mit Hilfsmitteln von Vertragsärzten erbracht werden,
durch Leistungserbringer. Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind auch
die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien und Durchführung
von Schulungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung
an den Kosten hierfür sowie Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern,
die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich
beeinflussen.“
Angesichts der Tatsache, dass die Regelung des § 128 SGB V seit der Anfügung des Abs.
6 durch die 15. AMG-Novelle vom 17.07.2009 (BGBl. I Nr. 43, 1990) nicht mehr ausschließlich
für den Hilfsmittelbereich, sondern auch „zwischen pharmazeutischen Unternehmern,
Apotheken, pharmazeutischen Großhändlern und sonstigen Anbietern von Gesundheitsleistungen
als auch jeweils gegenüber Vertragsärzten, Ärzten in Krankenhäusern und Krankenhausträgern
entsprechend“ und damit für sämtliche Leistungserbringer des SGB V gilt, ist schon
bisher nicht eindeutig, welche Zuwendungen im Einzelfall von dieser Vorschrift erfasst
werden.
Besonders deutlich wird dies durch die in § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V aufgeführten „Einkünften
aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch
ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen“ belegt.
Bei dieser Regelung ist bis heute unklar, ab welchem prozentualen Grad des Verordnungs-
oder Zuweisungsverhaltens eine unzulässige Zuwendung im Sinne des § 128 Abs. 2 SGB
V handelt. Klarheit darüber, wann die Beteiligung an einem Gesundheitsunternehmen
unzulässig ist, konnte bisher auch die Rechtsprechung nicht liefern. Das OVG Münster,
LandesberufsG für Heilberufe hat mit Urteil vom 06.07.2011 (Az.: 6 t A 1816/09.T)
in dem dort entschiedenen Fall folgendes festgestellt:
„Differenzierter zu beurteilen sind Fälle, in denen der Arzt nur mittelbar, insbesondere
über allgemeine Gewinnausschüttungen, am Erfolg eines Unternehmens beteiligt ist.
§ 31 BO wird einer Beteiligung des Arztes etwa an einem größeren pharmazeutischen
Unternehmen nicht entgegenstehen, wenn bei objektiver Betrachtung ein spürbarer Einfluss
der Patienten-zuführungen durch den einzelnen Arzt auf seinen Ertrag aus der Beteiligung
ausgeschlossen erscheint. Ob dies der Fall ist, hängt grundsätzlich vom Gesamtumsatz
des Unternehmens, dem Anteil der Verweisungen des Arztes an dieses und der Höhe seiner
Beteiligung ab. Die Unzulässigkeit der Beteiligung wird sich aber auch schon aus der
Gesamthöhe der dem Arzt aus ihr zufließenden Vorteile ergeben können, sofern diese
in spürbarer Weise von seinem eigenen Verweisungsverhalten beeinflusst wird.“
Die Urteilsbegründung des OVG Münster enthält, ebenso wie vergleichbare Urteile (zur
bloßen aktienrechtlichen Beteiligung vgl. OLG Köln, Urteil vom 4. November 2005–6
U 46/05 -, GRUR 2006, 600; OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Mai 2007–2 U 176/06 -, GesR
2007, 320; BGH, Urteil vom 21. April 2005 – I ZR 201/02 -, NJW 2005, 3718), keine
eindeutigen prozentualen Vorgaben, um die Unbedenklichkeit einer gesellschaftsrechtlichen
Beteiligung abschätzen zu können. In der Gesetzesbegründung zu § 299a RefE-StGB wird
allerdings auch auf diesen Zuwendungsfall Bezug genommen und ohne nähere Klarstellung
folgendes festgestellt (vgl. S. 18):
„Die Beteiligung an einem Unternehmen im Gesundheitswesen kann ebenfalls zu Zuwendungen
von Vorteilen im Sinne von § 299a StGB führen. […] Ist der Arzt nur mittelbar, insbesondere
über allgemeine Gewinnausschüttungen am Erfolg eines Unternehmens beteiligt, kommt
es für die Zulässigkeit der Beteiligung darauf an, ob er bei objektiver Betrachtung
durch seine Patientenzuführung einen spürbaren Einfluss auf den Ertrag aus seiner
Beteiligung nehmen kann.“
Damit wird eine Beteiligung an einem Gesundheitsunternehmen für den potenziellen Interessenten
zukünftig zu einem unkalkulierbaren Risiko. Entspricht die ex ante betrachtete Unternehmensbeteiligung
nicht den gesetzlich nicht näher bestimmten und nur durch die Gerichte bestimmbaren
Anforderungen an das Zuwendungsverbot, so ist sein Verhalten nicht nur standesrechtlich,
vertragsarztrechtlich und wegen des Verstoßes gegen § 139 BGB auch zivilrechtlich
unzulässig, sondern nun auch strafbar und kann in Abhängigkeit von den erzielten Einkünften,
der Schadenssumme, mit einer Freiheitsstrafe „bis zu drei Jahren oder Geldstrafe“
(§ 299a Abs.1 RefE-StGB) und in einem besonders schweren Fall sogar mit einer Freiheitsstrafe
„von drei Monaten bis zu fünf Jahren“ (§ 300 S.1 RefE-StGB) geahndet werden.
Aufgrund der Regelung in § 299a Abs. 1, 2. Alt. RefE-StGB, wonach eine Strafbarkeit
auch dann gegeben ist, wenn der Täter „in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten
verletzt“, erfolgt damit zukünftig eine strafrechtliche Ahndung aufgrund von Verstößen
gegen Zuwendungsverbote in anderen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften,
auf die der Gesetzgeber pauschal verweist, ohne diese selbst zu benennen oder deren
Inhalte im Detail zu kennen. § 299a RefE-StGB verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot,
da der Vorteilsbegriff nicht definiert ist, sondern sich erst aus anderen Rechtsvorschriften
erschließen soll, was jedoch tatsächlich nicht möglich ist. § 299a RefE-StGB verletzt
auch das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der „dynamischen Verweisung“ auf
andere Rechtsvorschriften über Zuwendungsverbote in der MBO-Ä, § 128 SGB V, § 7 HWG,
§ 44 Abs. 6 S. 7 BMV-Ä, die zudem einem ständigen Wandel unterliegen, werden keine
klaren Strafbarkeitsvoraussetzungen festgelegt.
Folgen für ärztliche Kooperationsformen
Folgen für ärztliche Kooperationsformen
Der Referentenentwurf schließt es nicht aus, dass die Gewährung von Vorteilen im Rahmen
der beruflichen Zusammenarbeit zu einer Strafbarkeit nach § 299a RefE-StGB führt:
„Zur Gewährung von Vorteilen kann es auch im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeitetwa
in Form von Berufsausübungsgemeinschaften von Ärzten (§ 18 MBO) kommen, ohne dass
dies den Straftatbestand des neuen § 299a StGB erfüllen würde. Der Zusammenschluss
zu Berufsausübungsgemeinschaften ist berufsrechtlich allerdings verboten, wenn er
tatsächlich der Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt (§ 31 MBO) dient.
Werden dabei Vorteile für eine unlautere Bevorzugung bei der Zuweisung gewährt, ist
auch eine Strafbarkeit nach § 299a StGB gegeben.“
Wie problematisch diese strafrechtliche Beurteilung der Zusammenarbeit im Rahmen von
Berufsausübungsgemeinschaften ist, zeigt ein aktuelles Urteil des BGH zu den Voraussetzungen
der Gründung sog. Teil-Berufsausübungsgemeinschaften nach § 18 Abs. 1 Satz 3 der Berufsordnung
der Landesärztekammer Baden-Württemberg (BO BW) (Urteil des BGH vom 15.05.2014, Az.:
I ZR 137/12). In Baden-Württemberg hatten sich 30 Fachärzte zu einer Partnerschaftsgesellschaft
zusammengeschlossen, zu der 4 Radiologen gehörten. Das OLG Karlsruhe hielt die Beteiligung
der Radiologen an der Teil-Berufsausübungsgemeinschaft für unzulässig, weil sie der
Umgehung des § 31 BO BW diene, wonach Ärzte für die Zuweisung von Patienten weder
Vorteile gewähren noch sich versprechen lassen dürfen (Urt. v. 27.06.2012, Az.: 6
U 15/11). Der BGH stellte demgegenüber fest, dass das in § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1
BO BW enthaltene Verbot einer Beteiligung von Radiologen an einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft,
in der sich der Beitrag des Radiologen auf das Erbringen medizinischtechnischer Leistungen
auf Veranlassung der übrigen Mitglieder beschränke, gegen das Grundrecht der Ärzte
auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Die Entscheidung des BGH
führte in der Folge dazu, dass die Landesärztekammer Baden-Württemberg ihre Berufsordnung
änderte.
Eine solche Unvorhersehbarkeit der rechtlichen Beurteilung der beruflichen Zusammenarbeit
von Ärzten und anderen Gesundheitsberufen durch die Gerichte, angesichts der mangelnden
Klarheit der Bestimmungen der ärztlichen Berufsordnungen belegt, dass zukünftig viele
Formen ärztlicher Kooperationsformen unter einem strafrechtlichen Generalverdacht
stehen, der unverhältnismäßig erscheint. In der Konsequenz ist davon auszugehen, dass
Kooperationen zukünftig eher zurückhaltend abgeschlossen werden, was dem jahrelangen
(und mühsamen) Reformprozess und Liberalisierung, insbesondere der interpersonellen
und intersektoralen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zuwiderläuft.
Dies gilt insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass der Begriff der „Zuführung“
von Patienten in § 299a RefE-StGB auch Patientenzuführungen im Rahmen vertraglicher
Kooperationen wie beispielsweise Berufsausübungsgemeinschaften gemeint sein sollen
(vgl. S. 19 der Begründung). Bei Konsiliar- und Honorarärzten im Krankenhaus besteht
danach ein Strafbarkeitsrisiko durch die unklare Abgrenzung zwischen unzulässiger
Honorierung in Abgrenzung zur „getarnten Zuweiserpauschale“.
Auswirkungen auf den Abschluss von Selektivverträgen
Auswirkungen auf den Abschluss von Selektivverträgen
Im Bereich der GKV werden von gesetzlichen Vorgaben außerhalb der Regelversorgung
häufig Ausnahmen zugelassen, wenn dies im Rahmen des Abschlusses besonderer Verträge
geschieht.
So sieht § 128 Abs. 6 Satz 2 SGB V als Ausnahme von dem Zuwendungsverbot vor, dass
„gesetzlich zulässige Vereinbarungen von Krankenkassen mit Leistungserbringern über
finanzielle Anreize für die Mitwirkung an der Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven
und die Verbesserung der Qualität der Versorgung bei der Verordnung von Leistungen
nach den §§ 31 und 116b Absatz 7“ hiervon unberührt bleiben.
Im Rahmen des Abschlusses von Einzelverträgen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern,
z. B. bei sog. Modellvorhaben nach den §§ 63 ff. SGB V und Verträgen der Integrierten
Versorgung nach den §§ 140a ff. SGB V kann von gesetzlichen Bestimmungen des SGB V
abgewichen werden (vgl. §§ 63 Abs. 3, 140b Abs. 4 SGB V:
„(3) Bei der Vereinbarung und Durchführung von Modellvorhaben nach Absatz 1 kann von
den Vorschriften des Vierten und des Zehnten Kapitels dieses Buches, soweit es für
die Modellvorhaben erforderlich ist, und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des
Krankenhausentgeltgesetzes sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen
abgewichen werden […]“
Das bedeutet, dass Selektivverträge, die Leistungserbringer mit Krankenkassen abschließen,
von den Vorgaben des Leistungserbringungsrechts abweichen können. Hierzu gehören im
Grunde auch die Bestimmungen über die Zuwendungen in §§ 73 Abs. 7, 128 SGB V. Eine
abschließende Beurteilung der Zulässigkeit solcher abweichender Vereinbarungen ergibt
sich u. U. jedoch erst nach einer rechtlichen Prüfung durch die zuständige Aufsichtsbehörde,
der diese Verträge nach der geltenden Regelung in § 71 Abs. 5 SGB V zur Prüfung vorzulegen
sind. Im Rahmen der Überprüfung von IV-Verträgen haben in der Vergangenheit sowohl
das BVA, als auch das BSG sehr strenge Prüfungskriterien angelegt und zudem die gesetzlichen
Anforderungen an die Zulässigkeit dieser Selektivverträge in einer Weise ausgelegt,
dass viele Verträge rückwirkend als rechtswidrig angesehen worden sind (BSG, Urt.
v. 06.02.2008, GesR 2008, 260, 261 „Barmer-Urteil“; BSG, Urt. v. 06.02.2008, GesR
2008, 493, 495 „DAK-Urteil“).
Angesichts der mangelnden Konkretisierung des Vorteilsbegriffes stellt sich für die
Vertragspartner von Selektivverträgen die Frage, ob von den Sozialgerichten als rechtswidrig
eingestufte Vereinbarungen und Verträge zukünftig auch nach § 299a RefE-StGB strafbar
sein können.
Forderungen an den Gesetzgeber
Forderungen an den Gesetzgeber
Aufgrund der Tatsache, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Strafbarkeit
nach § 299a RefE-StGB sehr unbestimmt sind und zudem nur z. T. mithilfe anderer Rechtsvorschriften
geklärt werden können, wird die gesetzliche Regelung zu erheblichen Rechtsunsicherheiten
im Bereich vertraglicher Kooperationen wie Berufsausübungsgemeinschaften und Selektivverträgen
führen. Zwar betont der Referentenentwurf, dass das bloße Annehmen eines Vorteils
zur Tatbestandsverwirklichung allein nicht ausreichend ist, sondern zusätzlich immer
eine inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung (sog. Unrechtsvereinbarung)
voraussetzt, wobei hier ausschließlich die zu § 299 StGB entwickelten Grundsätze maßgeblich
sein sollen (vgl. S. 17 des Referentenentwurfs). Allerdings lässt der Bundesgerichtshof
es in ständiger Rechtsprechung bereits genügen, dass die ins Auge gefasste Bevorzugung
nach ihrem sachlichen Gehalt in groben Umrissen erkennbar und festgelegt ist (vgl.
BGHSt 32, 290, 291; BGH, Beschluss vom 14.07.2010, Az.: 2 StR 200/10). Außerdem will
der Gesetzgeber offenbar auch immaterielle Vorteile und die Vorteilsgewährung gegenüber
Dritten genügen lassen, sodass die Voraussetzungen für die Annahme einer Unrechtsvereinbarung
nicht so hoch sein dürften.
Angesichts der erheblichen Konsequenzen, die sich aus einem Verstoß gegen § 299a RefE-StGB
ergeben können, ist aus unserer Sicht zeitgleich mit der Einführung der neuen strafrechtlichen
Bestimmungen im Bereich der Vorschriften des SGB V klarzustellen, welche Formen einer
Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern untereinander und mit Krankenkassen zulässig
sind und wo die konkreten Grenzen zu einer unzulässigen Kooperationsform verlaufen.
Hierzu bedarf es insbesondere der Konkretisierung des Zuwendungsbergriffes in § 128
Abs. 2 SGB V und auch der Bestimmungen über die gemeinsame vertragsärztliche Berufsausübung
in § 33 Ärzte-ZV. Im Gegensatz zu vielen anderen Versorgungsbereichen des SGB V, wie
z. B. der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (§ 116b Abs. 4 SGB V) hat der
Gesetzgeber den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge nach § 82 SGB V oder dem
G-BA nach § 92 SGB V keine Kompetenz zur Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen
im Bereich der Zuwendungen nach §§ 73 Abs. 7, 128 Abs. 2 SGB V eingeräumt. Die Tatsache,
dass eine solche Regelungskompetenz durchaus für Klarheit sorgen kann, wird durch
die frühere Rahmenvereinbarung zur integrierten Versorgung nach § 140 d SGB V vom
27.10.2000 belegt. Dort war unter § 14 zur Finanzierung der IV-Verträge geregelt,
unter welchen Voraussetzungen finanzielle Zuwendungen Dritter von den Vertragspartnern
in Anspruch genommen werden durften:
„(3) Im Rahmen der Durchführung eines Vertrages nach § 140 b SGB V können weitere
Finanzierungsquellen vorgesehen werden. Für diesen Fall haben die Vertragspartner
in der integrierten Versorgung Namen, Anschriften sowie Höhe der Beteiligung ihrer
Kapitalgeber und der mit ihnen assoziierten Gesellschaften, die mit der Durchführung
des Vertrags nach § 140 b im Zusammenhang stehen, gegenüber den Krankenkassen offen
zu legen. Sie haben in gleicher Weise über mit Dritten abgeschlossene Sponsorenverträge
beziehungsweise Zuwendungsgeber zu informieren.“
Seitens der DRG wird daher gefordert, dass den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge
oder dem G-BA eine entsprechende Regelungskompetenz im Bereich der Zuwendungsproblematik
nach § 128 SGB V durch den Gesetzgeber eingeräumt wird, um zu gewährleisten, dass
Leistungserbringer untereinander und mit Kostenträgern auch zukünftig nach leistungsrechtlich
eindeutig geregelten Vorgaben kooperieren und zusammenarbeiten können und nicht befürchten
müssen, dass die von ihnen gewählte Form der Zusammenarbeit als „Bestechlichkeit und
Bestechung im Gesundheitswesen“ angesehen wird und zu strafrechtlichen Konsequenzen
führt.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwälte Wigge
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