Ergebnisse
Ergebnis der Leitlinienrecherche
Die Literaturrecherche auf den Webseiten der Leitlinienentwickler und -datenbanken
ergab 17 Treffer. Bei der Suche über andere Webseiten, Datenbanken und in den Literaturlisten
wurden drei weitere Leitlinien identifiziert. Letztlich konnten sieben Leitlinien
identifiziert werden, die den Einschlusskriterien entsprachen. Bei fünf Leitlinien
war der Erscheinungszeitraum nicht aktuell. Die Methodik (evidenz- und konsensbasiert)
war bei drei Leitlinien nicht erkennbar. Fünf Leitlinien enthielten keine pharmazeutischen
Behandlungsempfehlungen oder spezifischen Empfehlungen für ältere Personen. Eine Übersicht
der ausgeschlossenen Leitlinien und der Ausschlussgründe findet sich am Ende der Literaturangaben.
Es folgt eine Auflistung der eingeschlossenen Leitlinien mit einer kurzen Beschreibung
und den beteiligten Autoren (wie in den Leitlinien angegeben).
Department of Veteran Affairs und Department of Defence (VA/DoD) 2009
Management of Major Depressive Disorder [16]
Die Leitlinie wurde unter der Schirmherrschaft der Veteran Health Administration (VHA),
des Departments of VA und des DoD der Vereinigten Staaten, nach den Richtlinien des
Departments of VA, entwickelt. Die Leitlinie gibt Empfehlungen für Behandler und Patienten
mit einer Major Depression. Die Leitlinie enthält keine Empfehlungen für leichte Formen
der Depression und Dysthymie und sie richtet sich an Erwachsene ab 18 Jahren. Ältere
Patienten werden in verschiedenen Abschnitten (ohne Altersdefinition) angesprochen.
Die Datengrundlage der Evidenzrecherche ist nicht summiert angegeben, über die ausführlichen
Evidenztabellen lassen sich jedoch die verwendeten Quellen identifizieren.
Arbeitsgruppe: C. Cassidy, T. J. Craig, M. Gerrity, L. A. Labbate, J. McQuaid, A. W. Muller, D. W.
Oslin, J. A. Ray, T. Semla, J. W. Williams, A. M. Zeiss, L. Carchedi, C. Engel, D.
Knitel, P. J. Lowry, G. H. Manos, E. C. McLaughlin, M. Ramos, S. K. Trice, R. J. Wilson,
O. Susskind
Research Team: V. H. Coats, E. G. Erinoff, K. Schoelles, D. Snyder
Healthcare Quality Informatics: M. D’Erasmo, R. Fishman, J. Marko
National Collaborating Centre for Mental Health (NCCMH) 2009a und 2009b
Die nachfolgend näher beschriebenen Leitlinien wurden durch das NCCMH entwickelt und
durch das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) beauftragt.
Depression in adults with a chronic physical health problem [17]
Die Leitlinie enthält Empfehlungen zur Diagnostik und Behandlung von Depressionen
bei komorbiden chronischen körperlichen Erkrankungen (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen
oder Diabetes). Die Empfehlungen gelten für Erwachsene mit Depressionen unterschiedlicher
Schweregrade. Aufgrund des gehäuften Auftretens chronischer Erkrankungen im Alter
sind die Empfehlungen dieser Leitlinie auch für die Behandlung von Altersdepressionen
relevant. In die Evidenzanalyse zur medikamentösen Behandlung von Depressionen (Altersuntergrenze
bei Altersdepression nicht definiert) wurden 61 Studien einbezogen.
Arbeitsgruppe: D. Goldberg, S. Pilling, N. Andrews, V. Bird, F. Creed, C. Dowrick, M. Dyer, G. Grout,
M. Haddad, J. Hindle, D. Kessler, K. Leggett, A. Lewis, R. Li, J. Lindesay, M. Ogden,
S. Omarjee, J. Packham, C. Pettinari, M. Rizzo, R. Saunders, S. Stockton, C. Tayleo,
D. Taylor, V. Thomas, S. Wilcox
Depression – The NICE Guideline on the Treatment and Management of Depression in Adults
[18]
Die Leitlinie umfasst Empfehlungen zur Klassifizierung von Depressionen im Erwachsenenalter,
Behandlungsempfehlungen für unterschiedliche Schweregrade und Betrachtungen zu Faktoren,
die die Behandlung beeinflussen, wie zum Beispiel Nebenwirkungen von Interventionen
oder von relevanten Patientenmerkmalen (z. B. Geschlecht oder Alter). Die Leitlinie
umfasst keine Aussagen zur Diagnostik und Primärprävention von Depressionen. Depressive
Erkrankungen im Alter (65 Jahre und älter) werden in einem separaten Abschnitt betrachtet,
und in die Evidenzanalyse wurden 15 Studien einbezogen.
Arbeitsgruppe: I. Anderson, S. Pilling, A. Barnes, L. Bayliss, V. Bird, R. Burbeck, C. Chew-Graham,
J. Clarke, M. Dyer, E. Flanagan, C. Harris, S. Hopkins, M. Kenwright, W. Kuyken, A.
Lewis, G. Lewis, R. Li, B. Masterson, N. Meader, A. Meudell, A. Mitchell, R. Moore,
S. Omarjee, C. Paton, A. Perez, P. Retsa, Mi. Rizzio, J. Robertson, R. Saunders, C.
Sealey, B. Shackleton, T. Shackleton, S. sixsp;Stockton, C. Taylor, J. Wood
American Psychiatric Association (APA) 2010
Practice Guideline for the Treatment of Patients with Major Depressive Disorder [19]
Unter Leitung des Lenkungsausschusses „Practice Guidelines“ und nach den Richtlinien
„APA – Guideline Development Process“ wurde die Leitlinie zur Behandlung von Major
Depression im Erwachsenenalter der APA entwickelt. Diese enthält neben Hintergrundinformationen
zur Evidenz und Anregungen zu zukünftigem Forschungsbedarf allgemeine und spezifische
Behandlungsempfehlungen für depressive Erkrankungen unter Berücksichtigung von beeinflussenden
klinischen Merkmalen wie Alter oder Geschlecht. Leichtere Depressionsformen werden
in der Leitlinie nicht explizit angesprochen. Die Leitlinie spricht ältere Patienten
ab 60 Jahren in verschiedenen Abschnitten an. Die Daten der Evidenzrecherche sind
nicht summiert angegeben.
Arbeitsgruppe: A. J. Gelenberg, M. P. Freeman, J. C. Markowitz, J. F. Rosenbaum, M. E. Thase, M. H.
Trivedi, R. S. Van Rhoads
Independent Review Panel: V. I. Reus, J. R. DePaulo Jr., J. A. Fawcett, C. D. Schneck, D. A. Silbersweig
Ministry of Health Singapore (MOH) 2012
Depression – Clinical Practice Guidelines [20]
Die Leitlinie des Gesundheitsministeriums wurde von Vertretern verschiedener Gesundheitsberufe
entwickelt und richtet sich mit ihren Empfehlungen vor allem an Ärzte, insbesondere
an Hausärzte, aber auch an andere Gesundheitsberufe. Der Inhalt der Leitlinie umfasst
Empfehlungen zur Behandlung und zum Management von Depressionen in der Schwangerschaft,
in der Kindheit, im Erwachsenenalter und im Alter. Die Leitlinie umfasst keine Empfehlungen
zu bipolaren Erkrankungen, psychotischen Depressionen oder Depressionen mit erhöhtem
suizidalen Risiko. Altersdepressionen werden in einem separaten Kapitel (ohne Altersdefinition)
betrachtet, dabei fehlt eine Angabe zu den Daten der Evidenzrecherche.
Arbeitsgruppe: C. Hong Choon, C. Lay Lin, C. F. Soon Leng, C. Kok Seng, D. Fung, H. Chen Yu, C.
Swee Aun, K. Chai Ling, D. Kwek Seow Khee, W. Chua Pei Ling, L. Lim, J. Ling, T. Chay
Hoon, P. Poh, T. Lay Ling, S. Kang, T. Yong Hui, A. Su Hsin Chuan, T. Woo Kheng, T.
Bhing Leet, C. Yeo
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) 2012
– Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression [21]
In Kooperation mit anderen Fachgesellschaften, unter anderem der Bundesärztekammer
(BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), entwickelte die
DGPPN eine Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Depressionen im Erwachsenenalter
(ab 18 Jahren). Diese umfasst sowohl leichtere als auch schwerere Depressionen und
richtet sich vor allem an Behandler (u. a. Ärzte und Psychotherapeuten) und Fachkrankenhäuser,
aber auch an Betroffene und an Entscheidungsträger im Gesundheitswesen. Depressive
Erkrankungen im Alter werden in einem kurzen Abschnitt (ohne Altersdefinition) betrachtet.
Die der Evidenzrecherche zugrunde liegenden Daten sind nicht summiert angegeben.
Steuerungsgruppe: M. Härter, C. Klesse, I. Bermejo, M. Berger
Arbeitsgruppe: A. Bleckmann, T. Bschor, J. Gensichen, T. Harfst, M. Hautzinger, C. Kolada, C. Kühner,
J. Matzat, C. Mundt, W. Niebling, R. Richter, H. Schauenburg, F. Schneider, H. Schulz
Konsensgruppe: G. Adler, L. Adler, K. Bell, F. Bergmann, H. Böker, J. Finke, M. Franz, D. Haimerl,
N. Hartkamp, I. Hauth, U. Hegerl, T. Heidenreich, G. Hildenbrand, W. Keller, J. Küchenhoff,
C. Leiendecker, H. J. Luderer, H. Menzel, W. Merkle, R. Merod, N. Mönter, I. Neiser,
A. Scharfenstein, U. Schweiger, R. Simon, G. Stoppe, D. Sturm, K. Tritt, C. P. Vogel,
B. Waldherr, G. Wiedemann, T. Wiehn, M. Wolfersdorf
Institut für Clinical System Improvement (ICSI) 2013
Health Care Guideline: Adult Depression in Primary Care [22]
Das ICSI ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation zur Verbesserung der Gesundheitsfürsorge
und entwickelte mit Hilfe einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Ärzten, Psychologen,
Krankenschwestern, Apothekern und anderen relevanten Gesundheitsexperten die Leitlinie
zur Behandlung von depressiven Erwachsenen (ab 18 Jahren). Die Leitlinie umfasst Empfehlungen
zur Diagnose, Behandlung und Rückfallprophylaxe von schweren und anhaltenden depressiven
Störungen. Altersdepressionen werden in einem separaten Kapitel für Patienten über
65 Jahren betrachtet, jedoch ohne summierte Angabe der Datengrundlage.
Arbeitsgruppe: J. Mitchell, M. Trangle, D. Kessler, S. Vincent, D. Rossmiller, B. Haight, T. Gabert,
K. Somers, N. Mack, H. Novak, B. Degnan, E. Mallen, L. Setterlund
Neben diesen kurzen Zusammenfassungen wurden einige Qualitätsmerkmale zur Bewertung
von Leitlinien nach dem Guidelines International Network (G-I-N) und dem deutschen
Instrument zur methodischen Leitlinien-Bewertung (DELBI) in [Tab. 2] zusammengestellt, um einen übersichtlichen Vergleich der inkludierten Leitlinien
zu ermöglichen [23]
[24]. Dabei wurden unter anderem die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe, die Methodik
und die Ergebnisgewinnung gewertet.
Tab. 2
Qualitätsmerkmale der eingeschlossenen Leitlinien.
Herausgeber
(Jahr)
Land
Quelle
|
VA/DoD
(2009)
USA
[16]
|
NCCMH
(2009a)
GB
[17]
|
NCCMH
(2009b)
GB
[18]
|
APA
(2010)
USA
[19]
|
MOH
(2012)
Singapur
[20]
|
DGPPN
(2012)
Deutschland
[21]
|
ICSI
(2013)
USA
[22]
|
Zusammensetzung Arbeitsgruppe
|
MP
|
MP
Patienten
|
MP
Patienten
|
(MP)[1]
|
MP
Patienten
|
MP
Patienten
|
MP
Patienten
|
Systematische Recherche
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
(Ja)[2]
|
Systematische Ergebnisbewertung
|
Ja
|
Ja[3]
|
Ja3
|
(Ja)[4]
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Externe Begutachtung
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Erklärung von Interessenkonflikt und Finanzierung
|
Nein
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
VA/DoD = Department of Veterans Affairs/Department of Defence; APA = American Psychiatric
Association; NCCMH = National Collaborating Centre for Mental Health; MOH = Ministry
of Health Singapore; DGPPN = Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik
und Nervenheilkunde; ICSI = Institute for Clinical Systems Improvement; GB = Großbritannien;
USA = Vereinigte Staaten von Amerika; Deutschl. = Deutschland; MP = Multiprofessionell,
Ja = in der Leitlinie vorhanden, (Ja) = eingeschränkt vorhanden, Nein = unklar bzw.
nicht angegeben.
1 Hauptsächlich Ärzte, Psychotherapeuten und deren Fachgesellschaften, kein Pflegepersonal
oder Ähnliches.
2 Nur in einer Datenbank (Medline).
3 Zusätzlich Meta-Analysen von randomisierten kontrollierten Studien.
4 Evidenzbewertungsschema nicht angegeben.
Behandlungsempfehlungen der Leitlinien
Der Umfang, in dem die einzelnen Leitlinien Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung
bei Depression im Alter geben, ist unterschiedlich. Einige Leitlinien beschränken
sich auf kürzere Hinweise [16]
[21], während andere ausführlichere Recherchen und Auswertungen für diese Patientengruppe
angeben [19]
[20]. Die Empfehlungen und, soweit vorhanden, die Empfehlungsstärken zur medikamentösen
Behandlung von depressiven Erkrankungen im Alter der ausgewählten Leitlinien werden
in [Tab. 3] dargestellt. Im Allgemeinen werden medikamentöse Behandlungen mit Antidepressiva
im Alter als wirksam [18]
[20] oder als ähnlich wirksam wie im jüngeren Erwachsenenalter beschrieben [21]
[22].
Tab. 3
Übersicht spezifischer Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung von Depression im
Alter.
Herausgeber
(Jahr)
Land
Quelle
|
VA/DoD
(2009)
USA
[16]
|
NCCMH
(2009a)
GB
[17]
|
NCCMH
(2009b)
GB
[18]
|
APA
(2010)
USA
[19]
|
MOH
(2012)
Singapur
[20]
|
DGPPN
(2012)
Deutschland
[21]
|
ICSI
(2013)
USA
[22]
|
Wirksamkeit (allgemein)
|
Ø
|
Ø
|
KK
|
Ø
|
***
|
KK
|
KK
|
Medikamen-tenklasse[1]
|
Ø
|
Ø
|
KK
|
Ø
|
***
|
KK
|
Ø
|
SSRIs bevorzugt
|
KK
|
KK
|
Ø
|
Ø
|
***
|
KK
|
Ø
|
„start low, go slow“
|
KK
|
Ø
|
KK
|
Ø
|
**
|
KK[2]
|
Ø
|
Nebenwirkungen
|
Sensitivität
|
Ø
|
Ø
|
Ø
|
***
|
**
|
Ø
|
Ø
|
Monitoring
|
KK
|
Ø
|
KK
|
Ø
|
Ø
|
KK
|
KK
|
Wechsel-wirkungen
|
Ø
|
Ø
|
Ø
|
***
|
Ø
|
Ø
|
***
|
Behandlungs-dauer
|
Ø
|
KK[3]
|
KK3
|
KK[4]
|
KK4
|
Ø
|
KK3
|
Augmentation
|
Ø
|
Ø
|
KK
|
Ø
|
Ø
|
Ø
|
Ø
|
VA/DoD = Department of Veterans Affairs/Department of Defence; APA = American Psychiatric
Association; NCCMH = National Collaborating Centre for Mental Health; MOH = Ministry
of Health Singapore; DGPPN = Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik
und Nervenheilkunde; ICSI = Institute for Clinical Systems Improvement; GB = Großbritannien;
USA = Vereinigte Staaten von Amerika; KK = Evidenzrecherche erfolgt, aufgrund mangelnder
Studien nur klinischer Konsens ableitbar; *: Empfehlungsstärke C; **: Empfehlungsstärke
B; ***: Empfehlungsstärke A; Ø = keine spezifische Aussage bzw. Empfehlung.
1 Kein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Wirkstoffgruppen.
2 Bezogen auf die Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva (TCA).
3 Rückfallprophylaxe durch Weiterbehandlung mit Medikament.
4 Behandlungsdauer gleich wie bei jungen Erwachsenen.
Zwischen den einzelnen Klassen von Antidepressiva, wie selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer
(SSRI), selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SNRI), trizyklische Antidepressiva
(TCA) und Monoaminooxidasehemmer (MAOH), wurden keine Wirksamkeitsunterschiede beschrieben
[18]
[20]
[21].
Unabhängig von diesem Befund werden SSRIs aufgrund geringerer Nebenwirkungen als erste
Wahl gegenüber anderen Antidepressiva empfohlen [16]
[17]
[20]
[21]. Die Leitlinien der DGPPN und des MOH weisen jedoch darauf hin, dass bei SSRIs besonders
auf Hyponatriämie und frequenzkorrigierte QT-Zeit-Verlängerung als Nebenwirkungen
zu achten sei [20]
[21].
Laut den Leitlinien besteht bei älteren depressiven Patienten generell eine erhöhte
Sensitivität gegenüber Nebenwirkungen [18]
[20], die deshalb genau zu überwachen sind [16]
[18]
[21]
[22]. Ebenso kommen die meisten Leitlinien zu dem Schluss, die Behandlung bei depressiv
erkrankten Älteren mit einer geringeren Anfangsdosis zu beginnen („start low, go slow“)
und diese dann langsam zu steigern [16]
[18]
[20]
[21], wobei nur eine Leitlinie eine klare Empfehlung dazu ausspricht und diese Dosierungsempfehlung
besonders für körperlich komorbid Erkrankte ausspricht [20]. Die Leitlinie der DGPPN benennt dieses Vorgehen besonders bei der Behandlung mit
TCAs [21]. Laut den Leitlinien der NCCHM sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Dosis
nicht subtherapeutisch verabreicht wird [17]
[18].
Die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten seien bei der Wahl des Antidepressivums
ebenfalls zu beachten [19]
[22]. Einige Leitlinien stellen zu diesem Zweck ausführliche Medikamentenlisten zu Wechselwirkungen
und Nebenwirkungen der Antidepressiva mit Ausschlussgründen zur Verfügung [16]
[17]
[21].
Die empfohlene Dauer der Behandlung sei ähnlich lang wie bei jüngeren Erwachsenen
[19]
[20], wobei die Leitlinien der NCCHM empfehlen, bei Älteren mit wiederholten depressiven
Episoden die medikamentöse Behandlung dauerhaft aufrechtzuerhalten, um Rückfälle zu
vermeiden [17]
[18]
[22]. Dafür sollte in der Stabilisierungsphase (nach etwa zwölf Monaten) mit der gleichen
Dosis behandelt werden wie in der Initialphase [20].
Unterschiedliche Behandlungsempfehlungen nach Schweregrad der Depression: Hier wird
bei schwerer Depression eine Kombination aus antidepressiver Medikation und Psychotherapie
empfohlen [17]
[20]. Auf die Behandlungen von mittelgradigen oder leichteren Episoden wird für Altersdepression
nicht speziell eingegangen.
Eine weitere Option in der Behandlung ist die Augmentation mit Lithium. Dies wird
in der NCCHM-Leitlinie (2009b) als nicht genügend evidenzbasiert bezeichnet. Die Behandlung
mit Lithium sei mit deutlichen Risiken für depressive Ältere verbunden und wird daher
nicht empfohlen [18]. Des Weiteren beschreibt die Leitlinie der VA/DoD die Behandlung mit Psychostimulanzien
wie Methylphenidat als mögliche Augmentationsstrategie für die Patientengruppe der
körperlich schwer erkrankten Altersdepressiven, wobei dafür die wissenschaftliche
Grundlage sehr unzureichend sei [16].
Ergebnisse der Recherche nach aktuellen Reviews und Meta-Analysen ab 2010
Die Recherche mit dem genannten Suchstring ergab 1065 Treffer. Nach erster Durchsicht
konnte die Liste auf 114 Treffer begrenzt werden. Die 114 Ergebnisse wurden mithilfe
der Einschlusskriterien überprüft. Bei 30 Treffern entsprach die Methodik nicht den
gesuchten Anforderungen (Reviews oder Meta-Analysen). Des Weiteren berücksichtigten
44 Arbeiten keine älteren Patienten und bei 20 Treffern fehlte der thematische Bezug
(medikamentöse Depressionsbehandlung). In die weitere Betrachtung konnten somit 20
Arbeiten einbezogen werden. Sieben der inkludierten Arbeiten sind Meta-Analysen [25]
[26]
[27]
[28]
[29]
[30]
[31], bei weiteren 13 Arbeiten handelt es sich um systematische Reviews. Die eingeschlossenen
Reviews beziehen sich entweder ausschließlich auf randomisiert-kontrollierte Studien
[32]
[33]
[34]
[35]
[36] oder zusätzlich auch auf pseudo- oder nicht-randomisierte Studien und andere Reviews
[8]
[37]
[38]
[39]
[40]
[41]
[42]
[43]. Die eingeschlossenen Studien werden nach Autoren alphabetisch gereiht in [Tab. 4] aufgeführt und kurz zusammengefasst.
Tab. 4
Übersicht aktueller Reviews und Meta-Analysen zur pharmakologischen Behandlung von
Altersdepressionen.
Autor/en
(Quelle)
Jahr
|
Review/Meta-Analyse
|
Thema der Arbeit
(untere Altersgrenze in Jahren)
|
Ergebnisaussagen
|
Boyce et al.
[43]
2012
|
R
|
Effektivität von Antidepressiva bei Pflegeheimpatienten (65)
|
Antidepressiva sind wirksam gegenüber Placebo
|
Cooper et al.
[37]
2011
|
R
|
Behandlung von Therapieresistenz (55)
|
Bei nicht erfolgreicher Behandlung mit einem Antidepressivum führt ein Medikamentenwechsel
oder ein zusätzlicher Wirkstoff bei 50 % der Betroffenen zum Behandlungserfolg;
Augmentation mit Lithium ist wirksam bei refraktären Depressionen
|
Del Casale et al.
[32]
2012
|
R
|
Duloxetin (SSNRI) als Antidepressivum (k.A.)
|
Duloxetin ist gut verträglich und wirksam gegenüber Placebo
|
Dhillon
[33]
2013
|
R
|
Duloxetin (SSNRI) als Antidepressivum (k.A.)
|
Duloxetin ist gut verträglich und wirksam gegenüber Placebo; keine Vergleiche mit
anderen Wirkstoffen
|
Diniz et al.
[8]
2011
|
R
|
Neuere Entwicklungen zur Behandlung von affektiven Störungen im Alter (k.A.)
|
Antidepressiva, Phasenprophylaktika und andere Medikamente sind trotz erwiesener Effektivität
mit Risiken behaftet, für die neue Behandlungsstrategien entwickelt werden sollten
|
Dolder, Nelson, Stump
[38]
2010
|
R
|
Pharmakologie, Effektivität und Sicherheit von neueren Antidepressiva gegenüber Placebo
(k.A.)
|
Antidepressiva sind effektiv (geringer Effekt), werden ähnlich toleriert wie von jüngeren
Erwachsenen, es gibt aber eine größere Streuung von möglichen Nebenwirkungen;
zu einigen neueren Antidepressiva (Desvenlafaxin) gibt es noch keine spezifischen
Ergebnisse bei Altersdepression
|
Fagiolini et al. [34]
2012
|
R
|
Einsatz von Trazodon (SARI) als Antidepressivum (k.A.)
|
Trazodon ähnlich wirksam wie TCA und SSRI, weniger Nebenwirkungsneigung im Vergleich
zu SSRI
|
Holland, Bhogle
[39]
2013
|
R
|
Vergleich von Sertralin (SSRI) und Mirtazapin (SSNRI) (k.A.)
|
Mirtazapin tendenziell zu bevorzugen, aber stark abhängig von Komorbiditäten und bestehender
Medikation
|
Howland
[41]
2011
|
R
|
Agomelatin als Antidepressivum (k.A.)
|
Kein Effekt bei der Behandlung von Altersdepressionen im Vergleich zu Placebo
|
Jaffe, Novakovic, Peselow
[42]
2013
|
R
|
Scopolamin als Antidepressivum im Vergleich zu Placebo (62)
|
Wirksamkeit für ältere Patienten konnte nicht nachgewiesen werden (nur eine Studie),
bei jungen Patienten wirksam
|
Katona, Bindman, Katona
[35]
2014
|
R
|
Effektivität, Sicherheit, komorbide Erkrankungen, Therapieresistenz und Rezidivprophylaxe
bei Behandlung mit Antidepressiva (59)
|
Antidepressiva sind effektiv, jedoch nur geringer Unterschied gegenüber Placebo; Antidepressiva
nicht geeignet zur Behandlung bei depressiven Alzheimer-Patienten;
Rezidivprophylaxe sinnvoll, wenn Behandlung wirkungsvoll;
Forschungsbedarf für Behandlung bei Therapieresistenz
|
Kok, Nolen, Heeren
[26]
2012
|
M, R
|
Effektivität von Antidepressiva gegenüber Placebo (55)
|
Antidepressiva sind effektiv;
kein Unterschied zwischen Wirkstoffklassen, dies gilt auch für schwere depressive
Episoden
|
Kok, Heeren, Nolen
[27]
2011
|
M, R
|
Rezidivprophylaxe (55)
|
Eine Aufrechterhaltung ist effektiv gegenüber Placebo zur Verhinderung von wiederkehrenden
Symptomen;
kein Unterschied zwischen TCA und SSRI
|
Maust, Oslin, Thase
[40]
2013
|
R
|
Augmentation mit Lithium, Psychostimulanzien und neueren Neuroleptika (62)
|
Datengrundlage nicht eindeutig genug für evidenzbasierte Behandlungsempfehlung;
Augmentation mit verschiedenen Wirkstoffen wirksam, bei teilweise erhöhtem Nebenwirkungsrisiko
|
Mitchell, Harvey
[36]
2014
|
R
|
Epidemiologie und Behandlung unter Betrachtung von Depressiven mit komorbiden körperlichen
Erkrankungen (k.A.)
|
Bei den meisten komorbiden Erkrankungen sollte auf TCA verzichtet werden;
Datengrundlage für eine Empfehlung bei Morbus Parkinson und COPD nicht ausreichend
|
Oakes et al.
[28]
2013
|
M
|
Duloxetin (SSNRI) gegenüber Placebo (65)
|
Duloxetin ist sicher und hat ähnlich wenig Nebenwirkungen im Vergleich zu Placebo
|
Pizzi et al.
[30]
2011
|
M
|
SSRI bei Patienten mit Depression und Koronarerkrankungen (56)
|
SSRI ungefährlich für depressive Koronarerkrankte;
schwache Studiengrundlage
|
Seitz, Gill, Conn
[29]
2010
|
M, R
|
Vergleich von Citalopram mit anderen Antidepressiva (65)
|
Kein Unterschied zwischen Citalopram und anderen Antidepressiva
|
Tedeschini et al. [25]
2011
|
M
|
Effektivität von Antidepressiva im Vergleich zu Placebo (55)
|
Antidepressiva (55 +) sind effektiv;
Hinweise darauf, dass die Effektivität mit zunehmendem Alter (65 +) geringer wird
|
Wilkinson, Izmeth
[31]
2012
|
M, R
|
Chochrane Review zur Rezidivprophylaxe (60)
|
Die Vorteile einer langfristigen antidepressiven Behandlung sind nicht eindeutig,
es kann keine Empfehlung abgeleitet werden; 12 Monate Aufrechterhaltung der Medikation
erscheint sinnvoll, basierend auf einer sehr kleinen Datenlage.
|
COPD = chronisch obstruktive Lungenerkrankung; SSRI = selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer;
SSNRI = selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer; TCA = trizyklische
Antidepressiva; EKT = Elektrokrampftherapie; SARI = Serotoninantagonist und -wiederaufnahmehemmer;
k.A. = keine Angabe
Inhalte der Reviews und Meta-Analysen
Die gefundenen Arbeiten erbrachten grundsätzlich mit den Leitlinienempfehlungen übereinstimmende
Ergebnisse. So kommen die Übersichtsarbeiten zur Effektivität von Antidepressiva in
der Altersdepressionsbehandlung zu dem Ergebnis, das antidepressive Medikamente zur
Behandlung von Altersdepressionen wirksam sind [8]
[25]
[26]
[28]
[32]
[33]
[34]
[35]
[36]
[38]
[39]
[43]. In der Meta-Analyse von Tedeschini et al. (2011) konnte die Effektivität von diversen
Antidepressiva für Patienten zwischen 55 und 65 Jahren nachgewiesen werden, nicht
aber für Patienten über 65 Jahre. Die Autoren fordern für ein Verständnis dieses Phänomens
weitere Untersuchungen und Vergleiche von verschiedenen Altersgruppen [25].
Der Vergleich verschiedener Wirkstoffklassen fällt ohne evidenzbasierte Präferenz
aus [26]
[29]
[34]
[36]
[39]
[41]
[42]. Dabei sind drei Arbeiten zu beachten, die sich mit besonderen Wirkstoffen beschäftigen
[34]
[36]
[42]. Zunächst ein cholinerg wirkender Stoff [42], der für Erwachsene Wirkung zeigt, nicht jedoch für alte Patienten, und des Weiteren
ein selektiver Serotoninantagonist und -wiederaufnahmehemmer (SARI; 34), der eine
ähnliche Wirkung wie TCA und SSRI zeigt. Eine weitere Arbeit betrachtet die Möglichkeit,
Agomelatin als Antidepressivum einzusetzen. Für ältere Patienten wurde jedoch nur
eine Studie gefunden, in der keine Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte [36].
Einige Arbeiten befassen sich mit den Nebenwirkungen von Antidepressiva bei Depressionen
im Alter und mit körperlichen komorbiden Erkrankungen. Die Verträglichkeit von selektiven
Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSNRI) wird in einigen Arbeiten festgestellt
[8]
[28]
[32]
[39]. Zudem wird eine breitere Streuung von Nebenwirkungsphänomenen bei Altersdepression
im Vergleich mit Depressionen im Erwachsenenalter aufgezeigt [8]
[38]. Zu komorbiden Erkrankungen zeigt das Review von Katona, Bindman und Katona (2014),
dass Antidepressiva zur Behandlung von Depressionen bei Alzheimer-Patienten eher ungeeignet
sind [35]. Die Arbeit von Mitchell und Harvey fasst die Behandlungsempfehlungen bei häufigen
komorbiden körperlichen Erkrankungen und deren Evidenzgrundlage übersichtlich zusammen.
Diese Empfehlungen und ihre Evidenzbasis sind in [Tab. 5] dargestellt [36]. Zur Behandlung von Depressionen bei Koronarerkrankungen wird in der Arbeit von
Pizzi et al. die Gabe von SSRI untersucht und als unbedenklich betrachtet. Die Autoren
verweisen jedoch auf eine schwache Studienlage [30]. Arzneimittel, die insbesondere im Alter zu potenziellen Schädigungen führen können,
werden als potenziell inadäquate Medikation (PIM) bezeichnet. Dazu zählen auch einige
Antidepressiva, wie beispielsweise Amitriptylin [vgl. 44]. Eine Übersicht über Antidepressiva,
die insbesondere im Alter zu unerwünschten Nebenwirkungen und Wechselwirkungen führen
können, geben etablierte Screening-Tools. Dazu zählen die für den amerikanischen Markt
etablierte Beers-Liste [45] sowie die auf den deutschen Arzneimittelmarkt zugeschnittene PRISCUS-Liste. [44]. Darüber hinaus wurden die sogenannten START/STOPP-Kriterien entwickelt, die Bezug
nehmen auf Wechselwirkungen zwischen häufig verordneten Medikamente im Alter (Drug-Drug-Interaction,
DDI). Diese Wechselwirkungen stellen aus gerontopsychiatrischer Sicht aufgrund der
Vielzahl an Komorbiditäten im Alter ein häufiges Problem dar. STOPP steht für „Screening
Tool of Older Person’s Prescriptions“, START für „Screening Tool to Alert doctors
to Right Treatment“. So findet sich beispielsweise ein STOPP-Kriterium für ältere
Patienten zur gleichzeitigen Einnahme von SSRI und NSAID [46]
[47].
Tab. 5
Behandlungsempfehlungen für häufige komorbide Erkrankungen bei Altersdepressionen
[vgl. 36].
Erkrankung
|
Zugrunde liegende Evidenz
|
Behandlungsempfehlung
|
Myokardinfarkt
|
Moderat bis stark
|
Vermeiden von TCA
|
Chronische Herzinsuffizienz
|
Keine
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Vermeiden von TCA
|
Zerebrovaskuläre Erkrankungen
|
Limitiert
|
Vermeiden von TCA
|
Krebserkrankungen
|
Limitiert
|
Vermeiden von TCA bei eingeschränkter Darmbeweglichkeit;
Vermeiden von SSRI mit Tramadol oder Tamoxifen
|
Chronische Nierenerkrankungen
|
Limitiert
|
TCA können zu Inkontinenz führen
|
COPD
|
Limitiert
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Keine spezifische Empfehlung möglich
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Morbus Parkinson
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Keine Evidenz für Antidepressiva, Pramipexole ist effektiv
|
Keine spezifische Empfehlung möglich
|
COPD = chronisch obstruktive Lungenerkrankung; SSRI = selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer;
TCA = trizyklische Antidepressiva;
Tab. 1
Internetseiten von Leitlinienentwicklern und Leitliniendatenbanken.
-
http://www.awmf.org/leitlinien/leitliniensuche.html
-
http://www.leitlinien.de
-
http://www.arztbibliothek.de
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http://www.g-i-n.net
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http://www.guidelines.gov
-
http://www.sign.ac.uk
-
http://www.guidance.nice.org.uk/CG/Published
|
Mit der Behandlung zur Rezidivprophylaxe und Therapieresistenz beschäftigen sich vier
der gefundenen Übersichtsarbeiten. Cooper et al. (2011) kamen zu dem Ergebnis, dass
nach der nicht erfolgreichen Behandlung mit einem Antidepressivum ein zusätzlicher
Wirkstoff oder ein Medikamentenwechsel in 50 % der Fälle zu einem Behandlungserfolg
führt. Besonders die Wirksamkeit einer Augmentation mit Lithium wird von den Autoren
aufgezeigt. Insgesamt bemängeln sie eine unzureichende Studiengrundlage [37]. Im aktuellen Review von Katona, Bindman und Katona (2014) wird ebenfalls auf eine
unzureichende Erforschung von Therapieresistenzen bei Altersdepressionen verwiesen
und im Bereich der Rezidivprophylaxe eine fortgesetzte Medikation empfohlen, sofern
die Medikation bisher wirksam war [35]. Zu diesem Schluss kommen auch Kok, Heeren und Nolen (2011), die in ihrer Arbeit
zur Rezidivprophylaxe keinen Unterschied zwischen TCA und SSRI feststellen konnten,
jedoch eine Überlegenheit von Antidepressiva gegenüber Placebo zur Verhinderung einer
erneuten Symptomatik aufzeigen [27]. Das Chochrane-Review zur Rezidivprophylaxe kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorteile
einer langfristigen Behandlung mit Antidepressiva nicht eindeutig aus der bisherigen
Forschung ableitbar sind, dass die vorhandene Datengrundlage jedoch eine Aufrechterhaltung
über 12 Monate sinnvoll erscheinen lässt [31].
Zur Augmentation mit Lithium sei auf die bereits beschriebene Arbeit von Cooper und
Kollegen verwiesen, die die Wirksamkeit einer Lithiumaugmentation feststellten [37]. Des Weiteren wurde ein Review von Maust, Oslin und Thase (2013) identifiziert,
das sich neben einer Lithiumaugmentation mit Behandlungsergänzungen über Psychostimulanzien
und neueren Neuroleptika befasst. Darin kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die
Datengrundlage zu diesen Behandlungsstrategien hauptsächlich aus Fallbeispielen und
nicht randomisierten Studien besteht und dass keine evidenzbasierte Behandlungsstrategie
abgeleitet werden kann. Besonders die Datenlage für Psychostimulanzien und Neuroleptika
zeigt zwar Wirksamkeitstendenzen, jedoch mit höherem Nebenwirkungsrisiko [40].
Diskussion
Die untersuchten Leitlinien gehen von der Wirksamkeit antidepressiv wirkender Medikamente
bei älteren Patienten aus, wobei kein Wirksamkeitsunterschied zwischen den Medikamentenklassen
beschrieben wird. Zu diesem Ergebnis kommen auch die betrachteten Reviews und Meta-Analysen.
Die verschiedenen Wirkstoffgruppen sind vor allem bei gleichzeitig bestehenden körperlichen
Erkrankungen und Interaktionen mit deren Medikation zu beachten; dazu sei auf [Tab. 5] und die ausführlicheren Wirkstoff-Wechselwirkungstabellen einiger Leitlinien verwiesen
[16]
[17]
[21]. Einige Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen wie MAOH, SARI, SNRI, SSNRI, Scopolamin
oder auch Agomelatin werden in den Leitlinien nicht näher betrachtet. Dies ist vermutlich
auf die unzureichende Datengrundlage zurückzuführen und darauf, dass die Wirkstoffe
keine besonderen Vorteile für Patienten mit Altersdepressionen bieten, so dass sie
in die übergeordnete Perspektive der Leitlinien keinen Eingang gefunden haben könnten.
Dies zeigt sich in den betrachteten Reviews und Meta-Analysen, die kaum Studien zu
diesen Wirkstoffen bei älteren Patienten fanden und in den wenigen Ausnahmen keinen
Wirkungsvorteil gegenüber SSRI und auch TCA auffinden konnten [34]
[36]
[42]. Weitere Studien auf diesem Gebiet könnten die Reaktionsmöglichkeiten auf spezifische
Bedürfnisse wie Nebenwirkungssensibilität und körperliche Erkrankungen erweitern.
Die Leitlinien stimmen darin überein, dass bei einer medikamentösen Behandlung von
depressiven Erkrankungen im Alter mit einer erhöhten Sensibilität für Nebenwirkungen
zu rechnen und daher deren engmaschige Überwachung geboten ist, wobei keine eindeutigen
Empfehlungen zu dem genauen Umfang der Überwachung gegeben werden. In der Regel sind
SSRI aufgrund besserer Verträglichkeit und weniger Ausschlussgründen bei komorbiden
Erkrankungen zu empfehlen, wobei jedoch insbesondere auf Hyponatriämie [20]
[21] zu achten ist. Um die Sensibilität gegenüber den Nebenwirkungen in der Behandlung
adäquat zu berücksichtigen, fehlen bislang jedoch aussagekräftige Studien, die die
Nebenwirkungen der Medikamentenklassen systematisch miteinander vergleichen [13]. Des Weiteren wird in den meisten Leitlinien der Behandlungsansatz empfohlen, gering
einzudosieren und langsam aufzudosieren („start low, go slow“). Dabei sollte aber
eine therapeutisch wirksame Dosis nicht unterschritten werden [17]
[18].
Die Leitlinien empfehlen eine zwölfmonatige Aufrechterhaltung der Medikation zur Rezidivprophylaxe
und bei schweren depressiven Episoden eine Kombination mit Psychotherapie [17]
[18]
[19]
[20]
[22]. Es ist zu beachten, dass die Empfehlungen zur Rezidivprophylaxe und zu verschiedenen
Ausprägungen der Depression (leicht, mittelgradig, schwer) nicht in allen Leitlinien
explizit aufgeführt sind. In diesem Fall wird nach der Empfehlung für depressive Erwachsene
(bei leichten Episoden Psychotherapie und ab mittelgradiger Episode Kombination aus
Psychotherapie und Medikation; zwölfmonatige Rezidivprophylaxe) behandelt. Es bleibt
aber unklar, ob dies für Altersdepressionen evident ist oder ob die Empfehlung zu
diesen Aspekten ausbleibt, da keine Evidenz vorliegt oder dies nicht untersucht wurde.
Die betrachteten Meta-Analysen und Reviews kommen zu ähnlichen Ergebnissen, wobei
sie häufig auf eine unzureichende Datengrundlage verweisen [27]
[31]
[35]
[37]. Dies ist möglicherweise der Grund für das Fehlen von Behandlungsempfehlungen in
einigen Leitlinien zur Rezidivprophylaxe und/oder zum Schweregrad der Erkrankung.
In jedem Fall ist eine weitere Untersuchung von rezidivprophylaktischen Strategien
bei Altersdepressionen angezeigt.
Bei refraktären Depressionen ist die Augmentation mit einem weiteren Wirkstoff eine
Behandlungsoption, wobei diese in keiner Leitlinie empfohlen wird und die Evidenzgrundlage
sehr schwach ist [18]. Besonders häufig wird eine Augmentation mit Lithium betrachtet, die in den untersuchten
Reviews und Meta-Analysen durchaus als wirksam eingestuft wird [37]
[40]. Jedoch wird auch dort auf die eingeschränkte Datengrundlage verwiesen. Die in der
VA/DoD angedeutete Möglichkeit der Augmentation mit Psychostimulanzien für körperlich
schwer erkrankte depressive Ältere könnte auch für die körperlich nicht oder kaum
erkrankten depressiven Älteren eine Behandlungsmöglichkeit darstellen [16]. Dies wird neben Lithium- und Neuroleptikaaugmentation auch in der Übersichtsarbeit
von Maust, Oslin und Thase untersucht, jedoch ohne eindeutiges Ergebnis [40]. Augmentationsstrategien bei der Behandlung von Altersdepression benötigen weitere
spezifische Erforschung, um eine evidenzbasierte Empfehlung ableiten zu können.
Diese Arbeit vergleicht sieben qualitativ hochwertige aktuelle Leitlinien, die aus
diversen Versorgungssystemen stammen und unterschiedlich ausführlich auf Altersdepressionen
eingehen, und fasst diese zusammen. Dabei fällt die uneinheitliche oder nicht spezifizierte
Abgrenzung der Depression im Alter von der Depression im Erwachsenenalter auf. In
zukünftigen Studien und Leitlinien wäre eine genauere Differenzierung verschiedener
Altersgruppen (z. B. Erwachsene: bis 65; ältere Erwachsene: von 65 bis 80; sehr alte
Erwachsene: über 80) sinnvoll. Die mögliche Relevanz einer differenzierteren Betrachtung
des höheren Lebensalters zeigt sich in der Meta-Analyse von Tedeschini et al. (2011),
in der die Effektivität von diversen Antidepressiva für Patienten zwischen 55 und
65 Jahren nachgewiesen werden konnte, nicht aber für Patienten über 65 Jahre [25].
-
Antidepressive Medikamente sind zur Behandlung von Depressionen im Alter geeignet
und werden von der deutschen Leitlinie (DGPPN) und internationalen Leitlinien empfohlen.
-
Die Wahl des Antidepressivums sollte durch die bestehende Symptomatik, die körperlichen
Erkrankungen, die bereits verschriebenen Medikamente und die Nebenwirkungsprofile
der Antidepressiva bestimmt werden.
-
Die Behandlung soll mit niedriger Dosis begonnen und die Dosis langsam gesteigert
werden.
-
Die Behandlung mit Serotoninwiederaufnahmehemmern wird aufgrund des geringeren Nebenwirkungsrisikos
unter Beachtung von Hyponatriämie empfohlen.
-
Zur Rezidivprophylaxe wird eine zwölfmonatige Stabilisierungsphase bei gleichbleibender
Dosierung empfohlen.
Abkürzungen
APA :
American Psychiatric Association
AWMF :
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
ÄZQ :
Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin
BÄK :
Bundesärztekammer
COPD :
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
VA/DoD :
Department of Veteran Affairs und Department of Defence
DCZ :
Deutsches Cochrane Zentrum
DGPPN :
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
DELBI:
Deutsches Instrument zur methodischen Leitlinien-Bewertung
G-I-N:
Guidelines International Network
ICSI:
Institut für Clinical System Improvement
AWMF – IMW:
Institut für medizinisches Wissensmanagement der AWMF
KBV:
Kassenärztliche Bundesvereinigung
MOH:
Ministry of Health Singapore
MAOH:
Monoaminooxidasehemmer
NCCMH:
National Collaborating Centre for Mental Health
NICE:
National Institute for Health and Clinical Excellence
PIM:
Potenziell inadäquate Medikamente
SNRI:
Selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer
SARI:
Selektiver Serotoninantagonist und -wiederaufnahmehemmer
SSNRI:
Selektiver Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
SSRI:
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer
STOPP:
Screening Tool of Older Person’s Prescriptions
START:
Screening Tool to Alert doctors to Right Treatment
TCA:
Trizyklische Antidepressiva
VHA :
Veteran Health Administration