JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2015; 04(03): 102-103
DOI: 10.1055/s-0035-1554076
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medicinski tehnicari iz Bosne i Hercegovine u Njemackoj[*]

Heidi Günther
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Publication Date:
01 June 2015 (online)

Es muss das Beste irgendwo zu finden sein.

(Johann Wolfgang von Goethe)

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(Foto: Paavo Blåfield)

In unserem Land gibt es einen großen Mangel an examinierten Pflegekräften, diese Information ist nicht neu. Ich habe ein wenig recherchieren wollen – dieses aber sehr schnell aufgegeben, denn die Zahlen schwanken zwischen 10.000 und 30.000 fehlenden Pflegekräften. Und die Prognose, wie es etwa 2050 um die Pflege steht, ist mehr als düster. Ich weiß gar nicht, ob es noch eine Steigerung des Begriffs „Pflegenotstand“ gibt. Diese Bezeichnung muss dann wohl erst einmal kreiert werden und egal, wie es heißen wird, hat es in jedem Fall das Potenzial zum Unwort des jeweiligen Jahres.

Da rege ich mich ja über meine zwei unbesetzten Planstellen auf Station scheinbar mehr als künstlich auf.

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Ich muss niemandem großartig erzählen, wie knapp die Stellenplanung für eine Station gestrickt ist. Viel Luft nach oben bleibt da nicht, um fehlende Kollegen – ob im Urlaub, krank, in Fort- und Weiterbildung oder Mutterschutz – zu kompensieren. Wenn dann von elf Planstellen noch zwei unbesetzt sind, wird der Dienstplan ein Akt, der mich jeden Monat fast zur Verzweiflung treibt. Und wenn er dann endlich fertig ist, ist er oft schon in den ersten Tagen des Monats das Papier nicht mehr wert, auf dem er steht.

Nun ist es ja nicht so, dass unsere Klinikleitung nichts tut, um diese Situation in den Griff zu bekommen. Es wird geworben, was das Zeug hält. Ob in Rundfunk und Presse, den Pflegefachschulen, Jobmessen, ob in der U-Bahn oder in Social Media. Es gibt Starterprämien, Unterstützung bei der Wohnungssuche und moderne Einarbeitungskonzepte. Aber irgendwie soll es nicht sein. Ich weiß auch nicht, woran es liegt. Meine laienhafte Theorie ist, dass überteuerte Städte wie München und ein Krankenschwesterngehalt einfach nicht kompatibel sind. Aber das ist nur meine einfache Theorie und ich bin froh, in dieser Hinsicht nicht in der Verantwortung zu stehen.

Im vergangenen Jahr hat unsere Klinik dann auch in EU-Ländern geworben und schien in Italien fündig geworden zu sein. Ja, was soll ich sagen? Wir hatten gewissermaßen eine kurze italienische Phase und die Halbwertszeit der Anwesenheit der Kollegen war sehr, sehr gering. Auf meiner Station hielt es ein Kollege ganze acht Wochen aus. Eine andere Kollegin gab schon am dritten Tag (!) auf. Beim Ersteren haben wir uns wirklich Mühe gegeben, eine Einarbeitung zu gestalten. Bei Letzterer sind wir gar nicht dazu gekommen. Ein einziges Dilemma. Da prallten nicht nur sprachliche Barrieren, sondern auch grundsätzlich unterschiedliche Ansichten zum Beruf aufeinander. Eigentlich sehr schade, denn die italienischen Kollegen haben ja durch das Schengener Abkommen die Möglichkeit, in ihrem erlernten Beruf sehr unkompliziert innerhalb der EU-Grenzen zu arbeiten. Und für alle Beteiligten hätte es eine große Chance sein können.

Nun haben wir seit einigen Wochen zwei Kollegen aus Bosnien. Ihr Weg, nicht geebnet durch irgendwelche EU-Vereinbarungen, war und ist alles andere als leicht und unkompliziert. Beide haben sehr gute Ausbildungen in Bosnien abgeschlossen, aber auf dem dortigen Arbeitsmarkt offensichtlich keinerlei Chancen. Sie berichten von halbjährigen, unentgeltlichen Praktika nach der Ausbildung, von Bestechungsgeldern, die fließen müssten, um einen Arbeitsplatz zu ergattern, und ähnlichem.

Von einer Arbeitsagentur in Bosnien, dann über eine „Triple-Win“-Agentur sind sie – unter anderem auch wegen ihrer sehr guten Deutschkenntnisse – nach Deutschland empfohlen worden und haben sich mit Initiativbewerbungen an unser Haus gewandt. Wir haben sie genommen und sind nur froh und zufrieden mit dieser Entscheidung. Zwei wirklich gute, motivierte und fleißige Kollegen. Es gab, trotz des italienischen Debakels, keinerlei Berührungsängste oder Vorbehalte.

Leider ist für die beiden Männer die Odyssee noch lange nicht vorbei. Die allseits bekannte und bewitzelte deutsche Bürokratie und deren extrem langsam mahlende Mühlen schlagen mit ihrer ganzen Kraft zu und machen ihrem weit über unsere Ländergrenzen hinaus bekannten schlechten Ruf alle Ehre. Ich glaube, die Jahresarbeitsverträge der beiden und die daran gekoppelten Arbeitsvisen werden nur knapp reichen, um die deutsche Anerkennung als Gesundheits- und Krankenpfleger zu erlangen.

Fast, aber nur fast, war alles schon einmal auf einem guten Weg. Beide hatten bereits die Unterrichtstermine für den zu leistenden Unterricht und fast schon einen Termin für die notwendige praktische Prüfung. (Ich hatte die ersten Termine, die im März sein sollten, sogar schon im Dienstplan bedacht!) Diese Termine wurden nun, aus natürlich nicht näher benannten Gründen, um „wahrscheinlich zwei Monate“ vertagt. Ich selbst habe bei der entsprechenden Behörde und der zuständigen Sachbearbeiterin angerufen und bin dabei an meine Grenzen gestoßen. Auf meine Frage, wie lange dieses Prozedere noch dauern könnte, hat mir die Dame ganz klar mitgeteilt, dass es erheblich länger dauert, wenn wir noch lange telefonieren. Pure Freundlichkeit schlug mir da entgegen. Ich kann nur annehmen, dass tausende und abertausende Anträge auf Anerkennung des Berufs in der Behörde vorliegen und die sachverständigen Behördenangestellten diese Flut nicht bewältigen können. Daraus wiederum kann ich nur schließen, dass der Pflegekräftemangel in absehbarer Zeit behoben sein wird. Spätestens dann, wenn alle Anträge irgendwann mal abschließend bearbeitet worden sind. Wir und besonders unsere beiden bosnischen Kollegen müssen nur Geduld haben. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und was macht es schon, dass die beiden so lange nur als Krankenpflegehelfer eingestellt und bezahlt werden!

Ich kann nur hoffen, dass beide Männer durchhalten und Nerven bewahren. Wir freuen uns jedenfalls alle, dass sie auf unserer Station arbeiten. Herzlich Willkommen, Aldin und Enez!

Ihre

Heidi Günther

* Krankenpfleger aus Bosnien und Herzegowina in Deutschland