physiopraxis 2015; 13(05): 10-14
DOI: 10.1055/s-0035-1554751
physiopolitik
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22 May 2015 (online)

Reaktion auf „Report München“ – „Ich stehe dazu, ein Politiker aus der Praxis zu sein“

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Dr. Roy Kühne ist Physiotherapeut, seit September 2013 Mitglied im Deutschen Bundestag und dort im Ausschuss für Gesundheit für die CDU aktiv. Er fungiert unter anderem als Berichterstatter für die Themen Heil- und Hilfsmittel. Zudem führt er in Northeim ein Gesundheitszentrum mit 25 Mitarbeitern.
Abb.: Büro Roy Kühne

Die Therapeuten haben es geschafft, das Interesse der Medien auf sich zu lenken. Doch neben einer hohen Zahl an positiven Berichten (physiopraxis 2/15, S. 14; 4/15, S. 3 und 10) sorgte die ARD-Sendung „report München“ am 21. April mit dem Beitrag „Lobbyismus im Bundestag – Profitiert Abgeordneter von eigenem Positionspapier?“ erneut für negative Schlagzeilen. Im Visier steht Roy Kühne mit seinem Positionspapier, das die Arbeitsbedingungen der Heilmittelerbringer verbessern soll (physiopraxis 4/15, S. 10). Ihm wird unterstellt, er wolle sich selbst bereichern. In der Sendung zu Wort kamen Vertreter von LobbyControl, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband. Den Beitrag zum Nachlesen gibt es unter www.thieme-connect.de/ products/physiopraxis > „Ausgabe 5/15“.

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Herr Kühne, am 21. April 2015 strahlte „report München“ einen Beitrag aus mit dem Titel „Lobbyismus im Bundestag“. Dafür hat Ihnen „report“ in Ihrem Gesundheitszentrum einen Besuch abgestattet. Wussten Sie zu diesem Zeitpunkt, dass der Fokus des Berichtes „Lobbyismus im Bundestag“ sein wird?

Nein. Nach Aussage des Reporters sollte es um das Positionspapier gehen.

Haben Sie nach der Sendung bereut, einem Interview zugestimmt zu haben?

Nein. Ich stehe zu dem Thema und dazu, dass ich ein aktiver Heilmittelerbringer bin bzw. ein Politiker, der aus der Praxis kommt. So kann ich sehr gut beurteilen, was im täglichen Leben der Therapeuten abläuft.

Was für Reaktionen auf den Beitrag gab es denn aus der Unionsfraktion und speziell aus der AG Gesundheit, die das Positionspapier mit verabschiedet hat?

Sehr positive. Sie schätzten die Klarheit meiner Aussagen. Und sie begrüßen es, dass in Ausschüssen Entscheidungen von Leuten gefällt werden, die aus der Praxis kommen. Es macht einfach keinen Sinn, dass ich als Physiotherapeut zum Beispiel im Landwirtschaftsausschuss sitze und über die Milchquote entscheide. Und umgekehrt der Landwirt im Gesundheitsausschuss aktiv ist.

Die Physiotherapeuten und Kenner der Branche waren entrüstet von den an den Haaren herbeigezogenen Argumenten und der versuchten Unterstellung des Lobbyismus. Möchte da jemand mit allen Mitteln verhindern, dass die Politik sich für die Interessen der Therapeuten starkmacht?

Es muss niemand fürchten, dass ihm etwas weggenommen wird. Florian Lanz vom GKVSpitzenverband behauptete in der Sendung, dass die Ärzte weniger Honorar bekämen oder die Beitragszahler höhere Beiträge bezahlen müssen. Das halte ich für grundlos. Wir haben im Gesundheitssystem genug Ressourcen, um eine gerechte Vergütung der Heilmittelerbringer zu finanzieren. Mit zunehmender Qualifizierung können die Therapeuten die Ärzte durchaus unterstützen und entlasten, sodass der Arzt sich auf seine ursprüngliche Arbeit konzentrieren kann. Durch die im Bericht vermutete Kostenexplosion und befürchteten sinkenden Ärztehonorare werden Ängste bei den Bürgern und Ärzten geschürt, die unbegründet sind. Denn im Positionspapier ist davon nicht die Rede.

Doch es bewerten nicht alle Ärzte die Thematik so wie Regina Feldmann von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die im Beitrag ja von Kostenexplosion spricht. Ich habe von vielen Ärzten die Rückmeldung bekommen, dass sie das Positionspapier gut finden.

Welchen Einfluss haben Sendungen wie „report München“ auf politische Entscheidungen?

Auf einen Politiker mit sachfundierten Kenntnissen hat das keinen Einfluss.

Also wirken sich Medienberichte eher auf die Bevölkerung aus?

Richtig. Wobei Freunde, Bekannte, Bürger auf der Straße und Patienten aus meinem Umfeld den Bericht von „report München“ als negativ empfanden und durchaus differenzieren konnten. Auf den Artikel in der Süddeutschen Zeitung zum Beispiel, welche die Forderung zum Direktzugang Anfang April auf Seite 1 platzierte, äußerten einige Patienten, das würden sie nutzen.

Wie stehen denn der Koalitionspartner SPD und die Opposition zum Positionspapier?

Von den Grünen und den Linken habe ich bisher keine Rückmeldung erhalten. Der Berichterstatter der SPD signalisierte mir letzte Woche in einem Gespräch, dass er dem Positionspapier wohlwollend gegenüber steht. Die eine oder andere Nuance muss natürlich noch diskutiert werden.

Wie geht es mit dem Positionspapier weiter?

Kommende Woche habe ich eine Sitzung mit der SPD. Der Termin mit den Grünen steht noch aus. Ich hoffe, dass ich die Fraktionen davon überzeugen kann, dass die geforderten Änderungen ein wichtiger Schritt hin zu einer besseren Gesundheitsversorgung sind. Gelingt das, können wir einige Forderungen zeitnah in das GKV-Versorgungsstrukturgesetz einbringen, das noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll.

Im Positionspapier sprechen Sie sich für den Direktzugang zum Therapeuten aus. Im gleichen Atemzug wird auch die Blanko-Verordnung genannt. Für welches Modell sehen Sie politisch größere Chancen für die Umsetzung?

Zuerst müssen wir zukunftsnah die Blanko- Verordnung etablieren. Dann müssen wir uns mit der Ausbildungsverordnung der Heilmittelerbringer auseinandersetzen, um deren Qualifizierung zu sichern. Erst dann können wir über den Direktzugang nachdenken.

Wie könnte die Finanzierung dazu aussehen?

Mir ist nicht daran gelegen, den Ärzten das Honorar zu kürzen oder die Kassenbeiträge zu erhöhen. Wie wir die Ressourcen besser verteilen können, das überlasse ich den Profis der Krankenkassen. Ich erwarte von ihnen, dass sie die Ausgabenpositionen kritisch durchleuchten. Die 2,5 Prozent, die die Kassen insgesamt für die Heilmittelerbringer ausgeben, können nicht der Grund sein, warum die Kassen plötzlich mehr bezahlen sollten.

Würde die Blanko-Verordnung ein Wegfall der Zertifikatspositionen nach sich ziehen?

Nein, denn die Zertifikatspositionen dienen ja auch als Qualifizierungsnachweise.

Was können die Berufsverbände und Therapeuten tun, um den Wandel voranzutreiben?

Mein größter Wunsch ist, dass die Heilmittelerbringer ihre Situation bezogen auf den Patienten darstellen. Die breite Bevölkerung muss wissen, wie es um die Situation der Therapeuten steht. Sie muss sich selbst von den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung ein Bild machen können, ebenso von den Konsequenzen daraus.

Sind Ihrer Meinung nach die Therapeuten hier schon auf einem guten Weg?

Ja. Die Therapeuten reden offen über ihre Situation mit den Patienten, und diese stehen positiv den Therapeuten gegenüber.

Haben möglicherweise die Aktion „38,7% mehr wert“ und der Aufruf zu Demonstrationen ihren Teil dazu beigetragen?

Auf jeden Fall. Jede Aktion trägt dazu bei, dass Patienten und Bürger sich mit der Situation der Heilmittelerbringer auseinandersetzen. In den letzten eineinhalb Jahren ist das sehr spürbar geworden. Da danke ich allen, die sich für die Berufe engagieren. Das Vertrauen der Patienten in die Heilmittelerbringer ist hoch. Und das sollte uns in der Bundespolitik ein Zeichen dafür sein, dass wir uns ruhig mit dem Thema beschäftigen sollten.

Das Gespräch führte Elke Oldenburg.