Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2015; 22(03): 139
DOI: 10.1055/s-0035-1556683
DTG-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar – Zusatzweiterbildung Tropenmedizin

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Publication Date:
23 June 2015 (online)

 

    Das Fachgebiet Tropenmedizin hat in den Weiterbildungsordnungen der Bundesländer den Stellenwert einer ‚Zusatzweiterbildung’. Doch im Vergleich mit den anderen, über 30 Zusatzweiterbildungen ist der Erwerb der Fachqualifikation Tropenmedizin aufwendiger. Neben einem 3-monatigen und mit entsprechenden Kosten verbundenen Diplomkurs Tropenmedizin wird neben einer einjährigen Tätigkeit in einer tropenmedizinischen Versorgungseinrichtung in Deutschland auch ein Jahr tropenmedizinische Versorgung in den Tropen gefordert. Die Motivation zum Erwerb dieser Zusatzweiterbildung – oftmals verbunden mit weiteren Freiwilligeneinsätzen in den Tropen im späteren Berufsleben – dürfte in keinem Fall die Aussicht auf die Ermächtigung zur Erbringung lukrativer Zusatzleistungen in der ärztlichen Praxis sein.

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    (Bild: Fotolia; higyou)

    Überalterung

    Aus dem Beitrag der Autorinnen Jenny Höcker und Luise Prüfer-Krämer in der Ausgabe 2/2015 der FTR, S. 82–87, geht hervor, dass die Inhaber der Zusatzbezeichnung Tropenmedizin im niedergelassenen Bereich zumeist hausärztlich tätig sind. Die beiden Autorinnen stellen Daten aus einer Befragung von niedergelassenen Tropenmedizinern in Deutschland vor, an der sich 51 Kollegen beteiligten. Das Durchschnittsalter betrug bei diesen 60 Jahre, 26 % waren bereits 65 Jahre alt und hatten damit das Rentenalter erreicht.


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    Gründe für fehlenden Nachwuchs?

    Worin also liegen die Gründe für den fehlenden Nachwuchs für niedergelassene Tropenmediziner? Ist das Fach unattraktiv geworden, zu wenig lukrativ oder sind die Anforderungen für den Erwerb der Zusatzbezeichnung zu hoch? Alles drei? Thematisiert wurde seitens der Befragten vor allem die völlig unzureichende Honorierung der in der Regel mit einigem Aufwand verbundenen tropenmedizinischen Leistungen.

    Der Aufwand für die Erhebung einer (Reise-)Anamnese, für die klinische Untersuchung in Verbindung mit kulturellen / religiösen / sprachlichen Barrieren bei Reisenden sowie für die Diagnostik ist nicht selten erheblich – angesichts einer akuten, singulär auftretenden reiseassoziierten Erkrankung. Dabei kommt es oftmals darauf an, unverzüglich lebensbedrohliche Erkrankungen auszuschließen wie beispielsweise eine Malaria. Die Malariadiagnostik jedoch wird nicht honoriert, sie muss vielmehr abseits von spezialisierten Zentren oft kommerziellen Laboren überlassen werden, die nicht immer über ausreichend Routine zum Beispiel in Bezug auf die Speziesdifferenzierung der Plasmodien verfügen. Und schließlich wird es heute von jungen Ärzten, die sich in der Karriere- und Familienplanung befinden, als oftmals schwierig empfunden, ein Jahr ‚Auszeit‘ in den Tropen einzuplanen, wohingegen das Interesse an tropenmedizinischen Diplomkursen ungebrochen erscheint.


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    Weiterhin wichtig: tropenmedizinische Expertise

    Vielleicht liegt die Überalterung = der fehlende Nachwuchs ja auch darin begründet, dass das Fach Tropenmedizin selbst aus der Zeit gefallen, vielleicht gar überflüssig geworden ist. Wer dieser Ansicht ist, sollte sich fragen, ob der Mitbürger mit Migrationshintergrund, der gerade mit Fieber von einem Verwandtenbesuch aus Afrika zurückgekehrt ist, wirklich bei jedem Allgemeinmediziner ohne tropenmedizinische Ausbildung gut aufgehoben ist. Und ist wirklich jeder Infektiologe, der primär in der HIV- oder Virushepatitisbehandlung tätig ist, auch bereit, sich regelmäßig über die Behandlung der Schistosomiasis, Leishmaniasis oder Strongyloidiasis fortzubilden? Wie unbekannt, ja gar unheimlich auch vielen Niedergelassenen (aber auch Klinikärzten!) unter anderem der afrikanische Kontinent weiterhin ist, zeigte sich erst jüngst währende der Ebolaepidemie, als (mit / ohne Fieber) aus Afrika zurückkehrenden Patienten der Zutritt zu Praxen oder Ambulanzen verweigert wurde – auch wenn die Entfernung eines Aufenthaltsorts zum Beispiel in Kenia weiter entfernt vom Ausbruchsgebiet in Westafrika liegt, als die von München.

    Vielleicht sind tropenmedizinische Krankheitsbilder auch mittlerweile so ‚exotisch‘ beziehungsweise speziell und damit schlicht zu selten im Rahmen einer Niederlassung, dass der Erwerb einer Zusatzbezeichnung und die fortlaufende Fortbildung in diesem Fachgebiet nicht mehr als sinnvoll zu erachten ist. Dann aber sollten und müssten akademische oder institutionelle Einrichtungen entsprechend auch in der Zukunft klinisch qualifizierte Anlauf- und Referenzzentren vorhalten. Die Aufrechterhaltung einer entsprechenden Expertise erscheint in einer zusammenwachsenden Welt mit zunehmender Migration einerseits und Urlaubs- / Dienstreisen in entlegenste Regionen andererseits jedenfalls durchaus sinnvoll – auch und gerade im niedergelassenen Bereich. Es wird sich aber kaum wieder tropenmedizinischer Nachwuchs auch für den niedergelassenen Versorgungsbereich finden, wenn in den akademischen Institutionen das Fachgebiet der klinischen Tropenmedizin vernachlässigt oder auf rein wissenschaftliche Aktivitäten ausgerichtet würde.

    Es bleibt also zu hoffen, dass der Tropenmedizin, die von Bereichen wie Reisemedizin, Migrantenmedizin, tropenspezifischer Arbeitsmedizin und vielen anderen Gebieten nicht zu trennen ist, auch zukünftig sowohl auf Seiten akademischer Einrichtungen, auf Seiten der Ärztekammern und auf Seiten der Kostenträger im Gesundheitswesen ein gebührender Stellenwert eingeräumt wird, damit auch in Zukunft eine lebendige tropenmedizinisch-klinische Szene aufrecht erhalten bleibt – im niedergelassenen wie institutionellen Bereich.

    Jakob Cramer, Hamburg / Zürich


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    (Bild: Fotolia; higyou)