Ernährung & Medizin 2015; 30(4): 151-155
DOI: 10.1055/s-0035-1558534
wissen
Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Die mikrobielle Darmflora und unser Immunsystem

Nicolas Lützner
Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
,
Wolfgang Bayer
Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
,
Karlheinz Schmidt
Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
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Dr. rer. nat. Nicolas Lützner
Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
Max-Lang-Str. 58
70771 Leinfelden-Echterdingen
Dr. rer. nat. Wolfgang Bayer
Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
Max-Lang-Str. 58
70771 Leinfelden-Echterdingen
Prof. Dr. Dr. med. Karlheinz Schmidt
Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
Max-Lang-Str. 58
70771 Leinfelden-Echterdingen

Publication History

Publication Date:
22 December 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Verdauung, Nährstoff- und Vitaminaufnahme und Infektionsabwehr sind komplexe Prozesse des Verdauungssystems, an denen symbiotische Darmbakterien essentiell beteiligt sind. Die Auswirkungen dieses Zusammenspiels bestimmter Darmbakterien auf unser Immunsystem und unsere Gesundheit sind tiefgreifend. Störungen der symbiotischen Darmflora, die man auch als Dysbiosen bezeichnet, begünstigen die Ansiedlung pathogener Mikroorganismen und stehen in einem direkten Zusammenhang mit einer Vielzahl von Stoffwechselstörungen und Krankheiten. Übergewicht, Nahrungsmittelallergien, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und sogar neuronale Entwicklungsstörungen, wie Autismus, können die Folge sein.


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Die Evolution schuf bereits vor 500 Mio. Jahren erste Vorformen unseres gastrointestinalen Verdauungssystems und damit eine biologische Nische für eine Vielzahl an mikrobiellen Symbionten. Diese Bakterien, die ca. 1 kg unseres Körpergewichts ausmachen, sind speziell an die Umgebung angepasst und beeinflussen durch ihre Metabolite nicht nur unsere Verdauung, sondern auch unser Immunsystem ( Abb. [ 1 ]). Die Mehrheit der symbiotischen Darmbakterien und ihre Wechselwirkung mit unserem Immunsystem blieb lange Zeit unerforscht, hauptsächlich deshalb, da sie keine Krankheiten verursachen und vermutlich auch deshalb der Wissenschaft als nicht wichtig genug erschienen. Nicht zuletzt durch die unsachgemäße Anwendung von Antibiotika hat sich diese Auffassung im letzten Jahrzehnt geändert und es wurden zunehmend wissenschaftliche Studien zu diesem Thema durchgeführt ([1]). Im folgenden Artikel möchten wir einen Überblick darüber geben, wie sich die mikrobielle Darmflora und unser Immunsystem wechselseitig beeinflussen.

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Abb. 1 Eine gesunde mikrobielle Darmflora hilft, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. (© Fotolia/XtravaganT)

Die zwei wichtigsten Aufgaben dieses Zusammenspiels aus symbiotischen Darmbakterien und unserem Immunsystem sind

  • der Schutz vor pathogenen Mikroorganismen und

  • die Toleranz gegenüber harmlosen Nahrungsbestandteilen.

Um einen detaillierten Einblick in die zu Grunde liegenden Mechanismen dieses Zusammenspiels zu ermöglichen, sollen zunächst der Aufbau und die Komponenten des gastrointestinalen Immunsystems vorgestellt werden. Das gastrointestinale Immunsystem besitzt dabei eine gewisse Autonomie und ist nicht mit dem systemischen Immunsystem gleichzusetzen.

Wie ist unser gastrointestinales Immunsystem aufgebaut?

Die oberste Epithelschicht der Darmschleimhaut ist neben unserer Haut die wichtigste Grenze, die das Eindringen von Bakterien in tiefere Gewebeschichten verhindert. Becherzellen innerhalb dieser Schicht produzieren ein Sekret, das aus sog. Mucinen aufgebaut ist. Diese als Muc 1 und Muc 2 bezeichneten Glykoproteine sind gegenüber körpereigenen Verdauungsenzymen wie Trypsin resistent und formen eine ca. 50 µm dicke Schleimschicht, die die Darmschleimhaut benetzt und die Darmepithelzellen vor einem direkten Kontakt mit pathogenen mikrobiellen Erregern schützt. Während nur wenige pathogene Mikroorganismen in der Lage sind, diese Schleimschicht zu durchdringen, können einige der harmlosen symbiotischen Bakterien die äußere Schicht passieren und induzieren dadurch sogar die vermehrte Freisetzung dieses Sekrets aus den Becherzellen. Dadurch wird neben der klassischen Barrierefunktion auch die Toleranz gegenüber harmlosen Nahrungsbestandteilen unterstützt, indem mechanische Mikroverletzungen minimiert und damit entzündliche Prozesse verhindert werden ([2]).

Die Mucine der Schleimschicht wirken aber auch direkt über molekulare Wechselwirkungen auf darunterliegende Darmepithelzellen und spezielle Zellen des Immunsystems, die sog. antigenpräsentierenden Zellen.

Freund oder Feind?

Darmepithelzellen und antigenpräsentierende Zellen der Darmschleimhaut nehmen über Phagozytose sowohl harmlose Nahrungsbestandteile als auch pathogene Mikroorganismen ins Zellinnere auf, wo sie weiter zerkleinert werden ([3]). Kurze Proteinbestandteile der entstandenen Trümmer, die als Antigene bezeichnet werden, präsentieren diese 2 Zelltypen dann auf ihrer Oberfläche ( Abb. [ 2 ]). Dort wird von bestimmten Effektorzellen unseres adaptiven Immunsystems überprüft, ob es sich bei den präsentierten Antigenen um körperfremde Moleküle handelt, die damit potenziell von pathogenen Erregern stammen könnten. Diese Effektorzellen sind die T-Zellen. Wie erkennen nun die T-Zellen, ob es sich bei den präsentierten Bestandteilen um Teile eines gefährlichen Erregers oder nur um einen harmlosen Nahrungsbestandteil handelt? Beide Stoffe sind doch dem Immunsystem grundsätzlich fremd.

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Abb. 2 Aufbau des gastrointestinalen Immunsystems. Überblick der immunologischen Komponenten, die einerseits eine Toleranz gegenüber Nahrungsbestandteilen und symbiotischen Mikroorganismen vermitteln (linke Seite) und andererseits eine schnelle Abwehrreaktion bei Infektionen und Zerstörungen der Darmschleimhaut ermöglichen (rechte Seite).

Eine Schlüsselrolle dabei spielen sog. Toll-like-Rezeptoren (TLR). Diese Rezeptoren sind Teil des angeborenen Immunsystems und kommen nicht nur auf antigenpräsentierenden Zellen, sondern auch auf bestimmten Darmepithelzellen vor. Sie erkennen Strukturen oder Muster, die viele pathogene Mikroorganismen gemeinsam haben, wie beispielsweise Lipopolysaccharid (TLR4), einem Membranbestandteil aller gramnegativer Bakterien, oder Flagellin (TLR5), einem Bestandteil von bakteriellen Geißeln (Flagellum). Nur wenn diese Toll-like-Rezeptoren in den Darmepithelzellen und antigenpräsentierenden Zellen durch pathogene Muster aktiviert werden, können diese Zellen das adaptive Immunsystem über die T-Zellen aktivieren.

Auf diese Weise wird verhindert, dass beispielsweise Proteine, die über die Nahrung aufgenommen werden, eine adaptive Immunreaktion auslösen, da Nahrungsbestandteile in der Regel keine solchen pathogenen Muster tragen. Zusätzlich spielt dabei auch die Architektur der Darmepithelzellen eine wichtige Rolle. So kommen die Flagellin-Rezeptoren (TLR5) nicht auf der apikalen, dem Darmlumen zugewandten Seite der Epithelzellen vor, wo durch die Darmbakterien hohe Konzentrationen an Flagellin vorliegen, sondern nur auf der dem Darmlumen abgewandten Seite. Dadurch wird eine unnötige Überaktivierung des adaptiven Immunsystems verhindert. Nur wenn die Barriere des Darmepithels durchbrochen wird, kommt es zu einer schnellen Aktivierung des Immunsystems ([4]) ( Abb. [ 2 ]). Die dann eintretende Aktivierung der TLR5/Flagellin-Rezeptoren regt nicht nur T-Zellen an, sondern auch die Darmepithelzellen selbst. Diese bilden antimikrobiell wirkende Moleküle, wie Defensine und C-Typ-Lektine, die Löcher in die Bakterienzellwand reißen und diese damit abtöten. Neben T-Zellen werden durch diese Toll-like-Rezeptor-Signalkaskaden auch B-Zellen aktiviert. Diese sitzen entlang des gesamten Dünndarms in zusammenhängenden Lymphfollikeln, den sog. Peyer-Plaques und bilden IgA-Antikörper, die wesentlich zum Schutz der Schleimhautoberfläche beitragen.

Solche Regulationsmechanismen sind nur ein kleines Beispiel für die komplexen molekularen und zellulären Vorgänge, die das Zusammenspiel von mikrobieller Darmflora und Immunsystem regulieren und machen die Bedeutung einer intakten Darmschleimhaut anschaulich.


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Die Darmschleimhaut: Barriere und Vermittler von Toleranz

Wie wichtig eine intakte Darmschleimhaut im Extremfall für unser Überleben ist, wird anhand eines Blinddarmdurchbruches deutlich. Treten dabei mikrobielle Bestandteile wie Lipopolysaccharid in die Blutbahn über, kann es zu einer systemischen Aktivierung von Toll-like-Rezeptoren und in Folge zu einer Sepsis (Blutvergiftung) kommen, die im unbehandelten Zustand in der Regel zum Tod führt. Hier ist nicht die bakterielle Infektion selbst das fatale Ereignis, sondern die systemische Reaktion unseres Immunsystems auf die Bedrohung.

Aber nicht nur die Darmepithelzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Toleranz unseres Immunsystems gegenüber harmlosen Nahrungsmitteln und symbiotischen Mikroorganismen. Neuste Studien der Prozesse in der Darmschleimhaut haben noch erstaunlichere Entdeckungen hervorgebracht. So durchstoßen bestimmte antigenpräsentierende Zellen, die den Oberflächenmarker CD103 tragen, die Zell-Zell-Kontakte (tight juctions) des Darmepithels und nehmen im Darmlumen sowohl harmlose als auch pathogene Mikroorganismen auf und wandern in benachbarte Lymphknoten, wo sie die Bestandteile den T-Zellen präsentieren ([5]). Dabei produzieren diese antigenpräsentierenden Zellen das Vitamin-A-Derivat Retinsäure und aktivieren dadurch eine bestimmte Untergruppe der T-Helferzellen ( Abb. [ 2 ]). Diese sog. regulatorischen T-Zellen (Tregs) hemmen wiederum über Botenstoffe, wie TGF-beta und Interleukin-10, andere T-Effektorzellen. Diese Wechselwirkung zwischen Retinsäure-bildenden antigenpräsentierenden Zellen und regulatorischen T-Zellen spielt eine Schlüsselrolle bei der Toleranzerhaltung des Immunsystems gegenüber harmlosen Nahrungsbestandteilen und symbiotischen Darmbakterien ([6]).


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Darmflora und Prävention

IgE und IgA

Welche Rolle spielt die Wechselwirkung von symbiotischer Darmflora und dem Immunsystem bei der Verhinderung von Krankheiten? Um die Mechanismen aufzuklären, wie symbiotische Darmbakterien unser Immunsystem beeinflussen, arbeiten Wissenschaftler häufig mit keimfreien Mäusen, die per Kaiserschnitt geboren werden und unter sterilen Bedingungen gehalten werden. Diese Tiere haben keinerlei Kontakt mit bakteriellen Mikroorganismen und zeigen aus immunologischer Sicht eine hohe Inzidenz gegenüber Autoimmunreaktionen und Allergien.

Das hängt u. a. damit zusammen, dass im keimfreien Zustand hohe Serumkonzentrationen an bestimmten Antikörpern vom Immunglobulin-E(IgE)-Typ vorliegen. Im Vergleich zu anderen Antikörpertypen ist dieser Typ dazu in der Lage, Histamin aus Mastzellen freizusetzen, was in der Folge allergische Reaktionen auslösen kann, wie man sie vom klassischen Heuschnupfen kennt ([7]). Im Gegensatz zu IgE-Antikörpern sind IgA-Antikörper dazu nicht in der Lage. Sie spielen dafür die zentrale Rolle beim Schutz von Schleimhautoberflächen vor Infektionen, aber auch bei der Aufrechterhaltung einer mikrobiellen Homöostase. Werden keimfreie Mäuse in Kontakt mit symbiotischen Darmbakterien gebracht, kommt es in diesen Tieren zu einem Anstieg der IgA-Mengen im Darm und umgekehrt zu einer Abnahme an IgE ([8]). Die spezifischen IgA-Antikörper, die durch symbiotische Bakterien induziert werden, können dabei über einen sehr langen Zeitraum einen Schutz gegenüber pathogenen Bakterien ermöglichen. Ändert sich die Zusammensetzung der Darmflora, beispielsweise durch eine veränderte Ernährung, so reagiert das Immunsystem dynamisch auf diese Veränderungen und neue IgA-Antikörper werden gebildet ([9]). So nimmt die Vielfalt dieser Antikörper mit steigendem Alter immer weiter zu ([10]).

Neben den symbiotischen Bakterien selbst spielen auch deren Stoffwechselprodukte eine zentrale Bedeutung bei der Unterdrückung von Nahrungsmittelallergien und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. So begünstigt beispielsweise das Stoffwechselprodukt Polysaccharid A des Bakterienstammes Bacteroides fragilis die Entwicklung der oben beschriebenen regulatorischen T-Zellen und fördert damit die immunologische Toleranz ([11]) ( Abb. [ 2 ]).


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Erstaunliche Effekte durch Stuhltransplantation

Auch eine defekte Signalweiterleitung in Darmepithelzellen durch die oben beschriebenen Rezeptoren des angeborenen Immunsystems kann die Zusammensetzung der symbiotischen Darmflora massiv beeinflussen und damit weitreichende Folgen auf unsere Gesundheit haben. So zeigen Mäuse mit einer genetischen Inaktivierung eines bestimmten Rezeptors eine deutliche Veränderung der symbiotischen Darmflora, was in diesen Tieren dazu führt, dass sie chronisch entzündliche Darmerkrankungen entwickeln. Noch erstaunlicher ist die Beobachtung, dass diese veränderte mikrobiotische Darmflora nach Transplantation in gesunde Mäuse ohne diese genetische Inaktivierung ebenfalls chronisch entzündliche Darmerkrankungen hervorruft ([12]). Das zeigt, wie wichtig die Zusammensetzung der symbiotischen mikrobiellen Darmflora für die Verhinderung von entzündlichen Darmerkrankungen ist.

Die Zusammensetzung unserer mikrobiellen Darmbakterien spielt aber nicht nur bei der Entwicklung von Darmerkrankungen eine Rolle. Dysbiosen können wesentlich weitreichendere Folgen für unsere Gesundheit haben. So kann eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora bei Mäusen zu Übergewicht und sogar Fettleibigkeit führen, die sich durch Transfer von Bakterien der Bacteroides-Gattung in den Tieren wieder rückgängig machen lässt ([13]). Auch die Darmflora von schwangeren Mäusen unterscheidet sich deutlich von nicht schwangeren. Wird die Darmflora von schwangeren Mäusen auf keimfreie Mäuse übertragen, entwickeln diese ebenfalls eine Fettleibigkeit ([14]). Möglicherweise spielen dabei die weiblichen Geschlechtshormone, die sich während der Schwangerschaft ändern, eine zentrale Rolle ([15], [16]). Besonders relevant ist ein möglicher Zusammenhang zwischen weiblichen Geschlechtshormonen und Darmflora, da Millionen von Frauen meist über einen jahrelangen Zeitraum zusätzlich Östrogene und Gestagene in Form der Antibabypille aufnehmen.

Am erstaunlichsten ist allerdings, dass es sogar Zusammenhänge zwischen der Darmflora und tiefgreifenden neuronalen Entwicklungsstörungen wie Autismus gibt. In Studien zeigten autistische Kinder Dysbiosen mit einer geringeren Vielfalt an verschiedenen Darmbakterien ([17]). Insbesondere die Gattungen Prevotella und Coprococcus waren in geringeren Mengen vorhanden als in nicht autistischen Kindern. Dies zeigt, wie weitreichend die Wechselwirkung mit unserer Darmflora für unsere Gesundheit sein kann.


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Blick in die Zukunft

Durch die Entdeckung solcher Zusammenhänge ergeben sich zwangsläufig Möglichkeiten, über die gezielte Veränderung der Zusammensetzung der Darmflora die Entwicklung von Dysbiosen und Krankheiten zu verhindern oder sogar zu heilen. Denn die mikrobielle Darmflora ist kein festes Gebilde, sondern sie unterliegt dynamischen Veränderungen. So wirken sich beispielsweise der Einsatz von Antibiotika, aber auch unsere Ernährung direkt auf die Zusammensetzung der Bakterienvielfalt aus ([18], [19]).

Zusätzlich zur Ernährung kann man durch die direkte Zufuhr von Bakterien oder über den Verzehr von Präbiotika, die Energiequellen für bestimmte Darmbakterien darstellen, Veränderungen der Darmflora herbeiführen. Auch die Aufnahme von einzelnen mikrobiellen Bestandteilen wie Flagellin in einer Art Paramunisierung kann positive Auswirkungen auf die Darmflora und das darmassoziierte Immunsystem haben. So vermittelte die alleinige Aufnahme von Flagellin eine Resistenz gegenüber dem pathogenen Darmkeim Clostridium difficile in antibiotikabehandelten Mäusen ([20]). Wird durch einen lang anhaltenden Antibiotikaeinsatz die Zusammensetzung der Darmflora maßgeblich verändert, kann sich C. difficile massiv vermehren und Gifte bilden, die unter Umständen zu lebensbedrohlichen Durchfällen führen können. Durch Stuhltransplantationen von gesunden Spendern in Patienten mit wiederkehrenden C.-difficile-Infektionen konnte die Vielfalt der Darmflora wiederhergestellt werden und die Patienten waren vor einer erneuten Infektion geschützt ([21]).

Viele der oben beschriebenen Zusammenhänge wurden erst mithilfe der metagenomischen Stuhldiagnostik möglich. Diese beruht auf der multiparallelen DNA-Sequenzierung mikrobieller Gene der 16S-ribosomalen RNA. Dadurch lässt sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Darmflora direkt aus Stuhlproben wesentlich genauer bestimmen als mithilfe konventioneller mikrobieller Methoden. Die große Herausforderung der Zukunft wird die Auswertung der riesigen Datenmengen sein, die dabei generiert werden. Mithilfe von Algorithmen und Datenbanken werden bereits heute metabolische Netzwerke zwischen verschiedenen symbiotischen Mikroorganismen identifiziert, die eine protektive Wirkung gegen pathogene Erreger und Krankheiten haben ([22]) ( Abb. [ 3 ]). Daraus werden sich in der Zukunft mit Sicherheit weitere diagnostische und therapeutische Einsatzmöglichkeiten ergeben, die sich der mikrobiellen Darmflora bedienen.

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Abb. 3 Metabolische Netzwerke zwischen Darmbakterien. Unsere Darmflora ist ein gut ausbalanciertes metabolisches Netzwerk. Metagenomische Analysen der amerikanischen, japanischen und europäischen Bevölkerung haben gezeigt, dass die Darmflora einzelner Individuen von einer von 3 Gruppen gemeinsam auftretender Bakterien dominiert wird. Diese 3 verschiedenen Gruppen werden als Enterotypen bezeichnet. Die einzelnen Enterotypen unterscheiden sich anhand der Dominanz von einer von 3 Bakteriengattungen: Bacteroides (Enterotyp 1), Prevotella (Enterotyp 2) oder Ruminococcus (Enterotyp 3). Die Stoffwechsel der einzelnen Bakteriengattungen beeinflussen sich gegenseitig in positiver oder negativer Weise. Modifiziert nach ([22]).

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Dr. rer. nat. Nicolas Lützner


Dr. rer. nat. Nicolas Lützner absolvierte das Studium der Biochemie an der Universität Tübingen. Anschließend promovierte er am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg auf dem Gebiet der humanen Papillomaviren-induzierten Krebsentstehung. Er ist Erstautor verschiedener wissenschaftlicher Forschungsarbeiten in den Bereichen Immunologie, Biochemie, Molekularbiologie und Krebsforschung. Im Jahr 2015 hat er die Leitung des Bereichs Immundiagnostik im Labor Dr. Bayer übernommen. Das Labor Dr. Bayer ist Teil der synlab-Gruppe und Kompetenzzentrum für komplementärmedizinische Diagnostik.

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Dr. rer. nat. Wolfgang Bayer


Dr. rer. nat. Wolfgang Bayer absolvierte das Studium der Chemie an den Universitäten Freiburg und Tübingen. Seit 1978 ist er in der Leitung des Laboratoriums für spektralanalytische und biologische Untersuchungen Dr. Bayer tätig, das seit 2012 Teil der synlab-Gruppe ist. Er hat zahlreiche Bücher, u. a. über Mikronährstoffe wie Mineralstoffe, Vitamine und Fettsäuren verfasst und ist Gründungsherausgeber dieser Zeitschrift.

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Prof. Dr. Dr. med. Karlheinz Schmidt


Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Karlheinz Schmidt hat Chemie und Humanmedizin studiert. Er ist Facharzt für Labormedizin und leitender Arzt im Labor Dr. Bayer im synlab-Verbund. Professur für Experimentelle Medizin an der Universität Tübingen. Zahlreiche Publikationen und Patente. Karlheinz Schmidt ist Gründungsherausgeber dieser Zeitschrift.

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Dr. rer. nat. Nicolas Lützner
Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
Max-Lang-Str. 58
70771 Leinfelden-Echterdingen
Dr. rer. nat. Wolfgang Bayer
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70771 Leinfelden-Echterdingen
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Abb. 1 Eine gesunde mikrobielle Darmflora hilft, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. (© Fotolia/XtravaganT)
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Abb. 2 Aufbau des gastrointestinalen Immunsystems. Überblick der immunologischen Komponenten, die einerseits eine Toleranz gegenüber Nahrungsbestandteilen und symbiotischen Mikroorganismen vermitteln (linke Seite) und andererseits eine schnelle Abwehrreaktion bei Infektionen und Zerstörungen der Darmschleimhaut ermöglichen (rechte Seite).
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Abb. 3 Metabolische Netzwerke zwischen Darmbakterien. Unsere Darmflora ist ein gut ausbalanciertes metabolisches Netzwerk. Metagenomische Analysen der amerikanischen, japanischen und europäischen Bevölkerung haben gezeigt, dass die Darmflora einzelner Individuen von einer von 3 Gruppen gemeinsam auftretender Bakterien dominiert wird. Diese 3 verschiedenen Gruppen werden als Enterotypen bezeichnet. Die einzelnen Enterotypen unterscheiden sich anhand der Dominanz von einer von 3 Bakteriengattungen: Bacteroides (Enterotyp 1), Prevotella (Enterotyp 2) oder Ruminococcus (Enterotyp 3). Die Stoffwechsel der einzelnen Bakteriengattungen beeinflussen sich gegenseitig in positiver oder negativer Weise. Modifiziert nach ([22]).