Pneumologie 2015; 69(07): 390
DOI: 10.1055/s-0035-1558683
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hot Topic – Ein Meilenstein in der Therapie des metastasierten Lungenkarzinoms

Brahmer J, Reckamp KL, Baas P et al.
Nivolumab versus Docetaxel in Advanced Squamous-Cell Non-Small-Cell Lung Cancer.

N Engl J Med 2015;
373: 123-135
Further Information

Publication History

Publication Date:
14 July 2015 (online)

 

    Einleitung Die Immuntherapie hat die Behandlung des malignen Melanoms grundlegend verändert. Erste Hinweise ließen auf einen erfolgreichen Einsatz beim Lungenkarzinom hoffen. Im Mai 2015 sind die Daten der Checkmate-017-Studie zur Zweitlinientherapie bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom im Vergleich zur Standardtherapie mit Docetaxel nun veröffentlicht worden.

    Hintergrund Patienten mit Lungenkarzinom und vorwiegend plattenepithelialer Differenzierung haben in der 2. Linie nur wenige Therapieoptionen. Seit der Einführung von Docetaxel vor 15 Jahren sind kaum neue Ansätze hinzugekommen. Nivolumab ist ein humanisierter IgG4-Antikörper gegen den Immuncheckpoint Rezeptor PD-1 (Programmed Death 1). PD-1 wird auf aktivierten T-Zellen exprimiert. Die Liganden PD-L1 und PD-L2, die sich auf den Tumorzellen befinden, verhindern die Aktivierung der T-Zelle und schützen somit die Tumorzelle vor dem Immunsystem. Die Blockade von PD-1 macht die Tumorzelle wieder sichtbar für das Immunsystem.

    Im Januar 2015 wurden die Daten zur Phase-II-Studie von Nivolumab beim Plattenepithelkarzinom der Lunge in der 2. Linie veröffentlicht (Checkmate 067). Hier zeigte sich eine gute klinische Aktivität mit einem akzeptablen Nebenwirkungsprofil. Hiernach wurde eine randomiserte internationale Phase-III-Studie mit Nivolumab im Vergleich zu Docetaxel in der 2. Linie der Therapie des Plattenepithelkarzinoms durchgeführt.

    Methoden Eingeschlossen wurden Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom der Lunge im Stadium IIIb und IV nach vorausgegangener platinbasierter Chemotherapie in gutem Allgemeinzustand. Ausgeschlossen waren Patienten mit Autoimmun- und interstitieller Lungenerkrankung.

    352 Patienten nahmen an der Studie teil. Davon wurden 272 randomisiert: 135 in den Nivolumab-Arm mit 3 mg/kg KG alle 2 Wochen und 137 für Docetaxel alle 3 Wochen mit 75 mg/m2 bis zum Progress. Der primäre Endpunkt war das Überleben; sekundäre Endpunkte waren progessionsfreies Überleben (PFS), Toxizität und Expression von PD-L1 im Tumor.

    Ergebnisse Das mediane Überleben betrug 9,2 Monate (7,3–13,3) mit Nivolumab und 6,0 Monate (5,1–7,3) mit Docetaxel. (Hazard Ratio [HR] 0,59; p < 0,001). Die Einjahresüberlebensrate betrug 42 % mit Nivolumab und 24 % mit der Standardtherapie. Ältere Patienten (>75 Jahre) hatten keinen Überlebensvorteil und Nicht-Raucher profitierten weniger. Die Expression von PD-L1 im Tumor hatte keine Aussagekraft bezüglich des Ansprechens auf die Therapie, sodass gegenwärtig kein prädiktiver Biomarker bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom vorhanden ist.

    Die Toxizitäten Grad 3–5 waren deutlich weniger in der Nivolumab-Gruppe mit 7 % im Vergleich zu Docetaxel mit 55 %. Nivolumab führte zu Müdigkeit (1 % Grad 3–4 Toxizität) und vermindertem Appetit (1 %). In 5 % der Patienten wurde eine leichte Pneumonits (Grad 1–2) diagnostiziert, die gut mit Steroiden behandelbar war.

    Kommentar
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    Dr. A. Gröschel

    Die Immuntherapie zeigt beim Lungenkarzinom einen neuen Therapieansatz, der sich nicht nur auf eine relativ kleine Gruppe von mutierten Patienten beschränkt. Insbesondere bei Patienten mit bisher geringen Therapieerfolgen, bspw. Patienten mit Plattenepithelkarzinom, sind Erfolge zu verzeichnen. Der hochsignifikante Überlebensvorteil und auch der Vorteil im progressionsfreien Überleben sprechen für diesen Ansatz und stellen in sich einen Meilensteil in der Therapie dar.


    Die Sorge über die Toxizität der Immuntherapie kam aus frühen Studien mit Ipilimumab, einem unspezifischeren Checkpoint Inhibitor CTLA-4. Hier kam es zu erheblichen Toxizitäten, die z. T. immunvermittelt waren. Nivolumab ist deutlich besser verträglich hat jedoch auch ein Spektrum von immunvermittelter Nebenwirkungen, z. B. Schilddrüsenerkrankungen oder eine Entzündung der Hypophyse, die selten zu einer kompletten Hypophysen-Insuffizienz führen kann. Die Grad 3–5 Toxizität von Nivolumab ist erheblich geringer als die einer Chemotherapie mit Docetaxel (7 % im Vergleich zu 55 %).


    Take Home Message Mit Publikation der Studie im Mai dieses Jahres kann bei dem deutlichen Überlebensvorteil unter Nivolumab von einem neuen Standard in der Zweitlinientherapie des Plattenepithelkarzinoms der Lunge gesprochen werden. Nivolumab zeigt im Vergleich zu Docetaxel eine deutlich geringere Toxizität, wobei das Spektrum an Nebenwirkungen ein Neues darstellt.


    Ein positives Votum der Europäischen Zulassungsbehörde EMA für Nivolumab, dem ersten auf dem Markt befindlichen PD-1-Inhibitor, liegt bereits vor.


    Dr. Andreas Gröschel, Aachen


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    Dr. A. Gröschel