Deutsche Heilpraktiker-Zeitschrift 2015; 11(05): 50-51
DOI: 10.1055/s-0035-1563592
Praxis
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

4 Fachleute – 4 Behandlungsstrategien: HWS-Syndrom


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Publication Date:
25 August 2015 (online)

 

Summary

Behandlungskonzepte zum HWS-Syndrom stellen Ihnen vier Experten vor.


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1 HWS-Syndrom aus chiropraktischer Sicht

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In der chiropraktischen Behandlung stehen evtl. vorhandene Blockaden der Wirbel- und Kopfgelenke im Fokus.

Oszillierender Bewegungstest und HVLA-Technik

Nach Abklärung und Ausschluss aller Kontraindikationen (z. B. Tumor, Osteoporose) kann man über einen oszillierenden Bewegungstest am sitzenden Patienten die Höhe der Bewegungsrestriktion eingrenzen. Dabei werden HWS und Schultergürtel des Patienten beidseitig passiv in Seitneigung gebracht, die Bewegungsresktriktion wird palpatorisch ermittelt.

Mit einer HVLA-Technik (high velocity low amplitude) kann man das entsprechende Segment deblockieren. Dabei ist zu beachten, dass Seitneigung und Flexion/Extension nicht zu stark eingestellt werden, um eine unnötige Belastung der entsprechende Gefäße (A. carotis int./ext. und besonders A. vertebralis) zu vermeiden. Dieses Verfahren wird vornehmlich bei Beschwerden der mittleren HWS angewandt, d. h. C 3–C 6.

Eine besondere Stellung nehmen die Gelenke C 0/C 1 und C 1/C 2 ein. Blockaden in diesem Bereich können schlechter durch Nachbarsegmente kompensiert werden als in der mittleren HWS. Eine fachgerechte Reposition ist hier sehr wichtig, kann aber aufgrund der Komplexität nicht genauer beschrieben werden.


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Zervikothorakaler Übergang und BWS

Es ist wichtig, in die chiropraktische HWS-Behandlung auch den zervikothorakalen Übergang einzubeziehen. Der Bereich Th 1– Th 4 zählt zwar nominell zur BWS, muss aber biomechanisch zur HWS gerechnet werden. Eine Restriktion in diesem Bereich führt zu Verspannungszuständen in der Schulter-/Nackenregion. Die ersten Rippen als auch die zugehörigen Wirbel sollten uneingeschränkt funktionieren. Eine Manipulation der ersten beiden Rippen kann hier oftmals der Schlüssel zum Abbau der Problemkette sein.

An dieser Stelle sei auch noch auf die möglichen Einschränkungen durch Bänder und besonders durch Faszien im intrathorakalen Bereich bis hin zum Bauchraum und Beckenboden hingewiesen (z. B. beim sog. Witwenbuckel als Ausdruck der Schwächung des Beckenbodens).

HP Christian Blumbach
Sterkrader Str. 10
47166 Duisburg
E-Mail: info@blumbach.de


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2 Pulsierende Wellen und Quaddelung

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Bei einem chronischen HWS-Syndrom, und insbesondere, wenn keine Indikation für eine chiropraktische Behandlung besteht bzw. sogar eine Kontraindikation vorliegt, empfiehlt sich eine Quaddelbehandlung in Verbindung mit einer Magnetfeldtherapie. Sinusförmige pulsierende elektromagnetische Felder beschleunigen die Differenzierung junger Zellen (Fibroblasten und Osteoblasten) zu gewebespezifischen, ausdifferenzierten Funktionszellen, verbessern die Durchblutung und damit die Sauerstoffaufnahme und erhöhen die Stoffwechselleistung. Dies führt einerseits zu einer Aktivierung im Sinne der Regulation und andererseits zur Entspannung der verkrampften Muskulatur. Es ist wichtig, ein Therapiegerät zu verwenden, für das die Kanzerogenität nachweislich ausgeschlossen wurde.

Behandlung

Zunächst quaddle ich mit 2 ml Hewedolor-Procain 2 % (Fa. Hevert) und anschließend mit 2 ml Chiroplexan H Inj. (Fa. Pflüger) i.c. den schmerzhaften Bereich. Anschließend kommt für 30 min das Magnetfeldgerät (Magnetodyn– System) zum Einsatz mit einer Einstellung von 5,0 A/8 Hz. Der Patient liegt dabei entspannt auf dem Rücken, nicht selten schläft er während der Behandlung ein. Dies fördert zusätzlich die Entspannung der Muskulatur um die HWS. Mit einem einfachen Permanentmagneten überprüfe ich direkt am Patienten, ob in der Therapiespule, dem sog. Feldapplikator, das pulsierende Magnetfeld auch aktiv ist (was durch eine Bewegung des Magneten deutlich sichtbar ist). Die Spule platziere ich so um den Brustkorb, dass das Magnetfeld bis zum Kiefergelenk messbar ist.

Für einen guten Therapieerfolg sind i. d. R. 10–20 Behandlungen erforderlich, ich behandle 2-mal pro Woche.

Nicht angewandt werden darf die Magnetfeldbehandlung bei Schwangerschaft, starken Blutungen, schweren Herz-Kreislauferkrankungen, Herzschrittmacher, Defibrillatoren und anderen aktiven medizinischen Implantaten.

HP Siegfried Kämper
Am Stadtgarten 2
45883 Gelsenkirchen
E-Mail: siegfried.kaemper@t-online.de


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3 Segment- und Gangliontherapie

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Es erfolgt eine Segmenttherapie im Dermatom zur Verbesserung der Zirkulation bzw. des lokalen Stoffwechsels, des Lymphabflusses im Halsbereich sowie eine Quaddelung über den Dornfortsätzen (C 2–C 7) und ggf. eine Störfeldtherapie. Eine Gangliontherapie (Ganglion pterygopalatinum, Ganglion stellatum) in Anlehnung an die Technik von Leriche und Fontaine ist ebenfalls indiziert, allerdings als laterale Technik auf Höhe des Tuberculum caroticums (6. HWK).

Gangliontherapie

Bei 75 % aller Menschen ist das Ganglion stellatum eine Verschmelzung des letzten zervikalen Ganglions mit dem ersten thorakalen. Es liegt in der Lamina praevertebralis fasciae cervicalis vor dem M. longus colli auf Höhe der 1. Rippe. Das Ganglion stellatum ist mit allen Strukturen auf der homolateralen Seite des Kopfes, Halses und Brustraums verbunden sowie mit den Brustorganen und dem Schlundbereich. Hieraus lässt sich eine Vielzahl an Indikationen herleiten wie Schwindel, Kopfschmerzen, Neuralgien, Zervikal- und Zervikobrachialgien und eben das HWS-Syndrom.

Vorgehensweise: 3–5 ml NaCl 0,9 % und Wasser für Injektionszwecke im Verhältnis 1:1 aufziehen. Der Patient sitzt, sein Kopf ist zur Injektionsseite in leicht lateraler Flexion eingestellt, um den M. sternocleidomastoideus zu entspannen. Der Behandelnde verschiebt unter leichtem Druck mit Zeige- und Mittelfinger den M. sternocleidomastoideus inkl. dem Bündel aus Nerven und Gefäßen nach ventral. Die Finger verbleiben in dieser Position, während der Patient den Kopf in minimaler Extension zur heterolateralen Seite dreht. Mit dem Mittelfinger ertastet der Behandelnde eine kleine knöcherne Erhebung (Tuberculum caroticum) auf Höhe C 6. Er sticht nun die Kanüle (0,4 × 20 mm/grau) 1 mm oberhalb des Mittelfingers in einem 45°-Winkel dorso-medial ein, die Nadel gleitet medial am Tuberculum caroticum vorbei (Einstichtiefe: 15–20 mm). Aspirieren in 2 Ebenen, vorsichtig 0,1 ml injizieren und abwarten, ob zentrale Symptome auftreten. Zeigen sich keine, restliche Injektionslösung injizieren.

Kontraindikationen: hochgradige kardiale Dekompensation, AV-Block II–III Grades, Rekurrenzund /oder N. Phrenicus-Parese.

HP Sven Milz
Bremerhavener Heerstr. 10
28717 Bremen
E-Mail: praxis-milz@t-online.de


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4 Die Symptomatik bestimmt die Behandlung

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In der TCM werden die betroffenen Meridiane und Schmerzpunkte lokalisiert und behandelt. Man nutzt dafür Techniken aus dem Bereich der Akupunktur und der Tuina. Ergänzend kann man Techniken nach Boel, der ECIWOoder Schädelakupunktur nach Yamamoto (YNSA) einsetzen.

Meridiane durchziehen den gesamten Körper. Kommt es durch Störfaktoren zu Meridianblockaden, werden die betroffenen Stellen und nachfolgende Bereiche vermindert mit Energie oder Blut versorgt. Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sind die Folge, denn Schmerzpunkte/- bereiche entstehen dort, wo Qi und Blut vermindert fließen. Ursache können z. B. Blutergüsse, Verspannungen oder Traumata sein.

Akupunktur bei Blockaden

Bei skelettalen Blockaden eignen sich zunächst osteopathische oder manualtherapeutische sowie sanfte chiropraktische Techniken zum Lösen. Bei Weichteilblockaden sind Massage- und Schröpftechniken kombiniert erfolgversprechend. Sind die Blockaden gelöst, wird akupunktiert, um den Energiefluss anzuregen und lokal die Schmerzen zu reduzieren. Zudem verhindert die Entspannung der Muskulatur ein erneutes Blockieren des Gelenks.


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Verspannung des Nackens bzw. Nackenschmerz

Grundsätzlich werden folgende Punkte gestochen: Gb 20, Di 4, Du 14, Ashi-Punkte; am Ohr zusätzlich der Nackenpunkt. Ich empfehle 5–6 Behandlungen.

Bei funktionellen Einschränkungen (zusätzlich)

  • der Kopfrotation: Gb 21, Dü 14

  • der Extension/Flexion: zwischen Occiput und C 7 0,5–1 Zoll neben dem betroffenen HWK

Bei Schmerz im Occipitalbereich: Bl 10, Bl 11

Bei Schmerzen, die ausstrahlen

  • in den Temporalbereich: Gb 1

  • in den Arm:

  • – Dermatom C 6: 1 cun paravertebral, ipsilateral, i.m.

  • – Dermatom C 7: 1 cun paravertebral, ipsilateral, i.m.

  • – Dermatom C 8: 1 cun paravertebral, ipsilateral, i.m.

  • in das Kiefergelenk: 0,5–1 cun paravertebral, ipsilateral, i.m. in Höhe C 1/C 2

  • kapuzenförmig: Bl 10

HP Carole Ikuta-Weiherich
Bahnhofstr. 4
32257 Bünde
E-Mail: info@praxis-ikuta.de

Dieser Artikel ist online zu finden: http://dx.doi.org/10.1055/s-0035-1563592


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