Z Orthop Unfall 2015; 153(04): 368
DOI: 10.1055/s-0035-1563634
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hüft- und Knieendoprothetik – Verlauf des Körpergewichtes nach Prothesenimplantation

Contributor(s):
Stefan Budde
Ast M, Abdel M, Lee Y et al.
Weight Changes After Total Hip or Knee Arthroplasty – Prevalence, Predictors, and Effects on Outcomes.

J Bone Joint Surg Am 2015;
97: 911-919
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Publication Date:
27 August 2015 (online)

 

In der Literatur herrscht Uneinigkeit darüber, ob nach Implantation einer totalen Hüft- oder Knieendoprothese eher mit einer Köpergewichtszu- oder -abnahme zu rechnen ist. Die vorliegende Studie soll Klarheit über den Gewichtsverlauf nach Gelenkersatz schaffen, Risikofaktoren identifizieren und den Einfluss des Gewichtsverlaufes auf die postoperative Patientenzufriedenheit untersuchen.
Ast M, Abdel M, Lee Y et al. Weight Changes After Total Hip or Knee Arthroplasty – Prevalence, Predictors, and Effects on Outcomes. J Bone Joint Surg Am 2015; 97: 911–919

Ast et al. konnten anhand Ihrer Daten aus dem Weill Cornell Medical College (New York) zeigen, dass sich das Körpergewicht der meisten Patienten innerhalb von 2 Jahren nach Prothesenimplantation nicht relevant verändert. Eine Gewichtsabnahme trat jedoch häufiger bei weiblichen Patienten, bei höherem Ausgangsgewicht und eher nach Knie- als nach Hüftendoprothetik auf.

Methodik

Insgesamt 6929 Patienten, 3893 Patienten nach Hüftendoprothetik und 3036 Patienten nach Knieendoprothetik, erfüllten die Einschlusskriterien für diese Studie (Endoprothetik aufgrund einer Arthrose, Teilnahme an einer Ausgangs- und einer 2-Jahres-Nachuntersuchung) und wiesen keine Ausschlusskriterien auf (bilaterale Endoprothetik, systemische Infektionserkrankung, Revision innerhalb des Beobachtungszeitraumes, fehlende Erfassung des Body-Mass-Index [BMI], Untergewicht mit BMI < 18,5). Aus der Eigenangabe von Größe und Gewicht zum Nachuntersuchungszeitpunkt wurde der BMI berechnet und in folgende von der WHO klassifizierte Gruppen eingeteilt: Normalgewicht (BMI 18,5–25), Übergewicht (25-29,99), Adipositas Grad I (30-34,99), II (35-39,99) oder III (≥ 40). Eine Gewichtsänderung wurde als klinisch bedeutsam erachtet, wenn sie mehr als 5 % betrug, so dass die Auswertung in 3 Gruppen erfolgte: Gewichtszunahme (BMI-Anstieg > 5 %), Gewichtsabnahme (BMI-Abnahme > 5 %) und Gewichtserhalt. Neben demografischen Daten (Alter, Geschlecht, BMI, Bildungsniveau, ethnische Zugehörigkeit, Versicherungsstatus), Vorerkrankungsprofil, OP-Dauer und Krankenhausverweildauer wurden verschiedene klinische Scores zur Bemessung der Patientenzufriedenheit und der Gelenkfunktion erfasst.


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Ergebnisse

73 % der Hüftpatienten und 69 % der Kniepatienten zeigten ein stabiles Gewicht nach Prothesenimplantation. Patienten nach Knie-OP hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, Gewicht zu verlieren, als Patienten nach Hüft-OP, ebenso weibliche Patienten im Vergleich zu männlichen. Ein höherer präoperativer BMI korrelierte mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine Gewichtsabnahme (zwischen 7 % bei Normgewichtigen und 35 % bei Adipositas Grad III). Patienten mit Gewichtszunahme zeigten sich mit einem Anteil zwischen 9 und 16 % über alle BMI-Klassen homogen verteilt. Patienten mit Gewichtsabnahme zeigten bessere klinische Ergebnisse, während eine Gewichtszunahme mit schlechteren klinischen Ergebnissen einherging. Eine bessere Gelenkfunktion vor der Operation war mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer Gewichtszunahme assoziiert. Die Wahrscheinlichkeit einer Gewichtszunahme war in höheren Bildungsschichten geringer als in niedrigen.


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Kommentar

Obwohl mehrere vorangehende Studien bereits den Gewichtsverlauf nach Gelenkendoprothetik untersucht haben und gerade weil sie dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind, ist diese Studie aufgrund ihrer großen Fallzahl bemerkenswert. Zwar bedeutet die Tatsache, dass die Daten zum Teil auf Angaben der Patienten beruhen, die erwiesenermaßen weniger genau als nachgemessene Werte sind, eine Einschränkung, allerdings konnten die Autoren zeigen, dass bei Patienten, bei denen Daten auf beide Arten gewonnen wurden, eine große Übereinstimmung bestand. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass die Daten aus einem bestimmten Patientenkollektiv gewonnen wurden, das nicht für andere Kollektive repräsentativ sein muss.

Die Autoren konnten prädiktive Faktoren für den Gewichtsverlauf nach Endoprothetik identifizieren, die bei der Beratung von Patienten hinsichtlich eines Gelenkersatzes hilfreich sein können. Insbesondere sollte trotz des generellen Trends, Endoprothetik bei adipösen Patienten aufgrund der erhöhten Komplikationsrate zurückhaltend zu indizieren, Beachtung finden, dass gerade diese Patienten eine höhere Chance auf einen Gewichtsverlust durch die Operation besitzen. Andersherum kann die Aufklärung darüber, dass eine Gewichtsabnahme zu signifikant besseren klinischen Ergebnissen führt, eine hervorragende Motivationshilfe sein.


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