Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83(08): 420
DOI: 10.1055/s-0035-1563656
Fokussiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Multiple Sklerose – Beeinflusst Fingolimod die Immunantwort?

Contributor(s):
Frank Lichert
Kappos L et al.
Neurology 2015;
84: 822-879
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 September 2015 (online)

 

Der Sphingosin-1-Phosphat-(S1P-)Rezeptor-Modulator Fingolimod ist in 70 Ländern zur Behandlung der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (MS) zugelassen. Er wirkt der Migration bestimmter Lymphozyten aus den Lymphknoten entgegen. L. Kappos et al. haben nun bei mit Fingolimod behandelten MS-Patienten die Immunantwort auf einen Grippeimpfstoff sowie Recall-Antigene (Tetanus-Toxoid) untersucht.
Neurology 2015; 84: 872–879

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(© Christian Rummel / Fotolia.com)

Die verblindete, randomisierte, multi-zentrische, placebokontrollierte Studie schloss 138 Patienten mit MS im Alter zwischen 18 und 55 Jahren ein. Die Re-krutierung der Studienteilnehmer erfolgte zwischen August und Dezember 2010. Diese wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert und erhielten für 12 Wochen täglich entweder 0,5 mg Fingolimod oder Placebo. In der 6. Woche erfolgte die Verabreichung eines saisonalen Grippeimpfstoffs sowie des Tetanus-Toxoids. Die Antikörpertiter wurden jeweils zu Studienbeginn sowie 3 und 6 Wochen nach der Impfung bestimmt. Als primäre Effektivitätsvariable wählten die Autoren die Responserate (Anteil der Patienten mit einer Serokonversion bzw. einer signifikanten Zunahme [≥ 4-fach] der Antikörpertiter gegen mindestens 1 Influenzastamm) 3 Wochen nach der Impfung.

Geringere Responseraten in der Fingolimod-Gruppe

95 Patienten gehörten der Fingolimod- und 43 der Placebo-Gruppe an. Von den ursprünglich 138 Patienten vollendeten 136 die Studie. Die Responseraten betrugen 3 Wochen nach Verabreichung des Influenza-Vakzins in der Fingolimod- und Placebo-Gruppe 54 bzw. 85 % (Odds Ratio [OR] 0,21) und nach 6 Wochen 43 bzw. 75 % (OR 0,25). Im Fall des Tetanus-Toxoids waren die entsprechenden Raten nach 3 Wochen 40 bzw. 61 % (OR 0,43) und nach 6 Wochen 38 bzw. 49 % (OR 0,62).

Die prozentuale Inhibierung der Immunantwort unter Fingolimod belief sich 3 Wochen nach der Impfung für die Influenza-Virusstämme „California“ und „Brisbane“ auf jeweils 41 und 44 % (nach 6 Wochen 38 und 48 %). Für das Tetanus-Toxoid ermittelten die Autoren nach 3 Wochen eine Inhibierung von 35 % (nach 6 Wochen 27 %). 86,3 % der Patienten der Fingolimod-Gruppe zeigten unerwünschte Ereignisse gegenüber 79,1 % der Patienten der Placebo-Gruppe.

Fazit

Die Studienergebnisse zeigen, dass mit Fingolimod behandelte MS-Patienten prinzipiell in der Lage waren, eine Immunantwort gegen Grippeimpfstoffe sowie das Tetanus-Toxoid zu initiieren. Allerdings fiel diese unter Fingolimod im Vergleich zu Placebo deutlich geringer aus. Die Autoren empfehlen bei der Impfung von Patienten, die mit dem S1P-Rezeptor-Modulator behandelt werden, diese Studienergebnisse im Hinterkopf zu behalten.


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