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DOI: 10.1055/s-0035-1564767
Epidemiologie – Schützen Äpfel wirklich vor dem Arztbesuch?
Publication History
Publication Date:
07 October 2015 (online)
„An apple a day keeps the doctor away” ist eine allgemein akzeptierte Regel – doch leider trifft sie nicht zu. Zwischen dem Konsum von Äpfeln und der Notwendigkeit einer ärztlichen Konsultation lässt sich epidemiologisch gesehen kein Zusammenhang aufzeigen, wie das Forscherteam um M. A. Davis nun festgestellt hat.
JAMA Intern Med 2015; 175: 777–783
Der US-amerikanischen Agrarindustrie gelang es im Jahr 1913 den Spruch „Eating an apple a day keeps the doctor away" als Gesundheitsregel zu lancieren. Angesichts der Kostenlawine im US-Gesundheitssystem gewinnt dieser Spruch nun ungeahnte Aktualität. Die Autoren der vorliegenden Studie spekulieren, dass, wenn sich der Wahrheitsgehalt der Empfehlung empirisch absichern ließe, daraus gesundheitsökonomische Handlungsoptionen erwachsen. Durch gezielte Propagierung des Apfelkonsums könnte man einen Teil der steigenden Gesundheitssystemkosten in den Griff bekommen.
Für ihre Analyse standen den Autoren die Daten einer Gesundheitsbefragung im Zeitraum 2007–2010 zur Verfügung (National Health and Nutrition Examination Survey; NHANES). Die 8728 Probanden hatten aktuelle Angaben zu ihren Ernährungsgewohnheiten protokolliert. Gleichzeitig konnte aufgrund der Daten die Nutzungsfrequenz ärztlicher Angebote im Folgejahr geprüft werden.
Ein Apfel pro Tag
Die Autoren operationalisierten die Vorgabe „an apple a day” als die Verköstigung von mindestens einem kleinen Apfel (149 g Apfelmasse) pro Tag. Probanden, die vornehmlich Apfelmus und Apfelsaft zu sich nahmen, wurden nicht in die Studie einbezogen. Die Schlussfolgerung „keeps the doctor away” definierten sie als die Vermeidung mindestens eines Arztbesuchs im Folgejahr. Die statistische Adjustierung dieses primären Outcomeparameters wurde durch die Einbeziehung der umfangreichen sozialen und ökonomischen Begleitdaten ermöglicht.
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Apfelkonsum und Bildungsniveau
Die Auswertung der Rohdaten zeigte zwar einen „Apfeleffekt”: 39 % der Apfelesser aber nur 34 % der Nicht-Apfel-Esser konnten im Folgejahr mindestens einen Arztbesuch vermeiden. Nach statistischer Angleichung mit den sozio-ökonomischen Daten war dieser Zusammenhang allerdings nicht mehr gegeben. In einer Subgruppenanalyse wurde zusätzlich belegt, dass auch der tägliche Konsum mindestens eines großen Apfels (223 g Apfelmasse) pro Tag keinen präventiven Effekt auslöst. Einen besonders intensiven Apfelkonsum verzeichneten die Autoren in ethnischen Minoritätsgruppen (15 vs. 10 %) aber auch bei hohem Bildungsniveau (Hochschulstudium: 37 vs. 28 %). Der tägliche Apfelverzehr ist somit als sozialer Indikator verschiedener Lebensstile zu verstehen, die ihrerseits die Affinität zur Nutzung medizinischer Konsultationen determinieren.
Der Aphorismus „Eating an apple a day keeps the doctor away” hält der empirischen Überprüfung nicht stand. Somit enttäuscht ein potenzieller Ansatz zur finanziellen Entlastung des US-amerikanischen Gesundheitssystems. Das für manchen überraschende Ergebnis dieser Studie eröffnet, so die Autoren, die Perspektive zur kritischen Evaluierung weiterer normativer Aphorismen. Für vom „Morning Grouch”–Phänomen Betroffene (zu deutsch Morgenmuffel), ist die epidemiologische Evaluierung der Empfehlung „Early to bed and early to rise makes a man healthy, wealthy, and wise” von großer Relevanz. Erweist sich der Spruch als falsch, könnte das die Lebensqualität von Menschen mit hierzu konträrem, zirkadianem Tagesrhythmus wesentlich verbessern.
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