Ein einziger ausgetauschter Baustein reicht, um das Gen PTEN in seiner Wirkung umzudrehen:
Aus einem Tumor unterdrückenden wird ein Tumor fördernder Faktor. Das zeigen deutsche
und US-amerikanische Forscher in einer aktuellen Veröffentlichung des Wissenschaftsmagazins
„Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“
(PNAS) am Beispiel eines Prostatakrebs-Patienten.
Tumore der Prostata zählen bei Männern zu den häufigsten Karzinomen. Aber Krebs ist
nicht gleich Krebs: Wie sich eine Erkrankung bei den Betroffenen ausprägt, hängt stark
von den Genen des Tumorgewebes ab. „Man kennt eine Vielzahl von Genvarianten, die
den Krankheitsverlauf und Therapieerfolg bei Krebs beeinflussen“, erklärt Koautor
Dr. Christian Halaszovich von der Abteilung für Neurophysiologie der Philipps-Universität.
„Das Wissen um beteiligte genetische Veränderungen mündet bislang aber kaum in neue,
individuell auf den Patienten abgestimmte Behandlungsansätze, weil die molekularen
Wirkungsweisen wichtiger Gene und ihrer Mutationen nicht bekannt sind.“
Die Autoren berichten über die genetische Untersuchung eines einzelnen Patienten,
die zur Identifikation eines neuen Krankheitsauslösers führte. Das Team beschränkte
sich nicht auf die bereits bekannten Genvarianten, die mit Krebserkrankungen einhergehen,
sondern suchte nach bislang unentdeckten Krankheitsfaktoren. Es musterte die Gesamtheit
der genetischen Information in den Prostatakrebszellen eines Betroffenen.
(Bild: science photo / Fotolia)
Dabei fiel eine Mutation im Gen PTEN auf, die zur Veränderung eines Enzyms führt,
das im Normalfall der Vermehrung von Krebszellen entgegenwirkt, also die Tumorentwicklung
unterdrückt. Wie das Autorenteam zeigt, bewirkt die neu entdeckte Mutation, dass ein
Baustein im PTEN-Protein ausgetauscht wird: Anstelle der Aminosäure Alanin trägt die
Eiweißverbindung nun die Aminosäure Glyzin – auf den ersten Blick eine ganz unscheinbare
Änderung. Um die Funktion des veränderten Gens aufzuklären, schleusten die Wissenschaftler
es in andere Zellen ein. Daraufhin zeigten diese Zellen krebstypische Veränderungen:
eine vermehrte Zellteilung sowie verstärkte Beweglichkeit.
„Unsere Beobachtungen zeigen, dass mutiertes PTEN krebsfördernd wirken kann“, sagt
Halaszovich. „Das war überraschend; bisher nahm man an, dass Mutationen dieses Gens
lediglich dazu führen können, dass es seine Funktion als Tumorhemmer verliert.“ Derzeit
laufen klinische Studien mit Wirkstoffen, die dem mutierten PTEN-Gen entgegenwirken.
Die Tests könnten neue Behandlungsoptionen bei Prostatakrebs eröffnen, hoffen die
Wissenschaftler.
Originalpublikation: Costa HA, Leitner MG, Sos ML et al. Discovery and functional
characterization of a neomorphic PTEN mutation. PNAS 2015; DOI 10.1073/pnas.1422504112
Nach einer Pressemitteilung (Philipps-Universität Marburg)