Aktuelle Urol 2015; 46(06): 435
DOI: 10.1055/s-0035-1569088
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom – Aus Tumorhemmer entsteht Krebsauslöser

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Publication Date:
24 November 2015 (online)

 

    Ein einziger ausgetauschter Baustein reicht, um das Gen PTEN in seiner Wirkung umzudrehen: Aus einem Tumor unterdrückenden wird ein Tumor fördernder Faktor. Das zeigen deutsche und US-amerikanische Forscher in einer aktuellen Veröffentlichung des Wissenschaftsmagazins „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) am Beispiel eines Prostatakrebs-Patienten.

    Tumore der Prostata zählen bei Männern zu den häufigsten Karzinomen. Aber Krebs ist nicht gleich Krebs: Wie sich eine Erkrankung bei den Betroffenen ausprägt, hängt stark von den Genen des Tumorgewebes ab. „Man kennt eine Vielzahl von Genvarianten, die den Krankheitsverlauf und Therapieerfolg bei Krebs beeinflussen“, erklärt Koautor Dr. Christian Halaszovich von der Abteilung für Neurophysiologie der Philipps-Universität. „Das Wissen um beteiligte genetische Veränderungen mündet bislang aber kaum in neue, individuell auf den Patienten abgestimmte Behandlungsansätze, weil die molekularen Wirkungsweisen wichtiger Gene und ihrer Mutationen nicht bekannt sind.“

    Die Autoren berichten über die genetische Untersuchung eines einzelnen Patienten, die zur Identifikation eines neuen Krankheitsauslösers führte. Das Team beschränkte sich nicht auf die bereits bekannten Genvarianten, die mit Krebserkrankungen einhergehen, sondern suchte nach bislang unentdeckten Krankheitsfaktoren. Es musterte die Gesamtheit der genetischen Information in den Prostatakrebszellen eines Betroffenen.

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    (Bild: science photo / Fotolia)

    Dabei fiel eine Mutation im Gen PTEN auf, die zur Veränderung eines Enzyms führt, das im Normalfall der Vermehrung von Krebszellen entgegenwirkt, also die Tumorentwicklung unterdrückt. Wie das Autorenteam zeigt, bewirkt die neu entdeckte Mutation, dass ein Baustein im PTEN-Protein ausgetauscht wird: Anstelle der Aminosäure Alanin trägt die Eiweißverbindung nun die Aminosäure Glyzin – auf den ersten Blick eine ganz unscheinbare Änderung. Um die Funktion des veränderten Gens aufzuklären, schleusten die Wissenschaftler es in andere Zellen ein. Daraufhin zeigten diese Zellen krebstypische Veränderungen: eine vermehrte Zellteilung sowie verstärkte Beweglichkeit.

    „Unsere Beobachtungen zeigen, dass mutiertes PTEN krebsfördernd wirken kann“, sagt Halaszovich. „Das war überraschend; bisher nahm man an, dass Mutationen dieses Gens lediglich dazu führen können, dass es seine Funktion als Tumorhemmer verliert.“ Derzeit laufen klinische Studien mit Wirkstoffen, die dem mutierten PTEN-Gen entgegenwirken. Die Tests könnten neue Behandlungsoptionen bei Prostatakrebs eröffnen, hoffen die Wissenschaftler.

    Originalpublikation: Costa HA, Leitner MG, Sos ML et al. Discovery and functional characterization of a neomorphic PTEN mutation. PNAS 2015; DOI 10.1073/pnas.1422504112

    Nach einer Pressemitteilung (Philipps-Universität Marburg)


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    (Bild: science photo / Fotolia)