Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76(04): 427-441
DOI: 10.1055/s-0036-1580670
C. Gynäkologie und gynäkologische Onkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Subjektives Outcome bei Patientinnen nach Cervix- bzw. Scheidenstumpffixation: verschiedene Operationsmethoden im Vergleich

Authors

  • N Hatiboglu

    1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Nürnberg
  • D Bolovis

    1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Nürnberg
  • A Motzer

    1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Nürnberg
  • C Brucker

    1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Nürnberg
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Publication History

Publication Date:
26 April 2016 (online)

 
 

Fragestellung:

Die Palette der operativen Möglichkeiten zur Descensuskorrektur ist breit, die Methodenwahl wird häufig in Abhängigkeit der Expertise des Operateurs sowie unter Berücksichtigung individueller Wünsche der Patientin getroffen. Dabei ist die Frage nach dem subjektiven Outcome ein wichtiges Maß für den Behandlungserfolg.

In dieser retrospektiven klinischen Studie wurde die qualitative Veränderung des subjektiven Befindens der Descensuspatientin durch eine Cervix- bzw. Scheidenstumpffixation untersucht und hinsichtlich verschiedener Operationsmethoden ausgewertet.

Methodik:

Alle Patientinnen, die aufgrund der Diagnose ‚Descensus genitalis‘ im Klinikum Nürnberg Nord im Zeitraum von 01.01.2012 bis 30.06.2015 eine Cervix- oder Scheidenstumpffixation erhielten, wurden in die Studie eingeschlossen. Mittels Fragebogen wurden die typischen Beschwerdesymptome eines Descensus genitalis in den Kategorien Blasenfunktion, Sexualfunktion und Senkung erfragt. Die Ausprägung der Beschwerden konnte in vier subjektiven Bewertungsstufen jeweils für den prä- und postoperativen Zustand angegeben werden.

Zur Auswertung wurden netzverstärkte Operationen (Gruppe A: Prolift, Elevate anterior, Elevate posterior, anteriores Prosimanetz, abd. Prolene-Y-Netz, BSC-Netz) den netzfreien (Gruppe B) gegenübergestellt. Innerhalb dieser Gruppen wurde nach dem operativen Vorgehen bezüglich des Uterus (Gruppe C: Uteruserhalt vs. Gruppe D: simultane HE bzw. Z.n. HE) unterteilt. Zusätzlich wurde eine Subgruppenanalyse nach Lebensalter (< 70 vs. ≥70 Jahre) durchgeführt.

Ergebnis:

189 Patientinnen konnten im genannten Zeitraum identifiziert werden, welche die Einschlusskriterien erfüllten. Der Rücklauf lag bei 38,6%. Das Durchschnittsalter des Kollektivs lag bei 66,5 Jahren (27 – 88 Jahre). Die Fragen zur Sexualfunktion konnten aufgrund unzureichender Antworten nicht ausgewertet werden.

Eine wesentliche Verbesserung konnte bei den Symptomen Fremdkörper- und Senkungsgefühl (Mittelwert x̄: 49,8%) sowie bei der subjektiven Lebensqualität bzgl. Senkung (x̄: 58,8%) und Blase (x̄: 30,1%) verzeichnet werden. Eine mäßige Verbesserung zeichnete sich bei den Symptomen Blasenentleerungsstörung (x̄: 16,4%), Stressinkontinenz (x̄: 15,1%), Dranginkontinenz (x̄: 15,3%), Nykturie (x̄: 12,8%) und Notwendigkeit der manuellen Reposition (x̄: 20,6%) ab. Kaum Verbesserung zeigte sich bei den Symptomen rezidivierende Harnwegsinfektionen (x̄: 8,2%) und Dysurie (x̄: 6,8%).

Beim Vergleich des operativen Vorgehens bezüglich des Einsatzes von Netzen zeigte sich eine deutlichere Verbesserung durch netzunterstütze Operationen bei den Symptomen Fremdkörper- und Senkungsgefühl (x̄A: 63,1% vs. x̄B: 35,7%), Notwendigkeit der manuellen Reposition (x̄A: 30,1% vs. x̄B: 10%), Nykturie (x̄A: 7,9% vs. x̄B: 18,1%), Dranginkontinenz (x̄A: 19,3% vs. x̄B: 11,0%) sowie bei der subjektiven Lebensqualität bzgl. Senkung (x̄A: 70,3% vs. x̄B: 46,7%) und Blase (x̄A: 36,9% vs. x̄B: 23,8%). Vergleichbare Verbesserungen mit und ohne Netzeinlage zeichneten sich bei den Symptomen rezidivierende Harnwegsinfektionen (x̄A: 7% vs. x̄B: 9,5%), Dysurie (x̄A: 7% vs. x̄B: 6,7%), Stressinkontinenz (x̄A: 13,1% vs. x̄B: 17,1%) und Blasenentleerungsstörung (x̄A: 14,9% vs. x̄B: 18,1%) ab.

Beim Vergleich des operativen Vorgehens bezüglich des Uterus wurden wesentlich bessere Ergebnisse in der Gruppe mit Hysterektomie bei folgenden Symptomen verzeichnet: Blasenentleerungsstörung (x̄C: 3,9% vs. x̄D: 27,4%), Stressinkontinenz (x̄C: 8,8% vs. x̄D: 20,5%), Dranginkontinenz (x̄C: 8,8% vs. x̄D: 20,9%), subjektive Lebensqualität bzgl. Blase (x̄C: 21,2% vs. x̄D: 38,5%) und Dysurie (x̄C: 2,9% vs. x̄D: 10,3%). Kaum Unterschiede im Outcome zeigten sich dagegen bei den Symptomen Fremdkörper- und Senkungsgefühl (x̄C: 51,0% vs. x̄D: 48,7%), subjektive Lebensqualität bzgl. Senkung (x̄C: 59,6% vs. x̄D: 58,1%), Nykturie (x̄C: 9,8% vs. x̄D: 15,4%), Notwendigkeit der manuellen Reposition (x̄C: 17,7% vs. x̄D: 23,1%) und rezidivierende Harnwegsinfektionen (x̄C: 9,8% vs. x̄D: 6,8%).

Beim altersabhängigen Vergleich zeichnete sich bei den jüngeren Patientinnen bezüglich der Blasenfunktion eine höhere Zufriedenheit ohne Netzeinlage (x̄A: 12,7% vs. x̄B: 28,0%) ab, bezüglich der Senkungsfunktion jedoch eine etwas höhere Zufriedenheit mit Netzeinlage (x̄A: 51,4% vs. x̄B: 35,6%). Das operative Vorgehen bezüglich des Uterus lieferte deutlichere Verbesserungen beim Kollektiv mit Hysterektomie bei Blasenfunktion (x̄C: 13,8% vs. x̄D: 30,0%) sowie Senkungsfunktion (x̄C: 28,9% vs. x̄D: 56,4%).

Bei den älteren Patientinnen konnte eine höhere Zufriedenheit mit Netzeinlage sowohl bezüglich der Blasenfunktion (x̄A: 17,0% vs. x̄B: 3,8%) als auch der Senkungsfunktion (x̄A: 56,2% vs. x̄B: 26,2%) nachgewiesen werden. Die Hysterektomie führte zu etwas höherer Zufriedenheit bezüglich der Blasenfunktion (x̄C: 7,1% vs. x̄D: 15,0%), jedoch geringerer bezüglich der Senkungsfunktion (x̄C: 54,3% vs. x̄D: 36,0%).

Schlussfolgerung:

Die subjektive Lebensqualität der Descensuspatientin wird am deutlichsten durch die Behebung der Senkung verbessert. Bezüglich der Blasenfunktion zeigen sich unterschiedlich erfolgreiche Einzelaspekte, jedoch eine durchgehende Verbesserung.

Netzunterstützte Operationen führen insgesamt zu höherer Gesamtzufriedenheit (bezügl. Senkung und Blase). Dieser Effekt ist jedoch bei der älteren Patientin wesentlich deutlicher. Bei jüngeren Patientinnen sollte die Netzeinlage eher zurückhaltend nach individueller Abwägung erfolgen.

Die simultane bzw. bereits erfolgte Hysterektomie führt zur höheren Gesamtzufriedenheit bezüglich der Blasenfunktion. Bei der jüngeren Patientin verbesserte sich auch das Outcome bezüglich der Senkungsfunktion, während dieses sich bei der älteren Patientin sogar leicht verschlechterte.