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DOI: 10.1055/s-0036-1583212
Nationale Kohorte – Deutschlands größte Gesundheitsstudie gestartet
Publication History
Publication Date:
13 April 2016 (online)
- Untersuchung von Hüft- und Kniegelenken
- Untersuchungen zur Arthritis und Arthrose an den Händen
- Ausblick
Die NAKO (Nationale Kohorte) ist die bislang größte deutsche bevölkerungsbezogene Langzeit-Beobachtungsstudie. Sie wird durch den Verein Nationale Kohorte e. V. organisiert, dem ein Netzwerk deutscher Forschungseinrichtungen angehört, bestehend aus Universitäten, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Leibniz-Gemeinschaft. Die Finanzierung erfolgt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Helmholtz-Gemeinschaft und die beteiligten Bundesländer. Zusätzlich zu Krebs, Demenz, Diabetes, Infektionskrankheiten und kardiovaskulären Erkrankungen werden in der NAKO auch muskuloskelettale Erkrankungen, speziell entzündlich-rheumatische Erkrankungen und Arthrosen, in die Langzeit-Beobachtung einbezogen.
In den Jahren 2014 bis 2018 werden in insgesamt 18 deutschlandweit verteilten Studienzentren 200 000 zufällig ausgewählte Personen im Alter von 20–69 Jahren medizinisch untersucht und nach ihren Lebensgewohnheiten befragt (z. B. körperliche Aktivität, Rauchen, Ernährung, Beruf). Stichproben von 15 000–40 000 Probanden erhalten zusätzliche Untersuchungen und Befragungen, darunter auch die muskuloskelettale Untersuchung. Die Probanden sollen alle 4–5 Jahre über bis zu 30 Jahre untersucht werden. Zusätzlich sollen alle 2–3 Jahre Fragebögen versandt werden (‣ Abb. [ 1 ]).


Die sehr umfangreiche Erfassung von Risikofaktoren und Krankheiten macht es möglich, Zusammenhänge zwischen erblicher Vorbelastung, Ernährung, Verhalten, Umwelteinflüssen und verschiedenen Komorbiditäten aufzudecken. Für die Rheumatologie und Orthopädie ist es wichtig, dass entzündlich-rheumatische Erkrankungen ebenso wie Arthrosen erkannt und in ihrem Zusammenspiel mit anderen chronischen Erkrankungen und Risikofaktoren untersucht werden können. Hierzu wurden eine systematische Untersuchung der Hände sowie eine standardisierte Untersuchung der Hüft- und Kniegelenke mit Hilfe eines Winkelstuhls implementiert.
Um hohe Standards bei der Durchführung der muskuloskelettalen Untersuchungen in den bundesweiten NAKO-Zentren sicherzustellen, wurden umfangreiche Schulungsmaterialen entwickelt, es wurde ein umfassender Prätest durchgeführt, und es werden regelmäßig Schulungen durch Rheumatologen und Orthopäden angeboten. Die DGRh und die DGOOC unterstützen die Schulungsmaßnahmen finanziell durch Reisekosten- und Aufwandsentschädigungen für Schuler. Die Arbeitsgemeinschaft der Rheumazentren unterstützt die Untersuchungszentren auf regionaler Basis durch die Bereitstellung von Schulern und die fachliche Beratung. Bislang wurden Untersuchungszentren in Augsburg, Berlin, Bremen, Düsseldorf, Essen, Freiburg, Hamburg, Leipzig, Münster, Neubrandenburg / Neustrelitz und Saarbrücken geschult und / oder beraten.
Untersuchung von Hüft- und Kniegelenken
Es gibt mittlerweile einige größere internationale epidemiologische Studien, die sich mit dem Themenkomplex der Prävalenz, Inzidenz und Progression von Hüft- und Kniegelenkarthrosen befassen. Ihre Ergebnisse sind jedoch nicht ohne Einschränkung auf die deutsche Bevölkerung zu übertragen, weshalb die NAKO dazu genutzt werden soll, um hierzu aktuelle Daten zu erheben. Alle Probanden werden zu Beschwerden und Behandlung wegen Cox- und Gonarthrose befragt. Zusätzlich findet in einer kleineren Stichprobe eine klinische Untersuchung und zusätzliche kernspintomografische Diagnostik (Ganzkörper-MRT mit zumindest orientierender Darstellung von Hüft- und Kniegelenken im Rahmen allgemeiner Bildbefundung) statt. Um eine möglichst standardisierte Untersuchung der großen Gelenke sicherzustellen, wurde ein sog. „Winkelstuhl“ konstruiert (‣ Abb. [ 2 ]). Damit ist am Kniegelenk neben den anamnestischen Befunden die Erfassung einer Bewegungseinschränkung sowie von Schmerzen beim passiven Durchbewegen und ein evtl. vorliegendes Bewegungsreiben (Krepitation) beim aktiven Übergang von Beugung in Streckung möglich. Am Hüftgelenk erlaubt der Winkelstuhl die Dokumentation einer eventuell vorliegenden Einschränkung der Innenrotation, die als Hinweis auf das Vorliegen eines femoroazetabulären Impingements oder einer Coxarthrose gewertet werden kann.


Um die kombinierte Untersuchung der Bewegungsfähigkeit von Knie- und Hüftgelenken zu ermöglichen, werden die Probanden nach Anamneseerhebung auf dem Winkelstuhl positioniert. Unter entsprechender Fixation der Oberschenkel in Halteschalen kann zunächst die Streck- und Beugefähigkeit beider Kniegelenke auf einer skalierten Bewegungsanzeige geprüft werden. Im Anschluss erfolgt in gleicher Sitzhaltung (90 ° Beugung in Hüft- und Kniegelenk) die Prüfung der Innenrotation beider Hüftgelenke ebenfalls auf einer skalierten Bewegungsanzeige.
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Untersuchungen zur Arthritis und Arthrose an den Händen
Die durch umfassende Fragebögen ergänzte standardisierte klinisch-rheumatologische Untersuchung beschränkt sich wegen des limitierten Zeitkontingents auf die Untersuchung der Hände. Es werden jeweils Schwellung und Druckschmerz der Fingergrund- und Mittelgelenke
dokumentiert und das Vorliegen einer Rhiz-, Heberden und / oder Bouchardarthrose erfasst. Die Untersuchung erfolgt durch zertifizierte Mitarbeiter der NAKO-Studienzentren. Basierend auf einem klinischen Screening größerer Kohorten im Rahmen des „Rheuma-Truck“ konnte ein einfach erlernbarer und gut reproduzierbarer Untersuchungsalgorithmus festgelegt werden. Das Untersuchungspersonal wird an Gesunden und Erkrankten geschult, zertifiziert und regelmäßig nachgeschult. Maßnahmen der Qualitätssicherung lassen eine hohe Aussagekraft erwarten, die in Prätests und in der Pilotphase bestätigt wurde. Anhand der gewählten Gelenke können Fälle mit Verdacht auf eine entzündlich rheumatische Erkrankung des Bewegungsapparates vor Diagnosestellung ebenso erfasst werden wie die klinische Aktivität einer bereits bekannten Polyarthritis. Dieses erlaubt eine differenziertere Betrachtung der Risiken einer frühen, aktiven oder kontrollierten Arthritis für Komorbidität und Alltagsfunktion. Die Fingerpolyarthrose ist bezüglich ihrer Auswirkungen auf den Alltag aber auch im Zusammenspiel mit anderen Erkrankungen bisher wenig beachtet worden und wird daher mit erfasst.
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Ausblick
Die Koordinatoren der muskuloskelettalen Arbeitsgruppe erwarten, dass mit den in der NAKO gesammelten Untersuchungsbefunden und Befragungsergebnissen eine wissenschaftliche Grundlage geschaffen wird, um bisher unbeantwortete Fragestellungen in der Arthrose- und Arthritisforschung zu bearbeiten. Das Vorliegen sehr umfangreicher medizinischer Informationen zu den einzelnen Probanden bietet die einmalige Chance, Zusammenhänge zwischen Biomarkern, allgemeinen Risikofaktoren, Komorbidität, Umwelteinflüssen und unterschiedlichen Verlaufsformen muskuloskelettaler Erkrankungen aufzudecken.
Für die kommenden Jahrestagungen unserer wissenschaftlichen Gesellschaften planen wir Informations- und Diskussionsrunden, um den Projektstand vorzustellen und gegebenenfalls Auswertungsideen abzustimmen. Zudem werden Sie an dieser Stelle auch künftig über aktuelle Entwicklungen aus der NAKO informiert.
Klaus-Peter Günther, Oliver Sander, Carsten-Oliver Schmidt, Christof Specker, Angela Zink für die Arbeitsgruppe muskuloskelettale Erkrankungen der NAKO
Korrespondierender Autor
Prof. Dr. med. Klaus-Peter Günther
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
Klaus-Peter.Guenther@uniklinikum-dresden.de
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