Mit einer deutschen Approbation stehen jungen Medizinern heute nahezu alle Möglichkeiten
offen. Die Nachfrage nach qualifizierten und engagierten jungen Ärztinnen und Ärzten
in der Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ist ungebrochen
hoch. Damit liegen beste Voraussetzungen für klinische und wissenschaftliche Erfahrungen
auf nationaler und internationaler Ebene vor.
Gerade im Ausland werden die deutsche Arbeitsmentalität und der hohe Anspruch an wissenschaftliche
Arbeit sehr geschätzt. Im Gegenzug werden häufig erstklassige Möglichkeiten angeboten,
um im Fachbereich Kontakte zu knüpfen und wissenschaftliche Projekte durchzuführen.
Erfreulicherweise kann ein solches Vorhaben durch die Anstellung an einer Universitätsklinik
gefördert werden und bietet so Vorteile für Klinikleiter und Forscher. Nach §28 TV-Ärzte
kann ein Sonderurlaub ohne Bezüge zum Zwecke eines Forschungsvorhabens genehmigt werden.
Da diese Beurlaubung im dienstlichen Interesse der Universität liegt, wird der Zeitraum
in aller Regel auf die Beschäftigungszeit (§34 Abs. 3 TV-Ärzte) angerechnet. Dies
erleichtert die Rückkehr in ein gewohntes Arbeitsklima und den Wiedereinstieg in das
klinische Leben zu Hause. Hierbei profitiert nicht nur der junge Mediziner, denn auch
die Klinik kann aus dem neu gewonnen wissenschaftlichen Erfahrungsschatz einen Nutzen
ziehen. Neue Erkenntnisse und eine andere Sicht der Dinge, sowie erlernte wissenschaftliche
Methoden und Techniken können nun in der Heimat eingesetzt werden. Dies kann zum weiteren
Erfolg unseres Fachs und unserer Patientenversorgung in Deutschland beitragen.
Eine Chance hierzu ist ein wissenschaftlicher Erfahrungsaustausch in den USA. Anders
als für eine klinische Beschäftigung, ist für eine rein wissenschaftliche Tätigkeit
kein amerikanisches Examen (USMLE, United States Medical Licensing Examination) oder
ECFMG-Zertifikat (Educational Commission for Foreign Medical Graduates) nötig [
1
]. Dies erleichtert den Zugang zu anerkannten und renommierten wissenschaftlichen
Einrichtungen.
Im Gegensatz zu Deutschland findet in den USA die Weiterbildung in der Orthopädie
und Unfallchirurgie nur an großen Zentren statt. Ein äußerst strukturiertes Ausbildungsprogramm
ermöglicht Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung gezielt an Forschungsprojekten
teilzunehmen. Forschung ist an vielen Standorten in den USA ein fester Bestandteil
des Weiterbildungscurriculums und wird teilweise sogar staatlich gefördert. Wöchentliche
und monatliche Veranstaltungen fordern und fördern den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Neue konzeptionelle Veranstaltungen beschäftigen die Ärztinnen und Ärzte mit der Forschung,
um sich durch konstruktive Kritik mit den aktuellen orthopädischen und unfallchirurgischen
Themen auseinanderzusetzen. Nicht nur international bekannte und renommierte Universitäten
wie Yale und Harvard, sondern auch unbekanntere und kleinere Einrichtungen wie Dartmouth-Hitchcock
(NH), die Drexel University – College of Medicine (PE) oder die UConn (University
of Connecticut) bieten hochrangige wissenschaftliche Programme an (einen Überblick
bietet der Internetauftritt von Orthogate, www.orthogate.org). Das Beispiel UConn zeigt dies durch die 3 Standpfeiler der Weiterbildung:
-
„Clinical Experience “
-
„Didactic Experience“
-
„Research Experience“
Gefördert werden diese Pfeiler durch die Bereitstellung internetbasierter Lernprogramme
für die klinische und wissenschaftliche Ausbildung. Hierbei werden zum Beispiel aktuell
veröffentlichte Forschungsberichte unter die Lupe genommen und die jungen Kollegen
in der Beurteilung von wissenschaftlichen Aussagen geschult. Jeder Weiterbildungsassistent
erhält mindestens 3 Monate geschützte Forschungszeit während seiner Facharztweiterbildung.
Zusätzlich bietet die UConn ein detailliertes Rotationsprogramm im Bereich Wissenschaft,
bei dem jährlich einer der „Residents“ für 12 Monate freigestellt wird.
Als deutscher Weiterbildungsassistent kann man von dieser Forschungskultur profitieren,
da viele Forschungseinrichtungen an die universitäre Ausbildung angegliedert sind
und eine Fülle an wissenschaftlichen Techniken und Methoden zur Verfügung stellen.
Die meisten Laboreinrichtungen in der muskuloskeletalen Forschung (Biomechanik und
Tissue Engineering) unterstehen dem „Chairman of Orthopaedic Surgery“ und erleichtern
so den Zugang während der Weiterbildung. Zudem wird an vielen Standorten ein Forschungsmentor
zugewiesen, der das wissenschaftliche Projekt unterstützt und hilft Rückschläge und
Fehler zu vermeiden.
Eine Möglichkeit, um sich genügend Freiraum und Finanzierung für eine wissenschaftliche
Tätigkeit zu schaffen, besteht in der Beantragung eines (Forschungs-) Stipendiums.
Hierbei ist es ein besonderes Anliegen der Fachgesellschaften den internationalen
Forschungsaustausch zu fördern (‣ Tab. [
1
]).
Tab. 1 Timeline zur Planung eines Forschungsaufenthaltes in den USA
Die Anforderungen an den Stipendiaten sind jeweils von der Förderungsagentur vorgegeben
und meistens gut erfüllbar. Denn die Förderorganisationen wollen bewusst Nachwuchswissenschaftler
fördern, die z. B. noch nicht über ein ausgewiesenes Publikationsverzeichnis verfügen.
Für die Antragstellung ist es empfehlenswert bereits im Voraus Kontakt zum gastgebenden
Labor und dem „principal investigator“ herzustellen, um sinnvolle und realistische
Projektideen zu entwickeln. Insbesondere sollte bei der Auswahl der Gastinstitution
auf eine hohe wissenschaftliche Reputation im jeweiligen Forschungsbereich, verfügbare
Finanzmittel sowie eine entsprechende technische Ausstattung für die Durchführung
des Forschungsvorhabens geachtet werden. Dies ist vor dem Hintergrund nötig, dass
die meisten Forschungsförderungen für den Lebensunterhalt des Stipendiaten (je nach
Förderorganisation auch für Familienmitglieder) aufkommen, jedoch nicht für projektbezogene
Kosten (Equipment, Verbrauchsmittel, etc.).
Für den Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie sind einerseits Fördermöglichkeiten
über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), den Deutschen Akademischen Austauschdienst
(DAAD) und die Alexander v. Humboldt-Stiftung möglich. Andererseits können aber auch
Stipendien der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der
Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA) und anderer Fachgesellschaften
beantragt werden (‣ Tab. [
2
]). 2015 wurde beispielsweise erstmals das Stipendium „Qualität und Sicherheit in
der Endoprothetik“ von der DGOU ausgeschrieben. Es fördert mit 10 000 Euro einen mehrwöchigen
Aufenthalt an einer Institution im In- oder Ausland und ermöglicht es dem Stipendiaten,
neue wissenschaftliche Verfahrensweisen zu erlernen und diese in die Heimatinstitution
zu transferieren. Daneben existieren von den einzelnen Sektionen der DGOU auch spezifische
USA-Stipendien. Von der AGA wird das einjährige „AGA-AIRCAST-Pittsburgh-Research-Fellowship“
angeboten. Es sieht eine Einbindung in bereits laufende Forschungsprojekte vor und
bietet außerdem Unterstützung beim Planen und Durchführen von eigenen Forschungsvorhaben.
Die Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) und die Deutsche
Arthrose Hilfe e. V. ermöglichen mit dem Heinrich-Hess-USA-Stipendium eine Hospitation
bei international führenden amerikanischen Wissenschaftlern mit dem Schwerpunkt der
Arthroseforschung. Für kürzere Aufenthalte stehen zudem zahlreiche Reisestipendien
der DGOU, DGU und DGOOC zur Verfügung. Das Förderungsangebot der Fachgesellschaften
und ihrer einzelnen Sektionen ist vielfältig, wobei die Inhalte von Jahr zu Jahr dem
aktuellen Forschungsbedarf angepasst werden. Bei der Suche nach dem geeigneten Stipendium
ist es hilfreich, sich der unterschiedlichen Möglichkeiten mit themen- und länderspezifischer
und auch unspezifischer Förderung bewusst zu sein.
Tab. 2 Exemplarische Übersicht der möglichen Stipendien für einen Forschungsaufenthalt in
den USA (diese Übersicht erhebt keinen Anspruch an Vollständigkeit).
In Nordamerika ist vor allem das „German International Network“ (GAIN; www.gain-network.org) tätig. Es gibt einen Überblick über Fördermöglichkeiten aller großen Forschungs-
und Förderorganisationen für die transatlantische Kooperation und Rückkehr.
Ein Forschungsaufenthalt ist nicht nur auf Grund objektiver Faktoren erstrebenswert
sondern insbesondere nach Sicht der Autoren auch zur Bildung der Persönlichkeit als
eigenständiger Wissenschaftler und akademisch tätiger Arzt.