Z Orthop Unfall 2016; 154(02): 116
DOI: 10.1055/s-0036-1583214
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

20 Jahre TraumaRegister – Was hat es uns gebracht?

Contributor(s):
Steffi Falk
TraumaRegister DGU®.
20 years of trauma documentation in Germany – actual trends and developments.

Injury 2014;
45 (Suppl. 03) 14-18
Further Information

Publication History

Publication Date:
13 April 2016 (online)

 

Nach nunmehr 20 Jahren standardisierter Datenerfassung deckt das TraumaRegister DGU® über 90 % der Schwerverletzten in Deutschland ab und ermöglicht eine außergewöhnliche Langzeitbeobachtungsstudie. Dank vieler Erkenntnisse aus dieser Studie ließ sich die Versorgung Schwerstverletzter in Deutschland relevant verbessern.
TraumaRegister DGU®. 20 years of trauma documentation in Germany – actual trends and developments. Injury 2014; 45 Suppl 3: 14–19

Einleitung

Im Jahre 1993 wurde der 1. Patient in das TraumaRegister aufgenommen. Damals begannen 5 deutsche Kliniken die anonymisierte Sammlung von Daten Schwerverletzter – zur Jahrtausendwende machten bereits mehr als 50 Kliniken mit. Mit der Etablierung lokaler TraumaNetzwerke wurden regelmäßige Datenerhebungen für teilnehmende Kliniken Pflicht und sicherten so eine kontinuierliche Datenerfassung.


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Methodik

In diese Studie wurden alle Patienten von 1993–2012 aus dem TraumaRegister mit einem ISS (Injury Severity Score) >16 eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Verbrennungen, Vergiftungen sowie Ertrinkungsunfälle und alle im Ausland oder in lokalen Traumazentren erfassten Patienten. Letztere entfielen, da zu Beginn nur wenige mitwirkten und die Anzahl von Patienten mit einem ISS > 16 in diesen Zentren gering ist. Insgesamt konnten 49 801 Patienten eingeschlossen werden.


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Ergebnisse

Die Daten zeigten mit 75 % männlichen Patienten die erwartete Geschlechterverteilung, die sich über die Zeit nicht veränderte. Im Gegensatz dazu stieg das Patientenalter kontinuierlich an. Dadurch hat sich der Anteil der Stürze aus geringer Höhe (< 3 m), dem häufigsten Verletzungsmechanismus des alten Menschen, mehr als verdoppelt. Der Anteil der Verkehrsunfälle dagegen halbierte sich nahezu, was den verbesserten Sicherheitsstandards der Straßen und Autos zugeschrieben wird.

War in den 90ern eine frühzeitige Intubation und großzügige Flüssigkeitszufuhr Standard, sank die Zahl der Intubationen stetig und die durchschnittliche Volumenzufuhr ging von 1,5 l auf 700 ml zurück. Patienten mit einer GCS (Glasgow-Koma-Skala) ≤ 8 werden weiterhin leitliniengerecht intubiert. Betrug der Hämoglobinwert im Schockraum in den 90ern noch 10,7 g / dl, stieg er im Jahr 2012 auf 12,4 g / dl. Gleichzeitig gingen die Mortalität und die Verletzungsschwere zurück und der Zustand der Patienten bei Ankunft in der Klinik und Entlassung verbesserte sich. Aus der Überlegung heraus, die Verletzungsschwere bei Vorhersagen über das Outcome mit zu berücksichtigen, wurde mit den TraumaRegister-Daten der RISC-Score (Revised Injury Severity Classification Score) entwickelt. Mit Verbesserung des Patientenzustands verringerte sich auch die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und auf der Intensivstation.


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Diskussion

20 Jahre Datenerhebung im TraumaRegister erlauben es, Trends in der Versorgung Schwerverletzter zu identifizieren, die einzelne zeitlich limitierte Studien so nicht aufgedeckt hätten.

Gleichwohl hat auch das TraumaRegister Einschränkungen. Die größte ist die Vollständigkeit. Zu Beginn wurden die Daten von einer kleinen Gruppe von Kliniken erfasst. Einige beobachtete Trends könnten daher an der steigenden Anzahl an teilnehmenden Kliniken liegen. Zum Beispiel waren Krankenhäuser mit Hubschrauberlandeplätzen in den ersten Jahren überrepräsentiert. Dies könnte den Anteil der mit Helikopter eingelieferten Patienten im TraumaRegister verzerrt haben. Die Daten zeigten zudem, dass schwere Verletzungen nicht länger eine Domäne der Jugend sind und die Versorgung von älteren Schwerverletzten eine der Herausforderungen der Zukunft wird. Zudem verzichten immer mehr Kliniken auf standardisierte Röntgenuntersuchungen oder auch Sonografien und führen direkt eine CT-Untersuchung durch. Eine Zukunftsaufgabe wird daher auch sein, die Indikationen für die sofortige CT-Untersuchung zu erstellen.

Bislang scheiterten Versuche, randomisierte Studien zur Volumentherapie für blutende Patienten durchzuführen, in den Planungsphasen. Jetzt, mit den Daten des TraumaRegisters, lässt sich zeigen, dass immer mehr Notfallmediziner eine Flüssigkeitsgabe kritisch überdenken. Ob dies einen Effekt auf die Mortalität hat, ist schwer zu beweisen, da sich gleichzeitig Änderungen in anderen Bereichen zeigen – wie die zunehmende Nutzung des CTs oder steigende Hämoglobinwerte.


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Kommentar

Die routinemäßige Sammlung von Daten erlaubt die Quantifizierung von Trends und Entwicklungen. Mit der Einführung der TraumaNetzwerke werden nun flächendeckend Daten dokumentiert. Dank des Engagements der datenerfassenden Kollegen bekommen wir neue Einsichten in unser Rettungs- und Notfallsystem und konnten entscheidende Verbesserungen in der Schwerverletztenversorgung umsetzen. Diese positiven Entwicklungen haben zur Folge, dass das TraumaNetzwerk bereits über die deutschen Grenzen hinweg Aufmerksamkeit erregt hat. Wir erhalten inzwischen 10 % der Daten aus unseren Nachbarländern und die Bedeutung des TraumaNetzwerks wird in den kommenden Jahren sicher noch weiter zunehmen.


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