Früher war von Einkäufern in erster Linie gefordert, Preise mit Lieferanten hart zu
verhandeln und erfolgreich durchzusetzen. Selten wurde vorher der Kontakt zu den Experten
der Medizin und Pflege gesucht. Gegenüber den Lieferanten gab es nur in wenigen Fällen
Zusagen über verbindliche Abnahmemengen. Die Aufgabe des Einkäufers ist es heute,
verschiedene Aspekte der Verbindlichkeit von Entscheidungen – nach innen wie nach
außen – zu verstehen, zu hinterfragen und so zu aggregieren, dass die bestmögliche
Einkaufsentscheidung getroffen werden kann. Gute strategische Einkäufer verstehen
die Meinungsvielfalt von medizinischen Experten als Chance, die bestmögliche Entscheidung
im Sinne des Unternehmens und für das Wohl des Patienten zu treffen.
Doch wie kann das im Klinikalltag gelingen? Im ersten Schritt ist in interdisziplinären
Projekten sicherzustellen, dass eine gemeinsam akzeptierte Zielrichtung festgelegt
wird. Grundvoraussetzung für jede konstruktive Zusammenarbeit ist der Aufbau von Vertrauen
zur Bewältigung von Komplexität. Vertrauen entsteht, wenn Menschen erkennen, dass
man sich wechselseitig aufeinander verlassen kann. Es wächst, wenn die gemeinsame
Arbeit einen Mehrwert schafft, der allein nicht realisierbar gewesen wäre.
Sachkostenoptimierungsprojekte zwischen Ärzten und Einkäufern greifen tief in die
Handlungsautonomie der medizinischen Experten ein. Sie sind deshalb – insbesondere
im universitären Umfeld – eine große Herausforderung.
Vorbereitung, Diskussion, Einigkeit
Vorbereitung, Diskussion, Einigkeit
Die erfolgreiche Moderation von Einkaufsprozessen gelingt am besten durch Workshops.
Diese ermöglichen in einem festgelegten Rahmen die gemeinsame Bearbeitung konkreter
Fragestellungen. Doch nur ein gut vorbereiteter Workshop wird erfolgreich. Von der
Zielstellung über die Agenda bis zur Auswahl der Teilnehmer sollte jedes Workshop-Setting
gut durchgeplant sein.
Die Vorbereitung beginnt mit einer klaren Zielsetzung. Stellen Sie sich die Frage:
Was möchten Sie in welchem Zeitraum erreichen? Ist die Zielsetzung messbar – z.B.
eine definierte Einsparung, Qualitäts- oder Prozessverbesserung? Was möchten – bzw.
können – Sie überhaupt realistisch mit dem Workshop erreichen? Anders gefragt: Wenn
Ihr Workshop abgeschlossen ist, was ändert sich dann in Bezug auf Ihre Arbeit? Wenn
Sie in der Lage sind, die Zielsetzung Ihrem Einkaufskollegen in einem Satz zu erklären,
dann ist ein wichtiger Vorbereitungspunkt bereits erfolgt.
Abgeleitet aus Ihrer Zielsetzung entwerfen Sie eine Agenda. Achten Sie auf realistisch
bearbeitbare Inhalte. Setzen Sie sich je Agendapunkt einen festen Zeitrahmen. Im Workshop
sollen die Teilnehmer immer an einer bestimmten Fragestellung arbeiten. Workshops
sind keine Informationsveranstaltungen des Einkaufs oder der Ärzteschaft. Es ist wichtig,
dass Agendapunkte mit informierendem Charakter auf aktive Agenda-Punkte folgen. Andernfalls
besteht das Risiko, dass die Teilnehmer den Inhalten nicht folgen können – oder nicht
folgen wollen. In der Praxis bedeutet das: Wechseln Sie bei der Auswahl der Workshop-Elemente.
Zum Beispiel folgt auf einen Vortrag des Einkaufs zu Zahlen, Daten, Fakten eine aktive
Produkttestung oder eine Diskussionsrunde.
Über den Erfolg eines Workshops entscheidet schon der Start, denn er schafft die Atmosphäre
für Themen und Diskussionen. Vermeiden Sie möglichst „Kaltstarts“, wie etwa durch
einen Vortrag des Einkaufs, der in Sachthemen einsteigt, ohne den Teilnehmern die
Möglichkeit zu geben, erst einmal anzukommen. Besser geeignet sind einleitende Fragen
an die Teilnehmer, etwa zu eigenen Erwartung an den Workshop und der Rolle des Einkaufs
im Krankenhaus. Sie helfen, ein gemeinsames Verständnis unter den Teilnehmern zu entwickeln.
Die Punkte der Teilnehmer sollten auf Moderationskarten festgehalten werden. Nach
Beendigung des Workshops werden die Beiträge der Teilnehmer in einem Fotoprotokoll
dokumentiert und den Teilnehmern zur Verfügung gestellt.
Die erfolgreiche Moderation von Einkaufsprozessen gelingt am besten durch Workshops.(Symbolfoto:
AdobeStock / Rawpixel.com)
Die Frage: „Was möchte ich dem Einkauf mitgeben?“ ermöglicht es Ärzten und Pflegekräften,
frühzeitig im Workshop anzubringen, dass nicht nur der Preis, sondern Qualität und
Innovation eine Rolle im Entscheidungsprozess spielen müssen.
Die Auswahl des Teilnehmerkreises ist wichtig für die Akzeptanz und Umsetzbarkeit
der festgehaltenen Ergebnisse. Natürlich ist es verlockend, vornehmlich konstruktive,
positiv gestimmte und umgängliche Teilnehmer in den Workshop einzuladen. Die „ungemütlichen“
Chefärzte, die bereits beim letzten Mal alles klein geredet und ständig die Validität
der Zahlen in Frage gestellt haben, sind ebenso ungeliebt wie der Vertreter der Arbeitssicherheit,
der stets gesetzliche Bedenken anmeldet. Gerne würde der Einkäufer sie ausladen. Menschlich
nachvollziehbar, wird diese Reaktion in der Sache allerdings niemals zu guten und
akzeptierten Ergebnissen führen. Kritische Ärzte und Pflegekräfte sind wichtige Meinungsbildner
im Krankenhaus. Werden sie aus Konfliktscheu nicht in Entscheidungen eingebunden,
wächst das spätere Konfliktpotenzial. Die gefassten Beschlüsse werden nachträglich
unterlaufen oder angegriffen.
Fragen Sie sich bei der Auswahl des Teilnehmerkreises also immer: „Wen kann ich ‚ungestraft‘
weglassen?“
Doppelspitze statt Doppelfunktion
Doppelspitze statt Doppelfunktion
Soweit möglich, sollten Sie Ihren Workshop zu zweit durchzuführen. Bei einem Einzelmoderator
leidet sonst entweder die Dokumentation oder das Stimmungsbild der Teilnehmer gerät
aus dem Blick. Die gemeinsame Moderation mit einer Kollegin oder einem Kollegen kann
hilfreich sein, um den Überblick über Sachargumente, aber auch über Emotionen, zu
behalten und parallel wichtige Ergebnisse zu dokumentieren. Gleichzeitig ist es möglich,
dass die moderierenden Personen geplant unterschiedliche Standpunkte einnehmen, um
so andere Perspektiven in die Diskussion einzubringen oder Zielkonflikte zu verdeutlichen.
Natürlich sollten Sie sich bei der Auswahl Ihres Co-Moderators nicht auf die Einkaufsabteilung
beschränken.
Wenn Sie einen ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter überzeugen können, mit Ihnen
gemeinsam zu moderieren, wird dies die Akzeptanz der Moderation erhöhen.
Bei der Durchführung von Workshops sind Ergebnisse entscheidend. Diese können beispielsweise
die Festlegung von A-Lieferanten und Produkten oder Vereinbarungen über das weitere
Vorgehen sein. Ergebnisse einfordern – das kann in der Praxis ungemütlich werden!
Um den Projekterfolg zu sichern, sind fixierte Ergebnisse wesentlich. Ärzte und Pflegekräfte
sollten ihre Zeit primär am Patienten verbringen und nicht in Workshop-Diskussionen.
Ziel ist es, Workshops deshalb möglichst gut vor- und nachzubereiten, sodass ein Mehrwert
für die Organisation entsteht.
Auswege aus der Sackgasse
Auswege aus der Sackgasse
Gewiss kennen Sie eine solche Situation: Als Leiter eines Workshops scheint ergebnisorientiertes
Moderieren zuweilen an eine Unmöglichkeit zu grenzen. Der Moderator kann die Gruppe
nicht erreichen. Jegliche Argumente „versumpfen“ in Detaildiskussionen über immer
die gleichen Sachverhalte. Der Workshop dreht sich im Kreis. Oder – noch schlimmer
– die Emotionen kochen hoch. Teilnehmer des Workshops stellen Sachverhalte oder gar
den gesamten Workshop in Frage.
Es gibt kein Patentrezept, wie mit solchen Situationen umgegangen werden kann. Aus
der Praxis lassen sich allerdings einige bewährte Tipps für die Krisenintervention
in Workshops benennen. Generell gilt: Vermeiden Sie als Ökonom bzw. Kaufmann die rein
medizinische Diskussion. Diese werden in der Gruppe geführt – und zwar zwischen Medizinern.
Bleiben Sie entsprechend auf der Sachebene und versuchen Sie, so gut wie möglich faktenbasiert
zu argumentieren. Durch gezieltes Fragen nach Unterschieden können Sie die medizinische
Diskussion moderieren ohne diese zu führen. Hilfreiche Fragen sind zum Beispiel: „Warum
kommt ein Krankenhaus oder ein Mediziner mit bestimmten Produkten zurecht und ein
anderes Krankenhaus oder andere Mediziner nicht?“ „Was ist gegebenenfalls anders im
medizinischen Behandlungsablauf oder beim Patientenklientel?“
Um Ergebnisse herzuleiten, ist die Nutzung des Protokolls als Moderationsinstrument
hilfreich. Moderieren Sie zu zweit, kann ein Kollege die Rolle des Protokollanten
übernehmen. Fragen Sie bewusst die Arbeitsgruppe: „Und was schreiben wir jetzt in das Protokoll?“. So führen Sie schriftlich fixierter Ergebnisse herbei, die der gesamten Gruppe bekannt
und bewusst sind.
Scheint sich die Diskussion verfahren zu haben und immer die gleichen Argumente eine
Entscheidung zu verhindern, dann hilft es, Fragen über die zukünftige Vorgehensweise
zu stellen. Mit zugespitzten Fragen lassen sich festgefahrene Argumentationsmuster
unterbrechen, wie etwa: „Wie lange können wir es uns wirtschaftlich gesehen noch leisten
80 Prozent High-End-Produkte einzusetzen?“ oder „Wann entscheidet gegebenenfalls der
Vorstand oder das Management für uns ‚welche Produkte die richtigen sind?“ Der Fokus
richtet sich wieder in die Richtung möglicher Lösungen.