Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604524
Symposien
S-06 Das Stigma von Suchtkrankheiten verstehen und überwinden
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Entstigmatisierung in der Präventionsarbeit

R Kostrzewa
1   MSH Medical School Hamburg
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Publication History

Publication Date:
08 August 2017 (online)

 
 

    Einleitung:

    Entsprechend des Memorandums wird empfohlen, dass Präventionsmaßnahmen routinemäßig auf mögliche stigmatisierende Effekte hin geprüft werden sollten. Es wird herausgestellt, dass Gesundheitsförderung und Prävention durch abschreckende, stereotypisierende Elemente stigmatisierend wirken und die Zielgruppen ausgegrenzt bzw. abgewertet werden können. Im Rahmen selektiver Prävention besteht die Gefahr, dass allein durch eine erhöhte Risikoexposition die Zielgruppe, ohne dass sie Verhaltensauffälligkeiten zeigt, schon als „Risikoträger identifiziert wird“. Wicki et al (Zürich, 2000) ermittelten anhand einer Literaturrecherche bei 25% der sekundärpräventiven Programme eine Zunahme des Substanzkonsums der Jugendlichen und begründeten den negativen Effekt durch Etikettierung der Zielgruppe als Risikojugendliche und den vermehrten Kontakten mit anderen riskant konsumierenden Peers. Als Ursache für unerwünschte Programmergebnisse (Dishion, 1999) wird der „deviant talk“ benannt, wodurch sich die Jugendlichen gegenseitig innerhalb der Gruppe in ihrem abweichenden Verhalten bestärken. Obwohl die Ressourcenorientierung in der Suchtprävention zunimmt, überwiegen Konzepte für Risikogruppen, die anhand von Risikofaktoren ermittelt werden. Sobald Präventionsfachkräfte im Rahmen der Risikobewertung Zusammenhänge konstruieren und Werturteile fällen, greifen soziale Stigmata und Gefährdungsannahmen unreflektiert ineinander. Mit diesen Labeling- und Stigmatisierungseffekten muss sich eine zeitgemäße stigmafreie Suchtprävention auseinandersetzen. Die Suchtpräventionsstelle der Stadt Zürich hat im Jahr 2012 hierfür eine Stigma-Checkliste entwickelt. Inwieweit diese in der präventiven Praxis in Deutschland Anwendung findet, ist unbekannt.

    Methodik:

    In Anlehnung an diese checklistenbasierte Strategie wird im Rahmen von Leitfadengestützten Experten-Interviews ein erster Stand entstigmatisierender Suchtprävention ermittelt. Der Fokus liegt hierbei auf Ressourcenorientierung, Partizipation und Empowerment, weg von einer defizitorientierten Sichtweise, hin zu einer resilienzfördernden Prävention. Anstelle negativer Bewertungen müssen ressourcenfördernde Ansätze im Mittelpunkt stehen. Bei den AdressatInnen präventiver Maßnahmen können durch die Reflexion über Ressourcen und Fähigkeiten, die vorhanden sind, um schwierige Situationen zu meistern, resilienzfördernde Impulse entstehen.

    Ergebnisse:

    Die Interviews erfolgen im Frühjahr 2017, die Ergebnisse werden erstmalig im September auf dem Deutschen Suchtkongress präsentiert.

    Schlussfolgerung:

    Abhängig von den Ergebnissen sollten im Sinne des Memorandums qualitative Verbesserungen im Rahmen der Prävention angestrebt werden: Implementierung von Anti-Stigma-Kompetenz im Studium bzw. in der Ausbildung sowie eine standardisierte Überprüfung der suchtpräventiven Praxis auf stigmatisierende Effekte mit daraus resultierenden Konsequenzen.


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