Einleitung:
Ein exzessiver pathologischer Gebrauch von Internetpornografie, der sich in zahlreichen
negativen Konsequenzen widerspiegeln kann, wird von einigen Autoren als Internet-pornography-use
disorder (IPD) bezeichnet (Brand, Young, Laier, Wölfling, & Potenza, 2016). Obwohl
sich die meisten empirischen Arbeiten zu einer IPD auf männliche Nutzergruppen beschränken,
konnte auch ein exzessiver Gebrauch von Internetpornografie bei Frauen beobachtet
werden (Green, Carnes, Carnes, & Weinmann, 2012; Laier, Pekal, & Brand, 2014). Die
grundlegenden Gemeinsamkeiten sind insbesondere die Rolle der Cue-Reactivity und des
Cravings bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer IPD. Solche affektiven und
kognitiven Reaktionen beruhen auf Konditionierungsprozessen durch Sensitivierung von
sucht-assozierten Reizen. Es wird daher angenommen, dass erhöhter Aufmerksamkeits-Bias
auf pornographische Reize Tendenzen einer IPD vorhersagen können.
Methodik:
Die Stichprobe umfasste 174 heterosexuelle Versuchspersonen (M = 23,59; SD = 4,93
Jahre), davon 87 männliche und 87 weibliche ProbandInnen. Zur Erfassung der Tendenz
einer IPD wurde der short-Internet Addiction Test, modifiziert für Internetsex, eingesetzt
(s-IATsex; Laier et al., 2014). Der Anstieg der subjektiven sexuellen Erregung (Craving)
nach der Präsentation pornographischer Bilder wurde mithilfe eines Schiebereglers
abgefragt. Zur Erfassung des Aufmerksamkeits-Bias auf sexuelle Reize wurde eine Visual
Probe Task mit pornographischen Bildern verwendet. Die Probanden mussten dabei so
schnell und richtig wie möglich die Richtung von Pfeilen erkennen, die auf die Präsentation
eines pornographischen Stimulus folgten.
Ergebnisse:
Es zeigten sich signifikante Korrelationen zwischen den Maßen des Cravings und den
Scores für einen Aufmerksamkeits-Bias in der Visual Probe Task (r = 0,159 bis r =
0,172). Eine moderierte Regression mit dem s-IATsex als abhängige Variable ergab einen
signifikanten Effekt des Geschlechts (β= 0,315, p<= 0,001) sowie des Aufmerksamkeits-Bias
(β= 0,186, p = 0,011), allerdings keine Interaktion der beiden Variablen. Das Gesamtmodell
erklärte 13,5% der Varianz im s-IATsex auf (F = 8,84, p<= 0,001). Die Auswertung der
Simple Slopes verdeutlicht, dass sowohl Männer als auch Frauen bei einem stärkeren
Aufmerksamkeits-Bias eine höhere Tendenz zu einer IPD zeigen.
Schlussfolgerung:
Die Ergebnisse sind konsistent mit Arbeiten zur Internet-gaming disorder und stützen
die theoretischen Annahmen des I-PACE Modells (Brand et al., 2016) zu spezifischen
Internet-use disorders, wonach implizite Kognitionen aufgrund von Lernmechanismen
eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer IPD spielen
und unabhängig vom Geschlecht auftreten können. Die Ergebnisse sind vergleichbar mit
Befunden aus der Forschung zu stoffgebundenen Süchten und rechtfertigen die Annahme,
die IPD den Verhaltenssüchten zuzuordnen.