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DOI: 10.1055/s-0038-1625764
Physiologische Grundlagen der muskulären Rehabilitation bei chronischen und chronisch rezidivierenden Kreuzschmerzen
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
15. Februar 2018 (online)
Die Degeneration der lumbalen Wirbelsäulenmuskulatur ist ein gemeinsames Merkmal des Syndroms des Kreuzschmerzes. Makroskopisch ist diese muskuläre Degeneration charakterisiert durch eine Abnahme der Querschnittsfläche und einer Zunahme des Fettgehaltes der lumbalen paraspinalen Muskulatur. Ergänzt werden die makroskopischen Veränderungen durch mikroskopische Auffälligkeiten. Mikrotraumata der lumbalen Muskulatur können durch eine vermehrte Bewegung der Wirbelkörper oder durch Überlastungen erfolgen. Diese Mikrotraumata können eine Schmerzursache des akuten oder wiederkehrenden Kreuzschmerzes darstellen.
Metaanalysen der publizierten Literatur zeigen eine Atrophie des Musculus multifidus und der paraspinalen Muskulatur bei chronischem Kreuzschmerz, jedoch nicht des Musculus erector spinae. Bei Studien mit akutem Rückenschmerz fanden sich diese Veränderungen nicht. Eine zunehmende Fettinfiltration des Musculus multifidus in der LWS korreliert signifikant mit einer Abnahme des Bewegungsumfanges der lumbalen Beugung. Ein rezentes Review zeigt nicht nur eine negative Korrelation zwischen dem Querschnitt des Muskulus multifidus und Kreuzschmerzen sondern weist auch eine prädiktive Wertigkeit des Querschnitts für das Auftreten von Kreuzschmerzen innerhalb von 12 Monaten nach.
Bezüglich der Muskelfasercharakteristik erscheint derzeit lediglich die Tatsache gesichert, dass Typ 1 Fasern höhere Querschnittsflächen bei Frauen als bei Männern aufweisen. Die Unterscheidung der Faserverteilung zwischen gesunden Kontrollpersonen und Patienten mit Rückenschmerz ist inkonklusiv.
Allerdings zeigt eine rezente Studie signifikante Unterschiede der Fettinfiltration und „Lean Muscle-Fat Index“ im Musculus multifidus und Musculus erector spinae zwischen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen verglichen mit solchen mit wiederkehrenden Rückenschmerzen. Darüber hinaus zeigt die lumbale Muskulatur von Patienten mit wiederkehrendem Rückenschmerz eine geringere metabolische Aktivität. Die Muskelcharakteristik bei Patienten mit nicht kontinuierlichem chronischem Rückenschmerz scheint mit jener von Patienten mit wiederkehrendem Rückenschmerz vergleichbar zu sein.
Diese Befunde machen die Wiederherstellung der muskulären Leistungsfähigkeit bei Patienten mit chronischen und chronisch wiederkehrenden Rückenschmerzen zu einem zentralen Thema der Rehabilitation. Um medizinisches Muskeltraining entsprechend der medizinischen Trainingslehre exakt dosieren zu können, bedarf es zu Beginn einer entsprechenden Diagnostik. Hier stehen Geräte zur Verfügung, die reproduzierbare Werte liefern. Aufbauend auf diese Maximalkrafttestung wird ein Training mit 50 Prozent des Ein-Wiederholungs-Maximums angestrebt. Ebenfalls entsprechend der medizinischen Trainingslehre hat ein muskuläres Aufbautraining über mindestens 3, besser jedoch 6 Monaten den besten Erfolg für eine nachhaltige morphologische und funktionelle Wiederherstellung.