Zusammenfassung
Warfarin und Phenprocoumon sind beides racemische Gemische von 3-substitu-ierten 4-Hydroxy-Cumarinen,
die sich chemisch nur in einer Seitenkettengruppie-rung voneinander unterscheiden.
Bei beiden Arzneimitteln ist die Gerinnungshemmung stereoselektiv: das S-Enantiomer
ist wirksamer. Beide Arzneimittel üben eine kompetitive Hemmwirkung auf die Synthese
von Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren über eine Hemmung des Enzyms Vitamin-K-Epoxidre-duktase
aus. Die metabolischen und pharmakokinetischen Eigenschaften unterscheiden sich aber
voneinander.
Beide Arzneimittel werden im wesentlichen aus dem Verdauungstrakt absorbiert und stark
an Plasmaalbumin gebunden. Warfarin wird vollständig metabolisiert, wobei nur wenig
unveränderte Substanz ausgeschieden wird. Phenprocoumon wird unvollständig metabolisiert;
ca. 15% werden in unveränderter Form ausgeschieden. Die Halbwertszeit von Warfarin
beträgt 40 Stunden und die von Phenprocoumon beträgt ca. 156 Stunden. Bei Blutungen
stellt diese lange Halbwertszeit von Phenprocoumon bei Patienten mit übermäßiger Gerinnungshemmung
jedoch kein Problem dar, weil die erhöhte INR schnell mit Gerinnungsfaktorkonzentrat
und/oder Vitamin K1 , korrigiert werden kann. Darüber hinaus ist die im Körper zurückbleibende Substanz
nicht toxisch. Weitere wichtige Nebenwirkungen dieser Arzneimittel sind durch Überempfindlichkeit
ausgelöste Hepatitis und durch Cumarine ausgelöste Gewebsnekrosen, sog. Cumarin-Nekrosen.
Bei der Einleitung der Therapie mit Warfarin unter Anwendung eines niedrigdosierten
Behandlungsschemas (5-10 mg täglich) dauerte es ca. 6 Tage oder 4 Halbwertszeiten,
bis ein antithrombotischer Effekt erreicht und stabile Blutkonzentrationen von Warfarin
gemessen wurden. Bei Einleitung einer ähnlichen niedrigdosierten Therapie mit Phenprocoumon
würde es ebenfalls 4 Halbwertszeiten oder 26 Tage dauern, bis stabile Blutspiegel
erreicht würden. Die lange Halbwertszeit von Phenprocoumon könnte demnach bei Einleitung
der Therapie mit den derzeit häufig empfohlenen niedrigdosierten Behandlungsschemata
Probleme bereiten.
Die pharmakologischen Eigenschaften von Warfarin und Phenprocoumon beim Menschen wurden
miteinander verglichen. Obwohl Warfarin normalerweise in Form des Natriumsalzes verabreicht
wird, was bei Phenprocoumon nicht der Fall ist, scheinen beide Arzneimittel eine hohe
Bioverfügbarkeit aufzuweisen. Die lange Halbwertszeit von Phenprocoumon stellt bei
Patienten mit übermäßiger Gerinnungshemmung kein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Warfarin
dar, weil die erhöhten INR beider Arzneimittel schnell normalisiert werden können.
Die lange Halbwertszeit von Phenprocoumon könnte allerdings die Einleitung von niedrigdosierten
Behandlungsschemata erschweren.
Schlüsselwörter Warfarin - Phenprocoumon - Pharmakologie