Im Herbst 2017 kontaktierte der Vater einer 10-jährigen Tochter mit Leistungsschwächen
das Gesundheitsamt Cuxhaven, er wusste von Bleileitungen im Wohnhaus, ein Zusammenhang
wurde vermutet. Wir begingen das Mehrfamilienhaus und alle baugleichen Gebäude in
dem Stadtviertel, in allen war die Trinkwasserinstallation aus Blei. Unsere Wasserproben
ergaben Bleiwerte von 12 – 86 µg/l, kein Wert lag unterhalb des Grenzwertes der TrinkwV
(10 µg Blei/l). Betroffen waren 617 Menschen in 49 Gebäuden, davon waren 139 Kinder
und rund 50% ausländische Mitbürger. Im Netz des Wasserversorgers wurde kein Blei
nachgewiesen. Wir schildern das Vorgehen und die Maßnahmen des Gesundheitsamtes zum
Schutz der Betroffenen um unsere Erfahrungen mit anderen Institutionen des ÖGD zu
teilen. Ein Lageteam im Gesundheitsamt aus Mitarbeitern des Infektionsschutzes und
der Verwaltung arbeitete mit fachlicher Beratung des Landesgesundheitsamtes (NLGA)
in enger Absprache mit Amtsleitung und Dezernent. Gemeinsam mit weiteren Stakeholdern
z.B. Vertretern der Stadt, der Ordnungsämter, des zuständigen Wasserversorgers, führten
wir eine Risikobewertung mit Festlegung von Sofortmaßnahmen durch: Wir ordneten dem
Eigentümer eine sofortige Nutzungseinschränkung des Wassers zum Trinken und zur Nahrungszubereitung
an. Wir verfügten die Verlegung von „fliegenden Leitungen“, welche vom NLGA empfohlen
wurden, vom Wasserzähler bis in das Treppenhaus jeder Etage. Wir arbeiteten proaktiv
mit der Presse, etablierten ein Bürgertelefon und veranstalteten eine Informationsveranstaltung
direkt im Stadtviertel mit Sprachmittlern zur zielgerichteten Risikokommunikation.
Das NLGA bot den Betroffenen eine Messung ihres Blut-Bleigehaltes an. Wir hielten
ein Krisentreffen mit dem Eigentümer ab und boten Zusammenarbeit bis zur Sanierung
an. Über das Bürgertelefon wurden wir auch über weitere bleibelastete Gebäude informiert.
Zurzeit sind uns in der Stadt Cuxhaven rund 160 betroffene Gebäude bekannt, welche
nun sukzessive der Sanierung zugeführt werden. Hier arbeiten wir eng mit den Eigentümern
zusammen, so dass keine weiteren Anordnungen unsererseits notwendig wurden. Trotz
intensiver Informationskampagnen 2003 – 2013 der Behörden fanden sich in Cuxhaven
bleibelastete Trinkwasserinstallationen in nicht gekanntem Ausmaß. Unser Vorgehen
ermöglichte die sachgerechte Bearbeitung der Lage in der ressource-begrenzten Struktur
eines kommunalen Gesundheitsamtes. Fliegende Leitungen wurden in Cuxhaven erstmals
als Sofortmaßnahme getestet und erwiesen sich als logistisches und kostenmäßig effektives
Provisorium zur Sicherstellung der Wasserversorgung bis zur Sanierung. Unsere Öffentlichkeitsarbeit
und Risikokommunikation deckte einerseits den Beratungsbedarf von Bürgern und dient
uns anderseits als Meldeportal weiterer Verdachtsfälle. Unsere Zusammenarbeit mit
Eigentümern betroffener Gebäude sichert den Gesundheitsschutz von Mietern und scheint
zielführend in unserem Bestreben, Cuxhavenern bleifreies Wasser zu garantieren.