Z Geburtshilfe Neonatol 2019; 223(S 01): E95
DOI: 10.1055/s-0039-3401286
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ePoster Sitzung 2.8: Sozialperinatologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akkulturationsstress und Frühgeburtlichkeit – Ergebnisse einer prospektiven vergleichenden Studie

M Lee
1   St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempfelhof, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Berlin, Deutschland
,
O Sauzet
2   Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld, Deutschland
,
M Abou-Dakn
1   St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempfelhof, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Berlin, Deutschland
,
M David
3   Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Berlin, Deutschland
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Publication History

Publication Date:
27 November 2019 (online)

 
 

    Einleitung:

    Akkulturationsstress entsteht durch Anpassungsprozesse an eine neue Kultur im Rahmen der Migration und stellt eine komplexe psychosoziale und -kulturelle Erfahrung dar. Internationale Studien zeigen, dass Akkulturationsstress mit einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit, des Gesamtgesundheitszustandes und mit ungünstigen perinatalen Outcomes verbunden sein kann. Aus Deutschland liegen bisher keine Daten hierzu vor, die allerdings für ein besseres Verständnis von Auswirkungen dieser Prozesse auf die Schwangerschaft wichtig wären. Die Hauptfragestellung dieser Studie untersucht, ob Akkulturationsstress zu einer erhöhten Frühgeburtenrate oder einem neg. perinatalen Outcome bei Frauen mit Migrationshintegrund (MH) führt. Die Sekundärfragestellung beschäftigt sich damit, ob es Outcomeunterschiede zwischen Frauen der 1. und 2. Migrationsgeneration (MG) bzw. Frauen ohne Migrationshintergrund (MH) gibt.

    Methoden:

    Entsprechend einer hypothesengeleiteten Fallzahlschätzung eine prospektive Studie mit n = 800 Wöchnerinnen an einer Geburtsklinik mit drei validierten Fragebögen: Frankfurter Akkulturationsskala, Akkulturationsstress-Index, Fragebogen zu soziodemographischen Angaben. Es werden Daten zum Grad der Akkulturation und des Akkulturationsstress sowie soziodemographische Angaben erhoben und durch Daten zum perinatalen Outcome aus den Patientinnenakten ergänzt. Logistische Regressionsmodelle wurden verwendet, um für Störfaktoren zu kontrollieren.

    Ergebnisse:

    In diese Studie wurden bisher n = 500 Patientinnen eingeschlossen: 26% Frauen der 1., 22% Frauen der 2. MG und 52% Frauen ohne MH mit einer Rücklaufrate von 65%. Das vorläufige Gestationsalter im Patientinnenkollektiv insgesamt ist: 8,9% Frühgeburten < 37+0 Schwangerschaftswochen (SSW), 71,8% Reifgeborene zwischen 37+0 bis 40+0 SSW sowie 17,8% Geburten nach dem Entbindungstermin (> 40+0 SSW). Die Frühgeburtenrate (< 37+0 SSW) in den Subgruppen beträgt: 6,4% bei Frauen ohne MH, 10,7% bei Frauen der 1. MG und 15,4% bei Frauen der 2. MG. Bisher konnte kein Unterschied im sonstigen perinatalen Outcome festgestellt werden.

    Diskussion:

    Vorläufige Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass es einen Unterschied in der Frühgeburtenrate bei den untersuchten Gruppen gibt: Frauen mit MH zeigen eine höhere Frühgeburtenrate im Vergleich zu Frauen ohne MH. Ein zunehmender Grad an Akkulturation und damit einhergehend eine größere Akkulturationsstressbelastung könnten eine Frühgeburt begünstigen. Dies könnte erklären, dass Frauen der 2. MG, aufgrund der mglw. höheren Akkulturationsstressbelastung, eine höhere Frühgeburtenrate aufweisen als Frauen der 1. MG. Trotz der Belastung des Migrationsprozesses sowie eines niedrigeren sozioökonomischen Status zeigen Frauen der 1. MG ein besseres Outcome als Frauen der 2. MG aufgrund ihres niedrigen Akkulturationsgrades. Die bisherigen Daten unterstützen Ergebnisse internationaler Studien und heben die Relevanz psychosozialer Betreuung in der Schwangerschaft hervor.