Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(11): 820-823
DOI: 10.1055/s-0041-102520
Fachwissen
So wird’s gemacht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sonografisch gesteuerte Biopsie fokaler Leberläsionen

Ultrasound-guided biopsy of focal liver lesions
Benjamin Meier
1   Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie, Ludwigsburg
,
Karel Caca
1   Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie, Ludwigsburg
,
Christoph Klinger
1   Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie, Ludwigsburg
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Dr. med. Benjamin Meier
Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie
Posilipostraße 4
71640 Ludwigsburg

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. Mai 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Die sonografisch gesteuerte Biopsie ist ein wichtiges diagnostisches Instrument, um unklare Leberrundherde histologisch zu beurteilen. In den Händen eines erfahrenen Untersuchers ist sie zudem sehr risikoarm. Erfahren Sie hier, wie eine Leberbiopsie Schritt für Schritt abläuft“.


Abstract

The ultrasound-guided liver biopsy is an important tool to obtain histological samples of suspicious lesions. The technique is effective and complications are rare. After the procedure a standardized monitoring of the patient is necessary. We describe the procedure and the post-interventional monitoring of a liver biopsy step by step.


Die Leberbiopsie ist eine aussagekräftige Untersuchungsmethode, um unklare diffuse Lebererkrankungen und Rundherde einzuordnen. In den Händen eines erfahrenen Untersuchers ist sie zudem sehr risikoarm. Erfahren Sie hier, wie eine Leberbiopsie fokaler Läsionen Schritt für Schritt abläuft.

Bevor es losgeht

Indikationen | Die sonografisch gesteuerte Biopsie ist ein wichtiges diagnostisches Instrument, um unklare Leberrundherde histologisch zu beurteilen. Für eine Leberbiopsie sollte man sich nur entscheiden, wenn sich aus ihr therapeutische Konsequenzen ergeben. Keine Biopsie ist erforderlich bei:

  • Verdacht auf ein hepatozelluläres Karzinom bei typischer kontrastmittelverstärkter Bildgebung und vorliegender Leberzirrhose

  • benignen Leberläsionen mit typischem Kontrastmittelverhalten

  • neuen Leberrundherden bei bekanntem metastasierten Tumorleiden

Eine Sondersituation ist die Punktion neuer Leberherde bei bekanntem Tumorleiden, um diese vor einer geplanten zielgerichteten Tumortherapie (z. B. Her2-neu beim Mammakarzinom) immunhistochemisch oder molekulargenetisch zu untersuchen.

Kontraindikationen | Bei der Leberpunktion handelt es sich um einen elektiven Eingriff. Kontraindikationen sind:

  • Antikoagulation

  • INR > 1,5 und Thrombozyten < 50 000 / µl (individuelle Blutungsanamnese berücksichtigen)

  • Gerinnungsstörungen

  • manifester Infekt

  • fehlendes Einverständnis

Eine Punktion unter ASS oder NSAR ist möglich, falls eine eindeutige Indikation für die Einnahme besteht [1]. Ansonsten sollte die Einnahme für 5 Tage pausiert werden. Die kombinierte Einnahme von ASS und NSAR sollten Sie aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos vermeiden. Antikoagulantien müssen vor dem Eingriff pausiert werden (Heparin / NMH 12 Std., Clopidogrel 5 Tage, neue direkte orale Antikoagulantien 24–48 Std.) [2]. Aszites ist eine relative Kontraindikation. Hier müssen Sie den Patienten über das erhöhte Blutungsrisiko aufklären.

Eine Biopsie fokaler Leberläsionen unter ASS oder NSAR ist möglich.

Nadeltypen und Punktionstechnik | Heutzutage werden überwiegend „Core-biopsy“- oder „Tru-Cut“-Nadeln mit einem Diameter von 18 G in Kombination mit halbautomatischen oder automatischen Biopsiesystemen verwendet. Die Punktion wird sonografisch gesteuert mittels

  • Freihandpunktion

  • Schallkopfaufsätzen oder

  • Punktionsschallköpfen.

Freihandtechnik | Bei der Freihandtechnik sticht man die Punktionsnadel mit 1–2 cm Abstand vom Schallkopf (no-touch-Technik) ein und führt sie frei mit der Hand in der Schallkopfebene (lange Achse = in-plane; (Abb.  [ 1 ]). Diese Technik ist kostengünstig und erlaubt eine große Flexibilität, da sie mit jedem Sonografiegerät möglich ist und die Punktionsrichtung frei gewählt werden kann.

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Abb. 1 Punktion in Freihandtechnik in der langen Achse (in-plane). Die Nadel erscheint im sonografischen Bild als echoreiche Linie. Bildnachweis: Christoph Klinger

Für die Freihandtechnik ist etwas Übung erforderlich. Unerfahrene Untersucher sollten sich daher zunächst auf große, oberflächlich gelegene Läsionen beschränken.

Punktionshilfen | Bei Schallkopfaufsätzen und Punktionsschallköpfen (Abb.  [ 2 ]) lassen sich meist nur 2 bzw. 3 verschiedene Punktionswinkel auswählen. Sie können die Punktionsrichtung somit nicht frei wählen. Allerdings erlauben diese Punktionshilfen auch tief gelegene kleine Läsionen in Nachbarschaft kritischer Strukturen (z. B. Blutgefäße, Gallenblase) sicher zu punktieren. Die Punktion mit Punktionshilfen ist jedoch kostenintensiver als die Freihandtechnik.

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Abb. 2 Punktionsschallkopf (links) und Schallkopf mit Punktionsaufsatz (rechts). Bildnachweis: Anna N. Wolter

Komplikationen | Die sonografisch gesteuerte Biopsie fokaler Leberläsionen ist ein relativ risikoarmes Verfahren. Eine klinisch relevante Blutung tritt bei ca. 0,32 % der Patienten auf, wobei stark vaskularisierte und oberflächlich gelegene Läsionen (z. B. HCC, neuroendokrine Tumoren, malignes Melanom) ein etwas erhöhtes Risiko haben. Die Letalität von Leberbiopsien liegt bei ca. 0,05 %, bei der Punktion fokaler Leberläsionen liegt sie bei ca. 0,09 % [3]. Bei kontinuierlicher sonografischer Darstellung der Punktionsnadel kommt es nur sehr selten zu einer Verletzung von Nachbarorganen. Auch infektiöse Komplikationen sind sehr selten, solange Sie die nötigen Hygienemaßnahmen beachten. Die Häufigkeit einer Stichkanalmetastasierung ist in der Literatur umstritten. [4], [5]

Vorbereitung des Patienten | Der Patient sollte 24 Stunden vor dem Eingriff über die möglichen Komplikationen aufgeklärt werden. Für den Eingriff selbst sollte er für 4–6 Stunden nüchtern sein. Wie er für die Punktion gelagert wird, ist abhängig vom gewählten Punktionsweg.

Letzte Vorbereitungsschritte | Vor dem Eingriff sind folgende Vorbereitungen zu treffen:

  • Überprüfung der Indikation und möglicher Kontraindikationen

  • Überprüfung der Medikation und der aktuellen Laborparameter

  • Anlage einer Venenverweilkanüle

  • Monitoring (regelmäßige Dokumentation von Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung)

  • Vorbereitung des sterilen Tisches (Abb.  [ 3 ])

  • Sonografische Lokalisation der Läsion

  • Festlegung des optimalen Punktionsweges (Gewebsdeckung > 5 mm, ausreichender Abstand zu Gefäßen und Gallenblase)

  • Lagerung des Patienten abhängig vom gewählten Punktionsweg

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Abb. 3 Materialien für die Leberpunktion. (1) Steriles Gefäß mit NaCl 0,9 %, (2) Spritzen mit Lokalanästhetikum, (3) sterile Schallkopfhülle, (4) Hautdesinfektionsmittel, (5) steriles Sonographie-Gel, (6) sterile Kompressen, (7) Pflaster, (8) Punktionsnadel (18 G Biopince®). Bildnachweis: Anna N. Wolter

So wird’s gemacht: Leberbiopsie

Hygienemaßnahmen | Um infektiöse Komplikationen zu vermeiden, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  • Händedesinfektion

  • sterile Handschuhe

  • Hautdesinfektion

  • steriles Abdecktuch

  • steriles Schallgel oder alkoholisches Desinfektionsmittel

  • Reinigung und Desinfektion des Schallkopfes

  • sterile Schallkopfhülle (bei „no-touch“-Technik nicht erforderlich)

Anästhesie | Während der Punktion sollte der Untersucher dem Patienten alle Handlungen ankündigen. Nach sorgfältiger Hautdesinfektion und sterilem Abdecken erfolgt die Lokalanästhesie mit 10 ml Scandicain 1 % (Abb.  [ 4 ]). In Einzelfällen können Sie mit Midazolam sedieren.

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Abb. 4 Lokalanästhesie mit 10 ml Scandicain 1 %.Bildnachweis: Anna N. Wolter

Einstellung und Punktion | Die Läsion wird zunächst sonografisch eingestellt (Abb.  [ 5 ]). Hierbei können vor allem bei kranial gelegenen Läsionen Atemmanöver hilfreich sein. Die Punktionsnadel wird ca. 1–2 cm neben dem Schallkopf eingestochen („no-touch-Technik“; Abb.  [ 6 ]). Je nach Punktionsnadel ist vorher eine Stichinzision mit einem Skalpell notwendig. Anschließend wird die Punktionsnadel unter ständiger sonografischer Kontrolle vorgeführt und die Läsion punktiert (Abb.  [ 7 ] und Abb.  [ 8 ]).

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Abb. 5 Sonografische Einstellung der Läsion. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 6 Die Punktionsnadel wird ca. 1–2 cm neben dem Schallkopf eingestochen. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 7 Sonografische Kontrolle während der Biopsie. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 8 Der Punktionsmechanismus wird ausgelöst. Bildnachweis: Anna N. Wolter

Cave Achten Sie darauf, dass eine ausreichende Gewebedeckung (> 5 mm) gegeben ist und keine Gefäße im Punktionsweg liegen. Punktieren Sie möglichst nicht in Richtung Gefäße oder Gallenblase.

Kontrolle des Lebergewebes | Nachdem man die Punktionsnadel entfernt hat, wird der Gewebezylinder ausgelöst und in NaCl 0,9 % gegeben (Abb.  [ 9 ]). Die Nadel bleibt dabei steril und kann ggf. für eine zweite Biopsie verwendet werden. Überführen Sie die Probe in Formalin 4 % und kontrollieren Sie sie optisch (Abb.  [ 10 ]).

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Abb. 9 Die Probe wird in NaCl 0,9 % gegeben. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 10 Die Probe wird in Formalin 4 % umgefüllt und optisch kontrolliert. Bildnachweis: Anna N. Wolter

Normales Lebergewebe hat eine rotbraune Farbe. Pathologische Veränderungen sind hingegen meist weißlich.

Falls Unsicherheit besteht, ob ausreichend gutes Material vorliegt, sollten Sie erneut biopsieren. Bei nekrotisch zerfallenden Läsionen sind immer mindestens zwei Punktionen (zentral und peripher) notwendig, um neben nekrotischem Material auch sicher vitales Gewebe zu erhalten.


Nach dem Eingriff

Patientenlagerung | Nach der Punktion wird ein steriles Pflaster auf die Punktionsstelle geklebt. Der Patient legt sich auf die Seite, so dass die Punktionsstelle auf einer Kissenrolle oder einem Sandsack zu liegen kommt (Abb.  [ 11 ]). Hierdurch soll sich das Risiko einer Nachblutung minimieren.

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Abb. 11 Lagerung des Patienten auf einer Kissenrolle.Bildnachweis: Anna N. Wolter

Klinisch beobachten | Bezüglich der Nachsorge gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen. Da sich 80 % der Komplikationen innerhalb der ersten 24 Stunden ereignen, ist eine klinische Beobachtung während dieser Zeit notwendig. Wichtig ist, dass die Nachsorge abteilungsintern standardisiert und dokumentiert wird (Festlegung einer „standard operating procedure“).

Kontrolle | In unserer Klinik soll der Patient nach Punktion eine Bettruhe (Lagerung auf Kissenrolle / Sandsack) für 4 Stunden einhalten. Während dieser Zeit bleibt er nüchtern. Blutdruck und Herzfrequenz werden über 2 Stunden halbstündlich, dann über weitere 2 Stunden stündlich und zuletzt bis 22 Uhr alle 2 Stunden gemessen. Das anschließende Prozedere hängt individuell vom Verlauf ab. Eine Blutbildkontrolle führen wir 4 Stunden nach Punktion und am Folgetag durch. Eine sonografische Kontrolle ist routinemäßig nicht erforderlich, sollte jedoch erfolgen bei:

  • Beschwerden (abdominelle Schmerzen, auffällige Vitalparameter, Abfall des Hämoglobins) nach dem Eingriff

  • Hochrisikopatienten (z. B. eingeschränkte Gerinnungsfunktion, hypervaskularisierte Läsion, schwierige Punktion, gefäßnahe / kapselnahe Lage der Läsion)

Wichtiges in Kürze
  • Die sonografisch gesteuerte Biopsie der Leber ermöglicht durch die gezielte Punktion eines Leberherdes dessen histologische Beurteilung.

  • Eine Punktion sollte nur erfolgen, wenn sich hieraus therapeutische Konsequenzen ergeben.

  • Bei Beachtung der Kontraindikationen ist die Komplikationsrate beim erfahrenen Untersucher gering.

  • Die postinterventionelle Überwachung sollte stets nach abteilungsinternen Standards (SOP) erfolgen und dokumentiert werden.

  • Eine routinemäßige sonografische Kontrolle ist nur bei Hochrisikopatienten erforderlich. Bei Beschwerden ist sie umgehend durchzuführen.



Dr. med. Benjamin Meier

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ist Assistenzarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Ludwigsburg.
benjamin.meier@kliniken-lb.de

Prof. Dr. med. Karel Caca

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ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Ludwigsburg.
karel.caca@kliniken-lb.de

Dr. med. Christoph Klinger

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ist Oberarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Ludwigsburg und Leiter der Sonographie.
christoph.klinger@kliniken-lb.de

Interessenkonflikte: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht


Korrespondenz

Dr. med. Benjamin Meier
Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie
Posilipostraße 4
71640 Ludwigsburg


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Abb. 1 Punktion in Freihandtechnik in der langen Achse (in-plane). Die Nadel erscheint im sonografischen Bild als echoreiche Linie. Bildnachweis: Christoph Klinger
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Abb. 2 Punktionsschallkopf (links) und Schallkopf mit Punktionsaufsatz (rechts). Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 3 Materialien für die Leberpunktion. (1) Steriles Gefäß mit NaCl 0,9 %, (2) Spritzen mit Lokalanästhetikum, (3) sterile Schallkopfhülle, (4) Hautdesinfektionsmittel, (5) steriles Sonographie-Gel, (6) sterile Kompressen, (7) Pflaster, (8) Punktionsnadel (18 G Biopince®). Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 4 Lokalanästhesie mit 10 ml Scandicain 1 %.Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 5 Sonografische Einstellung der Läsion. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 6 Die Punktionsnadel wird ca. 1–2 cm neben dem Schallkopf eingestochen. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 7 Sonografische Kontrolle während der Biopsie. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 8 Der Punktionsmechanismus wird ausgelöst. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 9 Die Probe wird in NaCl 0,9 % gegeben. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 10 Die Probe wird in Formalin 4 % umgefüllt und optisch kontrolliert. Bildnachweis: Anna N. Wolter
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Abb. 11 Lagerung des Patienten auf einer Kissenrolle.Bildnachweis: Anna N. Wolter