Schlüsselwörter
Leberbiopsie - fokale Läsionen - Leberpunktion
Keywords
liver biopsy - focal lesions - liver puncture
Die Leberbiopsie ist eine aussagekräftige Untersuchungsmethode, um unklare diffuse
Lebererkrankungen und Rundherde einzuordnen. In den Händen eines erfahrenen Untersuchers
ist sie zudem sehr risikoarm. Erfahren Sie hier, wie eine Leberbiopsie fokaler Läsionen
Schritt für Schritt abläuft.
Bevor es losgeht
Indikationen | Die sonografisch gesteuerte Biopsie ist ein wichtiges diagnostisches Instrument,
um unklare Leberrundherde histologisch zu beurteilen. Für eine Leberbiopsie sollte
man sich nur entscheiden, wenn sich aus ihr therapeutische Konsequenzen ergeben. Keine
Biopsie ist erforderlich bei:
-
Verdacht auf ein hepatozelluläres Karzinom bei typischer kontrastmittelverstärkter
Bildgebung und vorliegender Leberzirrhose
-
benignen Leberläsionen mit typischem Kontrastmittelverhalten
-
neuen Leberrundherden bei bekanntem metastasierten Tumorleiden
Eine Sondersituation ist die Punktion neuer Leberherde bei bekanntem Tumorleiden,
um diese vor einer geplanten zielgerichteten Tumortherapie (z. B. Her2-neu beim Mammakarzinom)
immunhistochemisch oder molekulargenetisch zu untersuchen.
Kontraindikationen | Bei der Leberpunktion handelt es sich um einen elektiven Eingriff. Kontraindikationen
sind:
Eine Punktion unter ASS oder NSAR ist möglich, falls eine eindeutige Indikation für
die Einnahme besteht [1]. Ansonsten sollte die Einnahme für 5 Tage pausiert werden. Die kombinierte Einnahme
von ASS und NSAR sollten Sie aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos vermeiden. Antikoagulantien
müssen vor dem Eingriff pausiert werden (Heparin / NMH 12 Std., Clopidogrel 5 Tage,
neue direkte orale Antikoagulantien 24–48 Std.) [2]. Aszites ist eine relative Kontraindikation. Hier müssen Sie den Patienten über
das erhöhte Blutungsrisiko aufklären.
Eine Biopsie fokaler Leberläsionen unter ASS oder NSAR ist möglich.
Nadeltypen und Punktionstechnik | Heutzutage werden überwiegend „Core-biopsy“- oder „Tru-Cut“-Nadeln mit einem Diameter
von 18 G in Kombination mit halbautomatischen oder automatischen Biopsiesystemen verwendet.
Die Punktion wird sonografisch gesteuert mittels
-
Freihandpunktion
-
Schallkopfaufsätzen oder
-
Punktionsschallköpfen.
Freihandtechnik | Bei der Freihandtechnik sticht man die Punktionsnadel mit 1–2 cm Abstand vom Schallkopf
(no-touch-Technik) ein und führt sie frei mit der Hand in der Schallkopfebene (lange
Achse = in-plane; (Abb.
[
1
]). Diese Technik ist kostengünstig und erlaubt eine große Flexibilität, da sie mit
jedem Sonografiegerät möglich ist und die Punktionsrichtung frei gewählt werden kann.
Abb. 1 Punktion in Freihandtechnik in der langen Achse (in-plane). Die Nadel erscheint im
sonografischen Bild als echoreiche Linie. Bildnachweis: Christoph Klinger
Für die Freihandtechnik ist etwas Übung erforderlich. Unerfahrene Untersucher sollten
sich daher zunächst auf große, oberflächlich gelegene Läsionen beschränken.
Punktionshilfen | Bei Schallkopfaufsätzen und Punktionsschallköpfen (Abb.
[
2
]) lassen sich meist nur 2 bzw. 3 verschiedene Punktionswinkel auswählen. Sie können
die Punktionsrichtung somit nicht frei wählen. Allerdings erlauben diese Punktionshilfen
auch tief gelegene kleine Läsionen in Nachbarschaft kritischer Strukturen (z. B. Blutgefäße,
Gallenblase) sicher zu punktieren. Die Punktion mit Punktionshilfen ist jedoch kostenintensiver
als die Freihandtechnik.
Abb. 2 Punktionsschallkopf (links) und Schallkopf mit Punktionsaufsatz (rechts). Bildnachweis:
Anna N. Wolter
Komplikationen | Die sonografisch gesteuerte Biopsie fokaler Leberläsionen ist ein relativ risikoarmes
Verfahren. Eine klinisch relevante Blutung tritt bei ca. 0,32 % der Patienten auf,
wobei stark vaskularisierte und oberflächlich gelegene Läsionen (z. B. HCC, neuroendokrine
Tumoren, malignes Melanom) ein etwas erhöhtes Risiko haben. Die Letalität von Leberbiopsien
liegt bei ca. 0,05 %, bei der Punktion fokaler Leberläsionen liegt sie bei ca. 0,09 %
[3]. Bei kontinuierlicher sonografischer Darstellung der Punktionsnadel kommt es nur
sehr selten zu einer Verletzung von Nachbarorganen. Auch infektiöse Komplikationen
sind sehr selten, solange Sie die nötigen Hygienemaßnahmen beachten. Die Häufigkeit
einer Stichkanalmetastasierung ist in der Literatur umstritten. [4], [5]
Vorbereitung des Patienten | Der Patient sollte 24 Stunden vor dem Eingriff über die möglichen Komplikationen
aufgeklärt werden. Für den Eingriff selbst sollte er für 4–6 Stunden nüchtern sein.
Wie er für die Punktion gelagert wird, ist abhängig vom gewählten Punktionsweg.
Letzte Vorbereitungsschritte | Vor dem Eingriff sind folgende Vorbereitungen zu treffen:
-
Überprüfung der Indikation und möglicher Kontraindikationen
-
Überprüfung der Medikation und der aktuellen Laborparameter
-
Anlage einer Venenverweilkanüle
-
Monitoring (regelmäßige Dokumentation von Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung)
-
Vorbereitung des sterilen Tisches (Abb.
[
3
])
-
Sonografische Lokalisation der Läsion
-
Festlegung des optimalen Punktionsweges (Gewebsdeckung > 5 mm, ausreichender Abstand
zu Gefäßen und Gallenblase)
-
Lagerung des Patienten abhängig vom gewählten Punktionsweg
Abb. 3 Materialien für die Leberpunktion. (1) Steriles Gefäß mit NaCl 0,9 %, (2) Spritzen
mit Lokalanästhetikum, (3) sterile Schallkopfhülle, (4) Hautdesinfektionsmittel, (5)
steriles Sonographie-Gel, (6) sterile Kompressen,
(7) Pflaster, (8) Punktionsnadel (18 G Biopince®). Bildnachweis: Anna N. Wolter
So wird’s gemacht: Leberbiopsie
Hygienemaßnahmen | Um infektiöse Komplikationen zu vermeiden, sollten Sie folgende Punkte beachten:
-
Händedesinfektion
-
sterile Handschuhe
-
Hautdesinfektion
-
steriles Abdecktuch
-
steriles Schallgel oder alkoholisches Desinfektionsmittel
-
Reinigung und Desinfektion des Schallkopfes
-
sterile Schallkopfhülle (bei „no-touch“-Technik nicht erforderlich)
Anästhesie | Während der Punktion sollte der Untersucher dem Patienten alle Handlungen ankündigen.
Nach sorgfältiger Hautdesinfektion und sterilem Abdecken erfolgt die Lokalanästhesie
mit 10 ml Scandicain 1 % (Abb.
[
4
]). In Einzelfällen können Sie mit Midazolam sedieren.
Abb. 4 Lokalanästhesie mit 10 ml Scandicain 1 %.Bildnachweis: Anna N. Wolter
Einstellung und Punktion | Die Läsion wird zunächst sonografisch eingestellt (Abb.
[
5
]). Hierbei können vor allem bei kranial gelegenen Läsionen Atemmanöver hilfreich
sein. Die Punktionsnadel wird ca. 1–2 cm neben dem Schallkopf eingestochen („no-touch-Technik“;
Abb.
[
6
]). Je nach Punktionsnadel ist vorher eine Stichinzision mit einem Skalpell notwendig.
Anschließend wird die Punktionsnadel unter ständiger sonografischer Kontrolle vorgeführt
und die Läsion punktiert (Abb.
[
7
] und Abb.
[
8
]).
Abb. 5 Sonografische Einstellung der Läsion. Bildnachweis: Anna N. Wolter
Abb. 6 Die Punktionsnadel wird ca. 1–2 cm neben dem Schallkopf eingestochen. Bildnachweis:
Anna N. Wolter
Abb. 7 Sonografische Kontrolle während der Biopsie. Bildnachweis: Anna N. Wolter
Abb. 8 Der Punktionsmechanismus wird ausgelöst. Bildnachweis: Anna N. Wolter
Cave Achten Sie darauf, dass eine ausreichende Gewebedeckung (> 5 mm) gegeben ist und
keine Gefäße im Punktionsweg liegen. Punktieren Sie möglichst nicht in Richtung Gefäße
oder Gallenblase.
Kontrolle des Lebergewebes | Nachdem man die Punktionsnadel entfernt hat, wird der Gewebezylinder ausgelöst und
in NaCl 0,9 % gegeben (Abb.
[
9
]). Die Nadel bleibt dabei steril und kann ggf. für eine zweite Biopsie verwendet
werden. Überführen Sie die Probe in Formalin 4 % und kontrollieren Sie sie optisch
(Abb.
[
10
]).
Abb. 9 Die Probe wird in NaCl 0,9 % gegeben. Bildnachweis: Anna N. Wolter
Abb. 10 Die Probe wird in Formalin 4 % umgefüllt und optisch kontrolliert. Bildnachweis:
Anna N. Wolter
Normales Lebergewebe hat eine rotbraune Farbe. Pathologische Veränderungen sind hingegen
meist weißlich.
Falls Unsicherheit besteht, ob ausreichend gutes Material vorliegt, sollten Sie erneut
biopsieren. Bei nekrotisch zerfallenden Läsionen sind immer mindestens zwei Punktionen
(zentral und peripher) notwendig, um neben nekrotischem Material auch sicher vitales
Gewebe zu erhalten.
Nach dem Eingriff
Patientenlagerung | Nach der Punktion wird ein steriles Pflaster auf die Punktionsstelle geklebt. Der
Patient legt sich auf die Seite, so dass die Punktionsstelle auf einer Kissenrolle
oder einem Sandsack zu liegen kommt (Abb.
[
11
]). Hierdurch soll sich das Risiko einer Nachblutung minimieren.
Abb. 11 Lagerung des Patienten auf einer Kissenrolle.Bildnachweis: Anna N. Wolter
Klinisch beobachten | Bezüglich der Nachsorge gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen. Da sich 80 %
der Komplikationen innerhalb der ersten 24 Stunden ereignen, ist eine klinische Beobachtung
während dieser Zeit notwendig. Wichtig ist, dass die Nachsorge abteilungsintern standardisiert
und dokumentiert wird (Festlegung einer „standard operating procedure“).
Kontrolle | In unserer Klinik soll der Patient nach Punktion eine Bettruhe (Lagerung auf Kissenrolle / Sandsack)
für 4 Stunden einhalten. Während dieser Zeit bleibt er nüchtern. Blutdruck und Herzfrequenz
werden über 2 Stunden halbstündlich, dann über weitere 2 Stunden stündlich und zuletzt
bis 22 Uhr alle 2 Stunden gemessen. Das anschließende Prozedere hängt individuell
vom Verlauf ab. Eine Blutbildkontrolle führen wir 4 Stunden nach Punktion und am Folgetag
durch. Eine sonografische Kontrolle ist routinemäßig nicht erforderlich, sollte jedoch
erfolgen bei:
-
Beschwerden (abdominelle Schmerzen, auffällige Vitalparameter, Abfall des Hämoglobins)
nach dem Eingriff
-
Hochrisikopatienten (z. B. eingeschränkte Gerinnungsfunktion, hypervaskularisierte
Läsion, schwierige Punktion, gefäßnahe / kapselnahe Lage der Läsion)
-
Die sonografisch gesteuerte Biopsie der Leber ermöglicht durch die gezielte Punktion
eines Leberherdes dessen histologische Beurteilung.
-
Eine Punktion sollte nur erfolgen, wenn sich hieraus therapeutische Konsequenzen ergeben.
-
Bei Beachtung der Kontraindikationen ist die Komplikationsrate beim erfahrenen Untersucher
gering.
-
Die postinterventionelle Überwachung sollte stets nach abteilungsinternen Standards
(SOP) erfolgen und dokumentiert werden.
-
Eine routinemäßige sonografische Kontrolle ist nur bei Hochrisikopatienten erforderlich.
Bei Beschwerden ist sie umgehend durchzuführen.