Schlüsselwörter
Nierenversagen - Leberzirrhose - akutes Leberversagen - Intensivmedizin
Keywords
kidney failure - liver cirrhosis - acute liver failure - intensive care
Patienten mit fortgeschrittener dekompensierter Leberzirrhose erleiden häufig auch
ein akutes Nierenversagen – das hepatorenale Syndrom ist eine Ursache dafür. Durch
eine reduzierte Nierenperfusion ist die Funktion des Organs eingeschränkt, die Prognose
ist schlecht. Lesen Sie hier, was bei Diagnostik und Therapie dieser lebensbedrohlichen
Erkrankung zu beachten ist – je schneller der Patient behandelt wird, desto größer
sind seine Überlebenschancen.
Der konkrete Fall
Anamnese | Ein 46-jähriger Patient mit bekannter Leberzirrhose stellt sich aufgrund
-
einer Bauchumfangszunahme,
-
zunehmender körperlicher Schwäche und
-
reduzierter Urinausscheidung
im Krankenhaus vor. Der Patient ist bereits in der Lebertransplantationsambulanz der
Klinik bekannt; hier wurde er vor einem Jahr aufgrund einer äthyltoxischen Leberzirrhose
mit rezidivierenden hydropischen Dekompensationen evaluiert. Er wurde zur Lebertransplantation
bei Eurotransplant nach Einhaltung der Abstinenzkriterien gelistet. Zur weiteren Diagnostik
und Therapie nehmen wir den Patienten auf.
Untersuchungen | In der körperlichen Untersuchung zeigt sich ein kachektischer Patient in reduziertem
Allgemeinzustand mit aufgetriebenem Abdomen und Beinödemen, ohne klinische Blutungszeichen,
mit mäßiger arterieller Hypotonie (90 / 60 mmHg) bei normofrequentem Sinusrythmus.
Es besteht kein Fieber. Laborchemisch zeigen sich
-
deutlich erhöhte Retentionsparameter,
-
eine Hypoalbuminämie und
-
eine Infektkonstellation mit deutlich erhöhtem CRP und Procalcitonin.
Sonografisch finden sich die Zeichen einer kleinknotigen Leberzirrhose mit portaler
Hypertension und ausgeprägten Mengen an Aszites. Die Nieren sind beidseits normal
groß und ohne Harnstauungszeichen. Die Beurteilung des Aszites erbringt ein Transsudat
mit deutlich erhöhter Granulozytenzahl, die mikrobiologische Aufarbeitung den Nachweis
von Enterokokkus faecalis. Der Urinstatus zeigt eine geringe Erythro- und Leukozyturie,
Nitrit negativ, fehlende Proteinurie.
Diagnose, Therapie und Verlauf | Die Diagnose lautet: dekompensierte Leberzirrhose äthyltoxischer Genese im Child-Pugh
Stadium C (10 Punkte) mit Nachweis einer spontan bakteriellen Peritonitis (SBP) und
akutem Nierenversagen gemischt prärenaler und hepatorenaler Genese. Zunächst erfolgen
-
die intravenöse Flüssigkeitssubstitution mit kristalloider Lösung,
-
Absetzen der Diuretika,
-
empirische, im Verlauf resistenzgerechte Antibiotikatherapie und
-
intravenöse Humanalbumingabe unter Bilanzierung und hämodynamischem Monitoring auf
der Überwachungsstation (Intermediate Care Station, IMC).
Die hämodynamische Situation kann ohne signifikante Zunahme der Diurese oder Regredienz
der Retentionsparameter rasch gebessert werden – es folgt die Einleitung einer intravenösen
Terlipressintherapie. Im Verlauf normalisieren sich die Rententionsparameter (Abb.
[
1
]). Die Sanierung der SBP ist jedoch schwierig und langwierig – mit gehäuft notwendigen
Parazentesen und vergeblichen Auslassversuchen des Terlipressin. Letztendlich wird
unter intraperitonealer Vancomycingabe die SBP saniert und eine anhaltende Rekompensation
erreicht. Der Patient wird mit einer Chinolon-Dauerprophylaxe entlassen. Nach mikrobiologischer
Konsolidierung erfolgt nun weiterhin die regelmäßige Kontrolle in der Lebertransplantationsambulanz.
Abb. 1 Zeitlicher Verlauf der Laborparameter des Patienten unter der Therapie (Kreatitin,
Bilirubin, Albumin, CRP).
Diskussion | Ein akutes Nierenversagen tritt bei Patienten mit fortgeschrittener, dekompensierter
Leberzirrhose häufig auf und kann verschiedene Ursachen haben. Für eine kausale Therapie
(Lebertransplantation) ist eine Infektsanierung essenziell. Auch die Normalisierung
der Nierenfunktion beeinflusst das Überleben nach Transplantation entscheidend. Bei
rezidivierenden hydropischen Dekompensationen sollte man als Überbrückungsmaßnahme
bis zur Transplantation erwägen, einen transjugulären intrahepatischen portosystemischen
Shunt (TIPS) im infektfreien Intervall anzulegen.
Hintergrund und Definition
Hintergrund und Definition
Nierenversagen bei Lebererkrankung | Das hepatorenale Syndrom (HRS) ist eine Ursache des akuten Nierenversagens bei Patienten
mit fortgeschrittener Lebererkrankung. Eine rasche Diagnose und Therapie haben entscheidenden
Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit. Vor allem sind Patienten mit portaler
Hypertension bei Leberzirrhose betroffen. Ein HRS kann aber auch bei Patienten mit
schwerer alkoholischer Hepatitis oder seltener bei diffuser Lebermetastasierung auftreten.
Das HRS ist eine potenziell reversible Einschränkung der Nierenfunktion, die durch
reduzierte Nierenperfusion bei schwerem Leberschaden hervorgerufen wird. Es ist mit
einer sehr schlechten Prognose assoziiert.
Typ I und II | Die deutschen und internationalen Leitlinien und die meisten Publikationen unterscheiden
zwei Formen: Das HRS Typ I, das durch eine rasche Verschlechterung der Nierenfunktion
mit Anstieg des Serumkreatinins über 2,5 mg / dl innerhalb von 2 Wochen charakterisiert
ist. Das HRS Typ II präsentiert sich durch ein moderates Nierenversagen mit Serumkreatininwerten
zwischen 1,5 und 2,5 mg / dl und langsam fortschreitendem Verlauf, häufig assoziiert
mit Aszites [1]
[10]
[11]
[12].
Pathogenese
Arterielle Vasodilatation | Zentraler Pathomechanismus des HRS scheint die portale Hypertension zu sein, die
eine arterielle Vasodilatation im Splanchnikusgebiet begünstigt. Eine erhöhte Produktion
an Vasodilatatoren, v. a.
in der splanchnischen Zirkulation ist einer der entscheidenden Faktoren hierfür. In
den frühen Stadien der Leberzirrhose kompensiert ein erhöhtes Herzzeitvolumen diese
vasodilatatorischen Effekte. Mit zunehmender Verschlechterung der Leberfunktion ist
dieser Mechanismus in Form einer hyperkinetischen kardialen Antwort überlastet – der
Abfall des systemischen Gefäßwiderstands kann nicht mehr adäquat kompensiert werden.
Es kommt zu einer Reduktion des effektiven Blutvolumens und des mittleren arteriellen
Blutdrucks. Eine Gegenregulation durch Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems
und des sympathischen Nervensystems führt zu einer Erhöhung des prärenalen Gefäßwiderstands.
Als Folge vermindert sich die renale Perfusion, die glomeruläre Filtrationsrate und
die Natriumausscheidung (häufig unter 10 mg / d) werden reduziert. Unter dem Einfluss
von NO, das vermutlich durch bakterielle Translokation aus dem Intestinum gebildet
wird, wird eine Vasodilatation im
splanchnischen Gefäßsystem aufrecht erhalten [2]
[3].
Zirrhotische Kardiomyopathie | Als wesentlicher pathogenetischer Faktor für das HRS wird zunehmend die zirrhotische
Kardiomyopathie hervorgehoben. Verschiedene Mechanismen wie eine Herabregulation der
β-Rezeptoren an den Kardiomyozyten durch
sind in die Entstehung der zirrhotischen Kardiomyopathie involviert [4]. In fortgeschrittenen Stadien der Leberzirrhose kommt es häufig zu dieser Erkrankung.
Sie kann auch die Entwicklung eines HRS beschleunigen: Weil sich das Herzzeitvolumen
nicht steigert, verschlechtert sich das effektive Blutvolumen weiter und der systemische
Gefäßwiderstand wird reduziert [5].
Auslöser des HRS | Bakterielle Infektionen wie die spontane bakterielle Peritonitis oder gastrointestinale
Blutungen können das HRS auslösen. Ein HRS tritt allerdings auch häufiger bei Patienten
mit bereits vorab zugrundeliegender Nierenerkrankung auf.
Auch die durch Gabe von NSAR (nicht steroidalen Antirheumatika) ausgelöste Cyclooxygenase-Inhibition
kann bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites ein HRS-ähnliches Krankheitsbild
hervorrufen. Daher sind diese Medikamente kontraindiziert [6].
Die Pathogenese des hepatorenalen Syndroms ist in Abb.
[
2
] schematisch dargestellt.
Abb. 2 Schematische Darstellung pathophysiologischer Veränderungen und Gegenregulationsmechanismen
bei kompensierter Zirrhose im Vergleich zur dekompensierten Zirrhose (NO: Stickstoffmonoxid,
CO: Kohlendioxid, RAAS: Renin-Angiotensin-Aldosteron-System; ADH: antidiuretisches
Hormon).
Epidemiologie
Inzidenz | Die Inzidenz des HRS liegt bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites im ersten Jahr
bei 18 % und nach 5 Jahren bei 39 % [7]. Patienten mit Hyponatriämie und hoher Plasma-Renin-Aktivität zeigen ein deutlich
erhöhtes Risiko. Interessanterweise ist bei Patienten mit Leberzirrhose aufgrund einer
primär biliären Zirrhose das Risiko für Aszites und HRS deutlich verringert. Bei Patienten
mit akuter alkoholischer Hepatitis beträgt die Inzidenz des HRS in einer Studie hingegen
ca. 27 % [8].
Weitere Ursachen für Nierenversagen | Bei Patienten mit Leberzirrhose ist das hepatorenale Syndrom allerdings nur eine von
mehreren möglichen Ursachen des Nierenversagens, die ca. 13 % ausmacht. Weitere Ursachen
sind das infektgetriggerte Nierenversagen mit 46 %, das prärenale Nierenversagen mit
32 % und parenchymatöse Nierenerkrankungen wie die Glomerulonephritis mit 9 % Häufigkeit
[9].
Diagnostik
Ausschlussdiagnostik | Es gibt kein diagnostisches Verfahren, das die Diagnose eines HRS sichern kann. Deshalb
muss es durch eine komplexe Ausschlussdiagnostik identifiziert werden. Die diagnostischen
Kriterien wurden durch den internationalen Aszitesclub (IAC) 1996 definiert und haben
trotz ihrer Limitiationen ihre Gültigkeit [10].
Beim HRS handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose bei Patienten mit Leberzirrhose
oder alkoholischer Steatohepatitis und Niereninsuffizienz, definiert als eine Kreatininerhöhung
über 1,5 mg / dl.
Ausschlusskriterien | Diverse Erkrankungen, die zu einer Niereninsuffizienz führen können, müssen ausgeschlossen
werden. Z. B.:
Tab. 1
Diagnostische Kriterien des hepatorenalen Syndroms.
positive Kriterien
|
negative Kriterien (Ausschlusskriterien)
|
Leberzirrhose oder alkoholische Steatohepatitis
|
Schockgeschehen
|
Serumkreatinin > 1,5 mg / dl
|
Therapie mit nephrotoxischen Medikamenten
|
fehlende Normalisierung des Serumkreatitins trotz:
|
Parenchymatöse Nierenerkrankung:
|
Patienten mit einem HRS zeigen in der Regel eine Oligurie, die aber als Kriterium
nicht vorliegen muss, da gerade zu Beginn der Erkrankung das Urinvolumen noch normal
sein kann. Außerdem sollte die diuretische Therapie für mindestens 2 Tage pausiert
werden, mit adäquater intravenöser Volumenexpansion durch Albumin [1].
Diagnostische Schwierigkeiten | In der Praxis ist eine schnelle Umsetzung dieses diagnostischen Verfahrens meist schwierig.
Eine Manipulation an der Harnblase (z. B. Blasenkatheter) oder eine begleitende schwere
Koagulopathie können zu einer (Mikro-)Hämaturie oder granulären Castformationen aufgrund
der Hyperbilirubinämie führen, ohne dass eine parenchymatöse Nierenerkrankung vorliegt.
Dies erschwert die Beurteilung des Urinsediments. Andererseits treten bei den meisten
Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung Mischformen zwischen HRS und anderen
Formen des Nierenversagens auf. Zudem führt ein prolongiertes HRS zu einer akuten
tubulären Nekrose mit tubulärer und nicht mehr nur funktioneller Nierenschädigung.
Daher stellt sich die Frage: Sollte man zunächst andere Ursachen behandeln und erst
bei fehlender oder nur geringfügiger Besserung der Niereninsuffizienz eine HRS-spezifische
Therapie beginnen? Oder sollte ein multimodaler Therapieansatz gewählt werden, um
bei diesen lebensbedrohlich erkrankten Patienten keinen Zeitverlust zu riskieren?
Salerno et al. zeigten, dass ca. ein Drittel der Patienten mit HRS-Diagnose formal
nicht alle oben aufgeführten diagnostischen Kriterien erfüllten, aber dennoch auf
eine Vasokonstriktortherapie ansprachen [13].
Serumkreatinin- und Harnstoff | Bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung ist häufig die Muskelmasse reduziert.
In diesen Fällen müssen Referenzbereiche des Serumkreatinins zur Diagnose eines Nierenversagens
nach unten korrigiert werden. Der in den gültigen Diagnosekriterien aufgeführte Grenzwert
von 1,5 mg / dl kann bei vielen Patienten die Diagnose und notwendige HRS-Behandlung
verzögern. Die Konzentration des Serumharnstoff ist bei diesen Patienten abhängig
von der Proteinzufuhr sehr variabel – als Parameter zur Einschätzung der Nierenfunktion
ist sie ebenfalls ungeeignet.
Urin-Biomarker | Andere Parameter (z. B. vermindertes Urin-Natrium) können zwar eine Aussage über die
Prognose geben. Sie sind aber nicht ausreichend, um bei Patienten mit fortgeschrittener
Lebererkrankung zwischen unterschiedlichen Formen des akuten Nierenversagens zu unterscheiden.
Neuere Urin-Biomarker wie
-
Neutrophil-Associated Lipocalin (uNGAL),
-
Interleukin-18 (IL-18),
-
kidney-injury-molecule-1 (KIM-1) und
-
liver-type fatty acid binding protein (L-FABP)
scheinen interessante Parameter für die Unterscheidung zwischen HRS und anderen Formen
des akuten Nierenversagens zu sein. Allerdings sind hier noch weitere Studien erforderlich
[14], [15].
Kinetik von Retentionsparametern und Diurese | Unter Hepatologen wird seit Jahren eine Anpassung der diagnostischen Kriterien für
das HRS diskutiert – mit unterschiedlichen Vorschlägen für neue Untergrenzen der konventionellen
Retentionsparameter. Möglicherweise ist jedoch für die Prognose bei fortgeschrittener
Lebererkrankung die kurzfristige Kinetik von Retentionsparametern und Diurese noch
wichtiger. Dies hat das Acute Kidney Injury Network (AKIN) vorgeschlagen. Hier wird
das akute Nierenversagen als abrupte Verschlechterung der Nierenfunktion definiert
(innerhalb von 48 h). Dabei steigt das Serumkreatinin um mindestens 0,3 mg / dl an
oder die Urinausscheidung vermindert sich um mehr als 0,5 ml / kg / h für mehr als
6 Stunden [16], [17].
Diagnose der zirrhotischen Kardiomyopathie | Zunehmenden Stellenwert nimmt auch die Diagnostik der zirrhotischen Kardiomyopathie
ein: Diese verschlechtert die Prognose der Patienten deutlich und begrenzt dadurch
auch mögliche Therapieoptionen des HRS wie Lebertransplantation und TIPS-Anlage [18]
[19].
Medikamentöse Therapie
Verbesserung der Leberfunktion | Die optimale Therapie des HRS beruht auf der Verbesserung der Leberfunktion, die allerdings
ohne Transplantation nur bei einem geringen Anteil der Patienten erreicht werden kann.
Eine Verbesserung ist meist nur bei alkoholischer Hepatitis durch Abstinenz von Alkohol
oder bei Hepatitis B / C durch antivirale Therapie möglich. Häufig ist kurzfristig
keine verbesserte Funktion erreichbar, sodass eine medikamentöse Therapie des HRS
notwendig wird.
Human-Albumin-Infusionen | Im folgenden Kapitel wird für die Therapie nicht zwischen HRS Typ I und Typ II unterschieden
– dies ist in der täglichen Praxis von geringer klinischer Relevanz und führt eher
zu unnötiger Verzögerung. Die Therapie der ersten Wahl ist die kombinierte Gabe von
Die Kombinationstherapie ist der alleinigen Therapie mit Albumin deutlich überlegen.
Auch die alleinige Therapie mit Terlipressin als Vasokonstriktor ohne Substitution
von Humanalbumin scheint der Kombinationstherapie unterlegen zu sein. Allerdings wurde
dies nur in einer kleinen Fall-Kontroll-Studie gezeigt [1]. Eine alternative Therapie mit anderen Plasmaexpandern ist beim HRS wenig untersucht
und kann nach der aktuellen Datenlage nicht empfohlen werden. Eine kleine Fallserie
beschreibt die sichere Therapie des HRS mit Gelafundin und Terlipressin, allerdings
ohne direkten Vergleich zur Therapie mit Humanalbumin [20]. Mehrere Arbeiten konnten zeigen, dass der positive Effekt der Therapie mit Humanalbumin
nicht ausschließlich auf die Plasmaexpansion zurückzuführen ist. Auch die Bindung
von proinflammatorischen Substanzen wie Lipopolysacchariden, NO und Prostaglandinen
spielt eine Rolle [21]
[22].
Hydroxyäthylstärke | Eine Therapie mit Hydroxyäthylstärke bei Patienten mit Niereninsuffizienz führte in
intensivmedizinischen Fällen zu einer deutlichen Verschlechterung der Nierenfunktion
mit erhöhter Mortalität, sodass sich diese Therapie verbietet [23].
Terlipressin | Zahlreichen Studien und Metaanalysen konnten die Wirksamkeit von Terlipressin auf
die Verbesserung der Nierenfunktion belegen – insbesondere bei Typ I-HRS. Die Mortalität
wurde zwar nicht durchgehend reduziert, allerdings gab es einen tendenziellen Überlebensvorteil.
Das Typ II-HRS ist in diesen Studien eher unterrepräsentiert. Allerdings zeigte sich
bei diesem Typ häufig keine Verbesserung der Nierenfunktion und Mortalität. Terlipressin
hat eine niedrige Nebenwirkungsrate von ca. 6,8 %. Die wesentliche Nebenwirkung sind
ischämische Ereignisse [24]. Relevante Kontraindikationen sind daher
-
symptomatische koronare Herzerkrankungen,
-
nicht behandelte arterielle Hypertonie,
-
Herzrhythmusstörungen und
-
symptomatische periphere Gefäßerkrankungen.
Terlipressin: Dosierung und Dauer | Häufig wird Terlipressin als Bolusapplikation verabreicht. Jedoch hat eine kontinuierliche
Infusion scheinbar geringere Nebenwirkungen bei vergleichbarer Wirksamkeit [25].
Terlipressin-Dosierung: initial 2–4 mg / d für mindestens 3 Tage, Maximaldosierung:
8–12 mg / d [1].
Die Therapie spricht an, wenn die Diurese zunimmt und das Serumkreatinin abfällt.
Ist dies nach 3 Tagen nicht zu verzeichnen, sollte die Dosierung erhöht werden. In
den meisten Studien wurde eine maximale Therapiedauer von 14 Tagen untersucht; zur
idealen Dauer existieren jedoch kaum Daten. Die Leitlinien empfehlen eine Dauer der
Kombination aus Terlipressin und Albumin bis zum Erreichen eines Serumkreatinins < 1,5 mg / dl
[1].
Vasokonstriktortherapie | Andere Vasokonstriktoren wurden bislang aufgrund der geringen Datenlage nicht in die
Therapieleitlinien für HRS aufgenommen. Erhält ein Patient aufgrund einer anderen
Indikation bereits eine Vasokonstriktortherapie, sollte man aus pathophysiologischer
Sicht und wegen möglicher weiterer Nebenwirkungen nicht zusätzlich Terlipressin verabreichen.
Eine Studie bei Patienten mit HRS Typ II zeigte einen vergleichbaren Effekt von Terlipressin
und Noradrenalin bei günstigerem Kostenprofil des Noradrenalins [26]. Insgesamt sprechen allerdings nur 40–60 % der Patienten auf die Vasokonstriktortherapie
an. Besser anzusprechen scheinen in diesem Zusammenhang:
-
jüngere Patienten,
-
Patienten mit höherer Urin-Natriumkonzentration,
-
Patienten mit niedrigerer Serumkreatininkonzentration und
-
Patienten mit niedrigerem Bilirubinspiegel zu Beginn der Behandlung [13]
[27]
[28].
Behandlung der Ursachen | Neben der spezifischen medikamentösen Therapie sollten mögliche Auslöser identifiziert
und behandelt werden. Zum Beispiel sollte bei bakterieller Infektion eine antibiotische
Therapie erfolgen und mögliche (auch okkulte) gastrointestinale Blutungen sollten
gestillt werden.
Eine zügige Behandlung akuter Blutungen ist außerordentlich wichtig, da sonst die
verbliebene Lebersyntheseleistung erschöpft wird und weitere Interventionen wie die
TIPS-Anlage oder Lebertransplantation schwierig werden [29].
Eine alleinige Therapie dieser Ursachen ist in der Behandlung des HRS allerdings unzureichend
[30]. Diuretika sind per se keine Auslöser des HRS. Sie können zwar ein akutes Nierenversagen
auslösen, dieses ist aber nach Absetzen der Diuretika und Flüssigkeitssubstitution
reversibel. Im Gegensatz hierzu verschlechtert sich das HRS trotz Absetzen weiter,
wenn keine adäquate Therapie des HRS erfolgt. Das therapeutische Vorgehen beim HRS
ist schematisch in Abb.
[
3
] dargestellt.
Abb. 3 Therapeutisches Vorgehen bei Patienten mit hepatorenalem Syndrom(HRS: hepatorenales
Syndrom, SBP: spontan bakterielle Peritonitis, TIPS: transjugulärer intrahepatischer
portosystemischer Shunt, LTX: Lebertransplantation, NTX: Nierentransplantation).
Invasive therapeutische Intervention
Invasive therapeutische Intervention
TIPS-Anlage | Bei allen Patienten mit Leberzirrhose und HRS, insbesondere bei gleichzeitigem Aszites,
sollte man die Indikation zur Anlage eines TIPS prüfen. Sofern keine Kontraindikationen
vorliegen, kann eine frühzeitige TIPS-Anlage
-
das Überleben signifikant verbessern,
-
die Zeit bis zur Transplantation verlängern und
-
die Lebensqualität verbessern [31].
Komplikationen bei TIPS-Anlage | Die Applikation von Kontrastmittel bei der TIPS-Anlage ruft trotz bestehender Niereninsuffizienz
keine langfristige Verschlechterung der Nierenfunktion hervor. Eine wesentliche Komplikation
nach der TIPS-Anlage ist die hepatische Enzephalopathie – neben anderen Kriterien
ist die höhergradige hepatische Enzephalopathie eine Kontraindikation zur TIPS-Anlage
(Tab.
[
2
]). Als Komplikationen können außerdem auftreten:
Tab. 2
Kontraindikationen zur Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen
Shunts. EF = Ejektionsfraktion.
absolute Kontraindikationen
|
relative Kontraindikationen
|
Gesamt-Serumbilirubin > 5 mg / dl
|
Gesamt-Serumbilirubin > 3 mg / dl
|
Rechtsherzbelastung, schwere Linksherzinsuffizienz (EF < 40 %)
|
Alter > 70 Jahre
|
hepatische Enzephalopathie > Grad II
|
hepatozelluläres Karzinom
|
kavernöse Pfortadertransformation
|
Herzinsuffizienz NYHA II
|
spontane bakterielle Peritonitis, schwere systemische Infektion
|
symptomatische KHK
|
schwere Koagulopathie
|
Lebermetastasen
|
-
Verschlechterung der Leberfunktion
-
postinterventionelles Rechtsherzversagen
-
periinterventionelle Blutungen
Stentverschlüsse oder -stenosen sind durch die Einführung der Polytetrafluorethylen-beschicheten
Stents dramatisch zurückgegangen [32]. Andere Shuntverfahren wie peritoneovenöse Shunts kommen aufgrund ihrer hohen Komplikationsrate
und fehlendem Nachweis einer Prognoseverbesserung heute kaum mehr zum Einsatz.
Nierenersatzverfahren zur Therapieunterstützung
Nierenersatzverfahren zur Therapieunterstützung
Überbrückung bis zur Lebertransplantation | Nierenersatzverfahren wie die intermittierende Hämodialyse und kontinuierliche Hämofiltration
ergänzen die medikamentöse Therapie des HRS. Sie dienen aber eher als Überbrückungsverfahren
zur Lebertransplantation. Dialysepflichtige Patienten mit hepatorenalem Syndrom zeigen
eine sehr frühe Sterblichkeit: In einer Studie betrug das durchschnittliche Überleben
dieser Patienten 21 Tage. Extrakorporale Leberersatzverfahren wie MARS® oder Prometheus® haben bisher in Studien mit kleinen Patientenkollektiven keinen signifikanten Vorteil
auf die langfristige Verbesserung der renalen Hämodynamik, Diurese oder auf das Überleben
von Patienten mit HRS gezeigt. Die beiden größten Studien zu den Leberersatzverfahren
MARS® oder Prometheus® zeigten bei Patienten mit AoCLF (Acute-on-Chronic Liver Failure) keinen signifikanten
Vorteil auf das Überleben. Jeweils war ein hoher Anteil an
HRS-Patienten vertreten [33]
[34]. Diese Verfahren sollten allenfalls in kontrollierten Studien in der Hand erfahrener
Zentren zum Einsatz kommen [1].
Ursächliche Therapie durch Lebertransplantation
Ursächliche Therapie durch Lebertransplantation
Kausale Therapie | Die einzige kausale Therapie des HRS, die bei allen Patienten erwogen werden sollte,
ist die Lebertransplantation.
Bei Patienten mit längerdauerndem (> 6 Wochen) HRS sollte man eine kombinierte Nieren-
und Lebertransplantation in Betracht ziehen.
Nach der Transplantation ist bei diesen Patienten nicht selten eine passagere Fortführung
der Nierenersatzverfahren notwendig: Postoperativ kann sich die Nierenfunktion aufgrund
noch verschlechtern. Die präoperative Nierenfunktion trägt entscheidend zum Outcome
bei. Es ist also ausschlaggebend, wie effektiv die Therapie vorher war bzw. wie zeitig
ein Organangebot bestand.
Allokationsverfahren | Problematisch ist in diesem Zusammenhang das Allokationsverfahren für Lebertransplantationen,
das vorwiegend auf dem MELD-Score (Model of End Stage Liver Disease) beruht. In dieses
fließt neben Bilirubin und INR der Kreatininwert ein, und über diese Parameter bewertet
der Score die klinische Dringlichkeit einer Lebertransplantation. Die konservative
Therapie des HRS, die entscheidend die Morbidität und Mortalität des Patienten beeinflusst,
senkt aber auch den MELD-Score. Somit werden die Chancen eines Patienten auf ein Organangebot
geringer.
Aufgrund des eklatanten Organmangels und des deutlich besseren Verlaufs unter konservativer
Therapie darf man die konservative Therapie nicht unterlassen.
Vielmehr ist es notwendig, die Diskussion um geeignetere, (Ätiologie-spezifisch) modifizierte
Allokationsverfahren für eine Lebertransplantation voranzutreiben.
Komplikationen bei konservativem Management | Ein häufiges Problem im klinischen Alltag ist, dass sich die Nierenfunktion initial
verbessert und dann, nach Absetzen der konservativen Therapie, erneut verschlechtert.
Kommt in diesen Fällen eine TIPS-Anlage aufgrund von Kontraindikationen nicht infrage,
ist die Lebertransplantation das einzige Therapieverfahren. Dies kann bedeuten, dass
der Patient bis zur Transplantation im Krankenhaus bleibt – es liegen keine etablierten,
zugelassenen oder leitlinienbasierten Therapien vor.
Positive Effekte einzelner Therapien
Positive Effekte einzelner Therapien
Midodrin | Lediglich kleinere Studien oder Fallpublikationen zeigen positive Effekte mit den
folgenden Therapieoptionen: Eine Pilotstudie untersuchte Patienten mit Typ I-HRS,
die nach initial erfolgreicher Standardbehandlung weiter unter therapierefraktärem
Aszites litten. Die orale Gabe des selektiven alpha-1 Agonisten Midodrin zeigte einen
positiven Effekt [35]. Auch die Kombination von Midodrin p. o. und subkutaner Gabe des Somatostatin-Analogons
Octerotid konnte die Nierenfunktion verbessern [36]
[37]. Ein interessanter, aber nur in Fallserien publizierter Therapieansatz, könnte die
Therapie mit kontinuierlicher Terlipressin-Infusion auch für ambulante Patienten sein.
Bislang ist die Datenlage für eine konkrete Empfehlung jedoch unzureichend. Somit
bleibt dieses Verfahren spezialisierten Zentren in kontrollierten Studien vorbehalten
[38].
Prävention
SBP | Eine spontane bakterielle Peritonitis (SBP) ist ein Auslöser des HRS. Eine antibiotische
Therapie kombiniert mit präventiver, intravenöser Albumin-Substitution kann die Entwicklung
des HRS bei Patienten mit SBP signifikant reduzieren [39]. Bei Patienten mit Leberzirrhose und Risikofaktoren (Child Pugh Score > 9, Serum-Bilirubin
< 3 mg / dl, Proteingehalt des Aszites < 1,5 g / dl) reduzierte die Gabe von Norfloxacin
400 mg / d nicht nur die Rate der SBP, sondern auch das Risiko für HRS [40].
Pentoxifyllin | Die früher propagierte Therapie mit Pentoxifyllin zur Reduktion der Inzidenz des HRS
bei Patienten mit alkoholischer Hepatitis konnte nicht bestätigt werden – diese Medikation
kann nicht generell empfohlen werden [41].
Albumin-Substitution | Eine entscheidende präventive Maßnahme bei Patienten mit Aszites ist die adäquate
Substitution von Albumin nach Körpergewicht bei einer großvolumigen Parazentese (> 5
Liter). Dabei sollte ab dem fünften Liter Aszites die Substitution in einer Dosis
von 6–8 g / l erfolgen [42].
Konsequenz für Klinik und Praxis
-
Das hepatorenale Syndrom ist eine häufige Einschränkung der Nierenfunktion mit Erhöhung
des Serumkreatinins bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose.
-
Andere Ursachen einer Niereninsuffizienz sollten frühzeitig ausgeschlossen werden,
um eine prognoseverbessernde, gezielte Therapie nicht zu verzögern.
-
Die medikamentöse Erstlinientherapie ist die Kombinationsbehandlung aus Humanalbumin
und Vasokonstriktoren – langfristiges Ziel ist immer die Verbesserung der Leberfunktion.
-
Eine TIPS-Anlage kann die Zeit bis zu einer Lebertransplantation überbrücken. Allerdings
müssen relevante Kontraindikationen wie eine hepatische Enzephalopathie ausgeschlossen
werden.
-
Eine Transplantation sollte zeitnah zum Auftreten des HRS und idealerweise unter medikamentös
kontrolliertem HRS erfolgen.