Schlüsselwörter
Hyponatriämie - HCT - distaler Tubulus - Trinkmenge
Keywords
hyponatremia - HCT - distal tubulus - drinking amount
Eine übermäßige Wasseraufnahme wird normalerweise durch die Nieren wieder
ausgeglichen. Es gibt aber eine Reihe von Störungen, die die zugrundeliegenden
Mechanismen beeinträchtigen können. Lesen Sie hier in Kurzform zwei Fälle von
Patientinnen, bei denen sich infolge einer erhöhten Wasseraufnahme eine
Hyponatriämie mit zentralnervösen Symptomen entwickelte. Den ausführlichen „Tübinger
Fall“ mit allen Details zu den Patientinnen und Untersuchungen, vielen Abbildungen
und den Hintergründen finden Sie online.
Fall 1: 80-jährige Patientin
Anamnese | Eine 80-jährige Frau wird mit akut verschlechtertem
Allgemeinzustand, Übelkeit und Erbrechen eingeliefert. Kurz darauf kommt es zu einer
Bewusstseinsminderung mit Amnesie. Die Patientin hatte am Morgen 2–3 l Lavagelösung
für eine Vorsorgekoloskopie getrunken.
Vorerkrankungen | Relevante Vorerkrankungen: Arterielle Hypertonie, Depression
und Restless-Legs-Syndrom. Als Dauermedikation erhielt die Patientin unter anderem
Hydrochlorothiazid (HCT) 25 mg (1–0–1 / 2).
Befunde | Die körperliche Untersuchung ist unauffällig. Die laborchemischen
Befunde sprechen für eine akute Hyponatriämie durch Wasserretention
(„Wasserintoxikation“). Ursache:
Therapie und Verlauf | Das HCT wird umgehend und dauerhaft abgesetzt. Nach
einer gezielten Infusionstherapie mit balancierter und hypertoner NaCl-Lösung
normalisiert sich die Plasma-Natrium-Konzentration nach 10 Stunden. Die Patientin
kann am nächsten Tag enlassen werden.
Fall 2: 86-jährige Patientin
Vorgeschichte | Eine 86-jährige, niereninsuffiziente Diabetikerin wird vom
Hausarzt mit asymptomatisch erhöhtem Serum-Kreatinin eingewiesen.
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Das Labor und eine Abdomensonografie ergeben ein postrenales Nierenversagen
und eine Harnwegsinfektion.
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Nachdem zwei Doppel-J-Harnleiterschienen eingesetzt wurden, ist der Harnstau
komplett rückläufig und die Nierenfunktion erholt sich auf das
Ausgangsniveau.
Ein ambulantes Miktionszysturethrogramm ergibt kurz darauf eine
Refluxnephropathie.
Erneute Hospitalisierung | 20 Tage nach der Entlassung stellt sich die
Patientin mit Schwäche, unsicherem Gang und Vigilanzminderung erneut vor. Seit dem
letzten stationären Aufenthalt habe sie jeden Tag 3 l Wasser getrunken, um ein
weiteres Nierenversagen zu verhindern. Diuretika habe sie nicht eingenommen.
Cave Mineralwasser ist stark hypoton.
Befunde | Die klinische Untersuchung ist weitestgehend unauffällig. Das Labor
ergibt eine hypoosmolare Hyponatriämie und eine inadäquat hohe Urin-Osmolalität. Die
Befunde sprechen auch hier für eine akute Hyponatriämie durch Wasserretention.
Ursache:
Therapie und Verlauf | Unter Flüssigkeitsrestriktion (< 1,5 l / Tag) steigt
das Serum-Natrium und die Symptome sind rückläufig. Eine Normalisierung des
Natriumspiegels kann nicht erreicht werden. 2 Jahre später kommt es erneut zu einer
symptomatischen Hyponatriämie (ohne HCT).
Konsequenz für Klinik und Praxis
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HCT reduziert typischerweise die freie Wasser-Clearance. Dadurch entsteht
eine Hyponatriämie, die vor allem bei erhöhter Trinkmenge manifest
wird.
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Ältere Patienten sind für diesen Effekt besonders vulnerabel. Sie sollten
deshalb vorsichtig auf dieses Präparat eingestellt werden.
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Patienten mit erworbener Schädigung des distalen Tubulus (wie in Fall 2)
können ebenfalls eine Harnverdünnungsstörung und Neigung zur
Hyponatriämie entwickeln.