physiopraxis 2015; 13(11/12): 18-19
DOI: 10.1055/s-0041-106119
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

GeWiifte Therapie – Johanna Briegert

Eva Trompetter

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Publication Date:
27 November 2015 (online)

 

Das Therapeutenherz von Johanna Briegert schlägt seit der Ausbildung für die Pädiatrie. Kinder und Jugendliche mit Mukoviszidose für Therapien zu motivieren, die eintönig sind, ist schwierig. In der Klinik versucht sie, die Patienten mit der Nintendo Wii zu locken. Aber gibt es wissenschaftliche Belege, dass das die Motivation tatsächlich erhöht? Dieser Frage ging Johanna Briegert in ihrer Bachelorarbeit nach.


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Abb.: J. Briegert

Johanna Briegert …

… ist 24 Jahre alt und lebt in Hannover. 2013 schloss sie ihre Ausbildung am Annastift in Hannover ab. Daraufhin begann sie ein Bachelorstudium in Physiotherapie an der HAWK Hildesheim. Schon in einem Praktikum in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) während der Ausbildung war sie von der Pädiatrie fasziniert. Dort lernte sie erstmals, wie Therapeuten eine Nintendo Wii in der Behandlung einsetzen. Eine Idee, die sie überzeugte, denn oft hatte sie erlebt, dass sich bei Jugendlichen mit Mukoviszidose die Lungenfunktion verschlechtert, weil sie Atemtherapie, Inhalationen oder Medikamente vernachlässigten. Die Wii schien sie zu motivieren. Daraufhin beschloss Johanna Briegert, sich in ihrer Bachelorarbeit näher mit dem Thema zu befassen. Heute arbeitet sie in der Klinik unter anderem auf der Intensivstation und in der Onkologie. Gerne würde sie später noch eine Bobath-Fortbildung machen. Auch ein Masterstudium schließt sie nicht aus. In ihrer Freizeit ist Johanna Briegert gerne draußen, zum Joggen, Spazierengehen und Fahrradfahren. Zudem bietet sie in einem Sportverein Wirbelsäulengymnastik und Funktionstrainingskurse an.

Nintendo Wii bei Mukoviszidose

Die Bachelorarbeit

Auf körperlicher Ebene treten bei Patienten mit Mukoviszidose Veränderungen an der Lunge oder dem Magen-Darm-Trakt auf. Es bildet sich zähes Sekret, der Gasaustausch ist eingeschränkt und zunehmend wird Lungengewebe zerstört. Hinzu kommen sekundäre Veränderungen am Bewegungsapparat, etwa eine BWSKyphose oder ein Fassthorax durch den veränderten Muskeltonus im Rumpf. Durch den straffen Tagesablauf sind die Patienten in ihrem Alltag stark beeinträchtigt: Inhalationen, Medikamente, Eigenübungen und regelmäßige Physiotherapie stehen auf dem Tagesplan. Hinzu kommen Kuren, Krankenhausaufenthalte etwa bei Infekten und regelmäßige Arztbesuche. Dadurch ist auch ihr schulischer und beruflicher Werdegang erschwert. Das macht es schwierig, sich altersgemäß von den Eltern abzulösen, neue Beziehungen und einen eigenen Lebensstil zu entwickeln. Es ist wichtig, dass Patienten mit Mukoviszidose ihr Leben lang psychosoziale Begleitung und eine intensive Behandlung mit Medikamenten, Physio- und Ernährungstherapie bekommen. Damit diese Therapien erfolgreich sind, müssen sie sich an die vereinbarten Empfehlungen der Ärzte und Therapeuten halten – sie müssen adhärent sein. Vor allem in der Ernährungs- und Physiotherapie fehlt jedoch häufig die Motivation, konnten Studien zeigen.

Als Gründe nennen die Forscher vor allem Zeit- und Motivationsmangel, Erschöpfung und dass sie vergessen, ihr Übungen zu machen. Angesichts dieser Erkenntnisse wollte Johanna Briegert anhand einer Literaturrecherche herausfinden, inwieweit es möglich ist, mithilfe der Nintendo Wii die Adhärenz bei Jugendlichen mit Mukoviszidose zu verbessern.

Die Wii ist neben der Freizeit zunehmend in der Medizin zu finden. Sie unterscheidet sich von anderen Konsolen dahingehend, dass sich die Spiele nur durch die Bewegungen im freien Raum bedienen lassen. Der Patient macht die erforderliche Bewegung mit einer Remote- Fernbedienung. Ein virtueller Spieler auf dem Bildschirm imitiert diese Bewegung und führt dadurch etwa einen Schlag beim Tennis aus. Für die Wii gibt es Spiele aus den Bereichen Sport, Lernen und Aktivitäten des täglichen Lebens.


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Die Ergebnisse

Johanna Briegert hat herausgefunden, dass …

  • > die Adhärenz hinsichtlich der Physiotherapie im Vergleich zu anderen Therapien eher niedrig ist. Hier stehen an zwei bis drei Tagen pro Woche Mobilisation, Atemtherapie und Sportprogramm plus tägliches Eigenprogramm an. Zudem empfinden die Patienten etwa die Inhalationen als schwierig und erkennen ihre Wichtigkeit nicht.

  • > beim Spielen mit der Wii, etwa beim Laufen oder Boxen, die kardiovaskulären Anforderungen, der Energieaufwand, die subjektive Belastung und die Ermüdung ähnlich sind wie auf dem Laufband oder Fahrradergometer. Allerdings macht den Probanden das Spielen mit der Konsole mehr Freude und motiviert sie. Zudem bleibt die Motivation auch bei wiederholtem Spielen bestehen.

  • > die Spieloptionen der Konsole dem Wunsch vieler Patienten nachkommen, nicht alleine trainieren zu müssen. Zudem ist das Spielen bei Jugendlichen eine „normale“ Freizeitaktivität, womit der Therapieaspekt in den Hintergrund tritt.


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Das Fazit

Zusammenfassend kann Johanna Briegert festhalten, dass …

  • > das Spielen mit der Nintendo Wii positive körperliche und psychosoziale Auswirkungen etwa auf die Partizipation der Jugendlichen mit Mukoviszidose hat. Damit ist es ein vielversprechender Ansatz, die Adhärenz in der Physiotherapie zu verbessern.

  • > zwar Gründe bekannt sind, warum die Adhärenz ungenügend ist, aber Faktoren fehlen, die diese fördern können.

  • > in der Physiotherapie ein Umdenken gefragt ist, um die Adhärenz zu fördern. Neben der Wii wäre es etwa möglich, Trendsportarten einzusetzen wie die Slackline oder digitale Medien wie Smartphones.

→ Briegert J. Adherence in der physiotherapeutischen Behandlung von Jugendlichen mit Mukoviszidose am Beispiel des Einsatzes der Wii Nintendo. Bachelorarbeit an der HAWK Hildesheim; 2015


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Abb.: J. Briegert