Aktuelle Urol 2015; 46(06): 467-472
DOI: 10.1055/s-0041-106136
Übersichtsarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Systemische Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms – Zurück in die Zukunft?

Systemic Treatment of Metastatic Renal Cell Cancer – Back to the Future?

Authors

  • P. Ivanyi

    1   Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • V. Grünwald

    1   Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Viktor Grünwald
Klinik für Hämatologie,
Hämostaseologie,
Onkologie und Stammzelltransplantation
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Phone: +49/511/532 9196   
Fax: +49/511/532 2501   

Publication History

Publication Date:
10 November 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Zur systemischen Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mNCC) stehen gegenwärtig eine Vielzahl von Therapeutika zur Verfügung.

Die Zytokintherapie stellte die erste Generation der medikamentösen Tumortherapie des mNCC dar. Erst mit der Entwicklung der zielgerichteten Therapie in der letzten Dekade konnte eine deutliche Verbesserung der Tumortherapie erzielt werden und hat zur Entwicklung der sequenziellen Therapie des mNCC geführt. Aktuell stehen 7 zielgerichtete Medikamente zur Verfügung (Axitinib, Bevacizumab/IFNα, Everolimus, Pazopanib, Sorafenib, Sunitinib und Temsirolimus). Im Zuge der Individualisierung der Therapie stellt die Auswahl des geeigneten Medikamentes die größte Herausforderung für den Behandler dar. Kenntnis der Datenlage, sowie individuelle Faktoren bilden dabei die Grundlage der Medikamentenwahl.

Die Suche nach dem besten Inhibitor oder Kombination hat die letzten Jahre der klinischen Forschung geprägt, ohne dass ein wesentlicher Fortschritt erzielt werden konnte. Stattdessen läutet die aktuelle Entwicklung neuer spezifischer Immuntherapeutika die Entwicklung der nächsten Stufe der Tumortherapie des mNCC ein. Erste Studien werden für dieses Jahr erwartet, weitere Studien zur Optimierung dieser neuen Therapieoption werden folgen.


Abstract

A variety of therapeutic agents are currently available for the systemic treatment of metastatic renal cell carcinoma (mRCC). It was only when targeted treatment was developed in the past decade that a significant improvement was achieved in tumour therapy. This also led to the development of sequential treatment for mRCC.

7 molecular targeted agents are available today (axitinib, bevacizumab/ IFNα, everolimus, pazopanib, sorafenib, sunitinib, and temsirolimus). Due to the individualisation of treatment it remains a challenge to choose the most appropriate drug in a given setting, with the choice being based on the knowledge of the relevant clinical data as well as individual patient parameters.

During the recent past, efforts have been made to test different inhibitors or combinations without a major breakthrough. Instead, the development of novel specific immunotherapeutic approaches now heralds the next level of treatment in mRCC. The first significant trial results will be expected this year, and further trials for optimisation of treatment are warranted.


Einleitung

Rund 30–40% der Patienten mit einem Nierenzellkarzinom erleiden (NCC) im Rahmen dieser Erkrankung eine syn-, oder metachrone Metastasierung (mNCC), die einer medikamentösen Therapie bedarf [1]. In der letzten Dekade hat sich die Therapielandschaft des mNCC durch die Entwicklung zielgerichteter Therapien drastisch verändert.

Nachdem mit den Zytokintherapien ein Tumoransprechen von 10–15% und ein medianes Gesamtüberleben (overall survival [OS]) von rund 13–14 Monaten erzielt werden konnten, wird unter den zielgerichteten Substanzen eine Ansprechrate von ca. 30% und ein Gesamtüberleben von 30 Monaten erreicht [2] [3] [4]. Diese Entwicklung hat faktisch zum Ende der Zytokinära sowohl in der Mono- als auch Kombinationstherapie mit Zytostatika geführt [5]. Allenfalls kann eine alleinige Chemotherapie beim sarkomatoid differenzierten mNCC als akzeptable Alternative angesehen werden [6].

Die neue Potenz der gezielten Therapien beim mNCC verbesserte das OS im indirekten Vergleich zur Zytokinära signifikant. Eine populationsbasierte Analyse verglich Zeiträume mit jeweiliger Dominanz von Zytokin,- oder zielgerichteter Therapie und zeigte ein besseres Überleben im Zeitraum der zielgerichteten Therapien (1992–2004: 13 Monaten vs. 2005–2009: 16 Monaten; p<0.0001), ähnliche Ergebnisse fanden 2 weitere größere Kohortenanalysen [7] [8] [9]. Insbesondere gilt dieser Trend für das klarzellige mNCC und jüngere Patienten [9] [10]. Da die Mehrzahl der Studien beim klarzelligen NCC durchgeführt wurde, finden sich die drastischen Therapiefortschritte überwiegend bei diesem dominanten histologischen Subtyp.

Aktuell kann mit zielgerichteter Therapie beim mNCC ein Gesamtüberleben von rund 30 Monaten erzielt werden. Ca.10% der Patienten erzielen eine Langzeitremission, was mit einem medianen OS von 55 Monaten assoziiert ist [11] [12] [13]. Insgesamt scheint eine weitere Verbesserung der Prognose von mNCC Patienten nur durch neue Therapieansätze, wie z. B. die Checkpoint-Inhibitoren, erreichbar zu sein.

Die Vielfalt der systemischen Therapieoptionen beim mNCC erfordert bereits heute ein differenziertes Vorgehen. Die Auswahl des „einen“ optimalen Präparates und der „einen“ optimalen Therapiesequenz lässt nicht belegen, hingegen scheint die Auswahl des für den Patienten besten Präparats in der für den Patienten bestmöglichen Sequenz von übergeordneter Bedeutung. Bereits vor Behandlungsbeginn ist z. B. die Risikoklassifizierung eines mNCC Patienten nach dem IMDC-Risiko-Score als Standard einzufordern, der im klinischen Alltag Grundlage für Therapieentscheidungen darstellt ([Tab. 1]) [14]. Anhand der Risikopunkte werden die Patienten in ein gutes, intermediäres oder ungünstiges Risikoprofil eingeteilt. Der IMDC Score ist ebenso in der zweiten Therapielinie etabliert [15].

Tab. 1 Prognose Kriterien zur Bestimmung der Risikogruppen (nach Heng et al.) mit der entsprechenden Prognose der jeweiligen Risikogruppe.

IMDC Kriterien

Performance Status<80%

Intervall von Diagnose bis zur Systemtherapie<1 Jahr

Hämoblobin unterhalb des Normwertes

Hyperkalziämie

Neutrophile oberhalb des Normwertes

Thrombozyten oberhalb des Normwertes

Prognose nach IMDC Risikogruppen

Anzahl der Risikofaktoren

Risikoprofil

Medianes OS

0

Gutes Risikoprofil

43,2 Monate

1–2

Intermediäres Risikoprofil

22,2 Monate

3–6

Ungünstiges Risikoprofil

7,8 Monate

Erstlinientherapie

4 Therapeutika sind in Europa beim therapienaiven Patienten, neben IFNα zugelassen: Sunitinib, ein oraler Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor (MTKI), der den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor Rezeptor (VEGFR) 2 und 3, den platelet-derived-growth-factor-receptor (PDGFR)α, c-KIT, FLT (Fms-like tyrosine kinase)-3, inhibiert; Pazopanib, ebenfalls ein oraler MTKI, der VEGFR 1–3, c-KIT, PDGFRα und β inhibiert; Temsirolimus, ein intravenöser mTOR (mammalian target of rapamycin) Inhibitor, und die Kombination aus Bevacizumab/INFα, einem monoklonalen Antikörper gegen den löslichen VEGF in Kombination mit einer unspezifischen Immuntherapie [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22].

Sunitinib, Pazopanib und Bevacizumab/IFNα, sind jeweils für alle Risikogruppen zugelassen. Die VEGF(R) Inhibitoren zeigten in den Zulassungsstudien Gesamtansprechraten (ORR: komplette Remissionen [CR]+partielle Remissionen [PR]) von ca. 25–30%, sowie einen klinischen Nutzen (CBR: CR+PR+stabile Erkrankungen (SD)) bei etwa 70–79% der Patienten ([Tab. 2]). Der Anteil der kompletten Remissionen lag in den Studien bei <1%. Das jeweilige PFS lag zw. 8,5–11 Monaten, mit einem Trend zu einem verbesserten OS, wenngleich nachfolgend eingesetzte Therapien ähnlich wirksamer Substanzen wahrscheinlich das Erreichen eines signifikanten OS Vorteils verhinderten [16] [17] [18] [19] [21] [23]. Der einzige mTOR Inhibitor in der Erstliniensituation, Temsirolimus, wurde in einer 3-armigen Phase-3 Studie ausschließlich bei Patienten mit ungünstigem Risikoprofil getestet. Temsirolimus zeigte hier ein PFS von 5,5 Monaten mit signifikanter Verbesserung des OS (10,9 Monate) und wurde entsprechend als einzige Substanz ausschließlich für Patienten mit ungünstigem Risikoprofil in Erstliniensituation zugelassen [20] ([Tab. 2]).

Tab. 2 Gegenüberstellende Übersicht über die Effizienz und Sicherheit von Therapeutika mit Zulassung in der Erstliniensituation beim mNCC. Gezeigt sind die jeweiligen Verum-Arme der Phase-3 Prüfung.

Bev/IFN
(AVOREN) [19] [21]

BEV/IFN
(CALGB) [18] [47]

Pazopanib
(VEGF
105192)[17] [48]

Pazopanib
(COMPARZ)[12] [23]

Sunitinib
(COMPARZ)[12] [23]

Sunitinib
(NCT00098657)[16] [24]

Temsirolimus
(ARCC)
Ungünstiges Risiko [20]

Ansprechraten,%
(ORR=CR+PR)

31

26

30

31

25

31

8,6

Clinical Benefit Rate,% (CR+PR+SD)

77

NA

68

70

68

79

32,1

PFS, Mo.

10,2

8,5

9,2

8,4

9,5

11

5,5

OS, Mo.

23,3

18,3

22,9

28,4

29,3

26,4

10,9

Abbruchraten
(AE assoziiert),%

28

19

14

24

20

19

7

Dosisreduktionsraten (AE assoziiert)%

40
(nur IFN)

46
(nur IFN)

NA

44

51

38

23

Nebenwirkungen CTC Grad 3/4,%

62

79

33

74

74

NA

67

Aufgrund von fehlenden vergleichenden Studien kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Hinblick auf das Tumoransprechen keine überlegene Erstlinientherapie definiert werden ([Tab. 2] u. 4). Eine direkt vergleichende Phase-3-Studie erfolgte lediglich zwischen Pazopanib und Sunitinib (COMPARZ Studie), in der zwar Unterschiede bei der Verträglichkeit zugunsten von Pazopanib gezeigt werden konnte, nicht jedoch bei der Wirksamkeit [12] [23].

Unter Beachtung des IMDC Risikos stellt Temsirolimus zwar die einzige Substanz dar, die in der Erstlinie bei ungünstigem Risiko das OS nachweislich verbesserte, jedoch erscheint Sunitinib in gleicher Konstellation als nahezu gleichwertige Therapiealternative. Das erweiterte Zulassungsprogramm für Sunitinib umfasst 3 225 Patienten, darunter 373 Patienten mit ungünstigem Risikoprofil, deren PFS mit 4,1 Monaten eine ähnliche Wirksamkeit wie unter Temsirolimus erreichte [20] [24] [25]. Aufgrund der COMPARZ Studie kann auch unter Vorbehalt auf eine dem Sunitinib ähnliche Sicherheit und Effektivität von Pazopanib in dieser Situation zurückgeschlossen werden [12] [23]. Zu Bevacizumab/IFNα in Erstliniensituation bei ungünstigem Risikoprofil stehen gegenwärtig nicht ausreichend Daten zum rechtfertigen Einsatz dieser Kombination zur Verfügung ([Tab. 3]).

Tab. 3 Übersicht zur Sequenztherapie bzw. Systemtherapieoptionen beim mNCC gemäß Risikoprofil und Therapielinie (in Anlehnung an die ESMO Therapieempfehlungen [50]).

Therapielinie

Risikoprofil

Standard

Option

Erstlinie

Gut/intermediär

Bevacizumab/IFNα
Pazopanib
Sunitinib

HD-IL2

Ungünstig

Temsirolimus

Sunitinib
Pazopanib
Sorafenib

Zweitlinientherapie

Nach Zytokinen

Axitinib
Pazopanib
Sorafenib

Nach VEGF-Versagen

Everolimus
Axitinib

Nach mTOR Inhibition*

Axitinib
Pazopanib
Sorafenib
Sunitinib

Drittlinientherapie

Nach 2-maligem VEGF Versagen

Everolimus
MTKI*

Nach VEGF und mTOR Versagen

Sorafenib

Re-Chellange mit MTKI

*Empfehlung nicht aus der EMSO Leitlinie abgeleitet


Zweitlinientherapie

Bei vorbehandelten Patienten, respektive bei Patienten in der zweiten Therapielinie, sind 4 Substanzen zugelassen und entsprechend getestet: der MTKI Axitinib, ein Inhibitor von VEGFR 1–3 der zweiten Generation, zugelassen nach Therapieversagen von Sunitinib oder Zytokinen; der orale MTKI Sorafenib, der die RAS/RAF-Kinasen, VEGFR 2–3, PDGFR und c-KIT inhibiert und nach Zytokinversagen zugelassen ist. Pazopanib nach Zytokinversagen, sowie der orale mTOR Inhibitor Everolimus, zugelassen nach Progress einer anti-VEGF(R)-Therapie [26] [27]. Die Zulassungsstudien zeigten ein PFS im Bereich von 4,7–6,7 Monaten, wobei durch den hohen Anteil von wirksamen Folgetherapien das Signifikanzniveau für den sekundären Endpunkt des OS nicht erreicht werden konnte [26] [27] [28] ([Tab. 4]).

Tab. 4 Übersicht über die Effizienz und Sicherheit von Therapeutika mit Zulassung in der 2. Liniensituation. Gezeigt sind die jeweiligen Verum-Arme der Phase-3 Prüfung.

Axitinib
(AXIS) nach MTKI oder
Zytokinen [26] [49]

Everolimus
(RECORD1)
nach MTKI [27]

Sorafenib
(TARGET)
nach Zytokine n [22] [28]

Pazopanib (VEG105192) nach Zytokinen [17] [48]

Ansprechraten,%
(ORR=CR+PR)

19

1

10

39

Clinical Benefit Rate,%
(CR+PR+SD)

46

64

84

NA

PFS, Mo.

6,7

4,0

5,5

7,4

OS, Mo.

20,1

14,8

19,3

22,7

Abbruchraten
(AE assoziiert),%

4

10

10

19

Dosisreduktionsraten
(AE assoziiert)%

31

7

13

NA

Nebenwirkungen CTC Grad 3/4,%

NA

NA

NA

33

Da heutzutage eine alleinige Zytokintherapie in der Erstlinie kaum mehr erfolgt, ist die Vorbehandlung mit einem VEGF(R) Inhibitor von wesentlicher Bedeutung und stellt somit die Ergebnisse zweier Zulassungsstudien, AXIS und RECORD-1, in den Vordergrund. Die AXIS Studie zeigte die Wirksamkeit von Axitinib im Vergleich zu Sorafenib in der reinen zweiten Therapielinie [26]. Das PFS von Axitinib zeigte sich hier überlegen (PFS: Axitinib: 6,7 Monate vs. Sorafenib: 4,7 Monate; p<0,0001), bei nahezu gleichem OS (Axitinib: 20,1 Monate vs. Sorafenib: 19,2 Monaten, p=0,3744)[26]. Auch zeigte Axitinib im direkten Vergleich zu Sorafenib geringere nebenwirkungsassoziierte Therapieabbruch-(3,9 vs. 8,2%), und Dosisreduktionsraten (31 vs. 52%).

Everolimus wurde in der RECORD-1 Studie in einem gemischten multipel vorbehandeltem Kollektiv getestet. Das PFS betrug 4,9 Monate und weist damit eine ähnliche Marge wie die anderen Therapieoptionen auf. Insgesamt muss die Wirksamkeit der Zweitlinie als moderat bewertet werden. Ein Vergleich zwischen Everolimus und MTKI in der Zweitlinie ist bisher nicht erfolgt. Allerdings erfolgte ein direkter Vergleich in der 2. Linientherapiesituation für den mTOR Inhibitor Temsirolimus zum MTKI Sorafenib (INTROSECT Studie), der keinen signifikanten Vorteil für das PFS von Temsirolimus zeigen konnte (4,3 vs. 3,9 Monate, p=0,19). Der sekundäre Endpunkt OS zeigte hier jedoch einen Vorteil zugunsten von Sorafenib (OS: 12,3 vs. 16,6 Monate, p=0,01), was gegenwärtig nicht sicher beurteilt werden kann [29].

Zusammenfassend sind somit im Wesentlichen Axitinib als auch Everolimus die Therapeutika in der zweiten Therapielinie. Je nach Erstlinientherapie können Pazopanib und Sorafenib Behandlungsalternativen darstellen. Die Auswahl der jeweiligen Therapieoption erfolgt individuell und richtet sich sowohl nach der zu erwartenden Effektivität als auch der bisherigen Verträglichkeit der Therapien ([Tab. 3]).


Drittlinientherapie und weitere Linien der Behandlung

Zur gezielten Therapie in der dritten Therapielinie zeigte die GOLD-Studie (Phase-3) klare Rationalen [30]. Bei Patienten mit mindestens 2 Vortherapien (eine MTKI und eine mTOR Inhibitor Therapie) zeigte der experimentelle VEGFR und fibroblast-growth-factor receptor (FGFR) Inhibitor Dovitinib im Vergleich zu Sorafenib ein ähnliches PFS von 3,7 vs. 3,6 Monaten (p=0,36), woraufhin die klinische Weiterentwicklung von Dovitinib eingestellt wurde [30]. Im Umkehrschluss müssen diese Ergebnisse als klares Signal für die Wirksamkeit der VEGFR-Inhibition in der dritten Therapielinie gewertet werden, zumindest nach der Vorsequenz MTKI-mTOR Inhibitor. Weitere Mosaike für die Wirksamkeit von VEGFR Inhibition in der dritten Therapielinie lassen sich auch von präliminären Daten von Pazopanib in der Drittlinie ableiten (n=28, PFS: 16 Monate) [31].

Da die Zweitlinientherapie entweder aus einem Wechsel der Substanzklasse (mTOR Inhibitor) oder aus weiterem Einsatz eines MTKI bestehen kann, stehen für die Drittlinientherapie somit Therapien mit unterschiedlicher Evidenz zur Verfügung. Während die höchste Evidenz für Sorafenib auszumachen ist, zeigt eine Subgruppe der RECORD-1 Studie (ca. 20% der Patienten) eine Rationale für den mTOR Inhibitor Everolimus nach dem Versagen zweier vorheriger MTKI [27]. Ein direkter Vergleich zwischen Sorafenib und Everolimus in der Drittlinie steht allerdings nicht zur Verfügung.

Zusammenfassend ist eine Drittlinientherapie als sinnvoll zu erachten, was auch eine Analyse des „international mRCC database consortium“ mit 2 705 Patienten zeigte, in der sich 16% der Patienten in Drittlinientherapiesituation befanden, mit einem PFS von 4,4 Monaten und ein OS von 18 Monaten [32]. Insbesondere Patienten mit niedrigem Risikoprofil scheinen von einer Drittlinientherapie zu profitieren [33].

Im Hinblick auf die 4. Therapielinie lässt sich vermuten, dass auch hier eine gewisse Aktivität zu erwarten ist. Legt man der Gesamtbeurteilung den Vergleich mit Placebo-behandelten Studien zugrunde, so schneiden im studienübergreifenden Vergleich Patienten mit einer aktiven Behandlung deutlich besser ab. Aus der RECORD-1 Studie wird unter Placebo ein PFS von 1,9 Monaten erzielt, was im Vergleich zum Drittlinien PFS der GOLD Studie von 3,6–3,7 Monaten unterdurchschnittlich ist [27] [30]. Insofern sollte das Ziel die Dauertherapie der Patienten sein.


Die optimale Sequenz, oder die für den Patienten optimale Therapie?

Auch wenn in den vergangenen Jahren viel über die optimale Therapiesequenz, über Vor-, und Nachteile eines Wechsels der Therapiemodalitäten oder der Inhibitionsspektren diskutiert wurde, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt anhand der Datenlagen nicht die optimale Therapiesequenz apriori definiert werden [34]. Stattdessen sollte in jeder Linie die für die jeweilige Situation beste Therapieentscheidung getroffen werden.

Während in der Erstlinie die Mehrzahl der Patienten einen MTKI erhält ging die RECORD-3 Studie der Frage zum Einsatz von Sunitinib oder Everolimus in der Erstlinie nach. In dieser Situation ist Everolimus dem Sunitinib mit einem PFS von 7,9 Monaten vs. 10,7 Monaten klar unterlegen. Auch das vorläufige OS zeigte einen negativen Trend (22 vs. 32 Monate) [35]. Dies unterstreicht die Überlegenheit der VEGFR Inhibition gegenüber der mTOR Inhibition in der Erstlinie, entsprechend sollte Everolimus hier nicht zum Einsatz kommen [35].

Da in der Zweitlinie sowohl MTKI als auch Everolimus eingesetzt werden können, gibt es keine definierte Sequenz [34] [36]. Allerdings erscheinen primäre Bedenken gegenüber Kreuzresistenzen bei einer Abfolge MTKI-MTKI als unbegründet, was sich aus der SWITCH Studie ableiten lässt [37]. Sowohl die Sequenz Sunitinib-Sorafenib als auch die Sequenz Sorafenib-Sunitinib konnte eine Wirksamkeit für die MTKI-MTKI Sequenz belegen, wenngleich auch hier keine optimale Sequenz identifiziert werden konnte [37]. Zusammenfassend sind entsprechend der ESMO Therapieleitlinien die Möglichen Therapiesequenzen in [Tab. 3] dargestellt.

Zulassungsstudien, populationsbasierte-, und Meta-Analysen zeigen, dass die Sequenztherapie beim mNCC ein etablierter Standard ist und suggerieren das möglicherweise neben der Tumorbiologie die prinzipielle Exposition zu möglichst vielen aktiven Substanzen für ein bestmögliches Therapieansprechen mitentscheidend sein könnte [30] [32] [38]. Eine globale populationsbasierte deskriptive Analyse mit 2 106 Patienten zeigte, das gerade einmal 43% der Patienten eine zweite Therapiesequenz erhielten, was sich nicht ausschließlich durch tumorbedingte Mortalität in und um die Erstliniensituation erklärt [36]. Ähnliche Ergebnisse zeigte auch ein deutsches Patientenregister. Hieraus lässt sich ableiteten, dass neben einem effektivem Therapeutikum mutmaßlich auch der Patientenadherence, der supportiven Therapie, der Patientenkomorbidität, als auch der Antizipation von Toxizitäten ein besonderer Stellenwert in der mNCC Therapie einzuräumen ist [39]. Dies wird umso deutlicher bei Betrachtung der Dosisreduktionsraten von 7–50% bzw. der Therapieabbruchraten von 3–28% die die gezielten Therapien in den Zulassungsstudien zeigten [16] [18] [20] [26] [27] [30]. Wenn- gleich die MTKI einfach ambulant zu applizierende Substanzen sind besitzen diese ein erhebliches Nebenwirkungspotenzial mit auch erhöhtem Mortalitätspotenzial [40]. Insofern ist auch das individuelle Komorbiditätsprofil ein entscheidender Faktor bei der Therapieauswahl [39].

Eine retrospektive Analyse einer offenen Kohortenstudie mit 291 Patienten generierte erste Signale, das nahe liegender Weise Nebenwirkungen überproportional mit Dosis-reduktionen und darüber hinaus mit einem reduziertem OS in Zusammenhang stehen könnten [41]. Nebenwirkungsmanagement und die daraus resultierende Patientenzufriedenheit sind somit essentiell und werden immer wichtiger Parameter. Die COMPARZ Studie zeigte bereits Signale im Hinblick auf deutlich unterschiedliche Therapieverträglichkeiten zweier ähnlicher MTKI, Sunitinib und Pazopanib [23]. Unterstützt werden diese Ergebnisse durch die PISCES-Studie, die eine Präferenz der Patienten zur Einnahme von Pazopanib im Vergleich zu Sunitinib zeigte [42].

Kenntnis des Toxizitätsprofils, des Komorbiditätsprofils und Erfahrungen im Nebenwirkungsmanagement sind somit wichtige Voraussetzung zum Erreichen optimaler Therapieergebnisse, sodass die Wahl des richtigen Therapeutikums für den Patienten in der entsprechenden Situation zumindest genau so relevant erscheint wie die offene Überlegung um die bestmögliche Therapiesequenz.



Ausblick – Zurück in die Zukunft?

Nachdem die letzte Dekade neue Therapieoptionen für das mNCC hervorbrachte, bleibt die Therapie des mNCC weiterhin ein dynamisches und hochinnovatives Therapiefeld. Nach einer Suche nach der besten Substanz, Kombinationen gezielter Therapien oder Sequenz beim mNCC, hat das mediane Gesamtüberleben mit 29–30 Monate in aktuellen Studien ein Plateau erreicht [11] [12] [13]. Eine weitere Verbesserung des Ergebnisses erscheint in dieser Situation nur durch den Einsatz neuer Substanzen mit neuen Mechanismen denkbar [43].

Neben neuen molekularen Therapieansätzen befinden sich bereits neue gezielte Therapien erfolgreich in der frühen klinischen Prüfung. Cabozantinib ist ein Inhibitor von c-MET und VEGFR, der bei stark vorbehandelten Patienten mit mNCC ein PFS von 12,9 Monaten und ein OS von 15 Monaten erzielte und dessen Phase-3 Daten in der Zweit- bis Drittlinie in diesem Jahr erwartet werden [44].

Die wohl größte und spannendste Entwicklung der letzten Jahre ist allerdings der Einsatz von neuen spezifischen Immuntherapeutika, den sogenannten Checkpoint Inhibitoren. Im Gegensatz zur unspezifischen Zytokin-Immunmodulation der 80er Jahre, können Checkpoint Inhibitoren die tumorbedingte Immunblockade aufheben und damit Langzeit-remissionen induzieren. Der Einsatz der Checkpoint-Inhibitoren hat bereits die therapeutische Landschaft des malignen Melanoms nachhaltig verändert. Zu den Checkpoint-Inhibitoren, die sich gegenwärtig in klinischer Prüfung beim mNCC befinden, gehören vor allem Antikörper gegen PD-1 und PD-1L, sowie CTLA-4. Teils erfolgt bereits die Prüfung von Kombinationen dieser Antikörper. Bereits in Phase-1 Studien zeigte sich ein erstaunliches Tumoransprechen in verschiedenen Tumoren. Nivolumab (Anti-PD1) zeigte bei vortherapierten mNCC Patienten bei 27% der Patienten ein Tumoransprechen von über 24 Wochen [45]. In einer Analyse einer Expansionskohorte einer Phase-1 Studie mit Nivolumab zeigten schwer vortherapierte mNCC Patienten ein erstaunliches OS von 22,4 Monaten [46].

Zusammenfassend scheint somit zukünftig neben der Identifizierung neuer molekularer Ziele wie z. B. c-MET, der spezifischen Immuntherapie möglicherweise ein hoher Stellenwert zuzukommen, nachdem die unspezifische Immuntherapie diesen bei der Behandlung des mNCC nahezu vollständig verloren hat.



Interessenkonflikt:

PI: Beratertätigkeit: Bayer und Novartis. Honorarverträge: Bayer, Novartis, GSK. VG: Honorarverträge: Novartis, Pfizer, GSK, BMS. Beratertätigkeit: Novartis, Pfizer, GSK, BMS, MSD, Bayer.

Editorial Comment


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