physiopraxis 2015; 13(10): 18-23
DOI: 10.1055/s-0041-107713
physiopolitik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

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Publication Date:
22 October 2015 (online)

Demo in Essen – Resignation oder Desinteresse?

Nur etwa 250 Therapeuten – Ergos, Logos, Physios, Masseure und Podologen – versammelten sich am 5. September 2015 in Essen. Bewaffnet mit großen Plakaten, Kinderwagen, Hund und einem Lächeln auf den Lippen wurde der Ruf nach einer reellen Bezahlung, mehr Autonomie und Abschaffung der Richtgrößen laut. Die Therapeuten sind nicht mehr bereit, bestehende Zustände hinzunehmen, dazu sind die Probleme im Praxisalltag zu heftig. Auch der strömende Regen brachte sie nicht davon ab, zum Kennedyplatz in der Essener Innenstadt zu ziehen, auf dem sie weiterhin lautstark auf sich aufmerksam machten, tatkräftig unterstützt durch die Rockband „Krankenkasse“. Sie heizte ordentlich ein und sorgte für Stimmung zwischen den einzelnen Redebeiträgen der unterschiedlichen Verbände (Steckbrief). Die Redner fordern eine gerechtere Vergütung, Abbau der Bürokratie, mehr Mitspracherecht und Abschaffung der Richtgrößen für Heilmittel.

Unter den Teilnehmern waren auch Mitglieder des Bundesgesundheitsausschusses: Jutta Eckenbach (CDU) und Dirk Heidenblut (SPD). Die beiden Abgeordneten aus Essen stehen im Kontakt mit dem Bund vereinter Therapeuten (BvT). Inwieweit die Forderungen die Politik und die Entscheider erreichen, bleibt abzuwarten. Aber die Hoffnung, eines Tages mit einer gemeinsamen Stimme für die Interessen aller Therapeuten einzutreten, wächst mit jeder Aktion – nur gemeinsam sind wir stark. Gerade deshalb fühlten sich manche Demonstranten wahrlich im Regen stehen gelassen: Wieso machen sich in einer bewohnerstarken Region wie dem Ruhrgebiet nur so wenige auf zur Kundgebung? Im März 2015 in Leipzig kamen an die Tausend. Haben sie sich von den großen therapeutischen Verbänden abbringen lassen? Resignation? Sehen sie keinen Handlungsbedarf? Denken sie, die anderen werden es schon richten? Ist Demo das falsche Mittel?

Alexandra Hartwig

STECKBRIEF DEMO 5.9.2015

Ort:

Essen

Musik:

Krankenkasse

Wetter:

nasskalt

Organisator:

Bund vereinter Therapeuten (BvT)

Moderator:

Thomas Etzmuß (BvT)

Sprechende:

Claudia Donner (BED), Wilfried Homann (VDB), Petra Krätsch-Sievert (Logo-Deutschland)

VIPS:

Jutta Eckenbach (MdB und im Bundesgesundheitsausschuss, CDU) Dirk Heidenblut (MdB und im Bundesgesundheitsausschuss, SPD)

Teilnehmer:

circa 250

Herr Kühne, die nächste vom BvT geplante Demonstration wird im April 2016 in Kiel sein. Die großen Verbände der Therapieberufe stehen diesen Kundgebungen eher verhalten gegenüber. Ist eine Demonstration aus Ihrer Sicht das falsche Mittel, um auf der politischen Bühne etwas zu bewegen?

„Demonstrationen sind ein probates Mittel, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. Die Heilmittelerbringer haben damit ihren Unmut zu ihrer schlechten Situation zum Ausdruck gebracht. Trotzdem ist es nach wie vor wichtig, dass auch die Verbände ihre politischen Möglichkeiten in Vertretung für die Therapeuten ausschöpfen. Es braucht gemeinsame Aktionen auf verschiedenen Kanälen, und das unablässig. Die Öffentlichkeit und die Politik müssen die Probleme und ihre Auswirkungen auf die Versorgung begreifen. Das kann nur gelingen, wenn das Thema überall präsent wird und bleibt.“

Dr. Roy Kühne ist Physiotherapeut, seit September 2013 Mitglied im Deutschen Bundestag und dort im Bundesgesundheitsausschuss für die CDU aktiv. Er fungiert als Berichterstatter für die Themen Heil- und Hilfsmittel und hat gemeinsam mit seinen Parteikollegen Anfang 2015 ein Positionspapier verabschiedet, das bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für Therapeuten fordert. Bei den Demos im Oktober 2014 in Frankfurt am Main und im März 2015 in Leipzig war er mit von der Partie.

Edith,
Niederländerin, arbeitet seit langem als Physiotherapeutin in Deutschland und wünscht sich mehr Anerkennung für ihren Beruf.

Andrea
ist Inhaberin einer ländlich geprägten Praxis. Ihr bereitet die ärztliche Ausdünnung Kopfzerbrechen: „Durch die Verlagerung der Patientenversorgung in die Krankenhäuser wird sich die Verordnungslage für Physiotherapie verschlechtern. Unsere Existenz steht auf dem Spiel. Wir müssen in die Umstrukturierung eingebunden werden.“

Marina, Kirsten, Heike
wollen die Öffentlichkeit wachrütteln: „Viele Patienten wissen gar nicht, wie wenig wir verdienen.“ Eine bessere Bezahlung ist für sie ein Garant für die Attraktivität des Berufes.

Heike und Maike
demonstrieren für eine gerechtere Entlohnung und eine Entkopplung der Vergütung von der Grundlohnsumme.