Erfolgloser Sohn eines erfolgreichen Vaters?
Erfolgloser Sohn eines erfolgreichen Vaters?
„Lieber Kurt!“, schrieb der renommierte Berliner Magenspezialist Ismar Boas (1858 – 1938) am 13. 9. 1922,
„Dein Schreiben vom 9. d. M. […] hat uns beide tief erschüttert. Nachdem Du uns hoch
u. heilig versprochen hattest, in W. auszuhalten – nun wieder diese neue Katastrophe.
Was soll denn aus Dir werden, wenn Du alle 2 – 3 Monate Deine Lehrstätte wechselst?
War es in W. der Antisemitismus, so wirst Du woanders wieder andere Gründe für einen
Ortswechsel finden, bis schließlich alle Plätze, wo Du Dich weiter ausbilden kannst,
erschöpft sind. Jetzt soll es also nach Nürnberg gehen. Selbstverständlich müssen
wir das billigen. Ich setzte aber voraus, daß Du dort freie Station erhältst u. Aussicht
hast, in naher Zeit eine besoldete Stellung zu bekommen.“
Frustration, ja tiefe Depression werden spürbar, wenn der 64-Jährige seinem 32-jährigen
Sohn mit Hinweis auf die eigene prekäre Situation durch die beginnende Inflation und
sein zunehmendes Augenleiden finanzielle Unterstützung längstens bis zum April 1924
zusagt. Diesen Brief, ein eindrucksvolles Selbstzeugnis, das ein faszinierendes Schlaglicht
auf die Biografie von Vater wie Sohn Boas wirft, konnte ich vor einiger Zeit im Autografenhandel
aus einem Konvolut unbekannter Provenienz erwerben ([Abb. 1]).
Abb. 1 Brief von Ismar Boas an Kurt Boas vom 13. September 1922 (Quelle: Archiv Mettenleiter).
Ismar Boas: „Vater der Gastroenterologie“
Ismar Boas: „Vater der Gastroenterologie“
Der Verfasser des Briefes, Ismar Isidor Boas [2]
[3]
[17]
[43]
[44] ([Abb. 2]), wurde 1858 in Exin bei Bromberg in einer jüdischen Familie geboren. Nach seiner
Niederlassung in Berlin 1882 spezialisierte er sich auf Anregung von Carl Anton Ewald
(1845 – 1915) auf Gastroenterologie, wurde 1886 erster „Spezialarzt für Magen- und
Darmkrankheiten“ und gründete eine Poliklinik für dieses damals noch neue Fachgebiet.
1890 kam sein Sohn Kurt zur Welt; im Jahr darauf folgte Tochter Klara/Claire. Obwohl
nie habilitiert, genoss Boas größtes Ansehen im akademischen Berlin: 1895 wurde er
Vorsitzender des ‚Vereins für ärztliche Fortbildungskurse‘, 1907 Titular-Professor
und 1910 Ehrenmitglied der ‚American Gastroenterological Society‘. Seine Lehrbücher
galten als Standardwerke. 1895 gründete er das ‚Archiv für Verdauungskrankheiten‘,
das in Fachkreisen als ‚Boas Archiv‘ bekannt war. 1914, wenige Monate vor der Mobilmachung,
konnte er an der von ihm initiierten Tagung über „Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten“
in Homburg teilnehmen.
Abb. 2 Ismar Boas (1858 – 1938) (aus: Grote LR, Hrsg. Die Medizin der Gegenwart in Selbstdarstellungen,
Bd. 7, Leipzig; 1928).
Den Krieg erlebte Boas als schmerzhafte Zäsur: „Ein gütiges Geschick und eine gute Konstitution haben mir trotz des Weltkrieges
(1914 – 18) mit seinen schweren seelischen Erschütterungen und materiellen Verlusten
meine geistige Spannkraft und die Freude an meinem Beruf erhalten“, bekannte er in seiner 1926 verfassten Autobiografie. [18] Hier findet sich auch eine Erklärung für den depressiven Ton des zitierten Briefes:
„Aus einem jähen körperlichen und seelischen Zusammenbruch im Jahre 1923 hat mich
die aufopfernde Pflege meiner Frau herausgerissen […]“ Und doch gelang es Boas nicht mehr, die erfolgreiche Karriere der Vorkriegszeit fortzusetzen.
1930 noch zum Ehrenmitglied der ‚American Medical Association‘ ernannt, musste er
im Mai 1936 nach Wien emigrieren, wo er kaum Forschungsmöglichkeiten hatte und 1938
kurz nach dem Anschluss Österreichs Suizid mit Veronal beging.
Seinen Sohn Kurt erwähnt Boas in der Autobiografie von 1926 quasi in einem Nebensatz,
doch mit unverkennbarem Vaterstolz: „Mein damaliger [Gymnasial-]Lehrer rühmte mir ein gutes Gedächtnis nach, das […] sich
auch auf meinen Sohn, der gleichfalls Mediziner geworden ist1, vererbt hat.“ Die zugehörige Fußnote erläutert: „1) Facharzt für Hautkrankheiten in Crimmitschau i. S.“ [18].
Kurt Boas: Jugend und Studienzeit
Kurt Boas: Jugend und Studienzeit
Der am 13. Februar 1890 geborene Kurt Walter Ferdinand Boas [1] wuchs in einer jüdischen, kulturell interessierten Familie auf: Vater Ismar war
großer Kunst-, Literatur- und Musikfreund; Mutter Sophie, Tochter eines Gutsbesitzers,
unterhielt am Alexanderufer 6 einen regelrechten Salon, in dem Intellektuelle und
Kollegen ihres Mannes gerne verkehrten. Kurt Boas besuchte das für seinen liberalen
Geist, aber auch hohe Leistungsanforderungen bekannte Französische Gymnasium. 1908
– in seinem Abiturjahr – waren 83 der 173 Schüler israelitischer Religionszugehörigkeit
[19].
Legt der eingangs zitierte Brief den Verdacht auf einen „Spätzünder“ nahe, zeigen
nähere Recherchen, dass Kurt bereits als Gymnasiast erste Fachartikel verfasste: Zwischen
1906 und 1908 erschienen in den verschiedensten Zeitschriften rund zwei Dutzend Beiträge
zum Thema Alkoholmissbrauch. 1907 und 1908 sandte er drei davon mit Widmung und Begleitbrief
an den Diplomaten und Schriftsteller Ernst von Wildenbruch (1845 – 1909), den gefeierten
Haus- und Hofdichter des preußischen Königshauses [4].
Neben statistischen Untersuchungen und Studien zu Ursachen des kindlichen Alkoholismus,
dessen Bekämpfung und Prophylaxe sowie zum Zusammenhang zwischen Alkohol und Verbrechen,
Selbstmord, Unzurechnungsfähigkeit sowie Leberzirrhose findet sich auch ein Beitrag
über „Trunksucht in der Bibel, nebst einigen kritischen Bemerkungen zu den Heilungserzählungen
des Neuen Testaments“ in der ‚Zeitschrift für Religionspsychologie‘ [20].
Publikationen zur Kriminalanthropologie
Publikationen zur Kriminalanthropologie
Auch als Student in Freiburg/Brsg., Berlin, Straßburg, Rostock, und Halle publizierte
Boas fleißig, wobei sich sein Interesse zur „Kriminalanthropologie“, v. a. zur Kriminalpsychologie
hin verschob. Als dankbarer Abnehmer erwies sich das 1898 durch Hans Groß (1847 – 1915)
gegründete ‚Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik“, das als ‚Archiv für
Kriminalistik‘ bis heute besteht und dessen 235. Band gerade erschienen ist.
Das damals völlig neue Fachgebiet erforderte einen dezidiert interdisziplinären Zugang;
Jurist Groß, der 1912 ein kriminalistisches Institut in Graz begründete, hatte 1905
seine ‚Kriminalpsychologie‘ und 1908 seine ‚Kriminalistische Tätigkeit und Stellung
des Arztes‘ veröffentlicht. Der Autodidakt war offen und unvoreingenommen genug, auch
auf die „Expertise“ eines interessierten Medizinstudenten zurückzugreifen, den das
weite Spektrum der Disziplin faszinierte.
Neben grundsätzlichen Problemen aus dem medizinisch-juristischem Grenzbereich wie
der ‚Legalität der Fruchtabtreibung im künftigen Strafrecht‘ und psychologischen Themen wie ‚Intelligenzprüfungen mittels des Kinematographen‘ [21] beschäftigten Boas Fragen nach dem ‚Ausdruck des religiösen Gefühls bei Verbrechern‘, ‚Heimweh und Verbrechen‘, die ‚Sitte und Bedeutung des Tätowierens bei Prostituierten‘, ‚Warenhausdiebinnen, mit besonderer Berücksichtigung sexueller Motive‘ und der Nutzen der Zahninspektion für die Kriminologie. Dazu kam forensisch-psychiatrische
Kasuistik wie etwa der Fall eines ‚periodischen Kleider- und Perückenfetischisten‘.
Aber auch ‚Kriminalpsychologisches in Götz und Kleist’s Michael Kohlhaas‘ [22] oder ‚Otto Ludwigs ‚Der Erbförster‘ in kriminalpsychologischer Beziehung‘ wurden von Boas untersucht und – in letzterem Falle – in verschiedenen Zeitschriften
lebhaft mit Psychiatern diskutiert, weil er die Hauptperson als Alkoholismusopfer
darstellte [23].
Interessanterweise befasst sich lediglich ein einziger Artikel zum „Verhalten der Superoxyde im Verdauungstrakt“ in den ‚Therapeutischen Monatsheften‘ von 1910 mit einem Thema aus dem Forschungsgebiet
seines Vaters. Ab diesem Jahr ist Kurt Boas übrigens auch als ungemein produktiver
Rezensent bzw. „Berichterstatter“ in den verschiedensten medizinischen Fachzeitschriften
nachweisbar. Mit letzterer Tätigkeit stellte er sich in die Tradition seines Vaters,
der als Student und junger Arzt für die ‚Berliner Wochenschrift‘ gearbeitet hatte
[18].
Ein 1916 erschienener Beitrag ‚Zur Frage des forensisch-psychiatrischen Unterrichtes an Universitäten‘, in dem sich Boas über das mangelnde juristische Wissen der Mediziner (und umgekehrt)
beklagte, weckt die Vermutung, dass er möglicherweise hier eine aussichtsreiche Berufsperspektive
für sich selbst erhoffte [24].
Lazarett-Hilfsarzt im Lager Gardelegen
Lazarett-Hilfsarzt im Lager Gardelegen
Zunächst aber, noch vor Abschluss seines Studiums, wurde der Mediziner im Dezember
1914 als Ersatz-Reservist einberufen und am Lazarett des Mannschafts-Kriegsgefangenenlagers
Gardelegen ([Abb. 3]) eingesetzt. Hier brachte er es unfreiwillig zu „europaweiter Bekanntheit“:
Abb. 3 Barackenlazarett Gardelegen. Ansichtskarte aus dem Ersten Weltkrieg (Quelle. Archiv
Mettenleiter).
Das 1866 eingerichtete und bewährte Camp, das im Dritten Reich traurige Berühmtheit
als Dora-Außenlager („Massaker von Gardelegen“) erlangen sollte, war schon bald hoffnungslos
überfüllt: Gefangene verschiedener Sprachen und Kulturkreise waren auf engstem Raum
zusammengepfercht! Als im Februar 1915 russische Soldaten Flecktyphus einschleppten,
breitete sich die Seuche rasend schnell aus.
Obwohl die Situation andernorts ähnlich war, wurde Gardelegen (neben Wittenberg) für
die antideutsche Propaganda zum Symbol für die menschenunwürdige Behandlung Kriegsgefangener.
Im Oktober 1916 erschien in London ein umfangreicher Parlamentsbericht, der in vielen
europäischen Sprachen einschließlich Deutsch gedruckt und ins ‚British Medical Journal‘
eingerückt wurde, aber auch in der Allgemeinpresse für viel Aufsehen sorgte [25].
Das auf 90 Kranke ausgelegte Lazarett war mit 200 Patienten überbelegt, der zuständige
Stabsarzt Dr. Georg Wenzel offenbar völlig überfordert: „Dr. Wenzil [!] had been in charge of the hospital and in medical charge of the camp. Under
him was a young man named Boas, a third or fourth year medical student.“ Eine Ärztekommission aus dem benachbarten Magdeburg ersetzte rasch alles deutsche
Personal durch kriegsgefangene Ärzte und Pfleger. Wenzel starb am 8. März an Typhus,
was der Berichterstatter nicht ohne Genugtuung vermerkt. Boas erkrankte schwer, wovon
der britische Armeechirurg Philip Claude Tresilian Davy (1877 – 1951) offenbar nichts
wusste: „Herr Boas, whom Major Davy was to meet and go over some cases with, was absent. He
was never seen again.“ Davy selbst infizierte sich Ende März 1915.
Nach seiner Wiedergenesung begann Boas an der Universitäts-Augenklinik Rostock eine
Dissertation ‚Über Megalocornea‘, die er 1916 als Hilfsarzt am Reservelazarett Halle fertigstellte [6].
Hilfsarzt an der Nervenklinik Chemnitz, Volontär in Kiel und Stettin
Hilfsarzt an der Nervenklinik Chemnitz, Volontär in Kiel und Stettin
1917 gelang es offenbar dem Leiter der Städt. Nervenheilanstalt Chemnitz-Hilbersdorf,
Ludwig Wilhelm Weber (1868 – 1925), den Medizinstudenten als Hilfsarzt an seine Klinik
zu holen, der schon eines seiner Bücher rezensiert hatte. Weber galt als Experte für
forensische Psychiatrie, renommierter Gutachter und Spezialist für Sexualpathologie.
In der ‚Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft‘ berichtete er regelmäßig
über Kriminalpsychologie und gerichtliche Medizin. 1918 erhielt Boas seine Approbation.
An den „Ortsangaben“ der zahlreichen Zeitschriftenrezensionen lässt sich sein Weg
in den Folgejahren nachvollziehen: Chemnitz taucht von 1917 bis 1921 auf, dazwischen
aber auch Stettin und Kiel. Im Dermatologenkalender von 1929 nennt Boas den Psychiater
Werner Runge (*1882), damals Oberarzt in Kiel, als seinen Lehrer [26]; ein gedruckter Briefkopf von 1921 stammt aus dem Städtischen Krankenhaus Stettin
[5].
1918 und 1919 erschienen Boas einzige beiden Monografien ‚Über die Beurteilung der Zeugnis- und Eidesfähigkeit Geisteskranker vor Gericht‘ [27] und ‚Die Tabes Dorsalis der Kriegsteilnehmer und ihre militärärztliche Begutachtung‘ [28]. Letzterer attestierte der angesehene Psychiater und spätere Direktor der Anstalt
Berlin-Buch, Karl Birnbaum (1878 – 1950), fleißiges, kritisches Literaturstudium und
praktischen gutachterlichen Nutzen [29]. Und doch schien Boas inzwischen auch eine Niederlassung in Erwägung zu ziehen –
und zwar als Dermatovenerologe!
Dermatologische Fachausbildung
Dermatologische Fachausbildung
Ein Blick auf seine Publikationen macht den „weiten Weg“ vom „Kriminalanthropologen“
zum Facharzt für Haut-, Harn- und Geschlechtskrankheiten vielleicht etwas verständlicher:
Über sein Anti-Alkohol-Engagement war Boas zur Kriminalpsychologie gekommen und dort
auf die grassierenden Geschlechtskrankheiten (Themen Prostitution, Tabes, Syphilis)
aufmerksam geworden ([Tab. 1]). Leider gibt der langjährige Briefwechsel von Ismar und Kurt Boas mit dem Internisten
Rudolf Stähelin-Kracht (1875 – 1943), der in seiner Berliner Assistentenzeit Mieter
der Boas gewesen war, keine Hinweise auf Boas Beweggründe, da es sich meist nur um
kurze Grüße bzw. eine Bitte von Kurt um Hilfe bei der Literaturbeschaffung handelt
[5].
Tab. 1
Unter den insgesamt mehr als 100 Fachartikeln finden sich seit 1908 auch Beiträge
mit Bezug zur Dermatovenerologie. Ab 1933 konnte Boas vermutlich nicht mehr publizieren.
Publikationen mit direktem oder indirektem Bezug zur Dermato-Venerologie
|
1908
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Beitrag zur Prophylaxe der Geschlechtskrankheiten. Allg Wiener med Ztg 1908: 373 – 374
|
1909
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Aphoristische Beiträge über Sexualbelehrung als Prophylaxe der Prostitution. Allg
Wiener med Ztg 1909, Nr. 27 und 28
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1910
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Die Behandlung der Haut- und Geschlechtskrankheiten im Lichte des modernen Kurpfuschertums.
Prager med Woschr 1910, H. 14
|
1917
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Kritische Bemerkungen über den ätiologischen Zusammenhang zwischen Chorea minor und
Syphilis. Ztschr ges Neurologie u Psychiatrie 1917; 37: 420 – 451
|
1918
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Über das Vorkommen und die forensische Bedeutung homosexueller Vergehen bei Tabikern.
Arch f Krim 1918; 69: 73 ff.
|
1919
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Die Tabes Dorsalis der Kriegsteilnehmer und ihre militärärztliche Begutachtung. Stuttgart:
Enke, 1919
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1920
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Über Fazialislähmungen bei Tabes. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten
|
1921
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Die progressive Paralyse bei Heeres- und Marineangehörigen in Krieg und Frieden. Archiv
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 1921; 63
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1924
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Syphilogene Erkrankungen des Magens im Lichte moderner Forschungsergebnisse. Zentralbl
für Haut- und Geschlechtskrankheiten 1924; 13: 1 – 23
|
1924
|
Über pallidostriäre Syndrome im Gefolge der Lues und Metalues. Archiv für Psychiatrie
und Nervenkrankheiten 1924; 71: 662 – 693
|
1924
|
Über unerwünschte Nebenwirkungen bei Anwendung von Clauden bei Harnröhrenblutungen.
Dermat Wochenschr 1924; 79: 1131 – 1132
|
1925
|
Über toxische Hauterscheinungen im Verlaufe der Wismuthbehandlung der Syphilis. Med
Klinik 1925; 20, Nr. 44/45
|
1931
|
Die Rotlichtbehandlung der Paraphimose. Med Klinik 1931; 42: 1534
|
1931
|
Über die Alkali-Therapie der geschlossenen männlichen Harnröhrengonorrhoe. Dermatologische
Ztschr 1931; 62: 179 – 183
|
1932
|
Spezifische oder unspezifische Spülbehandlung bei männlicher Harnröhrengonorrhoe.
Dermatologische Ztschr 1932; 64: 175 – 178
|
Würzburger Gastspiel – Volontär in Nürnberg
Würzburger Gastspiel – Volontär in Nürnberg
Die Vermutung, dass es sich bei der im eingangs zitierten Brief Ismar Boas’ vom 23. 9. 1922
mit „W.“ abgekürzten Stadt um Würzburg handelt, bestätigt eine dort abgeschickte Bewerbung
Kurts um eine Volontärarztstelle in Nürnberg vom 15. 10. 1922 – ganze drei Wochen
später!: Das rächte sich – die Stelle war gerade neu besetzt worden [7]!
In Würzburg war der Umzug der Hautklinik aus dem Juliusspital ins Luitpoldkrankenhaus
in vollem Gange [30]. Klinikchef Karl Zieler (1874 – 1945) war kein Freund jüdischer Kollegen, was ein
Zitat aus seinem Bericht über die Dermatologen-Tagung in Budapest 1935 belegt: „Auch in der Judenfrage wurde mir von eingefleischten Demokraten zugegeben, daß man
in ihren Ländern bei gleichen Verhältnissen wie in Deutschland wahrscheinlich auch
zu den gleichen Maßnahmen gekommen wäre.“ [31]. Oberarzt Georg Birnbaum (1890 – 1948), später Chefarzt in Nürnberg und Ordinarius
in Königsberg, brachte es 1943 bis zum SS-Hauptsturmführer. Kein Wunder, dass sich
Boas hier nicht wohl fühlte!
Offenbar fehlten ihm damals lediglich sechs Monate Fachausbildung. Um die Wartezeit
bis Oktober 1923 zu überbrücken, nahm er augenscheinlich sogar einen Hilfsarbeiterposten
im Nürnberger Finanzamt an. Ernst Nathan (1889 – 1981), der Chefarzt der Hautabteilung
am Allg. Städt. Krankenhaus, leitete auch die Poliklinik für Geschlechtskrankheiten
am Paniersplatz. In dieser Zeit stand die Venerologie klar im Vordergrund. Nathan,
wie Boas Jude, musste übrigens 1933 seinen Posten dem eben erwähnten Georg Birnbaum
räumen und emigrierte 1939 nach New York.
Facharzt für Haut- und Harnkrankheiten in Crimmitschau
Facharzt für Haut- und Harnkrankheiten in Crimmitschau
Am 14. April 1924 – so lange hatte sein Vater ja finanzielle Unterstützung zugesagt
– konnte sich Kurt Boas als Dermatovenerologe niederlassen. Warum er sich dabei ausgerechnet
für die 28 000 Einwohner zählende Kleinstadt Crimmitschau ([Abb. 4]) entschied, ist nicht bekannt. War es die Nähe zu seinem Mentor Weber in Hilbersdorf
– oder gab es andere Kontakte aus der Chemnitzer Zeit? In Chemnitz war seit 1895 auch
sein Onkel Sigismund (eigentlich Schmaie; 1861 – 1935), ein Bruder von Ismar, als
Besitzer eines florierenden Textilgeschäftes mit seiner Familie ansässig [48]. Sicher ist, dass der Mediziner rasch eine erfolgreiche Facharztpraxis aufbaute
und großes Ansehen genoss.
Abb. 4 Crimmitschau: Blick in die Thiemestraße. Ansichtskarte (Quelle: Archiv Mettenleiter).
1924 fand er offenbar wieder Zeit für einige dermatologische Fachpublikationen; dann
dürfte ihn seine Praxis in Beschlag genommen haben. Die letzte Veröffentlichung datiert
von 1932 [32].
Als Abiturient 1908 noch jüdischer Konfession konvertierte er als Student zum Protestantismus.
Vor dem Verlust der Kassenzulassung, der 1933 auch seinen Vater traf, schützte ihn
die Kriegsteilnahme als Arzt in einem Seuchenlazarett. Das bestätigte ihm die Kassenärztliche
Vereinigung. Doch Neider und erbitterte Antisemiten fanden andere Wege, sich seiner
zu entledigen.
Chronologie einer Verleumdungskampagne
Chronologie einer Verleumdungskampagne
Ein eifriger SD-Mitarbeiter und Redakteur der Zwickauer ‚NS-Tageszeitung‘ (Regionalblatt
des NSDAP-Gauverlags) nahm sich der Sache an: Der 22-jährige SS-Unterscharführer Heinz
Ulrich (1912 – 1945) hatte schon bei der Auflösung von ‚Stahlhelm‘ und Freimaurerlogen
mitgewirkt [9]
[33]. Ob durch Denunzianten mit persönlichen Interessen auf Boas angesetzt oder angeregt
durch den ‚Stürmer‘-Artikel ‚Jüdische Ärzte als Rassenschänder‘ von Mitte April 1935 – ein halbes Jahr vor dem Nürnberger „Blutschutzgesetz“ –, erschien
in der ‚NS-Tageszeitung‘ vom 13./14. April ein ganzseitiger Artikel ‚Jüdischer Arzt als Rassenschänder‘. Der Untertitel lautete ‚Eine große Kulturschande in Crimmitschau‘ [11] ([Abb. 5]).
Abb. 5 Hetzartikel in der ‚NS-Tageszeitung‘ vom 13./14. April 1935 (Quelle: Stadtarchiv
Zwickau, Mikrofilm).
Man bediente sich dabei des „Standard-Katalogs“ unbewiesener Vorwürfe „aus der Musterkiste“:
-
„Rassenschande“: Verführung eines „blutjungen arischen Mädchens“ – Beschäftigung einer
arischen Pfarrerstocher als Haushälterin
-
Scheinheiligkeit als „Wolf im Schafspelz“
-
Vernachlässigung der Berufspflichten und ethischer Behandlungsgrundsätze
-
Morphinismus
-
Homosexualität (Anführungszeichen bei der Nennung von Boas Anwalt „Freund“ Eckstein)
Typisch hierbei erscheint auch die Diffamierung einzelner namentlich genannter oder
eindeutig zu identifizierender Personen, um Druck auszuüben (Geliebte, Hausangestellte
und deren Vater, Dr. Eckstein). Auffällig ist folgende Bemerkung: „Die Schuld an dieser Kulturschande trägt einzig und allein die Kassenärztliche Vereinigung.
Ihr sind die Beschwerden alle zu Ohren gekommen, und sie ist von dem Schalten und
Walten ihres Kassenarztes voll unterrichtet gewesen. Sie hat – und das ist ihr größtes
Verschulden – nicht den deutschen Volksgenossen geglaubt, sondern dem Juden Dr. Boas.“
Dagegen hatte der „investigative Journalist“ Ulrich offenbar keine Kenntnis von Boas
Veröffentlichungen zur Sexualpathologie, die genug Angriffsfläche für Diffamierungen
gegeben hätten!
Als sich der erhoffte Unmut der Bevölkerung nicht einstellen wollte, marschierte die
SA am 15. April um 22 Uhr vor Boas Haus auf, „eine größere Menschenansammlung“, über die ‚Crimmitschauer Anzeiger‘ und ‚Crimmitschauer Stadt- und Landzeitung‘ am
Folgetag nahezu gleichlautend berichteten. NS-Oberbürgermeister Franz Schmidt sah
sich genötigt, den Arzt „zu seiner persönlichen Sicherheit vorläufig in Schutzhaft“ zu nehmen und im Polizeiauto ins Amtsgericht Crimmitschau bringen zu lassen [10].
In den in Prag gedruckten Berichten der ‚SoPaDe‘ von 1935 erfährt man: „Die SA hat bei seiner Verhaftung die ganze Wohnungseinrichtung zerschlagen und alle
ärztlichen Instrumente zerstört. Obwohl bei der Verhaftung genügend Polizeibeamte
zugegen waren, hat sie die SA in ihrer Zerstörungswut nicht gehindert.“
[34].
Gewissermaßen als Nachklatsch erschien im ‚Stürmer‘ Nr. 25 vom Juni 1935 ein Sammelartikel
mit dem Titel ‚Jude schändet weiter‘: „In Crimmitschau (Sachsen) wurde der jüdische Arzt Dr. Boas in Schutzhaft genommen.
Sonst hätte ihn die vor seinem Hause angesammelte Menschenmenge gelyncht. Der Jude
Dr. Boas hat sich jahrelang (!!) deutschen Patientinnen (!!) gegenüber in der schamlosesten
und anstößigsten Weise benommen. Er wird auf ein paar Jahre ins Zuchthaus wandern.“
Boas kehrte nicht mehr zurück: Im Reichsmedizinalkalender findet sich 1937 ein arischer
Kollege (Jg. 1905) verzeichnet, der in der DDR noch Karriere als Kreisvenerologe machte.
Der zweite jüdische und – wie Boas – getaufte Arzt, Hermann Mendelssohn (1893 – 1968;
Appr. 1920), der 1917 nach Crimmitschau einheiratete und sich dort später als praktischer
Arzt niederließ, verließ die Stadt 1938/39 und starb 1968 in Potsdam [46]
[47].
„Schutzhaft“ in Sachsenburg
„Schutzhaft“ in Sachsenburg
Zuständig war die Gestapo Dresden, die Boas nach Sachsenburg – zwischen Freiberg und
Mittweida – einwies. Das 1933 gegründete Lager in der ehemaligen Spinnerei unterhalb
des Schlosses bestand bis 1937, als die Häftlinge nach Sachsenhausen und Buchenwald
verlegt wurden ([Abb. 6]). 1945 wieder Spinnerei, wurde der Betrieb 1990 geschlossen. An die Häftlinge erinnert
seit 1968 ein Denkmal von Hans Diettrich (1905 – 1983).
Abb. 6 Lageplan des KZ Sachsenburg 1936 (Quelle: Arbeiter-Illustrierte Zeitung vom 17. 6. 1936).
Zahlreichen Mitgefangenen blieb Boas im Gedächtnis: Pfarrer Georg Krause (1909 – 1986)
berichtete 1984: „Nach wochenlanger Haft in einer Dunkelzelle kam er ans Tageslicht, hinterließ einen
Gestank, den ich noch immer einzuatmen meine, und wurde auf dem Lagerplatz über einen
Tisch geschnallt. Dann bekam er auf sein entblößtes Hinterteil 24 Stockhiebe von SS-Offiziersanwärtern
in Ausgehuniform. Im Geviert aller Häftlinge wurde den Pfarrern unter ihnen kurz vor
der Mißhandlung befohlen, ins vorderste Glied zu treten. Wir bekamen so ‚das Judenblut,
das vom Messer spritzt‘ direkt ins Gesicht.“ [35].
Ernst Leuschke erinnerte sich: „Das Judenkommando musste Steine klopfen und Jauche fahren. Der Frauenarzt Dr. Boas
saß schon seit 2 Jahren an diesem Steinhaufen. Er war nur noch ein menschliches Wrack,
das irre vor sich hinglotzte und zur Begleitung seiner Arbeit von früh bis abends
die Worte ‚ich bin der Dr. Boas aus Crimmitschau, das gottverfluchte Judenaas, die
Judensau‘ sagen musste. Die Juden hatten vollkommen vereiterte Hände. Wollten sie
sich verbinden lassen oder eine Notdurft verrichten, dann mussten sie auf allen Vieren
die mächtige Steinhalde hinaufklettern, um an der anderen Seite Kopf voran wieder
hinunterzurollen.“ [12]. Der Schlosser Hugo Gräf (1892 – 1958), ehemaliger KPD-Reichstagsabgeordneter und
späterer SED-Funktionär, bestätigte im Sommer 1936, Boas sei „durch diese […] Behandlung zum Idioten geworden“ [36].
Otto Haubold (1898 – 1966), Maurer und KPD-Mitglied, schreibt über den Mittvierziger:
„Der Mann war 67 Jahre. Der wurde von dem Standartenführer dem ganzen Lager vorgestellt
als Judenschwein, welches sich an arischen Jungfrauen vergangen habe. Dieser musste
mehrfach 25 Stockschläge aushalten. Er wurde auf einen Bock geschnallt und musste
jeden Schlag mitzählen. Immer angesichts des größten Teils der Häftlinge. Dieser Mann
bewies eine derartige Kraft, dass kein Schlag ihm eine Klage entlockte. Sein Aufenthalt
war nur der Bunker. Er war zur Arbeit in der Jauchenkolonne abgestellt. Dabei wurde
er in die Jauche gestoßen und dann wieder mit kaltem Wasser übergossen und mit dem
Schrupper bearbeitet. Auch dieser Mann ist im Lager gestorben.“ [37].
Weitere Einzelheiten enthalten die ‚Deutschland-Berichte der SoPaDe‘: Boas, so liest
man im August 1936, „mußte fast alle ihm übertragenen Arbeiten barfuß ausführen. Bei Sportübungen wurde
Dr. Boas immer besonders vorgenommen und schikaniert. Bei jeder Gelegenheit hat man
ihn den Haß spüren lassen. Damit aber noch nicht genug. Die Lagerleitung hat alles
getan, um die anderen Häftlinge ebenfalls gegen Dr. Boas aufzubringen. So hat man
z. B. wiederholt angeblich wegen eines Verschuldens von Dr. Boas, alle anderen Häftlinge
länger arbeiten lassen. Dr. Boas mußte auch sehr oft an Sonntagen arbeiten, wenn die
anderen Häftlinge frei hatten.“ [34]. Die gleiche Quelle berichtet im Mai 1937: Boas „war ein außerordentlich tapferer Mensch. Als ihn der SS-Führer Schmidt nach einer
eben vollzogenen Prügelstrafe – Boas hatte 25 Hiebe erhalten und wurde gerade vom
Prügelbock losgeschnallt – höhnisch fragte, wie ihm das bekommen sei, sagte Boas:
‚Ein deutscher Offizier verträgt alles‘; Boas war im Weltkrieg, obwohl Jude, Offizier.
Der SS-Führer Schmidt fand an diesen Exekutionen besonderes Interesse und ließ einmal
eine solche Abstrafung um kurze Zeit verschieben, bis er mit einigen ‚Damen‘, die
er aus der Stadt im Auto mitgebracht hatte, in seiner Villa angelangt war und nun
mit ihnen gemeinsam das Schauspiel vom Fenster aus verfolgen konnte. Die Prügeleien
fanden auf dem Hofe zwischen der Villa der SS-Leitung und dem Gefangenenhaus statt.“ [34].
Mit SS-Obersturmbannführer Bernhard Schmidt (1890 – 1960) ([Abb. 7]), Bauingenieur, im I. Weltkrieg (nur) Unteroffizier und seit 1. April 1935 in Sachsenburg,
scheint sich ein regelrechtes „Machtspielchen“ gegenseitiger Provokationen aufgeschaukelt
zu haben. Dabei war Boas als „Feldhilfsarzt“ oder „Feldunterarzt“ lediglich „Subalternoffizier“
im Range eines Feldwebelleutnants gewesen, auch wenn die ‚SoPaDe‘ ihn 1935 zum Regimentsarzt
„beförderte“ und seinen nie gedienten Vater Ismar gar zum „Generalarzt und Hausarzt eines regierenden Fürsten“ machte [34]. Schmidt wurde übrigens später wegen Unfähigkeit entlassen und nach Kriegsende nie
juristisch belangt.
Abb. 7 Standartenführer Schmidt, Zeichnung eines Schutzhäftlings (Quelle: Arbeiter-Illustrierte
Zeitung vom 17. 6. 1936).
Er beurteilte Boas bei der Überprüfung der Schutzhaft nach einem Monat am 15. Mai
1935 mit III, d. h. schlecht: „B. ist ein hinterhältiger Bursche, der sich nur dem Drucke der Lagerordnung fügt.
Gegen eine evtl. Entlassung des B. aus der Schutzhaft erhebe ich begründeten Einspruch
beim politischen Polizeikommandeur.“ Knapp ein Jahr später, am 24. April 1936 wurde Boas von ihm immerhin mit II, d. h.
zufriedenstellend, eingeschätzt, allerdings sei er „noch nicht zur Entlassung reif“ [16] – das ist das letzte offizielle Lebenszeichen. Zwei Arrestscheine und mehrere Einträge
im Diensttagebuch bestätigen Dunkelhaft und Bestrafung durch Stockschläge [16].
Weiteres Schicksal
Trotz Subjektivität, tendenziöser Darstellung und offensichtlicher Erinnerungsfehler
von Augenzeugen, Exilpresse und Lagerverwaltung entsteht hieraus ein plastisches Bild
der Haftzeit. Angesichts der physischen und psychischen Misshandlungen erstaunt es
nicht, dass mancher Zeitzeuge davon ausging, dass Boas im Lager umkam. Diese These
schien bestätigt, als nach Kriegsende im Sachsenburger Rathaus Sterbeurkunden ermordeter
Häftlinge auftauchten, darunter die eines Dr. Boas [38]. Allerdings findet sich im Totenbuch von Sachsenburg sowie den Sterbebüchern von
Sachsenburg und Frankenberg kein Hinweis [16].
Dem steht auch der Eintrag des Reichsmedizinalkalenders von 1937 als Hautarzt in der
Passauer Straße 11 in Berlin entgegen, in einem jüdisch und russisch geprägten Viertel,
das scherzhaft „Charlottengrad“ genannt wurde. Dagegen verzeichnet ihn das Berliner
Adressbuch von 1937 nicht. In der Reichsärztekartei ist der 22. 9. 1937 als Datum
des Entzugs der Kassenzulassung vermerkt [45]. Möglicherweise hat Boas auch einen Ausbürgerungsantrag gestellt und dabei England
als Emigrationsziel angegeben [13]
[40]. Bei einem 1939 nach England emigrierten Kurt (Ewald) Boas (1906 – 1983) handelt
es sich eindeutig um einen Namensvetter [41]. 1942/43 war ein Kurt Boas (aus England kommend) in Kanada interniert [8].
Nachkriegsaussagen ehemaliger SS-Angehöriger vor Gericht, er sei entlassen worden
und über die Tschechoslowakei nach Bolivien ausgewandert, dürfen als Schutzbehauptungen
angezweifelt werden [12]
[42]. Allerdings berichtet auch Ern[e]st A[rthur] Boas (1900 – 1997), der selbst als
Mineningenieu in Brasilien tätig war, etwas vage über seinen Cousin, dem er nie persönlich
begegnete: „Feeling always overshadowed by his great father, he wished to find his own way […]
Under the Nazi regime he went to South America. I […] do not know anything about his
fate.“ [43].
Kurts Mutter Sophie brachte noch die Asche ihres verstorbenen Mannes nach Berlin und
zog 1938 nach Amsterdam, von wo sie deportiert und 1943 im KZ Sobibor ermordet wurde
[14]. Kurts Schwester Klara/Claire wanderte Ende 1938 mit ihrem Ehemann, dem Kinderarzt
Kurt Werner Schneider (1902 – 1982), nach New York aus [14], wo sie als Kunstrestauratorin arbeitete und 1971 kinderlos starb. In ihrem Entschädigungsakt
wird Kurt Boas nicht erwähnt; ein Akt von Kurt Boas ist nicht vorhanden [14].
In einem Interview berichtete Klara 1958, ihr Bruder sei als Opfer des Nationalsozialismus
umgekommen. Demnach war Kurt Boas spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben
[44].
Fazit
Aus den Nachforschungen ergibt sich das Bild einer vielseitig interessierten, außergewöhnlichen
Medizinerpersönlichkeit, die Opfer der nationalsozialistischen Rassenpolitik wurde.