Pneumologie 2016; 70(01): 37-48
DOI: 10.1055/s-0041-109312
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Atemmuskeltraining: State-of-the-Art

Respiratory Muscle Training: State of the Art
O. Göhl
1   Rehaklinik Heidelberg-Königstuhl, Heidelberg
,
D. J. Walker
2   II. Medizinische Klinik, Pneumologie, Kardiologie und Intensivmedizin, Klinikum Konstanz
,
S. Walterspacher
2   II. Medizinische Klinik, Pneumologie, Kardiologie und Intensivmedizin, Klinikum Konstanz
,
D. Langer
3   KU Leuven – University of Leuven, Department of Rehabilitation Sciences, Leuven, Belgien
,
C. M. Spengler
4   Exercise Physiology Lab, Institut für Bewegungswissenschaften und Sport, ETH Zürich, und Zentrum für Integrative Humanphysiologie, Universität Zürich, Schweiz
,
T. Wanke
5   Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel und Karl Landsteiner Institut, Abteilung für Atmungs- und Lungenerkrankungen, Wien, Österreich
,
M. Petrovic
5   Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel und Karl Landsteiner Institut, Abteilung für Atmungs- und Lungenerkrankungen, Wien, Österreich
,
R.-H. Zwick
6   Univ. Klinik für Innere Medizin, Univ. Klinikum Tulln, Karl Landsteiner Privatuniversität, Ambulante Pneumologische Rehabilitation, Therme Wien Med, Wien, Österreich
,
S. Stieglitz
7   Medizinische Klinik I – Pneumologie und Kardiologie, Petrus Krankenhaus Wuppertal
,
R. Glöckl
8   Schön Klinik Berchtesgadener Land, Fachzentrum Pneumologie, Schönau am Königssee
,
D. Dellweg
9   Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft GmbH, Lehrkrankenhaus der Universität Marburg, Schmallenberg
,
H.-J. Kabitz
2   II. Medizinische Klinik, Pneumologie, Kardiologie und Intensivmedizin, Klinikum Konstanz
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Dr. phil. Oliver Göhl
Rehaklinik Heidelberg-Königstuhl
Kohlhof 8
69117 Heidelberg

Publication History

eingereicht 18 August 2015

akzeptiert nach Revision 10 November 2015

Publication Date:
20 January 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Spezifisches Atemmuskeltraining (IMT) ist in der Lage, die Funktion der Atemmuskulatur zu verbessern. Anhand der Studienlage und klinischen Praxis haben sich 3 Methoden etabliert: 1.) kontrollierte Stenoseatmung („resisitive load“), 2.) „threshold load“ und 3.) normokapnische Hyperpnoe. Die jeweiligen Methoden und zugehörigen Trainingsgeräte weisen spezifische Charakteristika auf. Die Einleitung eines IMT erfordert eine vorausgehende Diagnostik der Atemmuskelfunktion und eine detaillierte individualisierte Trainingseinweisung und -anleitung.

Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, anhand der aktuell verfügbaren Literatur die unterschiedlichen IMT-Methoden bei den wichtigsten Indikationsgebieten zu beleuchten und kritisch zu diskutieren. Bei den neuromuskulären Erkrankungen werden Muskeldystrophien, spinale Muskelatrophien, amyotrophe Lateralsklerose, Phrenicusparese und Verletzungen des Rückenmarks dargestellt. Zudem werden die Bereiche interstitielle Lungenerkrankungen, Sarkoidose, Linksherzinsuffizienz, pulmonal-arterielle Hypertonie, Kyphoskoliose und Adipositas beleuchtet. Bei den obstruktiven Atemwegs- und Lungenerkrankungen werden COPD, Asthma, Mukoviszidose und „Non-CF-Bronchiektasen“ aufgearbeitet. Abschließend finden sich Ausarbeitungen für den Bereich Weaning vom Respirator und im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität.


Abstract

Specific respiratory muscle training (IMT) improves the function of the inspiratory muscles. According to literature and clinical experience, there are 3 established methods: 1.) resistive load 2.) threshold load and 3.) normocapnic hyperpnea. Each training method and the associated devices have specific characteristics. Setting up an IMT should start with specific diagnostics of respiratory muscle function and be followed by detailed individual introduction to training.

The aim of this review is to take a closer look at the different training methods for the most relevant indications and to discuss these results in the context of current literature.

The group of neuromuscular diseases includes muscular dystrophy, spinal muscular atrophy, amyotrophic lateral sclerosis, paralysis of the phrenic nerve, and injuries to the spinal cord. Furthermore, interstitial lung diseases, sarcoidosis, left ventricular heart failure, pulmonary arterial hypertension (PAH), kyphoscoliosis and obesity are also discussed in this context. COPD, asthma, cystic fibrosis (CF) and non-CF-bronchiectasis are among the group of obstructive lung diseases. Last but not least, we summarize current knowledge on weaning from respirator in the context of physical activity.


Hintergrund

Die Atempumpe bildet das Kernstück des ventilatorischen Systems, welches den An- und Abtransport der Atemgase sicherstellt ([Abb. 1]) [1] [2]. Sie ist durch ein empfindliches Gleichgewicht zwischen der verfügbaren Kapazität und der ihr auferlegten Last gekennzeichnet ([Abb. 2]) [1] [2]. Einschränkungen der Zwerchfellfunktion oder der nicht-diaphragmalen Inspirationsmuskulatur können dieses Gleichgewicht entscheidend verschieben und zu chronischer Überlastung führen. In der Folge wird die Ventilation gedrosselt, um ein akutes Atempumpenversagen zu verhindern [1] [2]. Es entsteht eine alveoläre Hypoventilation mit Hyperkapnie und Hypoxämie im Sinne einer hyperkapnischen und hypoxischen respiratorischen Insuffizienz [1] [2]. Durch eine Diagnostik der Atemmuskelfunktion ist zu klären, ob eine Einschränkung der Atemmuskulatur und/oder erhöhte Beanspruchung vorliegen und wie ausgeprägt diese ausfallen [1]. In dieser Übersichtsarbeit wird die Beeinflussung der Funktion der (inspiratorischen) Atemmuskulatur durch ein systematisches Training bei unterschiedlichen Voraussetzungen und Krankheitsbildern dargestellt.

Zoom
Abb. 1 Die Atempumpe mit unterschiedlichen Lokalisationen möglicher Funktionsstörungen [2].
Zoom
Abb. 2 Die Atempumpe und das empfindliche Gleichgewicht zwischen der ihr auferlegten Last und ihrer Kapazität [2].

Atemmuskeltraining

Die Atemmuskulatur besteht aus quergestreifter Muskulatur. Sie unterliegt daher denselben physiologischen Gesetzmäßigkeiten wie die übrige Skelettmuskulatur [3] und ist grundsätzlich bzgl. Kraft und Ausdauer trainierbar [4] [5] [6]. Für beide Modalitäten ist eine exakte Dosierung der Trainingslast („targeting“) erforderlich. Aufgrund (patho-) physiologischer Überlegungen kommt dem inspiratorischen Atemmuskeltraining (IMT) gegenüber dem exspiratorischen Atemmuskeltraining (EMT) bei Weitem die größere Bedeutung zu.


Methoden

Anhand der verfügbaren Literatur und der klinischen Erfahrung haben sich die drei nachfolgend aufgeführten Trainingsmethoden etablieren können [5] [6] [7] [8] (vgl. [Tab. 1]):

Tab. 1

Charakteristika der verschiedenen Trainingsmethoden und Devices.

Trainingsmethode

Fokus

Kosten

Feedbacksystem

Speicherung Trainingsdaten

Hersteller

threshold Load

Kraft und Ausdauer

gering

nicht erforderlich

nein

z. B. Threshold IMT®; POWERbreathe® Medic

resistive load:

kontrollierte Stenoseatmung

Kraft und Ausdauer

teuer

optisch

ja

z. B. Respifit S®

resistive load:

adaptive Stenoseatmung

Kraft und Ausdauer

moderat

optisch

ja

z. B. Powerbreathe (K-Serie)

normokapnische Hyperpnoe

Ausdauer

teuer

optisch/akkustisch

ja

z. B. Spirotiger®

  • kontrollierte Stenoseatmung („resistive load“) und „threshold load“ als Methoden des primär auf Kraftsteigerung abzielenden IMT: Kontraktionen (inspiratorisch) mit hohem Kraftaufwand und wenigen Wiederholungen.

  • „Normokapnische Hyperpnoe“ als „Ausdauertraining“: Kontraktionen (in- und exspiratorisch) mit niedrigem Kraftaufwand und vielen Wiederholungen.

Resistive Load

Zur Erzeugung eines spezifischen trainingswirksamen Widerstands, der mindestens 30 % der maximal möglichen Inspirationskraft („PImax“) betragen sollte [5], wird durch eine definierte Stenose geatmet. Da hier der Widerstand vom aufgebauten Fluss abhängig ist, sollten die Trainingsgeräte den Atemfluss kontrollieren und einen Feedbackmechanismus besitzen („targeted resistive breathing“), der eine korrekte Durchführung des Trainings anzeigt [9]. Die neueste Generation dieser Geräte besitzt adaptive Stenosen, welche sich elektronisch dem Atemfluss anpassen. Hier wird jedoch zudem ein definierter Anfangswiderstand eingebaut, weshalb diese Geräte auch Komponenten des „threshold load“ (siehe unten) aufweisen.


Threshold Load

Bei der Methode „threshold load“ muss zunächst statisch ein inspiratorischer Widerstand aufgebaut werden, bis eine vorher definierte Schwelle (engl.: threshold) erreicht wird. Anschließend ist eine Inspiration gegen den gleichbleibenden Widerstand möglich [10] [11]. Der so erzeugte Widerstand, der mindestens 30 % des PImax entsprechen sollte [5], ist unabhängig vom Atemfluss des Patienten. Daher ist zur korrekten Durchführung des Trainings kein Feedback-System erforderlich.


Normokapnische Hyperpnoe

Hier erfolgt eine schnelle und tiefe Ein- und Ausatmung. Um eine Hyperventilation mit konsekutiver Hypokapnie zu verhindern, wurden Trainingsgeräte entwickelt, welche durch partielle Rückatmung der Atemluft eine Normokapnie gewährleisten. Die Durchführung des Trainings ist koordinativ anspruchsvoll, sodass eine intensive Trainingseinweisung der Patienten notwendig ist; ein optisches/akustisches Feedback-System ist obligat. Anzustreben sind Trainingsintensitäten, die etwa 60 % des Atemgrenzwertes (z. B. maximal voluntary ventilation; MVV) eines Patienten entsprechen [5] [12] [13].



IMT-Geräte

Bisher existieren zu wenig publizierte Daten, um den Einsatz der verschiedenen IMT-Methoden bei Patienten direkt miteinander zu vergleichen. Es können somit aktuell nur mit Einschränkung Empfehlungen gegeben werden, bei welchem Patientenkollektiv welche Methode eingesetzt werden sollte.


Umsetzung

Die Initiierung bzw. Optimierung eines IMT kann z. B. ideal im Rahmen eines pneumologischen Rehabilitationsprogrammes umgesetzt werden ([Tab. 2]). Zu Beginn sollten die Patienten über die physiologischen Veränderungen der Atemmuskulatur und die daraus resultierenden Prinzipien des IMT aufgeklärt werden. Des Weiteren sollten die Wirkmechanismen sowie die zu erwartenden Effekte vermittelt werden. Bei der Einweisung in das jeweilig verwendete Trainingsgerät sollten die Patienten neben Handhabung und Bedienung des Gerätes auch Informationen über die notwendigen Hygiene- und Reinigungsmaßnahmen erhalten. Weiterführende Informationen sind z. B. auf der Homepage www.atemmuskeltraining.com verfügbar.

Tab. 2

Trainingsparameter eines initialen IMT Aufbauprogrammes.

Häufigkeit

5 – 7-mal pro Woche

Dauer

7-mal 2 Minuten (mit je 1 Minute Pause)

Intensität

initial ca. 30 % PImax (kontinuierliche Progression wie individuell möglich)

Trainingssteuerung

(mod. Borg-Skala 0 – 10)

Atemkraftanstrengung: 4 – 6

PImax = maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck


IMT bei restriktiven Ventilationsstörungen

Neuromuskuläre Erkrankungen

Hierunter versteht man eine heterogene Gruppe von Krankheiten, welche nach der Ätiologie, dem klinischen Erscheinungsbild sowie der Lokalisation der Störung klassifiziert werden (vgl. [Tab. 3], [Abb. 3], [Tab. 4]).

Tab. 3

Übersicht der neuromuskulären Erkrankungen (mod. nach [15]).

Erkrankungen des Muskels (Myopathien)

Muskeldystrophie

z. B. Typ Duchenne, Typ Becker, Gliedergürteldystrophie

myotone Muskelerkrankung

z. B. myotone Dystrophie

entzündliche Myopathien

z. B. Polymyositis, Dermatomyositis

metabolische Myopathien

z. B. M. Pompe

Erkrankung der neuromuskulären Endplatte

z. B. Myasthenia gravis

Erkrankung des zentralen/peripheren Nervensystems

z. B. ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), spinale Muskelatrophie, Phrenicusparese

Zoom
Abb. 3 Das motorische Nervensystem [14].
Tab. 4

IMT bei restriktiven Ventilationsstörungen: Übersichtsdarstellung.

Studie

Jahr

Studientyp

n

Alter

Geschlecht

Erkrankung Patientenmerkmale

IMT

Dauer

Sham-IMT

Outcome

Evidenzgrad

Empfehlung

Bemerkungen

Wanke et al.

Chest [18]

1994

RCT

30

14 y

18 m/12 w

M. Duchenne

resistive load

1-mal 20 min tgl.

6 Monate

ja

PImax

Tlim

ja

I

Studie bei M. Duchenne,

Trainingseffekt nur wenn VC > 1 l

Koessler et al.

Chest [21]

2001

prospektive Studie

27

16 y

16 m/11 w

M. Duchene

Spinale Muskelatrophie

resistive load

1-mal 20 min tgl.

2 Jahre

nein

PImax

Tlim

ja

II

Studie bei NMD über 2 Jahre

Progredienz der Atemmuskelschwäche konnte aufgehalten werden, Plateau nach 10 Monaten erreicht

Eidenberger et al.

NeuroRehabilitation [26]

2014

syst. Übersichtsarbeit, 4 Studien

73

ALS

threshold,

resistive load

1-mal 10 min

nein

PImax

nein

I

aufgrund der raschen Progredienz der Erkrankung kein relevanter Trainingseffekt

n = Patientenzahl, ALS = Amyotrophe Lateralsklerose, PImax = maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck, Tlim = Parameter der inspiratorischen Atemmuskelausdauer, VC = Vitalkapazität, ↑↑ = starke Empfehlung, ↑ = Empfehlung, ↔ = Empfehlung offen

Wesentliches gemeinsames Kriterium ist die zumeist progrediente Muskelschwäche unterschiedlicher Geschwindigkeit und Ausprägung, die mit zunehmendem Lebensalter u. a. zu einer Atemmuskelschwäche und konsekutiv zur hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz führt.

Muskeldystrophien

Die zwei häufigsten Muskeldystrophien (beide „Beckengürtel-Typ“) sind: Typ Duchenne („maligne“) und Typ Becker-Kiener („benigne“) [16]. IMT in Form von resistive load erzielte hier Verbesserungen der Kraft als auch der Ausdauer der Atemmuskulatur sowie der Lebensqualität [17] [18]. Es besteht eine Dosis/Wirkungs-Beziehung [19] [20]. IMT erfolgte hierbei favorisiert täglich mit 70 % des PImax; allerdings nur bei Patienten mit einer Vitalkapazität > 1 l (bzw. 25 % soll) [17] [18]. Das IMT sollte so früh wie möglich begonnen werden und zeigt auch im Langzeitverlauf günstige Ergebnisse [21].

Anhand der dünnen Datenlage zeigten sich bei diesem Patientenkollektiv weder für „normokapnische Hyperpnoe“ noch „threshold load“ signifikante Verbesserungen in Bezug auf die Atemmuskelkraft sowie die Vitalkapazität [22] [23].


Spinale Muskelatrophien

Dies sind Erkrankungen, die auf einem Untergang der Vorderhornzellen im Rückenmark (zweites motorisches Neuron) beruhen. Publiziert sind lediglich Studien mit Verwendung von „resistive load“ [18] [21] [24]. Hierbei verbesserte sich sowohl die Atemmuskelkraft als auch die Dyspnoe [18] [21]. Ein anhaltender Trainingseffekt konnte bei Kindern (bis zum 14. Lebensjahr) für 3 (Atemmuskelkraft) bzw. 12 Monate (Dyspnoe) erreicht werden [24].


Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Bei dieser zumeist rasch progressiven Erkrankung degenerieren das 1. und 2. Motorneuron: Es kommt u. a. zu progredienten muskulären Funktionseinbußen – auch der Atemmuskulatur. Aktuell existieren nur wenige kontrollierte Studien zum IMT bei ALS. Treshold load verbessert hier die MVV [25], die Atemmuskelkraft kann (kurzfristig) minimal gesteigert werden [26]. Aussagen zur Beeinflussung der Lebensqualität und des weiteren Krankheitsverlaufs sind aktuell nicht möglich. Aufgrund der raschen Progredienz der Erkrankung erscheint der Stellenwert des IMT hierbei jedoch sehr fraglich – ggf. muss auch mit einer klinischen Verschlechterung gerechnet werden.


Phrenicusparese

Tägliches IMT mittels resistive load (70 % PImax) zeigte hier positive Effekte mit einer möglicherweise günstigen Beeinflussung auch beim Vorliegen einer respiratorischen Insuffizienz [27].


Verletzungen des Rückenmarks (hoher Querschnitt)

Zwar rechnen diese Erkrankungen streng genommen nicht zu den neuro-muskulären, zeigen jedoch ähnliche klinische Auswirkungen. Die meisten Studien verwendeten hier normokapnische Hyperpnoe [28] [29]. Trainingsdauern reichten von 10 – 20 Minuten, wobei 40 % des MVV bei Tetraplegikern und 60 % des MVV bei Paraplegikern gewählt wurden [28]. Eine Metaanalyse zeigte, dass sowohl die Vitalkapazität als auch die Atemmuskelkraft verbessert werden konnten [30].



Sonstige restriktive Ventilationsstörungen

Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD)

Hierbei wird die Ausbildung einer hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz zumeist erst in sehr späten Stadien beobachtet [31]. Gleichwohl kann IMT hierbei den PImax und die 6-Minuten-Gehstrecke verbessern sowie die Dyspnoe reduzieren [32] (vgl. [Tab. 5]).

Tab. 5

IMT bei sonstigen restriktiven Ventilationsstörungen.

Studie

Jahr

Studientyp

n

Alter

Geschlecht

Erkrankung Patientenmerkmale

IMT

Dauer

Sham-IMT

Outcome

Evidenzgrad

Empfehlung

Bemerkungen

Jastrzebski et al. Pneumonol Alergol Pol [32]

2008

RCT

30

65 y

19 m/11 w

idiopathische Lungenfibrose

threshold load, 12 Wochen (5-mal Einatmung, 1 min Pause; 6 Wdh.)

nein

6MWT, Dyspnoe (BDI) und MIP verbessert

I

niedrige Fallzahl; verglichen wurde ein zusätzliches Atemmuskeltraining mit alleiniger Physiotherapie

Hornstein et al. Spine [36]

1987

Fallserie

 2

Kyphoskoliose

PImax; Respiratorentwöhnung

III

2 Fälle in unterschiedlicher Situation

Villiot-Danger, JC et al. Int J Obes [39]

2011

RCT

30

42 ± 12 y

Adipositas (45 ± 7 kg/m²)

30-min isocapnische Hyperpnoe mit 60 – 80 % maximum voluntary ventilation, 3 – 4 mal pro Woche

nein

Verbesserung von Endurance, 6MWT Dyspnoe und Lebensqualität

I

niedrige Fallzahl

Tenorio et al. Disabil Rehabil [40]

2013

RCT

31

Adipositas

Training über 12 Wochen

ja

Zunahme PImax

I

niedrige Fallzahl

Barbalho-Moulkil et al. Clinics [41]

2011

RCT

32

36 y

32 w

Patientinnen vor Adipositas-Chirurgie

2 – 4 Wochen, 6-mal pro Woche für 15 min mit anfangs 30 % MIP

nein

max. inspiratorische Kraft nahm postoperativ weniger stark ab

I

niedrige Fallzahl

Casali, et al. Obes Surg [42]

2011

RCT

30

36 y

15 m/15 w

Patienten (35 – 60 kg/m²) vor Adipositas-Chirurgie

threshold load 2. bis 30. Tag postoperative für je 30 min

ja

MIP und Endurance verbessert, schnellere Erholung der Lungenfunktionsparameter

I

niedrige Fallzahl

n = Patientenzahl, PImax = maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck, MIP = Maximal inspiratory pressure, BDI = Baseline Dyspnoea Index, 6 MWT = 6 Minute Walking Test, ↑↑ = starke Empfehlung, ↑ = Empfehlung, ↔ = Empfehlung offen


Sarkoidose

Luftnot gehört neben Erschöpfung („Fatigue“) zu den häufigsten Symptomen bei Sarkoidose [33]. Eine Beteiligung der Atemmuskulatur mit Funktionseinschränkung ist möglich [34]. Studien zum gezielten Einsatz eines IMT bei Sarkoidose existieren aktuell nicht.


Kyphoskoliose

Die Atemmuskelstärke ist bei milden Formen zumeist normal, fällt bei schweren Verlaufsformen jedoch ab [35]. Es existieren lediglich einzelne Fallberichte zum Einsatz des IMT [36].


Adipositas

Die Atemmuskelkraft ist hier zumeist normal oder aber gering reduziert [37] [38]. IMT mittels normokapnischer Hyperpnoe verbesserte die Vitalkapazität, die Ausdauer der Atemmuskulatur, die 6-Minuten-Gehstrecke sowie die Dyspnoe und Lebensqualität; nicht jedoch die Atemmuskelstärke [39]. Mittels „threshold load“ konnten der PImax sowie das MVV gesteigert werden [40]. Im Vorfeld einer bariatrischen Chirurgie kann IMT den PImax erhöhen und eine postoperative Abnahme verringern [41]. Postoperatives IMT verbessert deutlich die Atemmuskelkraft sowie die Ausdauer [42].




IMT bei kardio-zirkulatorischen Störungen

Linksherzinsuffizienz

Die Atemmuskelkraft ist hierbei reduziert, stellt ein unabhängiges Mortalitätsrisiko dar und korreliert mit Dyspnoe, maximaler Sauerstoffaufnahme und funktionellem Stadium („NYHA-Klasse“) [43] [44]. IMT verbessert den PImax, die körperliche Belastbarkeit und reduziert die Dyspnoe [45] [46] [47] [48] (vgl. [Tab. 6]).


Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)

Hier mehren sich die Hinweise, dass die Atemmuskelfunktion eingeschränkt ist [49]. Rehabilitative Maßnahmen, die auch ein respiratorisches Training beinhalten, führen zu einer Zunahme der 6-Minuten-Gehstrecke wie auch der maximalen Sauerstoffaufnahme [50] [51]. Isoliertes IMT bei PAH wurde bisher nicht untersucht (vgl. [Tab. 6]).

Tab. 6

IMT bei kardio-zirkulatorischen Störungen.

Studie

Jahr

Studientyp

n

Alter

Geschlecht

Erkrankung Patientenmerkmale

IMT

Dauer

Sham-IMT

Outcome

Evidenzgrad

Empfehlung

Bemerkungen

Weiner et al. Clin Cardiol [45]

1999

RCT

20

65 y

18 m/2 w

chronische Herzinsuffizienz

threshold load für 3 Monate, 30 min täglich 6-mal pro Woche

ja

Verbesserung von PImax und Endurance sowie von 6MWT und Dyspnoe Score

I

Marco et al. Eur Heart Fail [46]

2013

RCT

22

69 y

17 m/5 w

chronische Herzinsuffizienz

threshold load (Orygen-Dual Valve) mit 5-mal 10 Wiederholungen, täglich über 4 Wochen

ja

Verbesserung der PImax und der Endurance

I

niedrige Fallzahl

Plentz et al. Arq Bras Cardiol [47]

2012

Metaanalyse

 7 Studien

chronische Herzinsuffizienz

Verbesserung der Peak-VO2 in Studien über 12 Wochen bei Patienten mit nachweislicher Atemmuskelschwäche und Verbesserung der 6MWT

I

↑↑

Smart et al. Int J Cardiol [48]

2013

Metaanalyse

11 Studien (287 Patienten)

chronische Herzinsuffizienz

ja

Verbesserung von 6MWT, Peak-VO2, PImax und Lebensqualität

I

↑↑

Grünig et al. Respiration [50]

2011

Beobachtungsstudie

58

51 y

16 m/42 w

pulmonalarterielle Hypertonie

15 Wochen Traninig (telefonische Nachverfolgung 24 ± 12 Monate)

Physiotherapie mit zusätzlichem Atemmuskeltraining

III

unklar, wieviele der Effekte durch gezieltes Atemmuskeltraining erreicht wurde

Mereles et al. Circulation [51]

2006

RCT

30

50 y

10 m/20 w

pulmonalarterielle Hypertonie

15 Wochen Training

nein

Peak-VO2, 6MWT und Lebensqualität (SF-36 verbessert)

I

Kontrollgruppe ohne jegliches Training; Trainingsgruppe mit zusätzlichem Atemtraining

n = Patientenzahl, PImax = maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck, SF-36 = Short Form 36 (Erfassung generische Lebensqualität), 6MWT = 6 Minute Walking Test, ↑↑ = starke Empfehlung, ↑ = Empfehlung, ↔ = Empfehlung offen



Obstruktive Atemwegs- und Lungenerkrankungen

COPD

Hier besteht bzgl. des IMT eine sehr gute Datenlage (vgl. [Tab. 7]). Es konnte gezeigt werden, dass IMT die Atemmuskelfunktion (Kraft und Ausdauer) und die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern und die Dyspnoe reduzieren kann [5] [7] [52] [53]. Positive Effekte setzen allerdings eine ausreichende Trainingsintensität voraus (siehe oben) [5]. Zumeist kommen threshold load oder resistive load 30 Minuten täglich – oder kürzer – zum Einsatz [5] [6] [7] [9] [10] [52]. Normokapnische Hyperpnoe scheint bei COPD weniger ausgeprägte Verbesserungen erzielen zu können [5]. Ein direkter Vergleich der verschiedenen Trainingsmethoden innerhalb einer Studie wurde allerdings bislang nicht durchgeführt.

Besonders effektiv scheint das IMT bei Patienten mit deutlicher Schwäche der Atemmuskulatur (PImax < 60 cmH2O) zu sein [5]. Zusätzliche Effekte eines IMT in Kombination mit körperlichem Training in Bezug auf Dyspnoe und körperliche Leistungsfähigkeit wurden bislang noch nicht eindeutig nachgewiesen [5] [54] [55].

Auch verbessert IMT mittels threshold load bei COPD die Kontraktionsgeschwindigkeit der inspiratorischen Muskulatur und erhöht den Querschnitt der schnell kontrahierenden (Typ II) Muskelfasern [56] [57]. Erste Daten zeigen eine Zunahme der inspiratorischen Kapazität [58] wie auch des Atemzugvolumens [59] während Belastungstests. Dies resultiert in einem effizienteren (langsameren und „tieferen“) Atemmuster. Dieses effizientere Atemmuster [58] [59] [60] in Kombination mit verbesserter neuro-mechanischer Kopplung (geringere efferente Aktivierung der Atemmuskulatur) [61] sind Faktoren, die wahrscheinlich zur Verringerung der Dyspnoe bei vergleichbarer Belastung nach IMT beitragen [60].

Tab. 7

IMT bei obstruktiven Atemwegs- und Lungenerkrankungen: Übersichtsdarstellung.

Studie

Journal

Jahr

Studientyp

n

Alter

Geschlecht

Erkrankung

Patientenmerkmale

IMT

Dauer

Sham-IMT

Outcome

Evidenzgrad

Empfehlung

Bemerkungen

Gosselink et al.

Eur Respir J [5]

2011

systematic review of RCTs

742

29 RCTs mit 29 [SD: 13] Teilnehmern

64 (SD: 4) y

74 % m/26 % w

COPD

FEV1: 41 (SD: 7) % Sollwert

MIP: 62 (SD: 13) cmH2O

threshold oder resistive load für 28 (SD: 11) Minuten täglich, 13 (SD: 11) Wochen

ja in 23 Studien,

no-Sham control in 6 Studien

MIP, ja

6MWD, ja

Dyspnoe, ja (Borg, TDI und CRQ Dyspnoe)

I

I

I

↑↑

↑↑

↑↑

ausschließlich Studien mit minimaler Trainingsintensität von 30 % MIP oder größer eingeschlossen

Silva et al. Cochrane Databases Systematic Review [66]

2013

systematic review of RCTs

84 (4 RCTs)

34 (SD: 7) y

46 m/67 w

mild to moderate Asthma

threshold oder resistive load für 17 (SD: 11) Minuten täglich, 10 (SD: 6) Wochen

3 Studien ja, 1 Studie nein

MIP, ja

Dyspnoe, nein

II

II – III

4 Studien verfügbar zur Bewertung der Effekte auf MIP, lediglich 1 Studie von mäßiger Qualität evaluierte Dyspnoe.

Reid et al. Clin Rehabil [69]

2008

systematic review of RCTs

36 (2 RCTs)

20 (SD: 4) y

18 m/18 w

CF

FEV1: 68 (SD: 25) % Sollwert

threshold oder electronisches Manometer, 3 – 5 Tage pro Woche, 20 – 45 Min. pro Tag, 6 – 8 Wochen

ja

Atemmuskelfunktion und Lungenfunktion, nein

II – III

ausgeprägte Heterogenität zwischen Studien. Datenlage unzureichend für eindeutige Schlussfolgerungen

n = Patientenzahl, PImax = maximaler Inspirationsdruck, FEV1 = Forciertes exspiratorisches Volumen in 1 Sekunde, MIP = Maximal Inspiratory Pressure, CF = Zystische Fibrose, TDI = Transitional Dyspnoe Index, CRQ = Chronic Respiratory Disease Questionnaire ↑↑ = starke Empfehlung, ↑ = Empfehlung, ↔ = Empfehlung offen


Asthma

Die Atemmuskelfunktion (Kraft und Ausdauer) scheint bei nicht steroidpflichtigen Asthmatikern im Vergleich zur COPD weniger stark beeinträchtigt zu sein [62] [63] [64] [65].

IMT in Form von threshold load oder resistive load verbessert beim Asthma den PImax, ohne jedoch die Dyspnoe zu reduzieren [66] (vgl. [Tab. 7]). Aktuell ist die Datenlage jedoch nicht ausreichend, um Add-on-Effekte von IMT, über eine Verbesserung der PImax hinaus, bei Asthma bewerten zu können.


Cystische Fibrose (CF)

Hier können unzureichende Nährstoffaufnahme und ein persistent kataboler Stoffwechsel aufgrund chronischer Infektionen zur peripheren und respiratorischen Muskelatrophie beitragen [67] [68]. Als Resultat wird, wie bei Patienten mit COPD, bei vorliegender höherer Belastung der Atemmuskulatur häufig eine Schwächung der Atemmuskulatur beobachtet [67] [68].

Trotz der soliden pathophysiologischen Grundlage für IMT ist die Datenlage hier bislang unzureichend [69] [70] (vgl. [Tab. 7]). Threshold load wurde in Kombination mit körperlichem Training angewendet und zeigte bestenfalls einen Anstieg des PImax, jedoch nicht der Dyspnoe oder Lebensqualität [71] [72].


Non-CF Bronchiektasen

Bei ähnlicher Pathophysiologie wie CF wird ein IMT empfohlen [73]. In zwei randomisierten kontrollierten Studien zeigte ein mehrwöchiges IMT allerdings lediglich eine Verbesserung der Atemmuskelkraft, aber keine statistisch signifikante Verbesserung der 6-Minuten-Gehstrecke gegenüber den Kontrollgruppen [74] [75].



Weaning vom Respirator

Die Notwendigkeit einer (invasiven) Beatmungstherapie führt via komplexer Pathophysiologie zu einer Reduktion der Atemmuskelkraft. Der beatmungsinduzierte Muskelschaden wird als VIDD (ventilator induced diaphragmatic dysfunction) bezeichnet [76]. Mit Zunahme der Weaningzeit steigt auch die Mortalität [77] [78]. Die Zunahme der atemmuskulären Kraft stellt den besten Prädiktor für den Weaningerfolg dar [79].

Atemmuskeln sind auch bei hyperkapnischen Patienten grundsätzlich trainierbar [80]. Essenziell scheint besonders im Weaning die intermittierende Entlastung via (nicht-) invasiver Beatmung zu sein [81]. Bereits Ende der 1980er Jahre wurden erste Weaningerfolge unter Anwendung eines „IMT“ (nicht-linearer Resistor) beschrieben, welche später mittels threshold load bestätigt wurden [82] [83] [84]. Hierbei fehlten jedoch Kontrollgruppen.

Eine bahnbrechende Studie, welche eine Kontrollgruppe inkludierte, zeigte bei postoperativen Patienten ebenso beachtliche Weaningerfolge bei Anwendung von threshold load (4-mal tgl. 6 – 10 Atemzüge) [85]. Kürzlich konnte für internistische Patienten im Weaning durch IMT zwar eine verbesserte Atemmuskelkraft jedoch keine Verbesserung der Extubationsrate gezeigt werden [86]. Kritikpunkte sind hierbei jedoch die möglicherweise zu geringe Last des IMT (40 % PImax) sowie diskussionswürdige Weaning-Strategien [86].

Trotz unzureichender Datenlage zeichnet sich ab, dass IMT im Weaning in entsprechend erfahrenen Behandlungsteams möglich und sicher ist und insbesondere bei Patienten im prolongierten Weaning einen besonderen Benefit aufweisen könnte (vgl. [Tab. 8]).

Tab. 8

IMT bei Weaning vom Respirator: Übersichtsdarstellung.

Studie

Jahr

Studientyp

Patientenzahl

Alter

Geschlecht

Erkrankung Patientenmerkmale

IMT

Dauer

Sham-IMT

Outcome

Evidenzgrad

Empfehlung

Bemerkungen

Aldrich et al.

Crit Care Med [82]

1989

Fallserie

27

keine Angabe

neuromuskulär (n = 7), Lungenerkrankung (n = 20)

nichtlinearer Resistor, an Werktagen, nach Toleranz bis zu 30 min

nein

Weaningerfolg 12 von 27

III

Martin et al.

Chest [83]

2002

Fallserie

10

59 y

4 m

heterogen

threshold load 4-mal 6 Atemzüge

nein

Weaningerfolg 9 von 10

III

Sprague et al.

Phys Ther [84]

2003

Fallserie

 6

61 y

5 m

postoperativ

threshold load 4-mal 6 – 8 Atemzüge

nein

Weaningerfolg 6 von 6

III

Martin et al.

Crit Care [85]

2011

RCT

69

65 y

31 m

internistisch 15, postoperativ 54

threshold load 4-mal 6 – 10 Atemzüge an Werktagen

ja

Weaningerfolg 71 % im Behandlungsarm und 47 % in der Sham Gruppe, NNT = 4

I

↑↑

Patienten wurden mit SIMV beatmet

Condessa et al.

J Physiother [86]

2013

RT

92

64 y

61 m

postoperativ/Trauma 26, internistisch 66

threshold load, 5-mal 10 Atemzüge zweimal täglich

nein

kein Einfluss auf die Weaningzeit, MIP und TV verbessert

I

Trainingsbereich lag bei 40 % der Maximalkraft

n = Patientenzahl, PImax = maximaler Inspirationsdruck, Tlim = Parameter der inspiratorischen Atemmuskelausdauer, ↑↑ = starke Empfehlung, ↑ = Empfehlung, ↔ = Empfehlung offen, ↓ = keine Empfehlung

Technische Aspekte und praktische Hinweise

Im Weaning erfolgt IMT fast ausschließlich via künstlichem Atemweg (Tracheostoma). Das IMT-Device wird via Adapter mit der Trachealkanüle (Tubus) verbunden. Der Cuff muss geblockt sein, eine etwaige Sauerstoffzufuhr patientenfern erfolgen (ansonsten Druckverlust und ineffektives IMT). Nur kooperationsfähige Patienten dürfen nach entsprechender Aufklärung einem IMT zugeführt werden. Das IMT muss unter ständiger Überwachung des Patienten erfolgen und ist bei Missempfindungen seitens des Patienten (Dyspnoe, Schmerzen, Angst, etc.) ggf. vorzeitig zu beenden.



Körperliche Aktivität

Körperliche Belastung erhöht bei Gesunden häufig die Wahrnehmung von Atmungsanstrengung und führt zum Gefühl von Dyspnoe [6] [87]. Sportliche Tätigkeiten, seien es intensive, kurze Belastungen (≥ 85 % der maximalen Sauerstoffaufnahme) oder auch niedriger intensive, längerdauernde Belastungen („Ultramarathon“ u. a.) führen bei rund 70 % der Personen zur Ermüdung der inspiratorischen und/oder exspiratorischen Atemmuskulatur [88] [89] [90] [91] [92] [93] [94] [95] [96]. Eine ermüdete Atemmuskulatur beeinträchtigt umgekehrt eine nachfolgende sportliche Leistung.

Während körperlicher Aktivität und Sport wird die Atmungsmuskulatur häufig „doppelt“ belastet: Neben der Atemaktivität werden die Muskeln einerseits zur Stabilisierung und andererseits für die effektive Bewegung eingesetzt (z. B. Rudern, Schwimmen, aber auch Laufen u. a.) [97]. Die Körperstabilität wird bei ermüdeter Atmungsmuskulatur beeinträchtigt, was die Stolper-/Sturzgefahr erhöhen kann [98].

Durch IMT lässt sich beim Gesunden die Ermüdbarkeit der Atmungsmuskulatur reduzieren [99] [100] [101]. Mehrheitlich wird durch IMT die Dyspnoe reduziert und die Leistung verbessert (vgl. [Tab. 9]), was zwei neuere, systematische Reviews mit Meta-Analyse gezeigt haben [6] [87]. Entscheidend für den Wirksamkeitsnachweis des IMT hinsichtlich Leistungsverbesserung scheint allerdings die Testart zu sein: Die Leistung in Stufentests zeigt häufig keine Verbesserung, während sie in sogenannten „Time Trials“ und „Constant Load Tests“ mehrheitlich zunimmt [6] [87]. Auch der Fitnesszustand scheint hier eine Rolle zu spielen, indem weniger Trainierte mehr profitieren [6].

Tab. 9

IMT bei körperlicher Aktivität: Übersichtsdarstellung.

Studie

Jahr

Studientyp

n

Alter

Geschlecht

Erkrankung Patientenmerkmale

IMT

Dauer

Sham- IMT

Outcome

Evidenzgrad

Empfehlung

Bemerkungen

Illi et al.

Sports Med [6]

2012

systematic Review + Meta-Analysis von RCTs

804 Personen in 28 RCTs, 6 CTs und 15 non-controlled Trials mit 4 – 40 Personen/Trial

Gruppenmittel: 19 – 70 y

463 m

155 w

186 kA

gesunde nicht-trainierte bis gut trainierte Probanden

Hyperpnoe (55 – 85 % MVV oder 90 – 100 % MSVC

15 – 30 min

1 – 2-mal/Tag

3 – 5-mal/Woche

4 – 15 Wochen

Threshold (30 – 80 % PImax oder 40 – 70 cmH2O oder 60 – 72 % PImax und PEmax)

30 min

5-mal/Woche

4 – 6 Wochen

Resistive oder Threshold

(50 %-75 % PImax, 40 – 80 % SMIP oder 60 – 80 % PImax und PEmax)

24 – 40 Atemzüge

1 – 2-mal/Tag

3 – 10-mal/Woche

4 – 12 Wochen

21 Sham IMT

13 non-training Controls

Verbesserungen:

Time Trial Performance

Constant-load Ausdauer

keine Verbesserung:

Incremental Test Performance

 

I

I

 

I

 

↑↑

↑↑

 

multiples lineares Regressionsmodell zeigt:

1) je weniger fit, umso größer der Effekt; 2) je länger der Test, umso größer der Effekt; 3) Effekt von in-/exspiratorischen resistive Training größer als Hyperpnoe und als ausschließlich inspiratorisches threshold/resistive Training; 4) Verbesserungen sind unabhängig von der Sportart (Schwimmen, Rudern, Laufen, Radfahren)

HajGhanbari et al.

J Strength Cond Res [87]

2013

systematic Review + Meta-Analysis von RCTs

378 Personen in 21 RCTs mit 10 – 30 Personen/Trial

Gruppenmittel: 16 – 32 y

312 m

67 w

20 kA

Athleten

Hyperpnoe (50 – 85 % MVV) oder Threshold (30 % PImax)

30 min

1-mal/Tag

3 – 5-mal/Woche

3 – 10 Wochen

Resistive oder Threshold

50 – 90 % PImax

30 – 40 Inspirationen

1 – 2-mal/Tag

3 – 7-mal/Woche

4 – 12 Wochen

15 Sham IMT

9 non-training Controls

Verbesserungen:

PImax

MVV

Atmungsausdauer

Time Trial Performance

YoYo Test

Ganzkörperausdauer

Atemnot

Anstrengungsempfindung

 

I

I

I

I

I

I

I

I

 

↑↑

↑↑

↑↑

↑↑

↑↑

↑↑

↑↑

↑↑

PImax bei threshold + targeted resistive Training

MVV + Atmungsaudauer bei Hyperpnoe Training

Atemnot (außer Atem sein) und Anstrengungsempfindung wurden während körperlicher Aktivität bestimmt

n = Probandenzahl; PImax = maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck; PEmax = maximaler exspiratorischer Mundverschlussdruck; MVV = maximum voluntary ventilation (Atemgrenzwert), MSVC = maximal sustained ventilatory capacity; SMIP = sustained maximal inspiratory pressure, ↑↑ = starke Empfehlung, ↑ = Empfehlung, ↔ = Empfehlung offen, kA = keine Angabe

Bezüglich der Wahl der optimalen IMT-Methode zeichnet sich aktuell keine eindeutige Überlegenheit einer Methode ab [6] [87]. Gegebenenfalls bietet bei Sportarten mit hoher ventilatorischer Anforderung (z. B. Radfahren, Laufen, Langlauf etc.) ein forciertes in- und exspiratorisches Training gegenüber dem rein inspiratorischen Training in Bezug auf die Leistungsverbesserung gewisse Vorteile [6] [87].

Zusammenfassung

Spezifisches Atemmuskeltraining (IMT) kann anhand der Datenlage aktuell in 3 „methodisch gesicherte“ Verfahren unterteilt werden:

  1. Resistive Load

  2. Threshold Load

  3. Normokapnische Hyperpnoe

Eine eindeutige Überlegenheit eines Verfahrens existiert bis dato nicht; vielmehr müssen die jeweiligen Vor- und Nachteile der Methoden kritisch gegeneinander abgewogen werden.

Bezüglich der hier abgehandelten Krankheitsbilder und Indikationen erscheint an vielen Stellen die Datenlage äußerst spärlich, sodass zumeist keine pauschalen Empfehlungen gegeben werden können. Häufig erscheint die Durchführung eines IMT auch aus pathophysiologischen Überlegungen sinnvoll und kann im Einzelfall zur Anwendung kommen.

Stets setzt ein IMT jedoch eine vorherige Diagnostik der Atemmuskelfunktion und eine klare Indikationsstellung voraus. Zum Teil ist es auch unerlässlich, dass IMT lediglich in erfahrenen Behandlungsteams und entsprechender Patientenüberwachung zum Einsatz kommt (z. B. IMT beim Weaning vom Respirator).

Bei gegebener Indikation, korrekter Patientenschulung und guter Compliance erscheint IMT bei vielen Krankheitsbildern eine wertvolle Therapiestrategie zu sein, von der zu wünschen bleibt, dass sie zukünftig häufiger ausgeschöpft werden wird.



Interessenkonflikt

O. Göhl, D. J. Walker und S. Stieglitz erhielten Vortragshonorare von der Firma Heinen + Löwenstein GmbH & Co. KG.
H.-J. Kabitz erhielt von den folgenden Firmen Honorare für Vortragstätigkeiten/Reisesponsoring zu wissenschaftlichen Veranstaltungen: Heinen + Löwenstein GmbH & Co. KG, Bad Ems; VIVISOL Deutschland GmbH, Neufahrn b. Freising; Anamed GmbH & Co. KG, Bad Ems; Sapio Life GmbH & Co. KG, Homburg; idiag AG, Fehraltorf (Schweiz).
S. Walterspacher, D. Langer, C. M. Spengler, T. Wanke, M. Petrovic, R.-H. Zwick, R. Glöckl und D. Dellweg geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. phil. Oliver Göhl
Rehaklinik Heidelberg-Königstuhl
Kohlhof 8
69117 Heidelberg


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Abb. 1 Die Atempumpe mit unterschiedlichen Lokalisationen möglicher Funktionsstörungen [2].
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Abb. 2 Die Atempumpe und das empfindliche Gleichgewicht zwischen der ihr auferlegten Last und ihrer Kapazität [2].
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Abb. 3 Das motorische Nervensystem [14].