physiopraxis 2015; 13(11/12): 8-9
DOI: 10.1055/s-0041-109508
physioforum
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Briefe an die Redaktion


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Publication Date:
27 November 2015 (online)

 

Zum Artikel „Tipps zur Anerkennung von Präventionskursen“, physiopraxis 9/15

Kann man Betrüger betrügen?

Vielen Dank für die ausführliche Hilfestellung bzgl. des Umgangs mit der zentralen Prüfstelle für Prävention (ZPP). Ich bin seit 20 Jahren Physiotherapeutin, und es liegt wohl in unserer Natur, dass wir uns ständig fortbilden, um unzählige Zertifikate und Berechtigungen zur Ausübung unserer Techniken und Kurse zu erhalten. So erwarb ich in einem zweiwöchigen Kurs der AG Prävention das Zertifikat „Sturzpräventionstrainer“. Die Fortbildung beruhte auf wissenschaftlichen Untersuchungen unter anderem von Sturzpräventionsexpertin Ellen Freiberger. Doch die ZPP lehnte ab: Der Name Sturzprophylaxe käme nicht im Kurstitel vor. Tai Chi – eine zehnminütige Einheit von acht Stunden – gehöre zum Handlungsfeld Entspannung und nicht Bewegung. Da scheint der Hinweis aus der Fortbildung nichtig, unter keinen Umständen im Kurstitel die Worte „Sturz“ oder „Sturzprävention“ zu verwenden, da beide die Teilnehmer eher abschrecken. Mein Widerspruch wurde lapidar mit dem Verweis auf den Leitfaden Prävention abgewiesen. Können sich da die Institutionen (Kassen, AG Prävention etc.) nicht einigen? Welchen Sinn hat unsere ständige Fortbilderei? Geldmacherei? Schikane? Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Profit, der ja bekanntlich nicht unermesslich ist. Doch die Teilnehmer kommen nur, wenn sie die Kosten erstattet bekommen. Das lädt manchen Anbieter dazu ein, die Kursverläufe aus anderen Quellen zu kopieren und als eigenen Kurs bei der ZPP einzutragen. Zumal zu hören ist, bei der ZPP verdienen Leute viel Geld, die vom Thema keinen Schimmer haben. Da frage ich mich, kann man Betrüger betrügen? Und was passiert eigentlich mit den Daten? Wir geben bestes Fachwissen preis. Arbeiten Konzepte aus und haben kein Copyright. Die Kassen sollten die Prüfstelle überprüfen und kontrollieren, wohin ihr Geld fließt. Schließlich sind sie bei uns auch streng, und wir dürfen uns nicht einen Flüchtigkeitsfehler auf den Rezepten erlauben, ohne gleich des Betrugs verdächtigt zu werden. Ich könnte noch mehr schreiben, aber ich muss mich noch in Gelassenheit üben und weitere Kurse eingeben …

Kirsten Grafmüller, selbstständige Physiotherapeutin


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Unsere Ausbildung wird ad absurdum geführt

Sehr geehrte Damen und Herren,
ein Danke an Astrid Nedbal für das übersichtliche Führen durch den nicht so ganz einfachen Umgang mit der Zentralen Prüfstelle Prävention. Die Rigidität des EDV-Programms im Besonderen und der Prüfstelle im Allgemeinen ist bemerkenswert. Wir Physiotherapeuten sind gezielt für Prävention ausgebildet, müssen aber in komplexen Verwaltungsprüfverfahren nachweisen, dass wir es auch können. Das führt das Berufsgesetz und die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ad absurdum. Zum Glück glauben uns die Krankenkassen ohne weitere Prüfstellen, dass wir kranke Menschen so bewegen, dass wir Genesung fördern. Bei gesunden Menschen scheint die Lage ganz anders zu sein. Da muss zuerst eine Zentrale Prüfstelle Prävention prüfen.

Wer kann mir Hilfen geben, wie die vielen theoretischen Inhalte, die der Leitfaden Prävention wegen der Nachhaltigkeit fordert, in einer Wassergymnastik-Gruppe im Hallenbad kontinuierlich, mit entsprechenden Bausteinen, Modulen und Methoden (nach Leitfaden) vermittelt werden können? Über Rückmeldungen an m.geis@bb-saffig.de freue ich mich.

Mit freundlichen Grüßen Manfred Geis aus Saffig


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Zum Artikel „Medical Flossing“, physiopraxis 9/15

Was wollen wir eigentlich?

Nach Dorn, Kinesiotape und Faszien kommt jetzt also der Hype um Flossing! Und sogar Titelthema. Wird Flossing die Physiotherapie-Welt verändern? Ich denke nicht. Ich fühle mich durch den Beitrag provoziert, weil es in mir den „Quo vadis, Physiotherapie?“-Reflex ausgelöst hat. Was wollen wir eigentlich? Wollen wir als Physiotherapeuten in Deutschland mehr Anerkennung, Berufsautonomie und eine bessere Bezahlung? Vielleicht in absehbarer Zeit den „Direct Access“? Diese Ziele erreichen wir nicht durch einen seit Jahren immer breiter werdenden Fortbildungsmarkt, durch mehr als 100 verschiedene Anbieter in Manueller Therapie oder endlos viele in Kinesiotape. Wie soll ein Berufsanfänger entscheiden, welche Fortbildung wichtig und richtig ist? Und wie soll er die Qualität der Fortbildung beurteilen? Unmöglich. Selbst die Vergabe von Fortbildungspunkten ist noch lange kein Qualitätsmerkmal. Wenn wir uns als Berufsstand weiterentwickeln wollen, gelingt das dauerhaft nur über die Akademisierung. Wir brauchen mehr physiotherapeutische Studiengänge, mehr gut ausgebildete Hochschullehrer, mehr wissenschaftlich arbeitende Physiotherapeuten an Hochschulen und Universitäten. Die Folge wären mehr publizierte, wissenschaftliche Artikel und Wirksamkeitsnachweise unseres physiotherapeutischen Handelns sowie eine bessere Bezahlung. Auch in Deutschland. So könnten wir Politik, Gesetzgeber und Kassen beeindrucken. Aber nicht mit Voodoo Flossing!

Aber dann müssten Fortbildungsanbieter und Verbände auch mitziehen. Tun sie aber nicht: Verbände sind für neue Fortbildungen vielleicht sogar dankbar, um ihre Mitglieder zu halten und ihnen etwas „Trendiges“ anzubieten. Und Fortbildungsanbieter sind am Ende des Tages froh, wenn ihre teuren Räume vermietet sind. Jeder will etwas anderes und natürlich nur das Beste für uns Therapeuten. Was kommt als Nächstes? Die neuen „Fortbildungstitelerfinder“ stehen schon in den Startlöchern: Faszium-Therapie, Impuls–R, Schwerelos-Yoga – Verlage, Fortbildungszentren und Verbände werden das wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Die „Fortbildungstitelerfinder“ werden das Rad nicht neu erfinden können. Solange wir weiterhin Fortbildungen „konsumieren“ wie bisher, wird sich an der Physiotherapie-Landschaft in Deutschland auch nichts ändern. Es bleibt alles so, wie es ist. Wollen wir das? Think about it!

Dr. Claus Beyerlein Physiotherapeut aus Ulm


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