Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2015; 22(06): 269
DOI: 10.1055/s-0041-109582
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Vollständige neurologische Rehabilitation auch bei CPR mit Unterbrechungen möglich – Herz-Lungen-Wiederbelebung bei schwerer Hypothermie während alpinen Rettungsaktionen

Gordon L, Paal P, Ellerton JA et al.
Delayed and intermittent CPR for severe accidental hypothermia.

Resuscitation 2015;
90: 46-49
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Publication Date:
15 December 2015 (online)

 

Gordon L, Paal P, Ellerton JA et al. Delayed and intermittent CPR for severe accidental hypothermia. Resuscitation 2015; 90: 46–49

Thema: Bei primärer Unterkühlung (< 28° C Körperkerntemperatur, KKT) droht der hypotherme Herz-Kreislauf-Stillstand. Die Leitlinien zur Reanimation bei hypothermen Patienten weisen einige Besonderheiten im Management der Patienten auf. Zudem ist es im alpinen Gelände nicht immer möglich, eine hochqualitative Herz-Lungen-Wiederbelebung (CPR) konsequent durchzuführen und den Patienten gleichzeitig abzutransportieren.

Projekt: Eine internationale Autorengruppe hat dazu im Mai 2015 eine Studie veröffentlicht.

Ergebnisse: Der Herz-Kreislauf-Stillstand bei Patienten mit schwerer akzidentieller Hypothermie und einer KKT von kleiner 28° C ist vom Herz-Kreislauf-Stillstand bei normothermen Patienten zu unterscheiden. Bei Kammerflimmern sollten maximal 3 Defibrillationen erfolgen, bis die KKT über 30° C beträgt. Eine medikamentöse Therapie ist unter 30° C KKT nicht erfolgversprechend. Außerdem gilt der Grundsatz „no one is dead until warm and dead“. Vor einer vorschnellen Todesfeststellung muss gewarnt werden. Eine hochqualitative CPR konsequent und ununterbrochen während der gesamten Prähospitalphase durchzuführen ist vielleicht unmöglich, insbesondere wenn es sich um schwierige Rettungsaktionen handelt.

Jedoch muss beachtet werden, dass eine vollständige neurologische Rehabilitation möglich ist, auch wenn die CPR prolongiert durchgeführt und unter Umständen sogar kurzfristig unterbrochen werden muss. Physiologischer Grundsatz ist die primäre Hypothermie, was bedeutet, dass das Gehirn bereits sehr unterkühlt wurde, bevor der Herz-Kreislauf-Stillstand einsetzt. Das potenzielle neurologische Outcome bei Patienten mit Kreislaufstillstand wird durch die Hypothermie begünstigt. Fallbeispiele von prähospital hypothermen Patienten unter CPR und Daten von intraoperativen Herz-Kreislauf-Stillständen unter tiefer Hypothermie gaben den Autoren Anlass, Leitlinien für Rettungseinsätze und die Behandlung von schwer hypothermen Patienten im Herz-Kreislauf-Stillstand zu entwickeln.

Fazit: Prinzipiell ist die kontinuierliche hochqualitative CPR auch bei primär schwer hypothermen Patienten durchzuführen. Mechanische Herzdruckmassagegeräte werden empfohlen falls verfügbar, um eine Unterbrechung der CPR zu vermeiden. Sollten diese Optionen nicht vorhanden sein, kann die CPR verzögert beginnen oder mit Unterbrechungen durchgeführt werden.

Voraussetzung dafür ist ein Herz-Kreislauf-Stillstand, der eindeutig von der Hypothermie ausgelöst wurde, bei Patienten mit einer Körperkerntemperatur von weniger als 28° C. Diese sollte nach Möglichkeit ösophageal gemessen werden.

Beträgt die Temperatur unter 28° C sollte zunächst mit einer hochqualitativen CPR von mindestens 5 Minuten begonnen werden. Hier sollte ebenfalls auf ein Kompressorwechsel alle 2 Minuten geachtet werden, um die Qualität der CPR und den zerebralen Blutfluss aufrechtzuerhalten. Im Anschluss kann die CPR für bis zu maximal 5 Minuten unterbrochen werden (z. B. für Evakuierung oder Transport). Nach der Unterbrechung sind wieder mindestens 5 Minuten hochqualitative CPR notwendig, bevor eine erneute Unterbrechung eingeleitet werden kann.

Beträgt die Körperkerntemperatur des Patienten sicher unter 20° C, so kann die Unterbrechungszeit auf 10 Minuten ausgedehnt werden. Die Dauer der notwendigen CPR beträgt ebenfalls 5 Minuten. CPR und Unterbrechung werden immer im Wechsel durchgeführt, bis der Patient einer kontinuierlichen CPR zugeführt werden kann.

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Kommentar

In den neuen Leitlinien des European Resuscitation Council wird die intermittierende Herz-Lungen-Wiederbelebung bei primär hypothermen Patienten beschrieben [ 1 ]. Es wird vor der frühzeitigen Todesfeststellung eines hypothermen Patienten gewarnt, da bei der Hypothermie ein sehr langsamer, unregelmäßiger Puls mit niedriger Amplitude auftreten kann. Der Blutdruck kann möglicherweise nicht gemessen werden. Die Lebenszeichen bei schwer hypothermen Patienten können so minimal sein, dass sie übersehen werden können. Nach Lebenszeichen sollte daher etwas länger gesucht werden, auch mithilfe einer EKG-Ableitung [ 2 ].

Es gibt Fallbeispiele von Patienten mit einer Körperkerntemperatur von 13,7° C, welche ohne neurologische Folgeschäden einen prolongierten Herz-Kreislauf-Stillstand und konsequent durchgeführte CPR von über 5 Stunden überlebten [ 3 ], [ 4 ].

Natalie Hölzl, Blaichach
Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin


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  • Literatur

  • 1 ERC Guidelines 2015. Im Internet: www.cprguidelines.org
  • 2 Truhlár A, Deakinc CD, Soar J et al. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015: Section 4. Cardiac arrest in special circumstances. Resuscitation 2015; 95: 148-201
  • 3 Boue Y, Lavolaine J, Bouzat P et al. Neurologic recovery from profound accidental hypothermia after 5 hours of cardiopulmonary resuscitation. Crit Care Med 2014; 42: e167-170
  • 4 Gilbert M, Busund R, Skagseth A et al. Resuscitation from accidental hypothermia of 13.7 degrees C with circulatory arrest. Lancet 2000; 355: 375-376

  • Literatur

  • 1 ERC Guidelines 2015. Im Internet: www.cprguidelines.org
  • 2 Truhlár A, Deakinc CD, Soar J et al. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015: Section 4. Cardiac arrest in special circumstances. Resuscitation 2015; 95: 148-201
  • 3 Boue Y, Lavolaine J, Bouzat P et al. Neurologic recovery from profound accidental hypothermia after 5 hours of cardiopulmonary resuscitation. Crit Care Med 2014; 42: e167-170
  • 4 Gilbert M, Busund R, Skagseth A et al. Resuscitation from accidental hypothermia of 13.7 degrees C with circulatory arrest. Lancet 2000; 355: 375-376

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