Pneumologie 2016; 70(01): 15-16
DOI: 10.1055/s-0041-110100
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E. Kemetzhofer
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation, Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie, Otto-Wagner-Spital, Wien
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A. Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation, Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie, Otto-Wagner-Spital, Wien
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Korrespondenzadresse

PD Dr. Arschang Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation
Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie
Otto-Wagner-Spital
Sanatoriumstraße 2
1140 Wien
Österreich   

Publication History

Publication Date:
20 January 2016 (online)

 

Fallbeschreibung

40-jähriger, asymptomatischer, sportlicher Mann, Nieraucher. Erstvorstellung im Jahr 2004 mit radiologischem Zufallsbefund: perihilär betonte, grob-retikuläre Lungenstrukturvermehrung im Thoraxröntgen.


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Status, Anamnese, Basisdiagnostik (Routinelabor, EKG, Ruhe-BGA): unauffällig.

Lungenfunktion: incipiente Diffusionsstörung unter hoher Belastung (in Ruhe: AaDO2 4,9 mmHg, PaO2 92,5 mmHg, bei 200W: AaDO2 36,8 mmHg, PaO2 67,7 mmHg, TLCOc mit 87,4 Soll% im Normbereich), kein Hinweis auf Obstruktion oder Restriktion.

Thorax-HRCT: diffuse, bilaterale, interstitielle retikulo-noduläre Strukturvermehrung mit punktförmigen Verkalkungen, septalen Verdickungen und apicobasalem Gradienten.

Anschließende bronchoskopische Lungenbiopsie.

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Abb. 1 Thoraxröntgen pa. (Abbildung zur Verfügung gestellt vom Institut für Radiodiagnostik, Otto Wagner Spital, Wien).
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Abb. 2 HRCT Thorax axial (Abbildung zur Verfügung gestellt vom Institut für Radiodiagnostik, Otto Wagner Spital, Wien).

Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

  1. Unspezifische postpneumonische Veränderungen (z. B. Varicellen)

  2. Histoplasmose

  3. Diffuse pulmonale Ossifikation

  4. Pulmonale alveoläre Mikrolithiasis

  5. Sarkoidose


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Fallauflösung

Diagnose: Diffuse pulmonale Ossifikation

Erläuterung: Eine diffuse pulmonale Ossifikation kann sich sowohl idiopathisch als auch sekundär manifestieren. Sekundäre Formen treten bei chronischen Lungenerkrankungen (z. B. IPF, AIP, Amyloidose, Sarkoidose, Histoplasmose, Anthracose) oder Herzerkrankungen mit Druckerhöhung im kleinen Kreislauf (Erstbeschreibung durch Luschka 1856 bei einem Patienten mit Mitralstenose), metastatisch im Rahmen von Neoplasien (Sarkom, Melanom, Mamma-CA) sowie bei Störungen des Calcium-Phosphatstoffwechsels (primärer und sekundärer Hyperparathyreodismus, chron. Niereninsuffizienz unter Dialyse, Goodpasture-Syndrom etc.) auf.

Histologisch lässt sich zwischen einem dendriformen und einem nodulären Typ unterscheiden, wobei beim nodulären Typ die Ossifikationsherde bevorzugt in den subpleuralen Alveolarräumen liegen, diese Form ist hauptsächlich bei Erkrankungen mit chronischer Lungenstase anzutreffen. Beim dendriformen Typ zeigen sich verzweigte Knochentrabekel entlang der Alveolarsepten, typisch ist hier auch das Vorhandensein von Knochenfettmarkszellen.

Radiologisch werden die retikulo-nodulären Veränderungen mit punktförmigen Verkalkungen und septalen Verdickungen, wie sie beim dendriformen Typ vorkommen, häufig als Fibrose, Bronchiektasien oder postpneumonische Veränderungen (z. B. nach Varicellen) fehlinterpretiert. Beim nodulären Typ, der multiple, hochdichte Noduli aufweist, wird zuerst meist an granulomatöse Erkrankungen (z. B. Histoplasmose) oder an die alveoläre Mikrolithiasis gedacht. Beiden Typen gemeinsam ist ein deutlicher apicobasaler Gradient.

Anhand dieser Kriterien wurde bei unserem Patienten nach sorgfältigem Ausschluss sekundärer Ursachen schließlich eine idiopathische, diffus-dendriforme pulmonale Ossifikation diagnostiziert. Mit weniger als 50 Fallberichten in der weltweiten Literatur stellt die idiopathische pulmonale Ossifikation ein äußerst seltenes Krankheitsbild dar, das vor allem Männer zwischen 40 und 60 Jahren betrifft und im Gegensatz zu den sekundären Formen klinisch meist asymptomatisch bis mild verläuft. Nur in sehr ausgeprägten Fällen wurde lungenfunktionell eine restriktive Störung beschrieben. Die Diagnosestellung erfolgt in vivo meist mittels HRCT, Lungenbiopsie und/oder Knochenszintigrafie, oft wird die Erkrankung jedoch erst post mortem im Rahmen einer Autopsie als solche erkannt.

Die Pathogenese ist nicht geklärt; vermutet werden Gewebsmikrotraumata mit Aufbau eines lokal alkalischen Milieus, Störungen im Calciumphosphatstoffwechsel sowie in der Angiogenese. Auch eine genetische Komponente ist denkbar (familiäre Häufung beschrieben).

Es existiert bislang keine evidenzbasierte Therapie; die Gabe von Corticosteroiden, Coumarinen und Bisphosphonaten wird kontrovers diskutiert. Zu empfehlen sind jedenfalls jährliche Verlaufskontrollen mittels Lungenfunktion und CT, wobei bei Befundkonstanz über einige Jahre dieses Intervall durchaus ausgeweitet werden kann.

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Abb. 3 HRCT CT: für die dendriforme pulmonale Ossifikation typische retikulo-noduläre Strukturvermehrung, septale Verdickungen, apicobasaler Gradient (Abbildung zur Verfügung gestellt vom Institut für Radiodiagnostik, Otto Wagner Spital, Wien).
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Abb. 4 Histologisches Schnittbild: Knochenfragment mit angrenzendem Osteoblastensaum sowie kleiner Knochenanteil mit Fettmark (Abbildung zur Verfügung gestellt vom pathologisch-bakteriologischem Institut, Otto Wagner Spital, Wien).

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Korrespondenzadresse

PD Dr. Arschang Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation
Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie
Otto-Wagner-Spital
Sanatoriumstraße 2
1140 Wien
Österreich   


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Abb. 1 Thoraxröntgen pa. (Abbildung zur Verfügung gestellt vom Institut für Radiodiagnostik, Otto Wagner Spital, Wien).
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Abb. 2 HRCT Thorax axial (Abbildung zur Verfügung gestellt vom Institut für Radiodiagnostik, Otto Wagner Spital, Wien).
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Abb. 3 HRCT CT: für die dendriforme pulmonale Ossifikation typische retikulo-noduläre Strukturvermehrung, septale Verdickungen, apicobasaler Gradient (Abbildung zur Verfügung gestellt vom Institut für Radiodiagnostik, Otto Wagner Spital, Wien).
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Abb. 4 Histologisches Schnittbild: Knochenfragment mit angrenzendem Osteoblastensaum sowie kleiner Knochenanteil mit Fettmark (Abbildung zur Verfügung gestellt vom pathologisch-bakteriologischem Institut, Otto Wagner Spital, Wien).