Fallbeschreibung
40-jähriger, asymptomatischer, sportlicher Mann, Nieraucher. Erstvorstellung im Jahr
2004 mit radiologischem Zufallsbefund: perihilär betonte, grob-retikuläre Lungenstrukturvermehrung
im Thoraxröntgen.
Status, Anamnese, Basisdiagnostik (Routinelabor, EKG, Ruhe-BGA): unauffällig.
Lungenfunktion: incipiente Diffusionsstörung unter hoher Belastung (in Ruhe: AaDO2
4,9 mmHg, PaO2 92,5 mmHg, bei 200W: AaDO2 36,8 mmHg, PaO2 67,7 mmHg, TLCOc mit 87,4
Soll% im Normbereich), kein Hinweis auf Obstruktion oder Restriktion.
Thorax-HRCT: diffuse, bilaterale, interstitielle retikulo-noduläre Strukturvermehrung
mit punktförmigen Verkalkungen, septalen Verdickungen und apicobasalem Gradienten.
Anschließende bronchoskopische Lungenbiopsie.
Abb. 1 Thoraxröntgen pa. (Abbildung zur Verfügung gestellt vom Institut für Radiodiagnostik,
Otto Wagner Spital, Wien).
Abb. 2 HRCT Thorax axial (Abbildung zur Verfügung gestellt vom Institut für Radiodiagnostik,
Otto Wagner Spital, Wien).
Fallauflösung
Diagnose: Diffuse pulmonale Ossifikation
Erläuterung: Eine diffuse pulmonale Ossifikation kann sich sowohl idiopathisch als auch sekundär
manifestieren. Sekundäre Formen treten bei chronischen Lungenerkrankungen (z. B. IPF,
AIP, Amyloidose, Sarkoidose, Histoplasmose, Anthracose) oder Herzerkrankungen mit
Druckerhöhung im kleinen Kreislauf (Erstbeschreibung durch Luschka 1856 bei einem
Patienten mit Mitralstenose), metastatisch im Rahmen von Neoplasien (Sarkom, Melanom,
Mamma-CA) sowie bei Störungen des Calcium-Phosphatstoffwechsels (primärer und sekundärer
Hyperparathyreodismus, chron. Niereninsuffizienz unter Dialyse, Goodpasture-Syndrom
etc.) auf.
Histologisch lässt sich zwischen einem dendriformen und einem nodulären Typ unterscheiden,
wobei beim nodulären Typ die Ossifikationsherde bevorzugt in den subpleuralen Alveolarräumen
liegen, diese Form ist hauptsächlich bei Erkrankungen mit chronischer Lungenstase
anzutreffen. Beim dendriformen Typ zeigen sich verzweigte Knochentrabekel entlang
der Alveolarsepten, typisch ist hier auch das Vorhandensein von Knochenfettmarkszellen.
Radiologisch werden die retikulo-nodulären Veränderungen mit punktförmigen Verkalkungen
und septalen Verdickungen, wie sie beim dendriformen Typ vorkommen, häufig als Fibrose,
Bronchiektasien oder postpneumonische Veränderungen (z. B. nach Varicellen) fehlinterpretiert.
Beim nodulären Typ, der multiple, hochdichte Noduli aufweist, wird zuerst meist an
granulomatöse Erkrankungen (z. B. Histoplasmose) oder an die alveoläre Mikrolithiasis
gedacht. Beiden Typen gemeinsam ist ein deutlicher apicobasaler Gradient.
Anhand dieser Kriterien wurde bei unserem Patienten nach sorgfältigem Ausschluss sekundärer
Ursachen schließlich eine idiopathische, diffus-dendriforme pulmonale Ossifikation
diagnostiziert. Mit weniger als 50 Fallberichten in der weltweiten Literatur stellt
die idiopathische pulmonale Ossifikation ein äußerst seltenes Krankheitsbild dar,
das vor allem Männer zwischen 40 und 60 Jahren betrifft und im Gegensatz zu den sekundären
Formen klinisch meist asymptomatisch bis mild verläuft. Nur in sehr ausgeprägten Fällen
wurde lungenfunktionell eine restriktive Störung beschrieben. Die Diagnosestellung
erfolgt in vivo meist mittels HRCT, Lungenbiopsie und/oder Knochenszintigrafie, oft
wird die Erkrankung jedoch erst post mortem im Rahmen einer Autopsie als solche erkannt.
Die Pathogenese ist nicht geklärt; vermutet werden Gewebsmikrotraumata mit Aufbau
eines lokal alkalischen Milieus, Störungen im Calciumphosphatstoffwechsel sowie in
der Angiogenese. Auch eine genetische Komponente ist denkbar (familiäre Häufung beschrieben).
Es existiert bislang keine evidenzbasierte Therapie; die Gabe von Corticosteroiden,
Coumarinen und Bisphosphonaten wird kontrovers diskutiert. Zu empfehlen sind jedenfalls
jährliche Verlaufskontrollen mittels Lungenfunktion und CT, wobei bei Befundkonstanz
über einige Jahre dieses Intervall durchaus ausgeweitet werden kann.
Abb. 3 HRCT CT: für die dendriforme pulmonale Ossifikation typische retikulo-noduläre Strukturvermehrung,
septale Verdickungen, apicobasaler Gradient (Abbildung zur Verfügung gestellt vom
Institut für Radiodiagnostik, Otto Wagner Spital, Wien).
Abb. 4 Histologisches Schnittbild: Knochenfragment mit angrenzendem Osteoblastensaum sowie
kleiner Knochenanteil mit Fettmark (Abbildung zur Verfügung gestellt vom pathologisch-bakteriologischem
Institut, Otto Wagner Spital, Wien).