Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2015; 22(06): 292-293
DOI: 10.1055/s-0041-110491
DTG-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe Mitglieder und Freunde der DTG,

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. Dezember 2015 (online)

 

    vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Deutschland ergibt sich die Herausforderung, die medizinische Versorgung dieser Menschen adäquat zu organisieren.

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    Flüchtlingsmedizin

    Für die beteiligten Ärzte ergibt sich die Notwendigkeit, sich mit speziellen medizinischen Fragestellungen zu befassen, die sonst im medizinischen Alltag in Deutschland keine große Rolle spielen. Zu berücksichtigen sind ein anderes Krankheitsspektrum je nach Herkunftsland und ein anderer kultureller Hintergrund, der sich auf das Kranksein auswirkt. In diesem Bereich haben Tropenmediziner Erfahrung und können Empfehlungen geben.


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    DTG-Workshop Flüchtlingsmedizin

    Der Ausschuss „Migrantenmedizin“ der DTG hat unter der Leitung von Prof. August Stich am 17. Oktober 2015 in Würzburg einen Workshop hierzu organisiert, zusammen mit Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. Es ging um die aktuellen Herausforderungen und Lösungsansätze in der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Deutschland. Mehrere Teilnehmer berichteten von ihren jeweiligen Erfahrungen in Berlin, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, München und Würzburg, die, aufgrund der nicht vergleichbaren Rahmenbedingungen, Spezifitäten der einzelnen Bundesländer und eigenen Vorerfahrungen, erhebliche Unterschiede aufweisen. Es wurde das Ziel formuliert, baldmöglichst Handlungsempfehlungen und Planungshilfen für ärztliche Kollegen, die mit der Versorgung von Flüchtlingen betraut sind, zu erstellen und über die Homepage der DTG allgemein zugänglich zu machen.


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    DTG-Kurs Flüchtlingsmedizin

    Weiterhin hat der Ausschuss „Migrantenmedizin“ der DTG jetzt ein Curriculum für einen Kurs zur Flüchtlingsmedizin entwickelt. Es wird vorschlagen, dass dieser Kurs analog zum Kursus „Reisemedizin“ von der DTG etabliert wird, das heißt verschiedene Anbieter könnten diesen Kurs durchführen und von der DTG zertifizieren lassen, und die Teilnehmer bekommen ein DTG-Zertifikat. Die DTG hofft, dass insbesondere tropenmedizinische Institutionen diesen Kursus für Mediziner anbieten, die zum Beispiel als niedergelassene Kollegen oder als Ärzte in Gesundheitsämtern an der medizinischen Versorgung dieser Menschen beteiligt sind. Die DTG ist sich darüber im Klaren, dass in einem solchen Grundkurs nur ein kleiner Teil der „Migrantenmedizin“ abgedeckt werden kann. Es geht um grundlegende Empfehlungen zur medizinischen Versorgung von Asylbewerben und Flüchtlingen.

    Der Zeitrahmen für einen Kursus, der zum Zertifikat führt, beträgt mindestens 16 Unterrichtsstunden à 45 Minuten, also im Allgemeinen 2 Tage. Die Zuordnung der Stundenzahl zu den einzelnen Themen (s. Inhalte DTG-Kurs Flüchtlingsmedizin) ist in vertretbaren Grenzen variabel. Eine Umstrukturierung mit anderer Gewichtung ist dadurch möglich. Der DTG-Kurs besteht grundsätzlich aus 4 Modulen, die in beliebiger Reihenfolge und in beliebigen Zeitabständen absolviert werden müssen.

    Die ersten solcher Kurse sind geplant am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg und in der Sektion Klinische Tropenmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg. Weitere Kurse zum Thema Flüchtlingsmedizin werden auch von der Missionsärztlichen Klinik Würzburg angeboten – es wird auf die jeweiligen Homepages verwiesen.


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    13. Malaria-Meeting in Hamburg

    Am 13. und 14. November 2015 trafen sich am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg mehr als 90 Experten zum 13. Malaria-Meeting. Organisator war PD Dr. Thomas Jacobs, BNITM. Wie in den Vorjahren stand das Treffen unter der Schirmherrschaft der DTG, der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft. Teilnehmer aus der gesamten Bundesrepublik sowie aus dem benachbarten europäischen Ausland waren vertreten. Das lokale Organisationskomitee hatte ein vielfältiges Programm zusammengestellt, das die gesamte Bandbreite der Malariaforschung umfasste. Neben Klinik, Diagnostik und Epidemiologie bildeten Immunologie sowie Zell- und Molekularbiologie der Plasmodien besondere Schwerpunkte. Insgesamt bestand das Programm aus mehreren Übersichtsreferaten (Gerd Burchard, Hamburg; Ingrid Felger, Basel; Lars Hviid, Kopenhagen) sowie mehr als 40 wissenschaftlichen Kurzvorträgen und Posterbeiträgen. Das Programm mit allen Abstracts kann auf der Homepage des BNITM eingesehen werden, www.bni-hamburg.de. Hier folgt eine kurze Zusammenfassung der behandelten Themen durch Prof. Egbert Tannich und Dr. Thomas Jacobs, BNITM.


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    Klinik und Therapie

    In seinem Übersichtsvortrag „Management of severe Malaria“ stellte Gerd Burchard die Komplexität der Malariabehandlung mit ihren vielen Facetten vor und wies insbesondere darauf hin, dass es nach wie vor keine weltweit einheitlichen Leitlinien zur Definition und Behandlung der schweren Malaria gibt. Insbesondere das Flüssigkeitsmanagement stellt bei Organbeteiligungen von Gehirn, Lunge oder Niere eine besondere Herausforderung dar. Neben der Behandlung der schweren Malaria beschäftigten sich mehrere Beiträge mit dem Problem der späten Hämolyse bei Therapie mit Artemisinin, die etwa 14 Tage nach Behandlung bei circa 7 % der Patienten auftritt und die in Einzelfällen nur durch Bluttransfusionen beherrscht werden kann. Bisher konnte die Ursache für dieses Phänomen nicht geklärt werden. Allerdings verdichten sich die Hinweise, dass die Wirkung von Artemisinin auf frühe Entwicklungsformen der Plasmodien im Blut (Ringstadien) für die Entstehung der Hämolyse verantwortlich sein könnte.


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    Diagnostik und Epidemiologie

    Um das Ziel zu erreichen, die Malaria zu eliminieren, werden in Zukunft neue diagnostische Verfahren benötigt. Ingrid Felger zeigte in ihrem Übersichtsreferat „Molecular Tools for Malaria Surveillance“ sehr eindrucksvoll, dass die Bestimmung der Malariaprävalenz in hohem Maß von den eingesetzten diagnostischen Methoden abhängig ist und dass klassische Verfahren wie Mikroskopie und Antigenteste nicht ausreichend sensitiv sind. Selbst PCR-Verfahren zum Nachweis von Plasmodien-DNA scheinen Infektionen bei chronisch infizierten Personen, die häufig sehr niedrige Parasitämien aufweisen, nur unzureichend zu erfassen. Offenbar werden in Zukunft aufwendigere RNA-basierte Nachweisverfahren nötig sein, um alle Plasmodienträger in den verschiedenen Malariaendemiegebieten identifizieren und behandeln zu können.


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    Zell- und Molekularbiologie

    Viele Gruppen in Deutschland befassen sich mit zell-und molekularbiologischen Fragestellungen, um die Biologie und Pathogenese der Malariaerreger besser zu verstehen. In seinem Übersichtvortrag „Plasmodium falciparum rosetting: why and how“ stellte Lars Hviid die These auf, dass das Phänomen des Rosettings (intravaskuläre Zusammenlagerung von infizierten und nicht infizierten Erythrozyten) vermutlich durch Rezeptoren vermittelt wird, die eigentlich für die Adhärenz infizierter Erythrozyten an das Endothel gedacht sind (Sequestrierung). In diesem Zusammenhang spielt die Antigenvariation der Plasmodien eine wesentliche Rolle. Mehrere Arbeitsgruppen stellten ihre Ergebnisse zur Expression von var-Genen und die Rolle der PfEMP1-Proteinfamilie vor, die maßgeblich an der Antigenvariation und Sequestrierung der Plasmodien beteiligt sind. Weitere Schwerpunktthemen beschäftigten sich mit den molekularen Grundlagen des Proteintransports in infizierten Erythrozyten sowie der Gametozytenentwicklung.


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    Immunologie

    Ein wichtiger Aspekt bei der Pathogenese der Malaria ist die Immunabwehr des Wirts. Hierzu wurden Daten über die Nutzung von „High-density peptide microarrays“ vorgestellt, die eine detaillierte Analyse der schützenden Antikörperantwort ermöglichen. Ein weiterer Beitrag hat sich mit Evasionsmechanismen der Plasmodien gegen das Komplementsystem beschäftigt. Mithilfe von „multi color flow cytometry“ konnten Unterschiede bei der T-Zellaktivierung von Patienten mit schwerer oder unkomplizierter Malaria dargestellt werden. Abgerundet wurde die Immunologiesitzung durch mehrere Beiträge, in denen die Pathogenese der zerebralen Malaria in Modelsystemen untersucht wurde und die eine Beteiligung einer überschießenden Immunantwort bei der Pathogenese der zerebralen Malaria aufzeigen.

    Das nächste Malaria-Meeting wird im Frühjahr 2017 in Berlin stattfinden, organisiert von Prof. Kai Matuschewski, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

    Aus Hamburg grüßen Sie

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    Gerd Burchard
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    Bernhard Fleischer
    Inhalte DTG-Kurs Flüchtlinsmedizin

    1. Modul: Migration
    z. B. Migration allgemein, Aktuelle Daten zu Migranten bzw. Asylsuchenden in Deutschland, Gegenwärtige Rechtslage, Medizinische Geografie der wichtigsten Herkunftsländer

    2. Modul: Kulturelle Einflüsse / Kommunikation / psychologische Probleme
    z. B. Unterschiedliche Krankheitskonzepte, Umgang mit Krankheit und Behinderung in anderen Kulturen, Interkulturelle Kommunikation, Traumatisierte Patienten

    3. Modul: Krankheiten
    z. B. Infektionen, Non-communicable diseases, Gynäkologische Besonderheiten

    4. Modul: Screening / Prävention
    z. B. Screeningempfehlungen, Impfungen bei Asylsuchenden, Besonders vulnerable Gruppen (z. B. unbegleitete minderjährige Flüchtlinge / Papierlose)


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    Gerd Burchard
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    Bernhard Fleischer