retten! 2016; 5(01): 4-11
DOI: 10.1055/s-0041-110725
Fit für den Notfallsanitäter
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Reanimation bei Kammerflimmern – Ergänzungsprüfung – Das sollten Sie wissen

Rico Kuhnke
,
Wolfgang von Meißner
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Korrespondenz

Rico Kuhnke
Dr. Wolfgang C. G. von Meißner

Publication History

Publication Date:
09 March 2016 (online)

 

retten! macht Sie fit für den Notfallsanitäter: In jeder Ausgabe arbeiten wir anhand eines Fallbeispiels einen interessanten Einsatz algorithmenkonform auf. Anhand von exemplarischen Fragen zu erweiterten Nofallmaßnahmen, Kommunikation und Rahmenbedingungen können Sie sich auf die Ergänzungsprüfung vorbereiten – egal, in welchem Bundesland Sie arbeiten.


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Rico Kuhnke ist Schulleiter der DRK-Landesschule Baden-Württemberg. Er war viele Jahre als Lehrrettungsassistent tätig und ist Notfallsanitäter. Er ist Mitherausgeber von retten!.


E-Mail: r.kuhnke@drk-ls.de

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Dr. Wolfgang C. G. von Meißner, MHBA, war bis Ende 2015 Ärztlicher Leiter der DRK-Landesschule Baden-Württemberg und ist ERC-ALS Course Director. Dr. von Meißner ist Facharzt für Anästhesiologie mit den Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin und Intensivmedizin. Zugleich ist er Facharzt für Allgemeinmedizin und arbeitet als Landarzt und Notarzt in Baiersbronn im Schwarzwald. Er ist Mitherausgeber von retten!.


E-Mail: w.vonmeissner@hausaerzte-am-spritzenhaus.de

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Fallbeispiel

Einsatzmeldung „Leblose Person, am Rathausplatz in der Außenstelle der Sparkasse“. Während der Anfahrt erfährt das Team, dass Ersthelfer unter Anleitung der Leitstelle mit der Reanimation begonnen hätten. Ein weiterer Ersthelfer warte am Eingang, um das Team zum Patienten zu bringen.


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Situation vor Ort

Im Schalterraum der Sparkasse liegt ein älterer männlicher Patient am Boden. Sein Pullover ist nach oben geschoben, der Brustkorb frei. Ein Ersthelfer führt gerade die Herzdruckmassage (HDM) durch, als das Rettungsteam eintrifft. Sofort fordern die Kollegen den Ersthelfer auf, mit der HDM fortzufahren, und informieren die Leitstelle über das Handy des Anrufers, dass sie nun übernähmen. Die Ersthelfer berichten, dass sie vor ungefähr 5 min mit der HDM begonnen hätten. Auf eine Mund-zu-Mund-Beatmung hätten sie verzichtet, weil sie sich hiervor sehr geekelt hätten.


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Advanced Life Support

Nachdem die Rettungskräfte den Kreislaufstillstand bestätigen konnten, beginnt ein Kollege mit der Beatmung und nutzt hierfür einen Beatmungsbeutel mit Reservoir. Auf das Einlegen einer supraglottischen Atemwegshilfe wird zunächst verzichtet: Die Atemwege sind frei und der Patient lässt sich gut beatmen. Der Kollege am Kopf leitet den Ersthelfer an und gibt den Rhythmus der HDM mit einer Frequenz von 100–120 Kompressionen/min vor. Die Drucktiefe beträgt 5–6 cm. Nach 30 Kompressionen wird die HDM kurz unterbrochen und es folgen 2 Beatmungen, die jeweils ca. 1 s dauern. In den kurzen Phasen der HDM verbindet der Kollege am Kopf des Patienten den Sauerstoff mit dem Reservoir des Beatmungsbeutels. Er verabreicht den Sauerstoff mit einem Flow von 15 l/min und stellt die Absaugbereitschaft her.


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Rhythmuskontrolle

Der zweite Kollege kümmert sich währenddessen um die Geräteorganisation [Abb. 1] und entfernt den Pullover des Patienten mit einer Kleiderschere. Auf dem nun vollständig entkleideten Brustkorb bringt er die beiden selbstklebenden Defibrillatorpads klassisch sternal-apikal an. Dazu klebt er die rechte (sternale) Elektrode rechts parasternal unterhalb der Klavikula auf, die apikale Elektrode in der linken mittleren Axillarlinie – etwa in Höhe einer V6-EKG-Elektrode. In dieser Position stört kein Brustgewebe den Stromfluss [Abb. 2] [1]. Anschließend schaltet er den Defibrillator im manuellen Modus ein und bittet den Ersthelfer, die HDM zur Rhythmuskontrolle kurz zu unterbrechen und sich vom Patienten zu entfernen. Der Kopfhelfer übernimmt nun die Analyse des Herzrhythmus, während sich der zweite Helfer bereit macht, die HDM fortzuführen.

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Abb. 1 Positionierung der Geräte und Helfer bei einer Reanimation mit 3 Helfern.
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Abb. 2 Sternal-apikale Positionierung der Defibrillator-Klebepads auf dem Brustkorb.

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1. Defibrillation

Der Monitor zeigt ein grobes Kammerflimmern. Der Kopfhelfer stellt die Energie des biphasischen Defibrillators gemäß den Herstellerangaben auf 150 J ein; während des Ladevorgangs setzt sein Kollege die HDM fort. Nachdem der Ladevorgang beendet ist, unterbricht der zweite Helfer kurz die HDM. Der Kopfhelfer vergewissert sich, dass niemand den Patienten berührt und löst den Schock aus. Sofort nach der Defibrillation setzt der seitliche Helfer die HDM fort, ohne den Herzrhythmus zu kontrollieren oder den Puls zu fühlen.


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Atemwegsmanagement

Der Kopfhelfer sichert nun die Atemwege mit einem Larynxtubus. Er kontrolliert dessen Lage während der nächsten Beatmungen mittels der angeschlossenen Kapnografie und einer kurzen beidseitigen Auskultation der Lunge auf Höhe der mittleren Axillarlinie. Der Thorax hebt und senkt sich bei der Beatmung seitengleich. Der Kopfhelfer entscheidet sich, den Larynxtubus mit einer Gänsegurgel zu verlängern und befestigt den Tubus mit einer Fixierungshilfe [Abb. 3]. Nun erfolgt die Beatmung unabhängig von der HDM alle 6 s.

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Abb. 3 Beatmung mittels Larynxtubus: Verlängerung mit einer Gänsegurgel und Fixierung.

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Venöser Zugang

Um Zeit für die Etablierung eines venösen Zugangs zu gewinnen, entscheiden sich die Rettungskräfte, die Beatmung durch den Ersthelfer übernehmen zu lassen. Sie fordern ihn auf, alle 6 s den Beatmungsbeutel zu drücken. Der seitliche Helfer kontrolliert die Maßnahmen des Ersthelfers und gibt ihm, falls nötig, Instruktionen. Der nun frei gewordene Kopfhelfer bereitet eine Infusion vor und etabliert einen venösen Zugang in der rechten Ellenbeuge.


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2. Defibrillation

Nach 2 min erfolgt die nächste Analyse des Herzrhythmus: Nach wie vor ist ein grobes Kammerflimmern zu erkennen. Entsprechend den Vorgaben des Geräteherstellers wird die Energie eskalierend auf 200 J gesteigert. Auf einen Helferwechsel verzichtet das Team in dieser Phase bewusst. Dann bereitet der freie Helfer 1 mg Adrenalin und 300 mg Amiodaron vor.


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3. Defibrillation und Medikamentengabe

Nach weiteren 2 min defibrilliert das Rettungsteam den Patienten bei unverändertem Rhythmus erneut - diesmal mit der max. verfügbaren Defibrillationsenergie. Gleich danach und unter laufender HDM erhält der Patient 1 mg Adrenalin und 300 mg Amiodaron. Der freie Helfer spült die Medikamente mit 20 ml Infusionsflüssigkeit durch Druck auf die Infusionsflasche ein, während er den Arm mit dem venösen Zugang für 15 s anhebt. Um die Qualität der HDM auf hohem Niveau zu halten, löst er den seitlichen Helfer nun ab.


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HHHH und HITS

Der abgelöste Helfer nutzt die Zeit und versucht, durch Befragen der Ersthelfer und eine orientierende Untersuchung mögliche reversible Ursachen für den Kreislaufstillstand zu identifizieren. Er folgt dabei dem 4-Hs- und HITS-Ansatz. Die 4 Hs stehen für:

  • H–ypoxie

  • H–ypovolämie

  • H–ypo- / Hyperkaliämie und andere metabolische Ursachen

  • H–ypo-/ Hyperthermie

Das Akronym HITS bedeutet:

  • H–erzbeuteltamponade

  • I–ntoxikation

  • T–hromboembolie

  • S–pannungspneumothorax

Nachdem die Rettungskräfte verschiedene Ursachen ausschließen können, erscheint die Thromboembolie als Ursache am wahrscheinlichsten.


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Rückkehr des Spontankreislaufs (ROSC)

Zwei Minuten nach der 3. Defibrillation erfolgt eine erneute Analyse des Herzrhythmus. Der Monitor zeigt nun einen regelhaften Sinusrhythmus mit einer deutlichen ST-Streckenhebung und vereinzelten ventrikulären Extrasystolen. Der Karotispuls ist gut tastbar, peripher lässt sich der Puls nur schwach tasten. Das Team führt die Beatmung fort und beendet die HDM.

Es geht weiter!

Freuen Sie sich auf die Fortsetzung dieses Fallbeispiels in der nächsten Ausgabe der retten!. Dort werden die Rettungskräfte algorithmenkonform den Zustand nach ROSC behandeln.


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Der Algorithmus

ERC-Leitlinien 2015

Am 15. Oktober 2015 veröffentlichte der ERC (European Resuscitation Council) die neuen Empfehlungen zur Reanimation. Wie zu erwarten war, gibt es nur wenig Neues zu berichten: Die vorliegenden Studien bekräftigen die Maßnahmen der letzten Jahre. Im obigen Fallbeispiel nutzt das Rettungsdienstteam den ALS-Algorithmus (ALS = Advanced Life Support) des ERC [Abb. 4].

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Abb. 4 Vorgehen bei Reanimation nach dem aktuellen Algorithmus „Advanced Life Support“ des European Resuscitation Council. CPR = Herz-Lungen-Wiederbelebung (engl. cardiopulmonary resuscitation), PEA = pulslose elektrische Aktivität, SpO2 = pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung, VF = Kammerflimmern (engl. ventricular fibrillation), VT = ventrikuläre Tachykardie [1].

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Telefonreanimation ohne Atemspende

Die Ausgangssituation für das eintreffende Team ist durch die sofortige HDM der Ersthelfer nahezu optimal – auch wenn die Ersthelfer im Beispiel nicht in der Lage sind, eine Beatmung durchzuführen.

  • Dies ist zu tolerieren, weil nach dem Kollaps für ca. 4 min ausreichend Sauerstoff in den Lungen zur Verfügung steht.

  • In keinem Fall sollten Beatmungsversuche zu einer Vernachlässigung der Thoraxkompressionen führen.

Die aktuellen Leitlinien heben insbesondere den Wert einer leitstellengeführten Reanimation (Telefonreanimation, T-CPR) hervor. Leider steht den Ersthelfern im Beispiel kein Automatisierter Externer Defibrillator (AED) zur Verfügung. Der ERC betont, dass an Orten mit hohem Publikumsverkehr AED öffentlich zugänglich bereitgestellt werden sollten.

Eine Defibrillation innerhalb der ersten 3–5 min kann die Überlebensrate auf 50–70 % steigern.


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Einbeziehung der Ersthelfer

Gerade in den ersten Minuten steht das Standard-Rettungsdienstteam mit 2 Personen durch die Fülle an notwendigen Maßnahmen an der Grenze des Möglichen. Die Entscheidung, den Ersthelfer die HDM fortführen zu lassen, ermöglicht es dem Team, sowohl die Beatmung des Patienten zu sichern als auch die Defibrillation vorzubereiten. Wichtig ist, dass der Thorax währenddessen kontinuierlich und korrekt komprimiert wird. Dies ist aufgrund der Betreuung des Ersthelfers durch den Rettungsdienst sichergestellt. Auch zum späteren Zeitpunkt wird der Ersthelfer wieder miteingebunden und leistet dabei wertvolle Hilfe.


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Atemwegssicherung

Besonders spannend erscheint die Entscheidung der Rettungskräfte, anfangs auf eine supraglottische Atemwegshilfe zu verzichten. Das Team setzt allerdings konsequent die ERC-Empfehlungen um.

  • Nach 4 min ist davon auszugehen, dass der Sauerstoff in den Lungen durch die HDM der Ersthelfer aufgebraucht ist.

  • Spätestens jetzt ist eine ausreichende Oxygenierung zu gewährleisten, eine weitere Verzögerung durch das Einlegen eines Larynxtubus verschlechtert das Outcome des Patienten.

Zudem lässt sich dieser mit Maske und Beatmungsbeutel gut beatmen.

Nach dem Kollaps ist für ca. 4 min genügend Sauerstoff in der Lunge des Patienten vorhanden. Danach muss umgehend eine ausreichende Oxygenierung sichergestellt werden.


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Manuelle Defibrillation

Von vielen Rettungstteams wird die Anwendung von Defibrillatoren im halbautomatischen Modus als entlastend empfunden. Das Gerät übernimmt dabei die zeitliche Überwachung und gibt dem Team klare Anweisungen. Diese Vorteile verlängern allerdings die Hands-off-Zeiten am Patienten.

  • Ein gut trainiertes Team kann durch die Anwendung im manuellen Modus die Pausendauer vor und nach einem Schock deutlich verkürzen.

Der Defibrillator wird während der HDM auf die vom Hersteller empfohlene Energie geladen. Erst nach Erreichen der notwendigen Energie nimmt der seitliche Helfer die Hände kurz vom Thorax des Patienten und setzt gleich nach der Abgabe des Schocks die Kompressionen fort.


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Larynxtubus

Nach der ersten Defibrillation löst einer der Kollegen den Ersthelfer bei der HDM ab.

  • Studien belegen, dass nach ca. 3 min die Qualität der Thoraxkompressionen deutlich abnimmt.

Die Entscheidung des Rettungsdienstteams, die Reanimation nun selbst fortzuführen, ist aus diesem Grund sinnvoll. Der Kopfhelfer nutzt die Zeit während der HDM und sichert die Atemwege mit einem Larynxtubus. Er muss den Tubus mit einer Gänsegurgel verlängern und dann fixieren, weil er den Ersthelfer zur Unterstützung bei der Beatmung miteinbeziehen will. Ist kein Ersthelfer vorhanden, kann der seitliche Helfer im Verhältnis 30:2 zwischen HDM und Beatmungen abwechseln. Allerdings geht dies zu Lasten der kontinuierlichen Thoraxkompressionen, die beim Patienten mit Atemwegssicherung anzustreben ist.


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Venöser Zugang

Durch die Einbeziehung des Ersthelfers ist der Kopfhelfer frei, um den venösen Zugang zu legen und Adrenalin und Amiodaron vorzubereiten. Das Personalproblem ist durch diese Maßnahme vorbildlich gelöst und führt zu keinem Zeitpunkt zu einer Unterbrechung der Thoraxkompressionen.


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Adrenalin und Amiodaron

Wie im Algorithmus vorgegeben, erfolgt nach der 3. Defibrillation die Gabe von 1 mg Adrenalin und 300 mg Amiodaron. Die ERC-Leitlinien fordern das Einspülen von Medikamenten in das zentrale Kompartiment durch die Gabe von 20 ml Flüssigkeit. Gleichzeitig soll die betreffende Extremität für 10–20 s hochgehalten werden.

Unterstützen Sie uns!

Für die Rubrik „Fit für den Notfallsanitäter“ verwenden wir die unterschiedlichsten Algorithmen und SOPs aus dem gesamten Bundesgebiet. Deshalb würden wir an dieser Stelle gern auch einen Ihrer Algorithmen vorstellen. Unterstützen Sie uns! Senden Sie uns Ihre regionalen Algorithmen und SOPs an: retten@thieme.de.

Den Flüssigkeitsbolus verabreicht man am einfachsten durch Druck auf die Infusionsflasche.


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Rückkehr des Spontankreislaufs

Begünstigt durch die optimale Versorgung setzt nach der 3. Defibrillation ein Spontankreislauf ein. Auch wenn der EKG-Monitor zwischen den Analysen veränderte Kurven zeigt, soll die HDM bis zur nächsten regulären Beurteilung des EKG-Rhythmus fortgesetzt werden. Nur sehr selten ist ein Puls sofort nach einer erfolgreichen Defibrillation tastbar, denn das Herz braucht Zeit, um eine ausreichende Zirkulation wiederherzustellen. Thoraxkompressionen bei bestehendem Kreislauf erhöhen das Risiko eines erneuten Herzkammerflimmerns nicht. Ein deutlicher Anstieg des petCO2 (CO2-Partialdruck gemessen am Ende der Ausatmung) in der Kapnografie weist auf das Wiedereinsetzen des Kreislaufs hin. In einem derartigen Fall wird die ggf. anstehende Adrenalingabe so lange verzögert, bis der Kreislaufstillstand bei der nächsten Rhythmuskontrolle bestätigt ist.


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NOTFALLMEDIZIN

Beschreiben Sie, wann Amiodaron zum Einsatz kommt, und erläutern Sie seine Wirkungsweise und Dosierung.

Verwendung

Amiodaron kommt zum Einsatz bei

  • schockrefraktärem Kammerflimmern nach der 3. Defibrillation oder

  • hämodynamisch stabiler Kammertachykardie.

Studien belegen, dass durch den Einsatz von Amiodaron bei Kammerflimmern mehr Patienten lebend das Krankenhaus erreichen.


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Wirkmechanismus

Amiodaron ist ein Antiarrhythmikum, das membranstabilisierend auf das Herzmuskelgewebe wirkt. Es verlängert die Dauer des Aktionspotenzials und die Refraktärzeit sowohl im Vorhof als auch im Kammerbereich des Herzmuskelgewebes (Myokard). Daneben verlangsamt Amiodaron die Überleitungszeit im AV-Knoten. Es hemmt dabei v. a. die Kaliumkanäle, in geringerem Maße auch Alpha- und Beta-Rezeptoren.


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Dosierung

Die ERC-Leitlinie empfiehlt die Gabe von 300 mg Amiodaron, gelöst in 5 % Glukose (oder einem anderen geeigneten Lösungsmittel) mit einem Volumen von 20 ml. Das entspricht 2 Ampullen mit 3 ml zu je 150 mg Amiodaron. Diese können nach Herstellerangaben auch als Bolus gegeben werden. Praktikabel ist daher das Aufziehen von 9 ml (3 Ampullen) Amiodaron in eine 10 ml-Spritze. Die ersten 6 ml werden nach der 3. Defibrillation als Bolus in die angehobene Extremität und unter Einspülung mit Infusionslösung verabreicht. Bei fortdauerndem Kammerflimmern appliziert man nach der 5. Defibrillation die restlichen 3 ml auf die gleiche Weise.


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Mögliche weitere Fragen:

  • Beurteilen Sie den Stellenwert der Kapnografie während der Reanimation.

  • Erläutern Sie den Algorithmus bei Kammerflimmern (engl. ventricular fibrillation, VF) oder pulsloser ventrikulärer Tachykardie (pVT).

  • Wie unterscheiden sich monophasische von biphasischen Defibrillatoren?

  • Welchen Stellenwert hat der präkordiale Faustschlag in der Therapie von Kammerflimmern?

  • Welche Faktoren beeinflussen die Dauer von Wiederbelebungsversuchen? Nennen Sie Notfallsituationen, in denen die Entscheidung zum Abbruch der Reanimation klinisch erfolgen sollte.


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KOMMUNIKATION

Die ERC-Leitlinien beschäftigen sich auch mit ethischen Fragen zu Reanimation und Entscheidungen am Lebensende. Was verstehen Sie unter Ethik? Beschreiben Sie Situationen, in denen Sie eine Reanimation nicht beginnen oder einen Abbruch erwägen würden.

Moral

Ethik beschäftigt sich mit der moralischen Haltung des Einzelnen und der Gesellschaft.

  • Das moralische Handeln wird dabei durch Regeln, Normen und Wertesysteme bestimmt.

  • Je nach kultureller oder religiöser Verortung kann sich dabei der Verhaltensmaßstab voneinander unterscheiden.

Insbesondere bei der Entscheidung, ob mit einer Reanimation begonnen werden soll oder ob und wann eine Reanimation beendet werden soll, steht das Rettungsdienstteam vor weitreichenden ethischen Fragen.


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Nein zur Reanimation

Eine Reanimation sollte nicht eingeleitet bzw. fortgeführt werden, wenn

  • Verletzungen oder Zustände vorliegen, die offensichtlich tödlich bzw. mit dem Leben nicht vereinbar sind oder

  • die Sicherheit für das Einsatzteam nicht oder nicht mehr gewährleistet werden kann.


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Patientenverfügung

Ein Abbruch der Reanimationsbemühungen bei vorliegender Patientenverfügung ist als äußerst problematisch anzusehen.

Gerade zu Beginn einer Reanimation ist es nicht möglich, die vorliegende Patientenverfügung ausreichend auf ihre Wirksamkeit hin zu bewerten.

Eine sinnvolle Bewertung kann zum späteren Zeitpunkt erfolgen, wenn z. B. der Notarzt Zeit findet, sich mit der Patientenverfügung näher zu beschäftigen.


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Anhaltender Herzstillstand

Die ERC-Leitlinien beschreiben zudem, dass ein Abbruch der Reanimation nach 20 min erfolgen kann, wenn in dieser Zeit trotz der erweiterten Maßnahmen und ohne reversible Ursache eine Asystolie besteht.


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Unheilbare Vorerkrankung

Ein weiterer Grund für den Abbruch einer Reanimation könnten belastbare Informationen über eine bestehende tödliche Erkrankung des Patienten wie z. B. ein malignes Krebsleiden sein. Hier kann es sinnvoll sein, vor einer endgültigen Entscheidung den Hausarzt des Patienten zu kontaktieren.


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Mögliche weitere Fragen:

  • Was sollten Sie im Umgang mit Ersthelfern beachten? Welche Ängste und Bedürfnisse haben Ersthelfer, wenn sie Erste Hilfe leisten sollen?

  • Was versteht man unter symmetrischer und asymmetrischer Kommunikation? Nennen Sie Beispiele aus Ihrem Alltag.


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RAHMENBEDINGUNGEN

Wer darf eine Todesfeststellung treffen und wie ist die Leichenschau geregelt?

Ländersache

Es gibt keine einheitliche Regelung in der Bundesrepublik, da das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen in die Regelungskompetenz der einzelnen Bundesländer fällt.

  • Grundsätzlich sind die Feststellung des Todes und die Leichenschau dem Arzt vorbehalten.

  • Es gibt allerdings Situationen, in denen auch nicht ärztliches Rettungsdienstpersonal feststellt, dass der Tod bereits eingetreten und der Mensch verstorben ist und aus diesem Grund nicht mit einer Reanimation beginnt.

Dies gilt insbesondere dann, wenn sichere Todeszeichen bestehen, d. h.:

  • Totenflecke

  • Leichenstarre

  • Zustände, die mit dem Leben nicht vereinbar sind, z. B. Dekapitation

  • Fäulnisstadium


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Im Zweifel reanimieren

In Fällen, in denen keine sicheren Todeszeichen vorliegen oder Unsicherheiten bestehen, ist es für nicht ärztliches Rettungsdienstpersonal empfehlenswert, mit der Reanimation zu beginnen und das Eintreffen des Notarztes abzuwarten.

Leitlinien im Internet

Alle Leitlinien des ERC sowie die einzelnen Algorithmen in deutscher Übersetzung können Sie auf der Webseite des Deutschen Rats für Wiederbelebung kostenlos herunterladen:

http://www.grc-org.de/leitlinien2015

Rechtlich gilt der Verstorbene erst als Leiche, wenn ein approbierter Arzt den Tod festgestellt hat.


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Mögliche weitere Fragen:

  • Nennen Sie die 3 Bedingungen, die für die Strafbarkeit eines Delikts erfüllt sein müssen und erläutern Sie diese anhand eines Beispiels.

  • Im obigen Fallbeispiel kann der Patient in die lebensrettenden Maßnahmen nicht einwilligen. Wie begründen Sie deren Durchführung aus juristischer Sicht?

  • An welche Stelle müssen sicherheitsrelevante Vorkommnisse mit Medizinprodukten gemeldet werden und wie hat dies zu erfolgen?

Kommentar von Dr. Dr. Burkhard Dirks, Gründungsvorsitzender des GRC

Der Deutsche Rat für Wiederbelebung (German Resuscitation Council, GRC) hat im Oktober 2015 zum 5. Mal gemeinsam mit dem Österreichischen und Schweizer Rat für Wiederbelebung (Austrian Resuscitation Council, ARC, bzw. Swiss Resuscitation Council, SRC) die autorisierte deutsche Version der ERC-Leitlinien publiziert. In seinem Editorial zu den Leitlinien beschreibt Dr. Jerry Nolan, der Co-Chairman des ILCOR-Prozesses (q S. 27), nach welcher umfassenden, geradezu peniblen Auswertung der Literatur der wissenschaftliche Konsens für diese Leitlinien entstanden ist. Die Leitlinien geben die weltweit akzeptierte und auf höchstmöglichem Evidenzniveau basierende Sicht wieder, wie Reanimation wirkungsvoll und sicher durchgeführt werden kann.

Der ERC bekräftigt den 2010 gefundenen Kompromiss: „Bei jeder Wiederbelebung soll eine Thoraxkompression durchgeführt werden. Notfallzeugen, die ausgebildet und in der Lage sind, eine Atemspende durchzuführen, sollen Herzdruckmassage und Atemspende kombinieren.“ Um das Ziel „Herzdruckmassage durch jeden“ zu erreichen, stellen die Leitlinein 3 Aufgaben in den Vordergrund:

  • Erkennen des Kreislaufstillstands: Noch immer wird bei Schnappatmung oder Krampfanfällen die Situation oft verkannt. Unsere Hoffnungen ruhen dabei auf dem Leitstellenpersonal in Europa. Der Disponent muss aus der Schilderung des Laien beim Notruf den Verdacht auf einen Kreislaufstillstand haben und die Überlebenskette starten.

  • Die hohen Erwartungen, die wir 2010 in die „Telefonreanimation“ gelegt haben, haben sich wegen spärlicher Implementierung bisher leider nicht erfüllt. Auch hier wird der Disponent von den Leitlinien in die Pflicht genommen: Er muss jeden Ersthelfer zur Thoraxkompression anleiten.

  • Und noch eine weitere Schlüsselstellung haben Leitstellen bei der Reanimation: In Zukunft soll es selbstverständlich sein, dass sie in ihrem Einzugsbereich Übersicht über die Platzierung der Defibrillatoren (AED) haben und Ersthelfer, die nicht unmittelbar mit der Herzdruckmassage beschäftigt sind, mit dem Gerät zum Patienten führen können.

Die Basisreanimation selbst hat keine wesentliche Änderung erfordert. Dies ist unter dem Aspekt der Kontinuität und Durchdringung sehr zu begrüßen.

Die Leitlinien zu den erweiterten Maßnahmen betonen den Einsatz der Kapnografie zur Kontrolle von Tubuslage, Reanimationsqualität und Wiederkehr des Spontankreislaufs (ROSC). Die Empfehlungen zur Medikation bleiben unverändert, sie stehen nicht mehr im Vordergrund. Auch die Empfehlungen zum Airway-Management sind weitgehend unverändert.

Erstmals hat der ERC auch Bewertungen und Empfehlungen zur Ersten Hilfe aufgenommen. Dabei sind noch viele Lücken in den wissenschaftlichen Grundlagen zu beklagen. Dies ist jedoch ein erster wichtiger Schritt, um viele Meinungen und Traditionen auf diesem Feld auf den Prüfstand zu stellen und in den nächsten Jahren die wissenschaftliche Basis zu verbreitern.

Es wird darauf ankommen, diese Leitlinien Laien, Leitstellen, professionellen Helfern und Entscheidungsträgern zu vermitteln und die Konzepte erfolgreich zu implementieren, nach dem Prinzip „Jeder kann reanimieren – alles was man braucht, sind 2 Hände“!

Beitrag online zu finden unter http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0041-110725


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Ergänzendes Material


Korrespondenz

Rico Kuhnke
Dr. Wolfgang C. G. von Meißner


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Abb. 1 Positionierung der Geräte und Helfer bei einer Reanimation mit 3 Helfern.
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Abb. 2 Sternal-apikale Positionierung der Defibrillator-Klebepads auf dem Brustkorb.
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Abb. 3 Beatmung mittels Larynxtubus: Verlängerung mit einer Gänsegurgel und Fixierung.
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Abb. 4 Vorgehen bei Reanimation nach dem aktuellen Algorithmus „Advanced Life Support“ des European Resuscitation Council. CPR = Herz-Lungen-Wiederbelebung (engl. cardiopulmonary resuscitation), PEA = pulslose elektrische Aktivität, SpO2 = pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung, VF = Kammerflimmern (engl. ventricular fibrillation), VT = ventrikuläre Tachykardie [1].