Pneumologie 2016; 70(01): 7
DOI: 10.1055/s-0041-111394
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulant erworbene Pneumonie – Inzidenz nimmt mit dem Alter drastisch zu

Contributor(s):
Volker Kriegeskorte

N Engl J Med 2015;
375: 415-427
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Publication History

Publication Date:
20 January 2016 (online)

 

    Letzte Schätzungen zur Inzidenz der ambulant erworbenen Pneumonie in den USA stammen aus den 1990-Jahren vor der Einführung von Pneumokokken-Konjugatimpfstoffen. Forscher des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) brachten jetzt die Daten im Rahmen einer aktiven Überwachungsstudie auf den neuesten Stand. Sie fanden eine erhebliche Krankheitslast v. a. in der Gruppe der ältesten Patienten.
    N Engl J Med 2015; 375: 415–427

    Die ambulant erworbene Pneumonie (engl. community-acquired pneumonia; CAP) ist eine der infektiösen Hauptursachen für Krankenhauseinweisungen und Todesfälle bei Erwachsenen in den USA. Sie ruft immer noch immense Kosten hervor, obwohl inzwischen Routineimpfungen bei Kindern mit Pneumokokken-Konjugat-impfstoffen durch den Herdenimmunitätseffekt zu einer Abnahme der Pneumonierate bei Erwachsenen geführt haben. Da neue radiologisch und durch heutige labordiagnostische Tests bestätigte Inzidenzschätzungen fehlen, führten S. Jain et al. vom CDC in Atlanta/USA eine prospektive, multizentrische, bevölkerungsbasierte, aktive Überwachungsstudie bei Erwachsenen im Alter über 18 Jahren durch. Im Rahmen der EPIC-Studie (Etiology of Pneumonia in the Community) sammelten die Forscher systematisch Blut- und Urinproben sowie Atemwegsabstriche (nasopharyngeal, oropharyngeal), Sputumproben und Proben der bronchoalveolären Lavage, setzten Kulturen an und führten serologische Tests, Antigennachweise und molekulardiagnostische Tests durch. Zertifizierte Studienradiologen ohne Kenntnis der klinischen Daten werteten unabhängig die Thorax-Röntgenaufnahmen aus. Die Kalkulation der Inzidenzraten von CAP, die eine Krankenhauseinweisung erforderten, bestimmten sie nach Alter und Pathogen.

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    Streptococcus pneumoniae

    Die Untersucher nahmen 2488 stationär eingewiesene Patienten aus 5 Krankenhäusern in ihre Studie auf. Bei 2320 Patienten (93 %) bestand eine radiografisch bestätigte Pneumonie-Evidenz. Davon waren 701 (30 %) 18–49 Jahre, 787 (34 %) 50–64 Jahre, 517 (22 %) 65–79 und 315 (14 %) ≥ 80 Jahre alt. Das mittlere Alter der Patienten betrug 57 Jahre. 498 Patienten (21 %) bedurften der Intensivpflege, 131 (6 %) erhielten eine invasive mechanische Beatmung, 52 (2 %) starben während des Krankenhausaufenthalts. Unter den 2259 Patienten, bei denen sowohl die CAP radiologisch bestätigt war als auch Proben für bakterielle und virale Untersuchungen vorlagen, befanden sich 853 (38 %) mit nachweisbaren Pathogenen. Bei 530 (23 %) von ihnen lagen ein oder mehrere Viren vor. 247 (11 %) wiesen Bakterien auf, 59 (3 %) bakterielle und virale Pathogene und 17 (1 %) Pilze oder mykobakterielle Pathogene. Die häufigsten Pathogene waren humane Rhinoviren (9 %), gefolgt von Influenzaviren (6 %) und Streptococcus pneumoniae (5 %).

    Die jährliche Inzidenz betrug nach den Berechnungen der CDC-Forscher 24,8 Fälle auf 10 000 Erwachsene. Dabei traten die höchsten Raten mit 63 Fällen auf 10 000 Erwachsene bei Patienten im Alter von 65– 79 Jahren und mit 164,3 Fällen auf 10 000 Erwachsene im Alter von 80 Jahren oder älter auf. Bei jedem Pathogen stieg die Inzidenzrate mit zunehmendem Alter an. So lagen die Inzidenzen für Influenza A oder B und für Streptococcus pneumoniae bei Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter 5-mal höher als bei jüngeren Erwachsenen. Die Inzidenz des humanen Rhinovirus war bei Patienten ab 65 Jahren sogar 10-mal so hoch wie bei jüngeren.

    Fazit

    Die Inzidenz der CAP, die eine Krankenhauseinweisung erforderte, lag bei den ältesten Patienten dieser Studie deutlich höher als bei jüngeren Erwachsenen. Bei der Mehrzahl der Patienten fanden die Untersucher keine Pathogene. Lagen Pathogene vor, waren Atemwegsviren häufiger vertreten als Bakterien. Das werten die Autoren einerseits als direkten und indirekten Nutzen der bakteriellen Impfstoffe, führen den Mangel an entsprechenden Befunden aber andererseits auch auf die relativ insensitiven diagnostischen Tests für Pneumoniepathogene zurück. Ihrer Meinung nach müssen sowohl die Abdeckung durch Impfstoffe als auch deren Effektivität verbessert werden, um die Krankheitslast durch CAP zu reduzieren. Außerdem sollten neue Schnelltests entwickelt werden, die potenzielle Pneumoniepathogene genauer identifizieren.


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    Streptococcus pneumoniae