Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(08): 529
DOI: 10.1055/s-0042-100795
Aktuell publiziert
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COPD: Weniger Exazerbationen mit β-Blockern

Christian Grohé
1   Klinik für Pneumologie, Evangelische Lungenklinik Berlin
› Author Affiliations
Bhatt et al.
β-Blockers are associated with ….

Thorax 2016;
71: 8-14
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Prof. Dr. med. Christian Grohé
Chefarzt der Klinik für Pneumologie Evangelische Lungenklinik Berlin

Publication History

Publication Date:
14 April 2016 (online)

 

COPD gehört zu den führenden Todesursachen in Industrienationen. Besonders kritisch und kostenintensiv sind akute Exazerbationen. Nun gibt es Hinweise darauf, dass β-Blocker die Exazerbationsrate senken können. Aus Sorge um die Lungenfunktion werden sie COPD-Patienten bislang allerdings nur selten verschrieben.


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Hierzu analysierten die Autoren prospektive Daten von 3464 ehemaligen und noch aktiven Rauchern zwischen 45 und 80 Jahren mit mittlerer bis sehr schwerer COPD (GOLD-Stadium II-IV). Als Ausschlusskriterien galten Asthma bronchiale und andere Lungenerkrankungen. Die Patientendaten stammten aus der großen, multizentrischen COPD-Gene-Studie, die hier im Rahmen eines prospektiven Follow-up betrachtet wurden. Endpunkt der Studie war die Häufigkeit von COPD-Exazerbationen bei Patienten, die β-Blocker einnahmen, im Vergleich zu solchen, die keine β-Blocker bekamen. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 2,1 Jahre.

Der Gebrauch von β-Blockern war mit einer signifikant niedrigeren Exazerbationsrate assoziiert: Das Inzidenz-Risiko-Verhältnis (IRR) betrug 0,73 (95 %-Konfidenzintervall 0,60–0,90; p = 0,003). Auch die Inzidenz schwerer Exazerbationen war unter β-Blockern geringer (0,67 [0,48–0,93]; p = 0,016). Bei Patienten mit COPD der Stadien III und IV und unter Sauerstofftherapie war dieser Effekt noch deutlicher ausgeprägt: Hier lag das IRR für die Gesamt-Exazerbationsrate bei 0,33 (0,19–0,58; p < 0,001). Für schwere Exazerbationen betrug das IRR bei diesen Patienten 0,35 (0,16–0,76; p = 0,008).

Die Mortalität unterschied sich nicht zwischen beiden Therapiegruppen. Andere kardial wirksame Medikamente wie

  • Kalzium-Antagonisten,

  • Angiotensin-converting-Enzym-Inhibitoren (ACE-Hemmer) und

  • Angiotensin-II-Rezeptor-Subtyp-1-Antagonisten (AT-1-Blocker)

hatten dagegen keinen positiven Effekt auf die COPD-Exazerbationsrate.

Die Autoren fänden es wünschenswert, wenn die Ergebnisse im Rahmen einer placebokontrollierten randomisierten Studie überprüft würden.

Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

Kommentar aus der Praxis

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Prof. Dr. med. C. Grohé

Die COPD ist eine chronisch inflammatorische Systemerkrankung, die mit einer Vielzahl von Komorbiditäten assoziert ist. Die kardiovaskulären Begleiterkrankungen tragen signifikant zur Morbidität und Mortalität der COPD bei. Retrospektive Untersuchungen belegen, dass eine medikamentöse Optimierung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu einer Reduktion der Exazerbationsrate und somit zur Senkung der Gesamtmorbidität beitragen kann.

Bhatt et al. analysierten die prospektiven Daten der COPD-Gene-Kohorte hinsichtlich der Frage, ob der Einsatz von β-Blockern zur Senkung der Ereignisse führt. COPD-Patienten (GOLD B) unter einer Therapie mit einem kardioselektiven β-Blocker hatten signifikant weniger Exazerbationen. Diese Beobachtung galt auch für die weit fortgeschrittenen Krankheitsbilder der GOLD-Gruppen C und D mit z. B. Sauerstoff-Langzeit-Therapie. Parallele Untersuchungen mit ACE-Hemmern, Kalzium-Kanal- und AT-1-Rezeptor-Blockern zeigten keinen Einfluss dieser Medikamente auf die Exazerbationsrate. Mögliche Ursachen dieser Wirkung der selektiven β-Blocker sind

  • die Frequenzkontrolle bei chronisch respiratorischer Insuffizienz und

  • die potenzielle NO-Generierung.

Die Zurückhaltung, selektive β-Blocker bei Patienten mit fortgeschrittener COPD einzusetzen, scheint nicht angebracht. Bei COPD-Patienten ab Klasse II bzw. B sollte eine regelmäßige Überprüfung der kardiovaskulären Komorbidität angestrebt werden, um die medikamentöse Therapie zu optimieren. Ein differenzialdiagnostisch wichtiges Asthma bronchiale bzw. Asthma / COPD-Overlap-Syndrom sollte vorab ausgeschlossen werden.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Prof. Dr. med. Christian Grohé
Chefarzt der Klinik für Pneumologie Evangelische Lungenklinik Berlin


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Prof. Dr. med. C. Grohé